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page id: 1560 Wem nutzt die Mediation? Abteilung »  Praxis Inhaltliche Zuordnung »  Prozess

4. Station: Der Nutzen

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Es geht um die optimale Konfliktbeilegung und eine einfühlsame Darlegung der Herausforderungen.

Tourstart


Wozu brauchen wir das? Die nächste Station unserer Tour durch die Mediation setzt sich mit der Frage ihres Nutzens auseinander. Auch hier begegnen wir der Komplexität der Mediation und folgenden Überlegungen:


Je mehr sich die Parteien auf das Ergebnis konzentrieren, umso mehr gerät der Nutzen aus dem Fokus. Nicht alle Verfahren haben den Nutzen im Blick.

Wozu das Weicheigelaber.
Der/die macht ja eh' was er/sie will.
Dem/der muss man mal zeigen, wo der Hammer hängt!

Solche Gedanken geben einer wütenden Partei sicher kurzfristig ein gutes Gefühl. Ist es aber wirklich das was sie zur Konfliktlösung braucht? Letztlich obliegt es jeder Partei individuell zu entscheiden, was zur Konfliktlösung beisteuern soll und was nicht. Sie sollte die Entscheidung mit Bedacht und in Kenntnis der Umstände und Konsequenzen treffen. Die folgende Umfrage mag einen Eindruck geben, worauf es ankommt:

Was brauchen Sie zur Konfliktbeilegung?

 Merke:
Leitsatz 5474 - Es ist zwischen dem Nutzen des Verfahrens und dem Nutzen zu unterscheiden, den die Lösung einbringen soll!

Die unterschiedlichen Bedarfe

Die Parteien müssen wissen, was sie brauchen

Je genauer die Parteien ihren Bedarf beschreiben können, umso zuverlässiger wird die gegebenenfalls nachzufragende Dienstleistung oder das durchzuführende Verfahren dazu beitragen, dass sie zufriedengestellt sein werden. Grundsätzlich ergibt sich ein Bedarf aus dem, was gebraucht wird. Gebraucht wird, was man selbst nicht hat oder herstellen kann.

Die Komplexität wäre kein Thema der Mediation, wenn sich ihre Vielschichtigkeit nicht auch auf den Bedarf (also auf die Frage was wozu gebraucht wird) auswirken würde. Um dieser Frage nachzugehen, müssen verschiedene Bedarfe und Bedarfsebenen unterschieden werden:

  1. Da ist zunächst der Bedarf für ein Verfahren (Streitbedarf).
  2. Damit zusammenhängend entsteht der Bedarf für die dazu gehörige Dienstleistung (Dienstleistungsbedarf).
  3. Hinzu kommt der Bedarf in der Sache, der auf eine zufriedenstellende Problemlösung gerichtet ist (Lösungsbedarf).

Es gibt zwei Ebenen die strikt voneinander zu trennen sind1 . Die eine Ebene betrifft das zu lösende Problem, also den Fall (nachfolgend als Fallebene bezeichnet), die andere betrifft den dafür zu gehenden Weg, also das Verfahren (nachfolgend als Verfahrensebene bezeichnet). Wie sich der Bedarf auf die Dienstleistung auswirkt, wird im Kapitel Bedarf näher erläutert.

Bedarfsermittlung für die Dienstleistung

Ein Bedarf zielt immer darauf ab, eine Befriedigung zu erwirken. Die Befriedigung wird mit dem Nutzen gleichgesetzt. Zur Auseinandersetzung mit der Nutzenerwartung innerhalb einer Konfliktbeilegung sind folgende Bedarfe zu unterscheiden:

Streitbedarf

Die Parteien müssen eine Vorstellung haben, wie sie den Streit beilegen

Der Streitbedarf betrifft das Verfahren, also die Verfahrensebene. Die Konflikttheorie beantwortet die Frage, wie überhaupt der Bedarf zur Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens entsteht.

