Interkulturelle Mediation
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Es geht um die Auseinandersetzung, was Kultur ist, wie die Kulturunterschiede ermittelt und behandelt werden können. Beachten Sie bitte auch:
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Es geht um das Zusammenspiel von Cross Border, internationaler und interkultureller Mediation und um Mediationen, bei denen mehrere unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen. Die interkulturelle Mediation gehört zur Inter-Mediation. Die EU-Direktive sieht die Mediation als das internationale Verfahren, auf das sich alle Völker einlassen können. Nicht umsonst erwartet sie die Vereinheitlichung des nationalen Rechts wenigstens im Hinblick auf die internationalen Handelssachen. De facto kommen interkulturelle Konflikte nicht nur in Streitigkeiten vor, in denen verschiedene Staaten oder Staatsbürger involviert sind. Das wäre dann ein Fall der internationalen Mediation.
Kultur ist mehr als nur ein Code
und etwas anderes als Kult, Herkunft und Nationalität
Die Mediation bei interkulturellen Hintergründen oder bei interkulturellen Streitigkeiten stellt besondere Anforderungen an den Mediator. Auch wenn die Bezeichnung interkulturellen Mediation suggeriert, dass es sich um eine eigene Art Mediation handelt, wird diese Schlussfolgerung der Mediation nicht gerecht. Es bedarf einer genauen Einordnung in die Mediationssystematik, um die Mediation korrekt einzuschätzen.
Einordnung der interkulturellen Mediation
Die interkulturelle Mediation wird oft als Sonderfall oder gar als eine eigene Art der Mediation beschrieben. Das ist sie sicherlich nicht!
Auch bei der interkulturellen Mediation, um bei dem Begriff zu bleiben, handelt es sich um eine ganz normale Mediation, auf die die Konzepte, Modelle und Formen der Mediation anzuwenden sind.1
Auch der Gegenstand ist kein interkultureller.2
Er ist allenfalls kulturell geprägt. Deshalb wird die interkulturelle Mediation auch nicht ohne Weiteres als ein Anwendungsfeld beschrieben.
Der unterschiedliche kulturelle Hintergrund der Parteien stellt also lediglich einen Kontext her, der Einfluss auf die Rahmenbedingungen und das von der jeweiligen Kultur beeinflusste Verstehen nimmt. Bei einem internationalen Hintergrund spielt nicht nur die Kultur eine Rolle, die das Verfahrenb beeinflussen kasnn. Auch die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse zeigen eine beachtliche Auswirkung. So gesehen wäre die interkulturelle Mediation in der hier verwendeten Systematik als ein Mediationsformat einzustufen. Das Format muss einem Konzept entsprechen, das mit Kulturunterschieden zurecht kommen kann.
Die interkulturellen Mediation als Anwendungsfeld
Beachten Sie bitte, dass der folgende Leitsatz nicht von Kulturen, sondern von Gruppen spricht. Das liegt daran, dass die Prinzipien der interkulturellen Mediation nicht nur auf Ethnien und Nationalitäten beschränkt ist.3
Es gibt durchaus auch kulturelle Unterschiede innerhalb einer Nationalität, die in der Mediation beachtet werden sollten. Die Abstammung ist dafür nur ein Indiz. Ganz besonders in multikulturellen Gesellschaften können sich eigene kulturelle Gepflogenheiten herausbilden, die sich von der Herkunft lösen.
interkulturelle Konflikte ethnische Konflikte
Entstammen die Medianden unterschiedlichen Nationalitäten mit unterschiedlichen Sprachen, wird die Mediation zusätzlich durch die verbalen Sprachbarrieren (siehe Fremdsprachen) und unterschiedliche Rechtsanwendungen erschwert, womit sich die internationale Mediation auseinanderzusetzen hat.
