Lade...
 

Der Rumpelstilzcheneffekt

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zur Werkzeugsammlung der Wiki-Abteilung Werkzeuge und wird im Archiv abgelegt. Thematisch kann sie dem Abschnitt Methodik der Mediation und dem Abschnitt Konflikte des Fachbuchs zugeordnet werden. Beachten Sie bitte auch folgende, damit zusammenhängende Seiten:

Konflikteigenschaften Rumpelstilzcheneffekt Konfliktverständnis Konfliktreife Konfliktverantwortung Emotionskontraste

Der Rumpelstilzcheneffekt beschreibt das Phänomen, dass die Parteien den wahren Namen des Konfliktes nennen müssen, um den Konflikt loszuwerden. Ganz wie im Märchen. Wenn Sie das Rumpelstilzchen als eine Metapher für den Konflikt ansehen, erkennen Sie die Parallelen. Der Dämon erscheint immer zur Unzeit und löst ungute Gefühle aus. Rumpelstilzchen sagt im Märchen aber auch, wie man sich von ihm befreien kann. Man muss nur seinen wahren Namen nennen. Es ist nicht immer leicht, ihn zu erkennen. Das Beispiel passt auch auf Konflikte. Konflikte weisen in die Irre. Sie geben aber auch versteckte Hinweise auf ihren wahren Namen. Wer den wahren Namen des Konfliktes herausfindet, weiß was zu tun ist. Oft verschwindet der Konflikt (ähnlich wie Rumpelstilzchen) auch schon in dem Moment wo sein Name genannt wird.

Das Problem ist, dass der wahre Name des Konfliktes nicht den Gegner beschreibt. Ein weiteres Problem ist, dass er von den Parteien selbst gefunden und gesagt werden muss. Die zentrale Frage lautet dann nicht, was macht der andere falsch, sondern eher: Was löst in mir die Emotionen aus? Der Blick wird auf das Innere der Partei gerichtet. Der Mediator unterstützt das Herausarbeiten des Rumpelstilcheneffektes durch die Windows 1 Technik und das präzise Zuhören, wo die Ich-Botschaften nach vorne gestellt werden. Dabei versucht er, die Bedeutung der Emotionen zu verstehen. Emotionen wollen etwas sagen. Auch wenn es sich für die Partei anders anfühlen mag, sagen sie nichts über den anderen, sondern nur über die Person, in der sie entstehen. Der andere mag einen Anlass geben. Die Gefühle entstehen trotzdem in einem selbst. Warum aber gerade die schlechten und keine anderen? Die Antwort muss lauten: "Weil ich mich betroffen fühle, indem ich ... "

In der Mediation meldet der Mediator stets zurück, was er verstanden hat. Empathie spielt dabei eine wichtige Rolle, weil es um ein emotionales Verstehen geht. Die Rückmeldung soll der Partei helfen, zu erkennen, was genau die unerwünschten Emotionen sind und wie man sie wieder los wird. In dem Moment, in dem sich der Rumpelstilzcheneffekt einstellt, erlangt die Partei die Selbstkontrolle zurück. Die Abhängigkeit vom Gegner löst sich auf. 1

Der wahre Name des Konfliktes

Was ist der wahre Name des Konfliktes und wie kann er herausgearbeitet werden?
Die folgenden Beispiele mögen helfen, den Fokus zu finden, wo der wahre Name des Konfliktes zu suchen ist.

Beispiel 15393 - Wir befinden uns in der dritten Phase der Mediation. Es geht um eine Trennung. Die Ehefrau hat die Trennung herbeigeführt. Sie wirft dem Ehemann vor, dass er ständig von ihr etwas erwartet habe, was sie im Grund gar nicht machen will. Der Ehemann habe sie unterdrückt und nicht zu Wort kommen lassen. Im Grunde hätte sie gar nichts gegen den Mann. Aber sie habe auch ein eigenes Leben. Der Mediator arbeitet mit der Partei den wahren Namen des Konfliktes heraus. Die Frau erkennt, dass es darum geht, sich zu emanzipieren. Der Konflikt mit dem Mann soll ihr zeigen, dass sie lernen muss, sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt sich heraus, dass die Trennung eher eine Flucht ist als ein Versuch, sich dem Konflikt zu stellen.

