Lade...
 

Kairos, der richtige Moment

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zur Werkzeugsammlung der Wiki-Abteilung Werkzeuge und wird im Archiv abgelegt. Thematisch kann sie dem Abschnitt Methodik der Mediation des Fachbuchs zugeordnet werden. Beachten Sie bitte auch folgende, damit zusammenhängende Seiten:

Werkzeugsystematik Moment Zeit Zusammenstellung Schlagwortsuche Moment 

Es gibt kaum ein Hindernis auf dem Weg zur Konfliktbeilegung, das mit einer gezielten Maßnahme oder einer einzelnen Intervention zu überwinden ist. Selbst wenn an einzelne Maßnahmen gedacht wird, müssen sie in den Moment, in die Begebenheit und in den Rahmen passen, damit sie die gewünschte Wirkung entfalten können. Der "richtige" Moment wird als das Window of Opportunity beschrieben. Es handelt sich um ein Werkzeug der Mediation, wenn es darum geht, den Moment zu erkennen. Die Werkzeuge helfen bei der Verwirklichung der Mediation. Es ist also wichtig, sie im Einzelnen zu kennen und korrekt anzuwenden. Damit die Werkzeuge ihre Wirkung entfalten können, kommt es entscheidend darauf an, den passenden Zeitpunkt für die richtige Intervention, Maßnahme oder Entscheidung zu erkennen.

Abgrenzungen

Es gibt viele viele Reifeprozesse, die auf die Mediation einwirken und auf die die Mediation einwirkt. Es gibt dementsprechend viele Entscheidungsmomente, die von Reifegraden abhängen und voneinander zu unterschieden sind.

Entscheidungsreife
Im Juristischen wird von der Entscheidungsreife gesprochen, wenn alle Fakten vorliegen, um eine Entscheidung zu treffen. In der Mediation liegt die Entscheidungsreife erst vor, wenn sich aus den Verhandlungen eine Lösung herausbildet, die den zuvior erarbeiteten Kriterien entspricht. Entscheidungsreife bedeutet jetzt, dass die Parteien die Abschlussvereinbarung unterzeichenn können.
Verhandlungsreife
Der Entscheidungsreife geht in der Mediation die Verhandlungsreife voraus. Die Verhandlungsreife ist gegeben, wenn alle Nutzenkriterien für die Lösung herausgearbeitet wurden, die in der Lage sind, den Konflikt zu überwinden und die von allen Parteien verstanden und akzeptiert werden.
Konfliktreife
Hier geht es um die Frage, wann die Mediation reif ist für die Konfliktbeilegung und wann der Konflikt reif ist für eine Mediation. Mit dem Begriff der Konfliktreife soll der Grad der Entwicklung (Ausbildung) eines Konfliktes und der Moment bezeichnet werden, wann der Konflikt bereit ist, in einer bestimmten Art und Weise behandelt zu werden.
Strategiereife
Die Konfliktreife geht mit einer strategischen Reife einher. Die strategische Reife lässt sich anhand der Theorie zur Konfliktevolution von Schwarz bestimmen. Demnach wechseln Parteien ihre Strategie erst, wenn eine andere Strategie ihnen größere Vorteile verspricht. Das strategische Verhalten geht mit der Konflikteskalation einher, wo nicht nur strategische Argumente ausschlaggebend sind.
Momentreife
Die Mediation besteht allerdings nicht nur aus den groben Verfahrensmarken, die den nächsten Schritt ankündigen. Es gibt viele kleine Momente und Gelegenheiten, die Maßnahmen und Entscheidungen erfordern, mit denen sich der Prozess überhaupt erst in eine Verhandlungsreife oder eine Entscheidungsreife entwickeln kann. Auch bei diesen Maßnahmen und Entscheidungen kommt es darauf an, dass sie im richtigen Moment vorgenommen werden. Dieser Moment wied als Gelegenheitsfenster oder als das Window of Opportunity bezeichnet und auch mit dem Kairos gleichgesetzt. Kairos ist ein Begriff aus dem Altgriechischen. Er lässt sich mit dem rechten Maß oder mit der guten Gelegenheit übersetzen. Laut Wikipedia wird Kairos in biblischen Texten für einen von Gott gegebenen Zeitpunkt, eine besondere Chance und Gelegenheit, den Auftrag zu erfüllen, verwendet.1

Prozessverlauf

Jeder Reifeprozess beschreibt eine Entwicklung, die sich auf einem Zeitstrahl abbilden und in Stufen (oder wie in der Mediation in Phasen) einteilen lässt. Es gibt eine interne Logik, aus der sich der nächste Entwicklungsschritt ableiten lässt. Für den Mediator kommt es darauf an, alle Prozesse im Blick zu haben und aufeinander abzustimmen.