Bei der interkulturellen Mediation besteht die erste Herausforderung für den Mediator oder die Mediatorin darin, die Verschiedenheit besonders der nonverbalen Kommunikation zu begreifen, abweichende Rituale zu erkennen, deren Bedeutung zu erfassen und Werte abzustimmen.
Kultur begreifen als Herausforderung
Die Kultur beschreibt gewohnheitsmäßige und traditionelle Denk-, Gerfühls- und Reaktionsformen, die charakteristisch für die Art und Weise sind, wie eine partizipative Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Probleme bewältigt.4 Kultur wird sichtbar in Sprache, Nahrung, Kleidung, Kunst, Musik, Feiern und Ritualen. Kultur ist nicht sichtbar in Erwartungen, Normen, Werte, Glauben, Annahmen. Innerhalb der Kultur helfen uns die kulturellen Gepflogenheiten und Sichtweisen, Bedeutungen zuzuschreiben und zu verstehen. Kultur bietet Raum für Herstellung und Demonstration von Zugehörigkeit, (eigene) Wertigkeit (nationaler Stolz) aber auch für die Abgrenzung (zweier Kulturen).
- Kultur bedeutet Identifikation
- Die Kultur ergibt den Kontext, in dem wir das Verhalten der Menschen begreifen. Sie bedingt kulturabhängige Aspekte, an den sich Kulturunterschiede ausmachen lassen. Sie erweitern die im Rahmen des präzisen Zuhörens zu erfassenden Dimensionen.
In dem EU-Projekt EuroMedNet, in dem auch Ausbildungen und Lehrmaterial zur Cross Border Mediation entwickelt wurden, sollten zusammen mit international tätigen Mediatoren die besonderen Kompetenzen eines interkulturell tätigen Mediators herausgearbeitet werden. Die Experten kamen schnell zu dem Ergebnis, das alles auf den Punkt bringt. Sie sahen die besondere Kompetenz darin, dass der Mediator naiv sein müsse wie ein kleines Kind. Das heisst, er muss neugierig auf alles sein und alles hinterfragen muss, auch das, was selbstverständlich zu sein scheint. Die Fähigkeit im Umgang mit Menschen aus anderen kulturellen Hintergründen wird als interkulturelle Kompetenz beschrieben.
Vergleichsparameter
Die Frage, ob sich ein Mediator mit fremden Kulturen auseinandersetzen muss, wenn er eine interkulturelle Mediation durchführt, ist ähnlich einzuschätzen wie die Frage nach seinem Fachwissen. Was er in jedem Fall wissen muss ist, woran sich Kulturunterschiede festmachen, wie unterschiedlich das Denken und Handeln in Kulturen aufkommt und wie er einen Weg herstellen kann den kulturellen Kontext als Bedeutungsinhalt zu verstehen und zu vermitteln.
Der Mediator hat stets die Wahl, ob er sich über die kulturellen Hintergründe seiner Medianden informiert, um sie korrekt einschätzen zu können. Gemessen an den von Hofstede herausgearbeiteten Kulturdimensionen können auf Herkunftsländer bezogene Kulturvergleiche angezeigt werden. Der Kulturvergleich China / Deutschland sieht dort wie folgt aus:5
Die Grafik ergibt, dass Chinesen ein ausgeprägteres Hierarchiebewusstsein haben, dass sie den Kollektivismus bevorzugen, dass sie eher dazu neigen Unsicherheiten zu vermeiden und dass die Nachgiebigkeit bei Chinesen stärker ausgeprägt ist als bei einem Deutschen. Ausaagen üaber die Paarbeziehung, die Bedeutung der Ehe sind im Kulturvergleich nicht zu entnehmen. Bei der Individualisierung, also der persönlichen Zuschreibung solcher Eigenschaften ist auch offen, ob die Mediandin eine typische Chinesin ist oder nicht. Immerhin hat sie schon eine Zeit in Deutschland gewohnt und hat auch einen internationalen Background.
