Wer ist Schuld?
Was ist Schuld überhaupt? Definitionsgemäß handelt es sich laut Duden um die Ursache von etwas Unangenehmem, Bösem oder eines Unglücks, das Verantwortlichsein, die Verantwortung dafür.1 . Es gibt aber noch mehr Bedeutungen, auf die der Beitrag Schuld eingeht.
Die Relevanz der Schuld
Die eingangs genannten Beispiele lassen sich erweitern. Markant ist z.B. wenn die Parteien im Streit darüber zanken, wer angefangen hat. Die Interpunktion der Kommunikation sorgt dafür, dass bei diesem Streit jeder Recht bekommt, weil jeder denkt, nur auf den anderen zu reagieren. Die Schuld hat zwei Aspekte: die Verursachung und die Vorwerfbarkeit. Ein Aspekt geht dabei verloren. Das ist die Beseitigung des Problems.
Die Frage der Verursachung mag sicherlich auch dafür relevant sein. Sie ist, wenn es um die Beseitigung der Krise geht, aber nur dann zielführend, wenn sie Hinweise darauf gibt, wie das Problem (oder die Krise) zu überwinden ist. Es macht also Sinn, zwischen Ereignissen zu unterscheiden, die einmalig eingetreten sind und solchen, die wiederkehren. Corona ist wohl eine anhaltende Krise, also einständiges Problem, die Unwetter wohl jetzt auch. Es macht auch Sinn, die Frage der Verantwortlichkeit zur Herbeiführung und zur Lösung der Krise zu unterscheiden. Ein Interesse an der Überwindung der Krise oder des Streites dürften eigentlich alle Parteien haben.
Die richtige Reihenfolge
Wie lässt sich das Problem lösen, wenn die Frage der Verursachung mit der Verantwortlichkeit verknüpft wird?
Kommen wir wieder auf das Alltagsbeispiel zurück, wo Parteien darüber streiten, wer mit dem Streit angefangen hat. Der Streit endet schnell, wenn sie gefragt werden, was sie davon haben, wenn diese Frage geklärt ist. Wollen sie zum Ausdruck bringen, dass der, der angefangen hat auch dafür verantwortlich ist, den Streit zu beenden? Ist wirklich nur eine Partei dafür verantwortlich? Erwarten sie eine Entschuldigung? Ist das der Weg, sie zu bekommen?
Wie wäre es, wenn die Reihenfolge der Fragen geändert wird? Wenn zunächst gefragt wird, wie der Streit zu beenden ist, um dann zu erkennen wie sich die Verantwortlichkeit verteilt. Der Verteilungsmaßstab ist dann abhängig von den Möglichkeiten, nicht von der Verursachung.
Der zielführende Fokus
Gegen einen Vorwurf wird sich die angegriffene Partei zur Wehr setzen. Immerhin muss sie mit Konsequenzen rechnen. Das Interesse an der Lösung (das beide Parteien haben sollten) und das Interesse, für den Schaden aufzukommen (das nur eine Partei hat), kommen sich jetzt in die Quere. Die angreifende Partei nimmt sich aus der Verantwortung, sodass die Möglichkeiten, ein Problem zu lösen, eingeschränkt sind. Es kommt zur Konfrontation, wenn diese Fragen nicht getrennt werden.
Wie wäre es, wenn der Fokus nicht auf die Frage gerichtet wird, wer Schuld hat und wem ich was vorwerfen kann, sondern auf die Frage, wie ein Problem zu beseitigen oder eine Krise zu überwinden ist? Sollte sich bei der Fragestellung ergeben, dass es keine zufrieden stellende Lösung gibt, ist immer noch genug Raum, nach der Schuld zu fragen. Das zumindest wäre die Herangehensweise der Mediation. Es macht also Sinn, den Gedanken der Mediation auch im Alltag zu verwenden, damit die zielführenden Fragen gestellt werden und die Lösung des Problems, bzw. die Überwindung der Krise in den Vordergrund gestellt wird. Die Suche nach dem Schuldigen könnte davon ablenken. Aber vielleicht ist es genau das, worum es geht.
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