Lade...
 

Die Notwendigkeit einer Konfliktbearbeitung

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 6. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um den Kern des Verfahrens, nämlich die Konfliktbearbeitung.

Tourstart


Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Wir befinden uns auf der sechsten Station unserer Reise. Jetzt nähern wir uns der Schlangengrube. Sie erinnert uns daran, worum es wirklich geht, nämlich die Bewältigung des Konfliktes. Die Schlangengrube ist das synonym für den menschlichen Morast. Die Sorgen und Ängste denen man im Konflikt so gerne aus dem Weg gehen will. Es gibt einen besseren Weg.

Der Konflikt wird oft mit einer Schlangengrupe verglichen. Das klingt gefährlich und ist etwas, in das man nicht hineintreten sollte. Wie aber sollen Sie den Konflikt sonst lösen? Die Mediation zeigt einen Weg, der über die Schlangengrube hinewgführt, ohne dass Sie hineintreten müssen. Sie sehen die Schlangen zwar, kommen mit ihnen aber nicht in Berührung. Wenn die Mediation mehr sein will als nur eine Streitbeilegung und wenn sie stattdessen helfen will, den Konflikt (vollständig) zu überwinden, muss sich den Ängsten und Nöten der Parteien stellen können. Dazu eignet sich nicht jede Mediation. Wohl aber eine transformative und eine integrierte Mediation.

Vorbereitung

Wie jede andere Mediation erfolgt der Ablauf in den Phasen der Mediation. Lediglich die Interessenerhellung in Phase drei soll tiefer gehen und statt dessen eine Konfliktarbeit mit dem Ziel ermöglichen, den Konflikt tatsächlich zu lösen. Wenn eine Transformation des Konfliktes gewünscht ist, müssen sich der Mediator und die Parteien dem Konflikt stellen. Er sollte mit den Parteien abstimmen, welche Bearbeitungstiefe gewünscht wird. Die Frage hat auch Auswirkungen auf die Honorierung.

Die Parteien müssen wissen, dass sie Einfluss auf die Tiefe der Konfliktbearbeitung haben

Das gewählte Mediationsmodell entscheidet, ob lediglich eine Interessenerhellung oder eine Konfliktarbeit erfolgen soll. Danach ergibt es sich, wie tief die Arbeit am Konflikt gehen soll. Die hier beschriebene Auseinandersetzung mit dem Konflikt fügt sich in den Ablauf ein, der für jede Mediation typisch ist.1 Lediglich die Bearbeitungstiefe unterscheidet sich.

 Merke:
Leitsatz 6089 - Das Konzept der Mediation besteht darin, nicht gegen, sondern mit der Dynamik des Konfliktes zu arbeiten.

Schlangengruben und Stromkreise

Im Idealfall entspricht jedes Thema einem Konflikt. Indem die Themen den Konfliktdimensionen zugeorndet werden, lässt sich die Bearbeitungstiefe nahezu automatisch bestimmen. Die Entscheidung, welche Themen erörtert werden, obliegt stets den Parteien.

Die Parteien müssen wissen, dass nur ein thematisierter Konflikt gelöst werden kann

Zwei Bilder sollen die Ausgangsbasis dafür sein, um zu beschreiben, wie die Mediation mit Konflikten umgehen kann und will.

Das erste Bild lieferte Thomann.2 Er sagte einmal in einem Vortrag: "Wir müssen mit den Menschen durch die Schlangengrube gehen, wenn wir ihren Konflikt lösen wollen". Er war ein Psychotherapeut. Und er hatte Recht. Was er beschrieb, ist der Unterschied zwischen der facilitativen Mediation und der transformativen Mediation.

Das zweite Bild stammt von Igor Albanese.3 Er meinte: "Als Mediator fühle ich mich wie in einem Raum, wo man in der einen Ecke den Stecker findet, die Steckdose aber am anderen Ende liegt. Als Vermittler versuche ich, Stecker und Steckdose zueinander zu bringen, um den Stromkreis zu schließen". Auf die Frage wie er das denn mache, ob er die Wand einreißen wolle oder ob der Stecker sich zur Wand zu bewegen habe, antwortete er: "Ich nehme ein Verlängerungskabel. Dann können Stecker und Steckdose einander nähern, um den Stromkreis wieder zu schließen".