Kultur hinterfragen
Der Mediator kommt also nicht daran vorbei, sich ein eigenes Bild über die Person zu machen, die ihm gegenüber sitzt. Anders als die interkulturelle Kommunikation erlaubte interkulturelle Mediation einen „Kulturkanal" zu öffnen. Dies geschieht in Phase eins wo der Mediator auf mögliche Kulturunterschiede hinweist und darauf, dass er diese möglicherweise nicht versteht. Er holt sich eine Erlaubnis ein, die Bedeutung von Aussagen und Handlungen auch unter kulturellen Aspekten zu hinterfragen. Er bittet die Partei gegebenenfalls, ihre Sicht auf ihre Kultur darzulegen. Bei dieser Vorgehensweise schützt sich der Mediator selbst vor Stereotypen, indem er das Handeln der einer fremden Kultur angehörigen Person nicht automatisch an vorgegebenen Einschätzungen misst. So stellt er auch sicher, dass der Gegner über die kulturellen Einflüsse gewahr wird.
Kultur als Konfliktgrund
Auf einer Veranstaltung des EFRJ über interkulturelle Konflikte im Juni 2017 in Berlin kamen die Experten sehr schnell und einhellig zu dem Ergebnis:
- Es gibt keine interkulturellen Konflikte
- Tatsächlich sind echte interkulturelle Konflikte, also Auseinandersetzungen, in denen die Kultur den Konfliktgrund bildet, kaum vorstellbar. Die Kulturunterschiede werden von den Parteien allerdings als einfacher Erklärungsversuch für die Auseinandersetzung benutzt. Sie werden instrumentalisiert, um die Position innerhalb der Auseinandersetzung zu verstärken und Lagerbildungen zu ermöglichen.
Für den Mediator bedeutet dies, dass er den wahren Konfliktmotor für die Auseinandersetzung herausarbeiten muss. Hierbei hilft ihm die Erkenntnis, dass es nicht die Kulturen sind, die sich begegnen, sondern die Menschen6
.
Wertesysteme
Eine Besonderheit der interkulturellen Mediation ist das regelmäßige Aufeinandertreffen von einander abweichenden Wertesystemen, die nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch die religiöse Haltung (Moslems, Christen, Juden, Zeugen Jehovas, usw.), die Zugehörigkeit zu Sekten, die ökonomische Haltung (Kapitalismus, Kommunismus), die moralische Haltung (Themen wie Abtreibung, Tötung) oder die Zugehörigkeit zu Klans und Stämmen geprägt werden. Der Mediator ist gut beraten, wenn er auch diese Werte nach dem Prinzip der Konfliktdimensionen herausarbeitet und die Konflikte als Wertekonflikt behandelt. Dabei gibt es zwei Schwerpunkte zu beachten:
- Das Wertesystem hat Einfluss auf die Bedeutungszuschreibung (Verstehensprozess).
- Das Wertesystem hat Einfluss auf die Lösung (Verteilungsbedingungen)
Das Herausarbeiten der kulturell geprägten Bedeutungswirklichkeit trägt zum wechselseitigen Verstehen und Tolerieren bei. Auch hilft es dabei, Gemeinsamkeiten herauszufinden. Werte setzen aber auch Grenzen. Wenn sie zum Hindernis für die Lösungsfindung werden, gibt es drei Strategien, wie die Wertesysteme zu behandeln sind:
- multikulturell
- Kulturen (und mit ihnen die kulturbedingten Handlungsanweisungen und Wertezuschreibungen) stehen in einem Wettbewerb
- interkulturell
- Kulturen versuchen sich zu integrieren, indem eine Kultur die Handlungsanweisungen und Wertezuschreibungen der adneren Kultur übernimmt.
- transkulturell
- Die Kulturen arbeiten die jeweils optimalen Anforderungen heraus und versuchen sie in eine neue Kultur (neues Kulturverständnis) zu überführen.
