Lade...
 

Die Geschichte der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Historie, die dem Titel des 1. Buchabschnitts Einführung in die Mediation, zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Einführung Etymologie Historie Einigung Vorkommen

Worum es geht: Die Geschichte der Mediation lässt Rückschlüsse auf ihre Bedeutung zu. Wenn von der Geschichte der Mediation die Rede ist, beginnen viele Ausarbeitungen mit dem Aufkommen der Mediation Anfang des 20. Jahrhunderts in Amerika. Andere sehen die Wurzeln der Mediation bereits in der Antike. Ganz sicher gibt es mehr als 2000 Jahre Erfahrung mit der Streibeilegung aber nicht mit der Mediation, wie wir sie heute verstehen.

Einführung und Inhalt: Die Weisheiten, die in der Mediation zum Tragen kommen, sind nicht wirklich neu. Sie sind so alt wie die Konflikte der Menschen. Deshalb beginnt der historische Überblick relativ spät in der Antike. Er zeigt, dass die Mediation zeit- und kulturabhängig ist.

Die Antike

Den Menschen gibt es wohl schon seit 200.000 Jahren. Die Zivilisation gibt es seit ca. 5.000 Jahren. Streit gibt es seit je her. Er ist keine menschliche Erfindung. Auch Tiere haben Streit. Jede Spezies hat ihre eigene Art, solche Auseinandersetzungen zu führen. Sogar Pflanzen „streiten“ sich um Raum und Licht. Die Fähigkeit des Menschen erlaubt es ihm, den Streit zu reflektieren und in eine Kultur zu überführen. Eine Streitkultur gibt es deshalb seit Beginn der Zivilisation. Schon in der Bibel finden sich Aussagen, die durchaus an Mediation erinnern. Die im Glauben verankerte Empfehlung „Vertrau auf Gott“ beschreibt eine Weisheit, die sich auch die Mediation zu eigen gemacht hat. In ihren Denkrhythmus übersetzt bedeutet das so viel wie: Denk nicht an die Lösung, dann wird schon das Passende herauskommen.

Der Begriff der Mediation stammt aus dem Lateinischen und leitet sich von medius ab. Nach Duss-von-Werdt geht er auf den lateinischen Wortstamm „medeor, mederi“, heilen, ganz machen zurück. Danach entstammt die Mediation dem gleichen Wortstamm wie die Medizin, wo auch Medium und Meditation dem Formenkreis des Heilens zugeordnet werden. Des Weiteren lässt sich der Begriff auf das Adjektiv „medius“, mitten, dazwischen liegend, in der Mitte stehend, neutral, unparteiisch und auf das Substantiv „medium“, Mitte, Gemeinwohl zurückführen1 . Anfänglich hatte man nicht nur in Deutschland darüber nachgedacht, die Mediation mit dem besser verständlichen übersetzten Begriff des Vermittelns zu bezeichnen. Unter anderem sollte die Assoziation zur Medi-T-ation vermieden werden. Wie in vielen europäischen Ländern wurde der Begriff Mediation schließlich als der feststehende, amerikanische Fachbegriff übernommen. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet er Vermittlung . Mit geringer Trennschärfe wird das Englische „mediation“ aber auch mit Schlichtung und Interpolation gleich gesetzt, wobei die Übersetzung mit Schlichtung zumindest dem hiesigen Recht zuwiderläuft.

Der Begriff des Mediators bedeutet Mittler oder Mittelsperson. Er ist inzwischen legal definiert in § 1 Abs. 2 und meint nicht nur die Prozess- sondern auch die Berufsbezeichnung. Auch der Begriff Mediation ist inzwischen in § 1 Abs. 1 Mediationsgesetz legal definiert. Die Gesetzesbegründung führt auf das Lateinische mediatio zurück, das mit Vermittlung übersetzt wird. Die spätlateinische Konnotation hat die Vermittlung attribuiert. Sie bedeutet so viel wie friedensstiftende, versöhnende Vermittlung.

2000 Jahre Mediation

In dieser Form blickt die Mediation auf eine über 2000-jährige Geschichte zurück. Sie kommt in der einen oder anderen Form in jeder Kultur vor, die Streit zu bewältigen hat. Die bekanntesten und am meisten zitierten Anwendungsfälle der Mediation sollen zeigen, dass die Streitvermittlung keinesfalls eine Erfindung der modernen Gesellschaft ist.

  • Die Begründung zum Gesetzesentwurf erwähnt Solon als den Vermittler der Antike. Solon sollte die verfeindeten politischen Gruppen im attischen Staat vereinen, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Er wurde dann jedoch zum „Schiedsrichter mit unumschränkter Macht“ ernannt .
  • Papst Urban VIII entsandte seinen Nuntius und Diplomaten Fabio Chigi als mediator pacis, um das Ende des 30 jährigen Krieges in Münster zu vermitteln. Zusammen mit Alvise Contarini erfolgte die Friedensstiftung nach 5 jähriger Vermittlungsarbeit!
  • Das Camp David Abkommen vom 17. September 1978 kam durch die Vermittlung des US-Präsidenten Carter zu einem Zeitpunkt zustande, als zwischen Israel und Ägypten keine diplomatischen Beziehungen bestanden .

