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Der Umgang mit Parallelprozessen

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Unterseite zum Thema Reichweite im Abschnitt Verfahren des Mediationshandbuches.
Es geht um die Frage, wie parallel laufende Prozesse die Mediation beeinträchtigen und Risiken daraus entstehen.. Beachten Sie bitte auch:

Reichweite Umfeldsondierung Parallelprozesse Mediationsgeister Fristen Helfersystem

Das Phänomen der Prozesshäufung wurde bereits im Zusammenhang mit der Verfahrenslandkarte und im Zusammenhang mit der Scheidung erörtert. Hier geht es um die möglichen Einflussnahmen auf die Mediation und was der Mediator tun kann, um die Prozesse zu harmonisieren.


Quo vadis?
Mehrere Köche verderben den Brei


Wenn Sie die Mediation als eine Exklave betrachten, die den Blick auf der Streitsystem und die das Streitsystem beeinflussen, in Systeme erlaubt, dann wird deutlich, dass der Begriff Parallelprozesse nicht nur förmliche Verfahren meint. Im Zusammenhang mit dem Beitrag über die Scheidung wurden auch psychologische und wirtschaftliche Prozesse angesprochen. Hier wird der Begriff Prozess als eine mehr oder weniger vorhersehbare Folge von Aktivitäten verstanden, die während oder nach der Mediation auf die Mediation oder das Ergebnis einwirken können.

Was sind Parallelprozesse

Es gibt vorhersehbare Prozesse und überraschende Ereignisse aus einem nicht vorhersehbaren Vorgang, die den Verlauf der Mediation oder ihr Ergebnis beeinflussen. Parallel laufende Prozesse können Gerichtsverfahren sein, die nicht wegen der Mediation zum Ruhen gebracht wurden, aber auch andere Rechtshandlungen und Ereignisse, wie die überraschende Kündigung eines Darlehens, eines Miet- oder eines Arbeitsverhältnisses, die plötzlich die Verhandlungssituation in der Mediation verändern. Gemeint sind aber auch unbekannte, psychologische Prozesse, die wie zum Beispiel bei einer Scheidung im Hintergrund laufen. Auch Berater, die über die Mediation nicht informiert wurden oder Therapeuten, könnten ihre Arbeit unbeeindruckt fortführen und möglicherweise andere Ziele verfolgen als die der Mediation. Das Leben geht weiter. Wenn diese Vorgänge nicht abgestimmt werden, könnten Sie sich schädlich, auf die Mediation auswirken. der Mediator sollte diese Prozesse, wo immer möglich erkennen und ansprechen und gegebenenfalls eine Umfeldsondierung durchführen.

Umfeldsondierung

Sobald die Parallelprozesse identifiziert sind, ist auf folgendes zu achten:

Die Zielausrichtung

Schon das Sprichwort sagt, dass mehrere Köche den Brei verderben. Das gleiche Prinzip gilt bei der Konfliktbearbeitung. Besonders wenn die Pateien eine Vorstellung davon haben, wie die Lösung auszusehen hat, muss diese Vorstellung nicht zwingend kompatibel mit den Zielen sein, die die Mediation verfolgt. Dann kann es passieren, dass die Parteien sich zwar auf die Mediation verständigen. Daneben ziehen sie jedoch alle Register, um das eigentliche Ziel zu verwirklichen. Dazu ein Beispiel:

Beispiel 11813 - Die Mutter will verhindern, dass der Vater Kontakt mit dem Kind hat. Es kommt zu erheblichen Streitigkeiten. Beide Parteien sind anwaltlich vertreten. Es gibt Verfahren vor dem Jugendamt und die Androhung einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Anwälte raten den Parteien beide zur Mediation. Die Mutter stimmt wiederwillig zu. Taktisch verzögert sie den ersten Mediationskontakt. In der Zwischenzeit beauftragt sie eine Kinderpsychologin, die dem Vater gegenüber schon verlautbart, dass er mit einer Einschränkung des Besuchskontaktes rechnen muss. Interessanterweise erfolgt der Hinweis ohne dass die Psychologin den Vater überhaupt kennengelernt hat.


