Es gibt keine falschen Fragen, nur falsche Antworten

Kennen Sie den Spruch? Er taucht in verschiedenen Varianten auf. Woanders heißt er: "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten". Wieder woanders heißt er: "Es gibt keine dummen Fragen, nur Dumme, die nicht fragen". Die Ursprünge dieser Zitate sind nicht klar. Meine Recherchen haben ergeben, dass es widersprüchliche Aussagen über die möglichen Quellen gibt. Und was ist schon eine richtige oder eine falsche Frage? Oder: Was ist eine dumme Frage? Und: Was ist eine schlaue? Ist eine richtige Frage falsch, wenn sie im falschen Moment gestellt wird? Wird eine dumme Frage schlau, wenn sie zu der Erkenntnis führt, dass die Frage dumm war? Das einzige, was wir aus der Stammtischphilosophie lernen, ist die Erkenntnis, dass die Frage davon abhängt, wer fragt, wer befragt wird, in welcher Situation gefragt wird, wie gefragt wird, zu welchem Zeitpunkt gefragt wird und was der Zweck der Frage ist. Im Beitrag über die Fragen wird zur Vorsicht ermahnt. Gerade weil Fragen eine große Wirkung erzielen können, ist behutsam mit ihnen umzugehen.1

Einschätzung von Fragen

Wie würden Sie die folgenden Fragen einschätzen. Sind sie richtig, schlau und vor allem zielführend?

  1. Wie beenden wir den Krieg?
  2. Was mach ich nur als Nächstes?
  3. Warum tust Du mir das an?

Eine gut gestellte Frage kann durchaus dazu beitragen, Konflikte zu lösen. Eine schlecht gestellte Frage kann sie aber auch auslösen und verstärken. Auch die Faustregel "Wer fragt, der führt", kann nach hinten losgehen.2 Inquisitorische Fragen motivieren kaum zu einer guten Antwort ebenso wie penetrante und aufdringliche Fragen. Die Formel kann deshalb auch um die Floskel erweitert werden: "Wer falsch fragt, zerstört“.

Ja, Fragen will gelernt sein. Aber wie kann man es erlernen? Genügt es, sich auf Fragetechniken einzulassen? Das wäre einfach, denn die Fragetechniken werden im Wiki nicht nur aufgelistet, sondern auch erläutert.3 Ich möchte gerne nachweisen, dass die Mediation dazu beiträgt, die Fragen korrekt einzuschätzen und im richtigen Moment zum Einsatz zu bringen. Das gelingt, weil die Mediation eine Logik abliefert, die sich auf die Fragestellung auswirkt.

Fragen, die Sie nicht stellen sollten

Macht es einen Sinn, Fragen zu stellen, die der Befragte nicht annehmen kann? Wenn eine solche Frage gestellt wird, geht es möglicherweise auch gar nicht um die Frage. Möglicherweise geht es darum, Menschen unter Druck zu setzen und ungewollte Gefühle von Scham oder Unzulänglichkeit auszulösen. Nicht alle Fragen sind angemessen oder höflich. Manche können verletzend, unangebracht oder sogar diskriminierend sein. Problematisch sind folgende Fragen:

  1. Persönliche und invasive Fragen: Das sind Fragen, die zu tief in die Privatsphäre einer Person eindringen. Sie sind oft unangebracht. Beispiele hierfür sind:„Wann heiratest du endlich?“, „Hast Du etwa noch keine Kinder?“, „Wie viel verdienst du?“. Solche Fragen setzen Menschen unter Druck und können ungewollte Gefühle von Scham oder Unzulänglichkeit auslösen. Jeder hat das Recht, über persönliche Angelegenheiten zu schweigen.
  2. Diskriminierende oder vorurteilsbeladene Fragen: Fragen, die Stereotype verstärken oder Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder anderer Merkmale herabsetzen, sollten vermieden werden. Beispiele sind: „Woher kommst du wirklich?“ (impliziert, dass jemand nicht dazugehört), „Ist das dein echtes Haar?“ (kann rassistisch wirken), „Warum bist du noch Single?“ (unterstellt, dass etwas nicht stimmt). Solche Fragen können verletzend sein und zeigen mangelnde Sensibilität.
  3. Unangemessene Fragen im Berufsleben: Auch im Beruf gibt es Tabus. Fragen nach Plänen für eine Schwangerschaft, politischen Ansichten oder der sexuellen Orientierung haben in Bewerbungsgesprächen oder am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Sie können als diskriminierend empfunden werden und sogar rechtliche Konsequenzen haben.
  4. Fragen, die Schuld oder Versagen unterstellen: Manche Fragen sind wie Vorwürfe formuliert. „Warum hast du das nicht besser gemacht?“, „Wie konntest du nur so einen Fehler machen?“. Solche Formulierungen demotivieren und schaffen ein unfreundliches Klima. Besser ist es, konstruktiv nach Lösungen zu fragen.

