Die Selbstregulierungskräfte der Mediation
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Wesen der Mediation Selbstregulierung Gedanken Eigenschaften Systemik Konstrukt Identifikation
Worauf es ankommt: Die Selbstregulierung ist eine Verfahrenskompetenz, die der Mediation eine ganz eigentümliche Dynamik verleiht. Der Selbstregulierungsmechanismus stellt dem Prozess der Mediation alle Mechanismen zur Verfügung, damit sich die Mediation im konkreten Fall selbst verwirklichen, steuern und kontrollieren kann. Die Mediation besitzt alle Voraussetzungen eines in sich stimmigen, geschlossenen Verfahrens, das alle Merkmale einer verstehensbasierten Lösungsfindung in sich trägt.
Einführung und Inhalt: Die Selbstregulierung ist Bestandteil der Mediationskompetenz. Wird sie übersehen, ist es fraglich, ob der Mediator überhaupt noch eine Mediation durchführt. Auch ist fraglich, ob sich der Flow der Mediation entfalten kann. In jedem Fall dürfte es sich um eine weniger effiziente Mediation handeln. Um dies zu vermeiden, ist der Fokus des Mediators nicht ohne Grund auf die Prozessverwirklichung gerichtet.
Einem ähnlichen Phänomen der Fokussierung begegnen wir in der Mediation. Der Mediator konzentriert sich auf den Vorgang nicht auf das Ergebnis. Er ermöglicht es der Mediation, ihre Wirkung zu entfalten. Die Überlegungen führen zu einer differenzierten Sicht, indem die Kompetenz des Verfahrens gegen die Kompetenz des Mediators abgegrenzt wird. Die Unterscheidung soll mit den Begriffen Verfahrenskompetenz und Mediatorenkompetenz verankert werden. Die Mediationskompetenz fasst die Kompetenz des Verfahrens und die Kompetenz des Mediators zusammen. Dabei besteht die Kompetenz des Verfahrens in der Fähigkeit der Mediation, den Weg auzubereiten, auf dem ein Problem der Lösung zuzuführen ist. Die Kompetenz des Mediators ist seine Fähigkeit, die Mediation zur Entfaltung zu bringen.
Die Kompetenz der Mediation und des Mediators
Abgrenzung zur Autopoiesie
Das Wort Autopoiesis stammt aus dem Griechischen. Es setzt sich aus den Worten "auto" = selbst und "poiesis" = Erzeugung zusammen. Die Autopoiesis beschreibt die Eigenschaft eines Systems, sich selbst zu produzieren und zu reproduzieren. Der Begriff wurde von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela in den 1970er Jahren geprägt. In der Systemtheorie wird der Begriff Autopoiesis verwendet, um die Dynamik komplexer Systeme zu verstehen. Ein autopoietisches System zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur durch seine Bestandteile, sondern auch durch die Beziehungen und Interaktionen dieser Bestandteile definiert wird. Niklas Luhmann adaptierte das Konzept der Autopoiesis für die Soziologie und argumentierte, dass soziale Systeme (wie Recht, Wirtschaft, Wissenschaft) autopoietisch sind, da sie durch Kommunikation ihre eigenen Strukturen und Funktionen erzeugen und erhalten. Die Mediation ist ein autopoietisches System, weil es die Kommunikation innerhalb seiner spezifischen Systemlogik selbst produziert und aufrechterhält.
Komponenten der Selbstregulierung
Es ist ein Beleg für seine Mediationskompetenz, wenn der Mediator die Komponenten identifizieren und zusammenstellen kann, damit sich die Kommunikation innerhalb seiner spezifischen Systemlogik selbst produziert und aufrechterhält. Wer sich mit dieser Logik näher auseinandersetzt wird erkennen, dass nicht der Mediator den Erfolg einer Mediation herbeiführt, sondern die Mediation selbst, als ein in sich geschlossenes System, das zur Selbstregulierung fähig ist. Wenn die Kompetenz des Mediators aus der Fähigkeit besteht, die Mediation zur Entfaltung zu bringen, muss er die zur Selbstregulierung beitragenden Mechanismen kennen. Ihr Ziel ist die Herstellung einer Balance, mit der sich die Stabilität zwischen verschiedenen, oft gegensätzlichen Kräften, herstellen lässt. Entsprechend der Unterscheidung in §2 Abs. 2 Mediationsgesetz soll sich die Auflistung der gegensätzlichen Kräfte auf die Balance der Grundsätze und auf die Balance im Ablauf der Mediation konzentrieren.