Die zwei Bilder beschreiben die (transformative) Mediation: Eine Schlangengrube, die es irgendwie zu überwinden gilt und ein Stromfluss, der wiederherzustellen ist, damit die Menschen wieder im Miteinander agieren können, ohne sich vor der Schlangengrube fürchten zu müssen.

 Merke:
Leitsatz 6090 - Der Mediator hilft Wege zu finden, wie Menschen wieder zueinander finden und hilft ihnen dabei Hindernisse zu überwinden, die dem entgegen stehen.

Der Weg in die Schlangengrube

Durch die Schlangengrube zu gehen ist definitiv keine Freude. Gut, wenn wir wissen, dass die Mediation einen sicheren Weg kennt. Er geht über die Schlangen hinweg und nicht durch sie hindurch. Diesen Weg beschreiben die Modelle der transformative Mediation und der integrierten Mediation, jede auf ihre Weise. Der Ausgangspunkt für den Gang durch die Schlangengrube ist in jedem Fall der Konflikt der Parteien. Der Konflikt ist der Ursprung allen Übels - zumindest auf den ersten Blick. Zumindest ist er das, worunter Menschen zu leiden haben, ganz gleich, ob sie sich das eingestehen oder nicht. Um sich von dem Konflikt zu befreien neigen sie dazu das auszulöschen, was sie als dessen Ursache ansehen. Sie gehen davon aus, dass sie die Lösung ebenso wie den Grund kennen, der den Konflikt ausgelöst hat. mehr noch, sie wissen sogar, wer dafür verantwortlich ist und wer was zu ändern hat, damit sie vom Konflikt befreit werden. Diese Art des Denkens, führt sie direkt unter die Schlangen in der Schlangengrube. Dort landen dann beide Parteien, weil beide so denken

Der Weg über die Schlangengrube

Um die Schlangengrube zu durchqueren, müssen wir umdenken, wenn wir verhindern wollen, dass die giftigen Schlangen uns beißen. Die Mediation kennt einen schonenden Umgang mit Schlangengruben. Sie führt (meistens) nicht hindurch, sondern darüber hinweg. Die Gefahr gebissen zu werden ist dann nicht so groß. Der Weg über die Schlangengrube hinweg erfordert ein anderes denken als das, was wir über über tausenden von Jahren gelernt haben. Und doch ist es nicht neu. Nein, es geht nicht darum Konflikte schön zu reden oder uns einzureden wir bräuchten Konflikte um etwas zu verändern. Konflikte sind nicht der Moder der Veränderung, sie sind ihr Symptom. Natürlich hängt diese Sicht davon ab, was wie wie unter Konflikten verstehen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation Streit mit Konflikten gleich gesetzt. Die integrierte Mediation hält an der Differenzierung zwischen Konflikt und Streit fest, weil beides eine unterschiedliche Herangehensweise erfordert. So wie es einen Unterschied zwischen Kampf und Streit gibt, gibt es einen Unterscheid zwischen Problem und Konflikt. Nicht jedes Problem ist ein Konflikt aber jeder Konflikt mündet in einem Problem. Der Mediator sollte dies zu unterscheiden wissen, weil er sonst mit den falschen Interventionen aufwartet. Um den Unterschied am besten zu verdeutlichen, hilft die Metapher des Stromkreises.