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, wenn es darum ginge, Fälle der erfolgreichen Streitvermittlung anzuführen. Ob es sich dabei wirklich um Mediationen im fachlichen Verständnis handelte, mag dahingestellt sein. Ganz sicher aber handelte es sich jeweils um eine unspezifische Form der Konfliktvermittlung.

Das heutige Verständnis der Mediation ist – zumindest in der Fachwelt – wesentlich differenzierter. Es weicht von seinem begrifflichen Ursprung ab und weiß zwischen einer versöhnend gemeinten Schlichtung, einer streitregulierenden Schiedsgerichtsbarkeit, einem aufgedrängten Kompromiss und einem von den Parteien selbst erarbeiteten Konsens zu differenzieren. Allein die zuletzt genannte Variante der Konfliktbehandlung – der von den Parteien selbst erarbeitete Konsens - bildet die moderne Form der Mediation. Sie kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA auf.

Die Mediation des 20. Jahrhunderts

In Deutschland machte spätestens der erste Kongress zur Mediation in Tübingen im Jahre 1998 deren Ankunft deutlich. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung. Die Pioniere der Mediation führten zahlreiche Versuche und Projekte durch, um die Mediation und ihre Wirkmechanismen zu erkunden. Es ist ein aussagekräftiges Phänomen, dass sich in der Folgezeit mehr als acht Verbände herausgebildet haben. Auch die Kammern nehmen sich des Themas an. Die Vielfalt der Anbieter und deren unterschiedliche Interessen sollte der Mediationslandschaft jedoch nicht nur eine Bereicherung sein. Die aufkommende Konkurrenz zeigte, dass selbst die Protagonisten in eigenen Angelegenheiten eher zur Konfrontation als zur Kooperation neigen. Anstatt in die Rolle des Mediators haben sich Regierung und Gesetzgeber in die Position eines Dritten begeben, der von Lobbyisten eher instrumentalisiert als beraten wird.

Am 21. Mai 2008 erließen das Europäische Parlament und der Rat die sogenannte EU-Direktive. Damit ist die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen gemeint. Die Richtlinie sollte sicherstellen, dass die gesetzlichen Anforderungen für die Einführung der Mediation als ein Streitbeilegungsverfahren in den Mitgliedstaaten möglichst gleichförmig sind. Demnach regelt die EU-RL beispielsweise die Anforderungen an die Vertraulichkeit, die Freiwilligkeit und die Verjährung. Die Richtlinie betrifft direkt nur die Mediation bei grenzüberschreitenden Konflikten. Nur so weit reichte die Regelungskompetenz der EU2 .

Fast alle Mitgliedstaaten der EU hatten und haben sich ebenfalls mit dem Erlass eines Mediationsgesetzes befasst. Manche Länder verfügten bereits über ein Mediationsgesetz. Andere haben es auf Grund der Richtlinie eingeführt. Eine Übersicht über die EU-weite Gesetzeslage ist bei EuroNetMed zu finden.

Die Pioniere

Als in Deutschland die ersten Diskussionen über das Gesetz aufkamen, waren sich die Mediatoren noch gar nicht sicher, ob die Zeit für ein derartiges Gesetz reif wäre. Es war die Zeit der Pioniere und Experimente. Monetäre Aspekte standen nicht im Vordergrund. Es lässt sich nicht genau zurückverfolgen, aus welchen Gruppen heraus die Mediation entstanden war. Es wird die Auffassung vertreten, dass sich die Mediation aus der Friedensbewegung entwickelt hat. Tatsächlich haben verschiedene Berufe, die mit der Konfliktarbeit zu tun haben, das amerikanische Import zu implementieren versucht. Markant ist jedenfalls, dass sich die Mediation nicht aus der Nachfrage, sondern aus dem Angebot heraus entwickelt hat.

Die Idee der Mediation zog ihre Kreise und eroberte nach und nach immer weitere Professionen und nicht zuletzt sogar die Gerichtsbarkeit. Auch hier stand der Friedensaspekt im Vordergrund. Noch auf dem 67. Juristentag im Jahre 2008 in Erfurt jedenfalls sprachen sich (fast) alle Mediatoren gegen ein Mediationsgesetz aus. Man war der Meinung, es sei noch zu früh für ein solches Gesetz. Die Mediation müsse sich erst einmal etablieren. Es solle sich noch zeigen, in welcher Weise und in welcher Form die Mediation in Deutschland zu implementieren sei. Auf der anderen Seite wuchs der Bedarf, einheitlich festzuschreiben, was die Mediation überhaupt ist. Zu oft geschah es, dass Anbieter ihre Dienstleistungen als Mediation verkauften, ohne dass es sich bei dem, was sie konkret angeboten hatten, um eine Mediation handelte – wenigstens nicht im Verständnis der fachkundigen Mediatoren. „Vergleiche können wir doch auch. Das machen wir doch schon immer“, lautete die ignorante Aussage. Mediation ist aber – wie eingangs erwähnt - eben mehr als ein kompromissartiger Vergleich.