Balance der Grundsätze
Wenn Sie sich die Grundsätze der Mediation genauer anschauen, werden Sie auf Widersprüche und daraus resultierende Spannungsfelder stoßen. Die Auswahl der Big five hat einige der Spannungsfelder vorgestellt, die sich bereits aus den begrifflichen Gegensätzen ergeben. Mit den 7 Reitern werden Grundsätze aufgeführt, die sich zugleich befeuern und beschränken. Die Mediation kann und muss die sich daraus ergebenden Spannungen auffangen, um sie in eine stabile Balance zu bringen. Nur so können sich die Selbstregulierungskräfte entfalten. Die auszubalancierenden Grundsätze sind:
- Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit
- Die Freiwilligkeit kann nur dann sinnvoll ausgeübt werden, wenn die Eigenverantwortlichkeit demenstprechend stark ausgeprägt ist. So wie die Eigenverantwortlichkeit eine bedingung der Freiwlligkeit ist, stellt sie zugleich ihre Grenze dar, die Verhindert, dass die Freiwlligkeit nicht sachgemäß ausgeübt wird.
- Allparteilichkeit und Indetermination
- Der Mediator muss eine neutrale Position einnehmen, weil er die Metaebene abbildet. Andererseits muss er den Parteien helfen, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Letzteres wird mit dem Grundsatz der Indetermination sichergestellt. Das Spannungsverhältnis der beiden Grundsätze findet sich in dem Grad wieder, der die Eigenverantwortlichkeit fördert aber nicht fremtbestimmt.
- Augenhöhe und Freiwilligkeit
- Der Grundsatz der gleichen Augenhöhe sichert die Verhandlung. Der Grundsatz der Freiwilligkeit sichert die Win-Win-Lösung.
- Vertraulichkeit und Offenheit
- Vertrauen bedingt die Offenheit und führt dazu. Die Vertrauklichkeit zeigt, wo die Grenzen sind. Ein Vertrauen kann sich kaum entwickeln, wo die Offenbarung nicht vertraulich behandelt wird.
- Informiertheit und Erkenntnis
- In diesem Spannungsverhältnis zeigt sich, wieviel Informationen eingefordert werden, wie viele preisgegeben werden und wie mit fehlenden Informationen umgegangen wird.
Balance des Ablaufs
Der Prozess bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen Kooperation und Konfrontation sowie zwischen Suche und Vorgabe. Die sich aus dem Ablauf des Prozesses ergebende Selbstregulierung verwirklicht sich, wenn der von der Mediation beschriebene Gedankengang die Hindernisse überwindet, die der Lösung im Wege stehen. Der Widerspruch ergibt sich aus den Komponenten, die den mediativen gedankengang beschreiben und denen, die ihm im Wege stehen.
- Zielfestlegung
- Die erste wichtige (und oft übersehene Komponente) ist die Zielfestlegung. Sie steht ganz zu Beginn der Mediation und muss eine Suche initialisieren. Die Suche führt automatisch in eine Kooperation. Die Zielvereinbarung ist nicht mit den Themen zu verwechseln. Deshalb wird sie auch oft als grobe Zielvereinbarung vorgestellt. Das Ziel ist die zu findende Lösung. Sie wird am Nutzen ausgerichtet. Ihre Steuerungselemente sind die Vorgabe der strategischen Ausrichtung. Sie ermöglicht den gemeinsamen Weg (durch das Verfahren). Das gemeinsame Ziel führt in ein paralleles Denken. Das FINDEN einer Lösung setzt die SUCHE voraus. Die Suche legt die Kooperation nahe. Die Nutzenausrichtung lenkt den Fokus in die heile Welt, also vom Problem weg.