Der Stromkreis

Strom fließt, wenn sich ein Spannungspotenzial aufbaut. Der Wechselstrom kennt einen Plus- und einen Minuspol. Nur wo beide gegensätzlichen Pole verfügbar sind kann Strom fließen. Mit diesem Bild lässt sich Entwicklung beschreiben. Nicht Konflikte Lösung Entwicklung auf, sondern die Spannung zwischen den Polen. In gewisser Weise brauchen wir also Widersprüche, um Spannung zu produzieren. Kommen sich die Pole zu nahe, gerät die Spannung aus dem Gleichgewicht. Es kommt zu einem Kurzschluss, wenn die Pole zusammengeraten. Der Kurzschluss bewirkt im besten Fall, dass die Sicherung herausspringt. Ohne Sicherung verursacht er verheerende Folgen. In dieser Metapher ließe sich der Konflikt mit einem Kurzschluss vergleichen. Konflikt entsteht, wenn die Spannung aus dem Gleichgewicht gerät. Das macht Entwicklung nicht möglich, sondern es riskiert sie, bis das Ungleichgewicht so groß ist, dass die Pole aneinandergeraten. Die höchste Stufe der Konflikteskalation ist erreicht.

Was man tun muss, um den Konflikt zu überwinden, besagt die Metapher ebenfalls. Man muss die Pole trennen und isolieren (den Widerspruch aufdecken und so stehen lassen), um dann die Adern wieder an die Stromquelle anzuschließen (Streitmotivation nehmen).

Umsetzung in der Mediation

Die Parteien müssen wissen, wie die Mediation mit ihrem Konflikt umgeht

An dieser Stelle entscheidet sich die Alt-Bearbeitungstiefe. Die Parteien müssen entscheiden, ob ihnen eine Interessenerhellung genügt, oder ob sie sich auf die Konfliktarbeit einlassen wollen.

Die Interessenerhellung

Der Gang über die Schlangengrube wird in der Mediation möglich, ohne von den Schlangen gebissen zu werden, indem die Mediation von den Parteien erwartet, dass sie ein Bild der "Welt" zeichnen, wie sie in Ordnung ist. Natürlich werden sie das Idealbild aus ihrem defizitären Erleben beschreiben, sodass auf diesem Umweg der Konflikt zur Sprache kommt - aber ohne sich in ihm verlieren zu müssen. Nachdem das Idealbild von beiden Parteien unabhängig voneinander gezeichnet wurde, werden Übereinstimmungen erarbeitet (Windows 2) um dann zu fragen, wie man dorthin gelangt (Optionen Phase 4). So gelingt es der mediation, den Konflikt zu überwinden, ohne über ihn zu sprechen.

Nicht immer gelingt dieser elegante Weg. Besonders wenn die Parteien tief in ihren Konflikt verstrickt sind oder wenn sie sich gedanklich nicht lösen können. jetzt muss der mediator sich auf die Konfliktebene einlassen und doch durch die Schlangengrube gehen. Aber auch hier unterscheidet sich die Mediation sowohl vom juristischen wie vom therapeutischen Vorgehen, indem sie weder eine Analyse der Vergangenheit noch eine Aufklärung von Fakten erwartet. Beides ist für die Zukunftsgestaltung nicht erforderlich. es geht darum, die Bedürfnisse zu erkennen. Sie ergeben sich aus der Beschreibung des beeinträchtigenden Gefühls. Dem Mediator geht es nicht darum, dies zu analysieren. Der einzige Grund warum er sich dafür interessiert besteht darin, das Gefühl herauszuarbeiten, das die ideale Welt ermöglichen kann. Das ist der Kontrast zum schlechten Gefühl. Wenn die Partei Unsicherheit bekundet, ist der Kontrast Sicherheit. Das ist das vom Mediator erfasste Interesse bzw. Motiv, das der Meidend verwirklicht wissen will, um aus der Schlangengrube herauszufinden.