Variante A
Die betroffene Partei verficht im Streit einen Standpunkt, der sich zur Position verdichtet hat. Dem Gegner wird vorgeworfen etwas falsch gemacht zu haben. Das muss er in Ordnung bringen.2 Aus irgendeinem Grunde macht er das aber nicht. Deshalb muss er dazu gebracht werden. Weil die betroffene Partei dafür keine legalen Möglichkeiten besitzt, schaltet sie ein Gericht ein, um den Gegner zum Handeln zu zwingen. In dieser Logik bezweckt das Verfahren die Durchsetzung einer Lösung, die sich über das Recht definieren lässt. Das Gerichtsverfahren ist deshalb die logische Konsequenz, wenn es darum geht, eine Lösung durchzusetzen.
Variante B
Der Konflikt entwickelt sich wie unter A beschrieben. Allerdings hat die Partei keine Idee davon, wie der Konflikt beizulegen ist. Wenn sie sich dazu bekennt, eine Lösung zu finden, benötigt die betroffene Partei die Kenntnis wo zu suchen ist. Sie benötigt die Metaebene als perspektivische Basis um den Konflikt verstehen zu können.

Formular: Hilfe bei der Verfahrensauswahl Ihre Vor- und Nachteile

Verfahren
Lösungsbedarf

Lösungsbedarf

Die Parteien müssen wissen, was wie zu welcher Lösung führt
Der Lösungsbedarf betrifft die Fallebene. Im konventionellen Denken könnte sich ein Zirkelschluss ergeben, wenn die Frage,Was die Partei braucht, um die (Fall-)Lösung zu erreichen beantwortet wird mit:

... einen guten Rechtsanwalt!


Eine derartige Anwort zeigt, dass noch das Denken an die Lösung dominant ist und dass die Lösung noch nicht hinterfragt wird. Es wäre die Aufgabe eines guten Beraters darauf hinzuwirken.

Dienstleistungsbedarf

Die Parteien müssen eine Vorstellung haben, welche Unterstützung sie benötigen

Die Frage nach der Dienstleistung liegt ebenfalls auf der Verfahrensebene, denn sie orientiert sich an der Wahl des passenden Verfahrens.

Variante A
Wenn der Weg ins Gerichtsverfahren geht, benötigt die Partei alles was man braucht um ein Gerichtsverfahren erfolgreich durchzuführen. In erster Linie ist das natürlich die Rechtskenntnis, aber auch das Wissen über das Verfahren, den Umgang mit dem Gericht usw.
Variante B
Wenn es darum geht, eine Lösung zu finden, muss der Dienstleister zu einer effizienten Suche verhelfen. Bedarf = Metaebene braucht dritten

Formular: Hilfe bei der Wahl der passenden Dienstleistung

Der unerkannte Nutzen

Der Mensch neigt dazu, Lösungen zu denken, ohne den Nutzen zu hinterfragen. Der Fokus wird auf ein Ergebnis gerichtet, nicht auf den Nutzen.

Die Tragik der Lösungsorientierung

Wie bereits beim Bedarf muss auch bei der Nutzenfestlegung zwischen der Fallebene und der Verfahrensebene unterschieden werden.

Nutzen auf der Fallebene

 Merke:
Leitsatz 5475 - Grundsätzlich sollte die Lösung erst festgelegt werden, nachdem der zu erwartende Nutzen geklärt ist.

Dieser Grundsatz gilt zumindest dann, wenn die Lösung darauf abzielen soll, eine Befriedigung herzustellen. Der fallbezogene Lösungsbedarf erschließt sich über das Interesse an der Lösung. Er betrifft die Fallebene. Das Interesse ergibt sich aus dem Motiv und beschreibt die gewünschte Befriedigung als den zu erwartenden Nutzen. Typische Fragen zur Nutzenermittlung sind:

Beispiel 11804 - "Was habe ich davon, wenn sich die Lösung wie gewünscht herstellt?". Oder: "Habe ich alles was ich brauche, wenn die Lösung herbeigeführt ist?".