Beispiel 11806 - Zwei Schwertkämpfer stehen sich gegenüber. Der eine hebt das Schwert über seinem Kopf, um es von oben auf den Kopf des anderen zu schlagen. Der andere sieht, wie der eine Schwertkämpfer das Schwert über seinen Kopf hebt. Er weicht aus. Der Schwertkämpfer sieht die Ausweichbewegung und korrigiert die Schlagrichtung. Die Ausweichbewegung war im falschen Moment. Sie war zu früh gewählt. Wird sie zu spät gewählt trifft das Schwert den Kopf. Nur wenn sie im richtigen Moment stattfindet, erzielt sie die gewünschte Wirkung.

Gelegenheitsfenster

Die Mediation ist ein Prozess der gesteuerten Erkenntnisgewinnung.2 In diesem Prozess fällt auf, dass dieselbe Frage, dieselbe Maßnahme, dieselbe Intervention ihre Wirkung verfehlt, wenn sie im falschen Moment eingebracht wird. Anders formuliert vereitelt sie die gebotene Erkenntnis, wenn ihre Grundlage fehlt.

Beispiel 15198 - Es macht keinen Sinn eine Mediation vorzuschlagen (oder Verhandlungen), wenn die Parteien derart stark in ihrer Konfrontation gebunden sind, dass sie außer dem Sieg nichts anderes im Sinn haben. Die Mediation wird möglich, wenn sich die Konfrontation so weiterentwickelt, dass ein Sieg nicht mehr möglich ist oder wenn es jemandem gelingt, den Parteien die Einsicht zu vermitteln, dass der Krieg nur zum Verlust führen kann. In allen Fällen kommt es darauf an den Moment zu erwischen, in dem die Einsichtsfähigkeit herbeigeführt werden kann.


Das Prinzip, für alles den richtigen Moment zu finden, gilt besonders in der Mediation. Hier ist nur die Frage, wann der richtige Moment wofür ist und wie der Mediator das Window of Opportunity erkennen kann.

Erkennbarkeit

Es ist nicht leicht, in einem derart komplexen Verfahren wie die Mediation, diesen Moment zu finden. Dementsprechend schwierig ist es auch, ihn zu beschreiben. Anhaltspunkte ergeben die Phasenkonsistenz und das Verständnis des Kognitionsprozesses. In der Mediation arbeiten wir mit Gedanken nicht mit Schwertern. Die Gedanken werden wie Bausteine aufeinander aufgesetzt. Fehlt das gedankliche Fundament (die Phasenkonsistenz), bricht das Gedankengebäude zusammen. Bestenfalls ist es instabil. Auf dem Fundament wird ein Gedanke auf dem nächsten aufgesetzt. Jetzt kommt es also darauf an, dass der Mediator und die Parteien die gleichen Bausteine verwenden. Der Mediator synchronisiert also nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Gedanken.

Gedanken müssen sich entwickeln. Das braucht Zeit. Sie müssen in den Kopf der Parteien passen und sich mit ihren Erfahrungen decken. Wenn dieser Zustand erreicht ist ergibt sich das Window of Opportunity für den nächsten gedanklichen Baustein.

Bedeutung für die Mediation

Was man nie vergessen darf, ist die Anforderung der Mediation, dass die Parteien die Lösung finden sollen. Also müssen die dazu führenden Gedanken und Erkenntnisse in deren Köpfen entstehen. Nicht nur das, sie müssen auch gleichförmig entstehen, weil nur so ein Ergebnis gefunden werden kann, das auf dem Verstehen aller aufsetzt.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-08-09 10:17 / Version 30.

Alias: Window of Opportunity, Kairos
Siehe auch: Aikido und die Mediation, Werkzeuge, Zusammenstellung, Technikenverzeichnis, Verhandlungsreife
Prüfvermerk:


Based on work by anonymous contributor und Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 21, 2024 23:30:36 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 2 Minuten