Die Konfliktarbeit

Manchmal muss der Mediator über die Interessenerhellung hinausgehen und am Konflikt arbeiten. Auch jetzt geht es ihm nicht um eine Psychoanalyse oder darum einen therapeutischen Ansatz zu finden. Auch interessiert er sich nicht für zu4 subsummierende Fakten, solange er sich in Phase drei befindet. Ihm geht es darum, dass die Partei den Konflikt erkennt und sich dazu bekennt - bzw. die Verantwortung übernimmt. Der sogenannte Der Rumpelstilzcheneffekt beschreibt das Phänomen, wie sich der Konflikt bei der Nennung seines "richtigen" Namens selbst auflöst. Der Mediator achtet also darauf, dass die Parteien in die Lage versetzt werden, den Konflikt selbstkritisch zu benennen. Das ist ein wesentlicher Schritt in die Konfliktlösung. Der Rumpelstilzcheneffekt bewirkt, dass die Partei die Eigenverantwortung über den Konflikt übernimmt. Sobald dies geschieht wist der Konflikt oft gelöst. Im schlechtesten Fall hat die Partei einen Ansatzpunkt gefunden dass und wie sie den Konflikt unabhängig vom Gegner lösen kann.

Die Arbeit mit der Dynamik des Konfliktes

Mit der Dynamik des Konfliktes zu arbeiten heisst, sich nicht gegen den Konflikt zu wehren und seine Energie zu nutzen. Man mag den Konflikt jetzt mit einem strömenden Fluss vergleichen, einem so genannten Strom. Der Rhein mag als Beispiel genommen werden. Stellt Euch vor, Ihr wolltest den Rhein hinter Köln zum stoppen bringen. Man müsste extrem viel Energie aufwenden. Man könnte einen riesigen Staudamm bauen. Was würde passieren? Köln würde überschwemmt werden. Wenn der Strom eine Metapher für den Konflikt darstellt, dann zeigt das Beispiel dass es kaum möglich ist den Konflikt stoppen, ohne eine verheerende Überschwemmung herbeizuführen. Statt einen Staudamm zu bauen wäre es besser, den Strom umzuleiten. Auf den Konflikt bezogen bedeutet das, die Energie nicht abzubremsen, sondern umzuleiten. Wer nicht gegen, sondern mit der Dynamik des Konfliktes arbeitet, nutzt dessen Energie, um sie für einen konstruktiven Aufbau zu verwenden.

Die Lösungsfindung

Eine in diesem Verständnis durchgeführte Phase drei erlaubt den Parteien Erkenntnisgewinne über sich und den Anderen. Sie zeigt den Weg auf den man nehmen sollte, nicht das, was man falsch gemacht hat. Der Blick in die Vergangenheit dient nicht zu ihrer Bewältigung - auch wenn die Vergangenheitsbewältigung ein Zusatznutzen sein kann. Der Blick ist in die Zukunft gerichtet und zwar so, das die Vergangenheit überwunden werden kann. Die ideale Zukunft ergibt sich aus den Motiven (dieser begriff macht eher deutlich als Interessen worum es geht). Die Motive beschreiben den erwarteten Nutzen. Sie sind die Ressource aus denen die Lösungsoptionen wie im Phasenablauf beschrieben ermittelt werden.

Verfahrensstand

Im Babysitterfall haben die Parteien sich zur Konfliktarbeit entschieden. Sie haben verstanden, dass sie nur so eine nachhaltige Lösung hinbekommen.

Fahrplan (nächste Station)

Wenn Sie es am Konflikt vorbei geschafft haben, können Sie langsam anfangen, an die Lösung zu denken. Was war nochmal Ihr Ziel? Klicken Sie auf die Eintrittskarte, um zur nächsten Station zu gelangen.


War doch gar nicht so schlimm mit der Schlangengrube. Sie war das Bemuda Dreieck auf unserer Reise.
Jetzt geht es in die Zielgerade.

Hinweise und Fußnoten
Klicken Sie auf den Fahrschein, um zur nächsten Station zu gelangen
Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-04 21:42 / Version 137.

Alias: Schlangengrube, Konfliktbearbeitung
Siehe auch: Konfliktarbeit, Interessenerhellung, Der Rumpelstilzcheneffekt, Phasen, (Konflikt

2 Christoph Thomann ist ein bekannter Mediator aus der Schweiz, der sich als Konfliktklärer zu bezeichnen pflegte
3 Igor Albanese ist ein engagierter Mediator
4 Compendium Mediationis


Based on work by Arthur Trossen und Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor und anonymous contributor . Last edited by anonymous contributor
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 21, 2024 09:42:10 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 10 Minuten