Die Revolution der Mediation

Das Interesse des Gesetzgebers jedenfalls weckte die Lobby. Und plötzlich wandelte sich das Bild. Jetzt sprach sich die Mehrheit der Mediatoren für das Gesetz aus. Sie erwarteten, das Gesetz könne den Markt für Mediatoren bereiten, wenn der Gesetzgeber die Mediation als ein alternatives Verfahren zur Gerichtsbarkeit institutionalisieren würde. Der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) wollte die weitere Entwicklung erst einmal abwarten. Der Markt sollte eine Chance haben und sich entwickeln. Nicht einmal die Aus-bildung als das in dem Ringen um die Mediation markt-bestimmende Element wurde geregelt. Inzwischen hatten sich die Verbände ohnehin nach langen Diskussionen auf eine mindestens 200-stündige Ausbildung mit dem-entsprechenden Inhalten verständigt. Der Deutsche Bundestag hat die Gesetzesvorlage in seiner 105. Sitzung am 14. April 2011 beraten und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 01. 12. 2011 wollte das Konzept der Regierung jedoch nicht uneingeschränkt übernehmen. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, welcher der Gesetzgeber auch schließlich folgte, sah zwei wesentliche Änderungen vor. Eine der Änderungen betraf die Ausbildung zum Mediator, die andere betraf die gerichtsinterne Mediation. Die Ausbildung wurde nunmehr rudimentär geregelt, wobei die Fachanwaltsausbildung mit einem Volumen von 120 Stunden zum Vorbild genommen wurde. Die gerichtsinterne Mediation wurde nicht übernommen, aber durch den Güterichter ersetzt. Die historische Bedeutung der Gerichtsmediation, ihr Zustandekommen und ihre befürchtete Einflussnahme auf den Markt, aber auch das damit einhergehende Selbstverständnis der Ausübung staatlicher Macht und ihr Widerspruch zur Mediation, sind noch immer ein Thema mit dem es sich auseinandxerzusetzen gilt.

In der Pressemitteilung des deutschen Bundestages vom 30.11.2011 wurde die ungewöhnliche interfraktionelle Einstimmigkeit des Parlamentsbeschlusses hervorgehoben. Das klingt wie ein guter Start für ein Gesetz, das sich mit der Mediation befasst. Einstimmigkeit passt gut zur Mediation. Allerdings sollte es sich herausstellen, dass Einstimmigkeit nicht gleichzusetzen ist mit Konsens. Das Gesetz wurde vom Bundesrat abgelehnt. Es musste dem Vermittlungsausschuss vorgelegt werden; nicht etwa wegen der Fragen zur Alt-Ausbildung, sondern wegen der Regelung des Güterichters oder besser gesagt, wegen der abgelehnten Richtermediation. Für Viele erschien der Streit um die gerichtsinterne Mediation oder den Güterichter als ein Streit um das Etikett. Die Politiker konnten sich schließlich auf einen Kompromiss einigen, nachdem der Gesetzgeber klargestellt hatte, dass der Güterichter alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen darf. Mit dieser nicht unbedingt nachvollziehbaren, weil unnötigen Klarstellung konnte das Gesetz dann schließlich am 28.6.2012 um 13:05 ohne weitere Debatte erlassen werden. Die Gerichte sehen den Güterichter nach wie vor als ein Synonym für die gerichtsinterne Mediation. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Augsburg beispielsweise verdeutlicht diese Sicht. Er verteilt die Güterichterstellen und deren Vertretungen unter der Überschrift: „Güterichter nach § 278 ZPO (gerichtsinterne Mediation).

Der Fall der Mediation

Heute, nach dem Erlass des MediationsG, hat sich die Landschaft der Mediation bereits erkennbar verändert3 . Die Mediation ist ein Wirtschaftsfaktor geworden. Mediatoren versuchen Märkte zu erobern, während die Professionen versuchen, Märkte zu sichern. In dem sich daraus ergebenden Spannungsverhältnis droht die Mediation mehr und mehr zu einem Objekt der Begierde zu werden, auf die ganz unterschiedliche Kräfte einen eher unmediativen Einfluss nehmen. Wenn dieses Kapitel "der Fall der Mediation" genannt wird, soll ein Terminus aufgegriffen werden, den Mordehai Mironi4 für Israel geprägt hat. Dort ist die Mediation heute nicht mehr als ein Synonym für Case Settlement, was mit Vergleichsverhandlungen zu übersetzen wäre. In Deutschland zeichnet sich ein ähnlicher Weg ab, wenn wir mit der Mediation nicht sorgfältig umgehen. Trossen führte schon den Begriff der sondierenden Mediation ein, um die bereits als Mediation bezeichneten Verhandlungen auf der sondierenden Ebene von dem abgrenzen zu können, was die Mediation eigentlich ist: Eine Vermittlung. Wer das versteht, der wird den Fall der Mediation verhindern.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-02-23 15:42 / Version 57.

Alias: Geschichte der Mediation
Prüfvermerk:


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag Dezember 5, 2024 05:17:53 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 10 Minuten