- Themenmanagement
- Die Themen sind nicht lediglich eine Sammlung von Fragen, über die in der Mediation zu sprechen ist. Wenn Argumente, Positionen, Motive und Lösungen ausgegrenzt werden, ergibt sich die selbstregulierende, steuernde Wirkung der Themensammlung, weil sie eine Neutralisierung der Positionen bewirkt. In ihr lassen sich Position UND Gegenposition wiederfinden. Auch die Neutralisierung unterstützt das parallele Denken. Die Themen lokalisieren den Konflikt, wenn sie an der Konfliktanalyse ausgerichtet werden. Sie kontrollieren die Konfliktanalyse und erweitern oder korrigieren sie gegebenenfalls. Die so festgelegten Themen erleichtern die Konflikteinsicht der Parteien. Die mit ihr einhergehende Neutralisation der Positionen führt in ihre Akzeptanz, wodurch sich die kognitive Dissonanz bewältigen lässt.
- Lösungskriterien
- Das Sammeln der Lösungskriterien kann auch als Motivarbeit bezeichnet werden. Dieser Begriff fasst die Interessenerhellung, die Motivaufarbeitung und die Konfliktarbeit zusammen. Das Herausarbeiten der Motive in der 3.Phase bewirkt die Verdeutlichung dessen, was gemeint ist. Das Herausarbeiten der Motive begünstigt die Motivation nach einer Lösung zu suchen (also für die Mediation). Die Motive ergeben den erwarteten Nutzen. Die Nutzenerwartung lenkt den Blick in die Zukunft und weg vom Problem. So wird sichergestellt, dass das Problem nicht zum Teil der Lösung wird. Die Nutzenerwartungen ergeben die Erfolgskriterien (den Maßstab) an dem die Lösung zu messen ist. Auf der Motivebene ist eher eine Gemeinsamkeit zu finden, als auf der Lösungsebene.
Die Balance ist hergestellt, wenn die Gedanken aus der kaputten Welt über die heile Welt in die reale Welt, der zu findenden Lösung überführt werden. Es macht sich in einem Flow bemerkbar, wenn die Gedanken auf dem richtigen Weg sind.
Logik, Montage und Systemik
Alle vorgenannten Komponenten alleine bewirken nicht den Flow der Mediation. Deshalb besorgt die Mediationslogik die korrekte Zusammenführung. Sie steuert den Gedankengang und unterstützt den Erkenntnisprozess. Die Folgerichtigkeit der Schritte spezifiziert den jeweiligen Arbeitsauftrag an den Mediator und sichert den Weg einer lösungsunabhängigen Suche und den damit einhergehenden Perspektivwechsel. Es kommt auf das Zusammenspiel der Komponenten an. Jede der Komponenten alleine oder an der falschen Stelle würde nicht die gewünschte Wirkung entfalten. Erst wenn alle funktionalen Einheiten korrekt zusammengeführt werden, kann sich die Mediation verwirklichen. Welche Elemente wie zusammenzuführen sind, ergibt der Montageplan. Ihre wechselseitige Beeinflussung ergibt sich aus der Systemik.
Bedeutung für die Mediation
Die Verwirklichung dieser Kompetenzen ist eine wesentliche Unterstützung des Erkenntnisprozesses und des Verhaltens der Parteien. Der Mediator macht sich die Arbeit unnötig schwer, wenn es ihm nicht gelingt, diese zur Selbstregulierung beitragenden Komponenten zur Wirkung zu bringen. Ihr Zusammenspiel fließt in einen Flow bei dem die Mediation zum Selbstläufer wird. Dort, wo sich die Komponenten nicht verwirklichen, ist über Interventionen nachzudenken.
Was tun wenn ...
- Der Mediator bewegt sich nicht auf der Metaebene
- Falsche Belehrung über Freiwilligkeit
- Der Mediator verkennt die Selbstregulierungskräfte der Mediation
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
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Siehe auch: Selbstregulierungsgrundsatz, Mediationskompetenz
Included: Autopoiesie
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