Gegen die Beauftragung der Psychologin wäre nichts zu sagen, wenn der Auftrag ein Zwischenergebni sder Mediation ist und aus einem kooperativen, aufeinander abgestimmten Verhalten heraus erfolgt. Bei der beschriebenen Vorgehensweise lässt sich schon erahnen, dass je nach dem Ausgang der psychologischen Untersuchung ein Widerstand entsteht, der zu einer gerichtlichen Untersuchung führt, wo ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben wird. Die Mutter mag die Argumente auf ihrer Seite haben. Ihre Vorgehensweise legt jedoch den Verdacht nahe, dass es ihr auf etwas anderes ankommt. Sie will den Kontakt zum Vater einschränken und versucht, Fakten zu schaffen.

Das Ziel der Mediation ist das Finden einer Lösung. Der Weg dorthin ist die gemeinsame Suche nach der Lösung. Der Mediator mag dieses Ziel nach vorne stellen und gegebenenfalls im Nachgang darauf hinwirken, dass die Gutachterin das gleiche Ziel im Blick hat. Mit anderen Worten: Der Mediator erstreckt die Zielvereinbarung der Mediation auf alle möglichen und anhängigen Verfahren und Vorgänge.

Zielvereinbarung 

Die Neufokussierung

Mit der Zielausrichtung einher geht die Fokussierung der Gedanken. Besonders dann, wenn das Verhalten der Partei durch Emotionen gesteuert wird, ist die Gefahr groß, dass der langftrsitige Nutzen aus dem Blick gerät. Emotionen suchen Befriedigung. Weitergehende Wirkungen haben sie nicht im Blick. Auch wenn es darum geht, ein Problem zu lösen, liegt der Fokus nicht auf dem Nutzen. Watzlawick hat in beeindruckender Weise dargestellt, wie das Problem stets Teil der Lösung ist.1 .

Fokussierung

Abhilfe schafft eine Veränderung des Fokus. Seine Neuausrichtung mag helfen, den Blick vom Problem weg zum Nutzen zu richten. Die Zielvereinbarung in der Mediation ist der erste Schritt in diese Richtung. Wenn sich diese Zielausrichtung allerdings nur auf die Mediation beschränkt, können Parallelprozesse den durch die Mediation auf den Nutzen gerichteten Fokus wieder verwässern. Bei einer Verfahrenshäufung mag deshalb darauf geachtet werden, dass der Fokus insgesamt auf den Nutzen gelenkt wird. Die Verfahrenslandkarte kann das Phänomen grafisch verdeutlichen.

Verfahrenslandkarte

Die Zweckerklärung

Besonders bei dem Lauf von Fristen kann die Partrei gezwungen sein, eine Klage zu erheben.

Beispiel 11814 - Die Klage wird erhoben, damit der Ablauf einer Rechtsmittelfrist nicht die Einlegung des Rechtsmittels verhindert. Eine Kündigungsschutzklage wird erhoben, um die Möglichkeit der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung zu erhalten.


Oft werden die Maßnahmen nur durechgeführt, um im Falle des Scheiterns der Mediation Rechtsnachteile zu vermeiden. Die Gegenseite neigt dauzu, dies als Angriuff zu werten. Der Mediator sollte Maßnahmen ergreifen, dass die prozessual gefordferten Schritte nicht falsch verstanden werden. Sinnvoll ist deshalb eine Vereinbarung im Mediationsvertrag, der die Parteien verpflichtet, jede gerichtliche Maßnahme mit dem Medfiator abzustimmen.

Die Waffenstillstandsvereinbarung

Eine weitere Möglichkeit, die negativen Einflüsse der Parallelprozesse zu verhindern, ist die Vereinbarung eines Waffenstillstands. Die Parallelprozesse beschränken sich nicht nur auf die sachbezogenen Verfahren. Solange sich die Parteien in einer Konfrontation befinden, nutzen sie jede Gelegenheit, den Gegner anzugreifen. Dazu ein weiteres Beispiel:

Beispiel 11815 - Bei dem Beispiel geht es wieder um den Umgang des Vaters mit seinem Kind. Der Streit ist extrem hoch eskaliert. Ein Kontakt mit dem Kind findet zwar statt. Er ist aber mit vielen Hürden verbunden. Um sich vor Angriffen zu schützen, wurde eine Kindesübergabe mit Zeugen und Videoüberwachung vereinbart. Trotzdem gelingt es der Mutter kleinste Anlässe für Strafanzeigen wegen Beleidigung und Körperverletzung zu nutzen, die der Vater natürlich bestreitet und mit Gegenanzeigen wegen Verleumdung beantwortet.