Beispiel 15394 - Es besteht ein permanenter Streit zwischen dem Vater im mittleren Alter und dem fast erwachsenen Sohn. Der Vater ist ehrgeizig. Der Sohn ist das Gegenteil. Wenn die beiden sich begegnen, kommt es zum Streit. Der Streit eskaliert. In der Mediation erkundigt sich der Mediator, warum sich der Vater so aufregt und was genau seine Emotionen auslöst. "Ja ich will doch, dass aus meinem Sohn etwas wird. Dass er fleißig ist und Karriere macht". "Warum ist Ihnen das so wichtig?", fragt der Mediator. "Das ist doch mein Sohn", lautet die vielsagende Antwort. Der Mediator hinterfragt auch die Bedeutung dieser Aussage und lenkt den Fokus immer wieder auf den Vater zurück. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt sich heraus, dass der Sohn dem Vater sehr ähnlich ist und sein Verhalten den Vater spiegelt. Der Vater wird über den Sohn also mit seinen schlechten Eigenschaften konfrontiert, die er an sich nicht akzeptieren kann. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn ist also ein Sinnbild für einen Konflikt, dem sich der Vater nicht stellen will. Der Name vom Rumpelstilzchen ist deshalb: "Ich muss mich selbst mit mir und meinen schlechten Eigenschaften auseinandersetzen, dann kann ich meinem Sohn sein eigenes Leben geben."

Beispiel 15402 - Eine 74-jährige Mutter, eine Beamtenwitwe, kritisiert den inzwischen 50-jährigen Sohn immer, wenn er zu Besuch kommt. Sie kommt mit seinem unsteten Leben nicht klar und gibt ihm immer gut gemeinte Ratschläge zu seiner beruflichen Ausrichtung. Der Sohn kann ihr zugestehen, dass die penetranten Ratschläge gut gemeint sind. Er weiß auch, dass seine Mutter gar nicht die Informationen hat, um sich ein Urteil zu erlauben. Trotzdem regt sich der Sohn immer wieder auf. Die Beziehung wird belastet. In einer Mediation stellt der Mediator fest: "Sie sagen, dass sich Ihre Mutter gar kein Urteil erlauben kann, weil sie gar nicht die Informationen hat, die eine Einschätzung ermöglichen. Warum regen Sie sich dann so auf?". Im weiteren Gespräch stellt der Sohn fest, dass er sich mental noch nicht von den Eltern abgenabelt (emanzipiert) hat. In dem Moment wo ihm das klar wurde, empfand der die Kritik seiner Mutter nicht mehr als belastend. Er konnte sogar darüber lachen. Daraufhin hat sich die Beziehung zur Mutter wieder normalisiert.


Alle vorstehenden Beispiele haben gemein, dass sich die Auflösung des Konfliktes immer erst dann hergestellt hat, wenn der Blick vom vermeintlichen Angriff weg auf seine interne Wirkung bei der Konfliktpartei gelenkt wurde. Der Fokus richtet sich auch nicht auf Ursachen, sondern auf die emotionale Botschaft schlechthin. Erst die Auseinandersetzung mit der Konfliktpartei selbst trägt dazu bei, den Konflikt zu verstehen und sich von der emotionalen Belastung zu befreien. Emotionen sind sehr komplex. Der Rumpelstilzcheneffekt ist deshalb nur ein Weg, sich davon zu befreien.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-08-09 10:05 / Version 21.

Alias: Rumpelstilzchen
Prüfvermerk:

1 Siehe dazu ausführlich: Der Rumpelstilzcheneffekt


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Mittwoch Dezember 25, 2024 19:06:57 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 2 Minuten