Wertekonflikte
Häufig wird der Standpunkt vertreten, Wertkonflikte seien nicht oder nur sehr begrenzt verhandel- oder mediierbar. Erfahrungen belegen jedoch, dass auch solche Konflikte mediierbar sind, wenn bewusst mit dem Wertedilemma umgegangen wird und die Mediation als koevolutionärer Lernprozess verstanden wird7
Kultur als Verhandlungsmodell
Jede Kultur kennt ihre eigenen Regeln und Herangehensweisen bei der Konfliktbeilegung. In Afrika ist es das Palaver, in Hawai das Ho’oponopono. Es handelt sich um gewachsene Modelle, in denen kulturabhängige Verhandlungsstrategien zum Ausruck kommen. Es macht durchaus Sinn, diese Modelle in die Mediation einzubeziehen, weshalb sich ein besonderes Format der Mediation herausgebildet hat, das als Ethno-Mediation bezeichnet wird. Mayer führt aus, dass mit diesem Streitbeilegungsmodell Philosophie und Grundsätze der Mediation, Wertorientierungen, Konfliktlösungsstrategien, Mediationsablauf, Rituale, Techniken der Mediation und Gesprächsführung, Kommunikationsstile, die Rolle des Mediators und der Konfliktparteien vorwiegend in der kultur-bzw. ethno-spezifischen Weise definiert werden könnten, auch wenn die Mediation in einem deutschen Kontext stattfindet8
Mayer unterscheidet weiterhin die so genannte kultursynergetische Mediation, genauer gesagt das "kultursynergetische Modell interkultureller Mediation". Dieses Format verfolgt einen transkulturellen Ansatz. Mayer führt aus, dass die Transkultur als eine hybride Kultur in sich selber zu verstehen sei, die unterschiedlichste kulturübergreifende Einflüsse vereint und gleichzeitig nicht nur die Unterschiede kultureller Einheiten hervorhebt, sondern auch die Gemeinsamkeiten betont. Der synergetische Effekt bestehe in dem spontanen Prozess des Herausgreifens und des (neuen) Zusammenfügens einzelner kulturspezifischer (Mediationssetting-) Elemente.9
Wie sich die kulturell geprägten Verhandlungsmodelle in der Mediation wiederfinden können - oder umgekehrt wie sich die Mediation in den kulturgeprägten Verhandlungsmodellen wiederfinden lässt, beschreibt das folgende Beispiel einer Mediation innerhalb einer chinesischen Teezeremonie:
Bedeutung für die Mediation
Es ist wichtig, dass sich die Kulturen in der Mediation wiederfinden. Das macht es den Menschen unterschiedlicher Kulturen einfacher, sich in dem Prozess wiederzufinden. Bedenklich ist, wenn die Mediation einfach mit den kulturell geprägten Konfliktbeilegungsverfahren gleichgesetzt wird. Das Ho’oponopono wird in Amerika beispielsweise als eine Hawaian mediation bezeichnet. Es ist jedoch nur ein Versöhungsritual. Die Mediation muss darauf achten, dass sie nicht verwässert und nicht allgemein mit einer Streitvermittlung gleichgesetzt wird. Trotzdem ist der kulturelle Einfluss sowohl hinsichtlich der Bedeutungszuschreibung als auch der möglichen Lösungsoptionen stets zu hinterfragen, so wie auch herauszuarbeiten ist, auf welcher Ebene der Konflikt genau etabliert ist. Hierbei helfen die Konfliktdimensionen. Der Mediator könnte fragen: "Wie fühlt sich der Konflikt an, wenn die Gegenseite der gleichen Kultur angehört?". Er soillte sich auch erkundigen, wie in der fremden Kultur derartige Probleme üblicherweise gelöst werden und versuchen daran anzuknüpfen.
Was tun wenn ...
- Der Kultureinfluss wird ignoriert
- Der Kulturkanal wird nicht geöffnet
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Interventionenfinder
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Siehe auch: Kultur, CBM, interkulturelle Mediation, internationale Mediation
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