Der so ermittelte Nutzen ergibt die Kriterien für die Lösung, indem er die konfliktfreie (konfliktüberwundene) Zukunft beschreibt. In der Mediation erfolgt dieser Arbeitsschritt in der 3.Phase. Die Lösung besagt, wie diese Zukunft herzustellen ist. Dieser Arbeitsschritt erfolgt in der Mediation in der 4.Phase. Die Lösung muss sich an den Nutzenkriterien der 3.Phase messen lassen.

Nutzen auf der Verfahrensebene

 Merke:
Leitsatz 5476 - Das Verfahren sollte auf den zu erwartenden Nutzen abgestimmt sein und dazu beitragen, ihn zu verwirklichen!

Üblicherweise wird die Frage nach dem Nutzen (wenn überhaupt) außerhalb des Verfahrens gestellt. Meistens wird ein Nutzen unterstellt. Die Nutzenerwartung ist eine Frage, mit der sich die Parteien gegebenenfalls mithilfe der Berater in jedem Fall auseinanderzusetzen haben.3

Die Frage nach dem passenden Verfahren beantwortet die Frage nach dem Nutzen auf der Verfahrensebene. Sie sollte mit der Nutzenerwartung einhergehen und beschreiben, wie sie zu verwirklichen ist. Die Mediation hinterfragt den beiderseitigen und gemeinsam Nutzen innerhalb des Verfahrens. Die Erwartung, dass das Verfahren zu einer Befriedigung führt ist deshalb in der Mediation dramatisch höher als in anderen Verfahren. Um diesen Eindruck zu belegen, helfen allgemeingültige Kriterien, die Vor- und Nachteile der Verfahren und ihre Nützlichkeit gegeneinander abzuwägen.

Ihre Vor- und Nachteile

 Merke:
Leitsatz 5477 - Die Mediation ist das einzige Verfahren, das den Nutzen der Lösung als Erfolgskriterium im Verlauf des Verfahrens selbst ermittelt und verbindlich festlegt!

Wer sich auf die Mediation einlässt, könnte die Frage nach der Lösung und ihrem Nutzen zurückstellen. Die Fragen werden in der Mediation behandelt. Die Mediation generiert die Lösung aus dem Prozess. Es ist deshalb korrekt, wenn ein Mediator zu Beginn der Mediation noch keine Idee hat, wie die Lösung aussehen könnte. Dafür weiss die Partei, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, dass die in der Mediation gefundene Lösung auch funktioniert.

Was tun wenn ...

Verfahrensstand

Im Babysitterfall haben die Parteien erkannt, dass Sie selbst die Lösung finden müssen. Dazu brauchen Sie Hilfe. Sie möchten erkennen können, wie sie eine Lösung finden, mit der sie beide und vor Allem das Kind gut zurecht kommen. In einem Punkt sind sie sich einig: Sie würden alles dafür tun, dass es dem Kind gut geht. Eine Idee, wie das Problem im Interesse aller zu lösen ist, haben sie nicht. Im Gegenteil: sie glauben, eine Lösung außerhalb des Streites sei gar nicht möglich!

Fahrplan (nächste Station)

Die Parteien entscheiden sich für eine Mediation. Sie möchten wissen, wie das Verfahren abläuft und welche Verpflichtungen sich daraus ergeben.

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Hinweise und Fußnoten

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Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2023-02-07 11:08 / Version 15.

Alias: Nutzenerwägung, Streitbedarf, Lösungsbedarf, Dienstleistungsbedarf

1 Siehe Systemik
2 Siehe Konflikttheorie, (naming, blaming claming)
3 Siehe zum Verhältnis von Forderung, Interesse und Nutzen die Ausführungen zum Lösungspentagramm


Based on work by anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Page last modified on Monday June 5, 2023 06:22:20 CEST.