Bei hoch eskalierten Konflikten ist es nicht selten, dass die Parteien sich zwar auf das Ziel der Mediation und ihren Weg der Suche verständigen. Sie halten sich jedoch nicht an die Vereinbarung. Die Mediation braucht Ziet, bis es ihr gelingt, die Parteien dazu zu bringen, ihre Emotionen zu reflektieren und zu kontrollieren. Der Mediator muss überlegen, wie er die Mediation absichert und von Paralleleinflüssen befreit oder diese einbezieht. Eine Möglichkeit bietet die sogenannte Waffenstillstandsvereinbarung.

Waffenstillstandsvereinbarung 

Die Kompetenzerweiterung

Leider hat der Mediator nur Einfluss auf die Parteien in der Mediation. Ihre Außenwelt kann er nur mittelbar beeinflussen, indem er den Parteien hilft, sich auf die Mediation zu konzentrieren. Was aber hindert ihn daran, auch die Umwelt unmittelbar in das Verfahren und den nutzenorientierten Fokus einzubinden? Wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind, kann er beispielsweise (mit Zustimmung der Parteien) Kontakt zu den Anwälten aufnehmen. Das gleiche gilt für den Richter oder den Gutachter.

Besonders bei hoch eskalierten Konflikten neigen die Parteien dazu, ständig aus dem kooperativen Verfahren ausbrechen zu wollen. Leider finden sie auch stets einen Anwalt, einen Richter oder einen sonstigen Dienstleister, der sie dabei unterstützt. Kaum jemand hat den gesamten Prozess im Blick. Um dies zu verhindern kann der Mediator die Parteien beispielsweise auffordern, das Merkblatt für das Helfersystem zu verteilen, wenn er die darin enthaltenen Informationen (natürlich nur mit der Erlaubnis der Parteien) nicht selbst in das Helfersystem einführt.

Merkblatt für das Helfersystem

Das Konzept der Integrierten Mediation geht noch weiter. Die Erfahrungen im Altenkirchener Modell und in der CochemerPraxis haben gezeigt, wie wichtig es ist, wenn die richterliche Autorität die Parteien anhält, sich zu einigen. Die Cochemer Praxis ging so weit, dass Parteien in einer Kindschaftssache keinen Anwalt gefunden hätten, der einen Streit zu Lasten der Kinder unterstützt. Die Parteien ahtten also keine andere Wahl, als sich auf den kooperativen Prozess einzulassen. Die gerichtliche Entscheidung war ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, wenn die umfasenden Einigunsgversuche der Parteien gescheitert sind. Anders ausgedrückt: Sowohl im Altenkirchner Modell wie bei der Cochemer Praxis wurde der Weg in die Kooperation geebnet, indem der Weg in die Konfrontation erschwert wurde. Der Mediator selbst kann diese Autorität wegen des Grundsatzes der Freiwilligkeit nicht zur Verfügung stellen. Er kann sich aber mit dem Gericht abstimmen, um dessen Autorität zu nutzen.

Bedeutung für die Mediation

Wenn die Mediation wie es das auf der kognitiven Mediationstheorie basierende Konzept der Integrierten Mediation nahe legt, auch als ein virtueller Prozess verstanden wird, lassen sich die Parallelpropzesse an der Mediation messen. Dann müssen die Zielvereinbarung und die Abarbeitung der Phasen auch auf diese Prozesse erstreckt werden. Der Mediator kann also fragen:

  • Welches Ziel verfolgen Sie mit diesem oder jenen Prozess?
  • Von welcher Bestandsaufnahme gehen Sie in diesen Prozessen aus?
  • Welchers sind die Kriterien der Lösung?

Wenn diese Fragen beantwortet sind, lassen sich Bezüge zur Medfiation herstellen. Der Mediator kann die offenen Fragen und stzreitige Punkte herausarbeiten und in die laufende Mediation einbeziehen.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen. Zitiervorgabe im ©-Hinweis.

Bearbeitungsstand: 2023-06-05 07:17 / Version 26.

Siehe auch: Mediation-Prozess, Clearing, Parallelprozesse, Verfahrenslandkarte, Fokus
Prüfvermerk: -

1 Siehe Kreativität


Based on work by Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 3, 2024 14:23:37 CET.

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