Höflichkeit und Respekt sind in der Kommunikation entscheidend. Bevor man eine Frage stellt, sollte man überlegen, ob sie notwendig und angemessen ist. Wenn eine Frage zu persönlich, verurteilend oder diskriminierend wirken könnte, ist es besser, sie nicht zu stellen. Stattdessen sollte man sich auf einfühlsame und respektvolle Gespräche konzentrieren, die das Miteinander stärken. „Man muss nicht alles fragen, was man wissen möchte – manchmal ist Schweigen die bessere Wahl.“

Fragen die zur Eskalationen beitragen

Fragen, die unbedacht oder provokativ formuliert sind, können schnell zu Missverständnissen, Streit oder sogar handfesten Auseinandersetzungen führen. Die folgenden Fälle stellen heraus, unter welchen Umständen Fragen eskalierend wirken und welche Beispiele es dafür gibt.

  1. Provokative oder aggressive Fragen: Fragen, die wie Vorwürfe klingen oder mit Sarkasmus gestellt werden, lösen oft Abwehrreaktionen aus. Beispiel für eine eskalierende Frage, falls ein Mitarbeiter zu spät zur Arbeit kommt: „Denkst du, du kannst kommen, wann du willst?“ Der Angesprochene wird sich angegriffen fühlen und gereizt reagieren. Besser wäre die Frage: „Gab es ein Problem, das dich aufgehalten hat?“
  2. Persönliche oder invasive Fragen in emotionalen Momenten: In hitzigen Diskussionen können selbst harmlose Fragen als Angriff wahrgenommen werden. Ein Beispiel für eine eskalierende Frage im Streit der Eheleute über die Finanzen könnte lauten: „Warum gibst du immer so viel Geld aus, obwohl du weißt, dass wir sparen müssen?“ Der Ehepartner wird sich beschuldigt fühlen und defensiv reagieren. Eine neutrale Frage wie beispielsweise „Können wir gemeinsam über unsere Ausgaben sprechen?“ wäre konstruktiver.
  3. Rhetorische Fragen, die Spott ausdrücken: Fragen, die eigentlich keine Antwort erwarten, sondern nur Spott oder Herablassung ausdrücken, führen oft zu Konflikten. Ein Beispiel für eine eskalierende Frage könnte lauten: „Bist du zu dumm dafür oder tust du nur so?“ Die voraussichtliche Wirkung beim Schüler wird sein, dass er sich gedemütigt fühlt und abblockt. Hilfreicher wäre die Frage: „Welchen Teil verstehst du nicht?“
  4. Fragen in Machtgefällen: Wenn Autoritätspersonen Fragen stellen, die wie Befehle oder Drohungen klingen, kann das Widerstand auslösen. Ein Beispiel für eine eskalierende Frage könnte lauten: „Hast du überhaupt nachgedacht, bevor du das abgegeben hast?“. Der Mitarbeiter wird sich unfair behandelt fühlen und verliert seine Motivation. Besser ist die Frage: „Was waren deine Überlegungen bei dieser Lösung?“
  5. Kultursensible Themen und Tabufragen: In manchen Kulturen oder Situationen sind bestimmte Fragen tabu und können Beleidigungen auslösen. Ein Beispiel sind etwa Fragen nach dem Gewicht oder dem Alter. Auf die Frage: „Wie viel wiegst du eigentlich?“ könnte sich die befragte Person bloßgestellt fühlen, besonders wenn sie sensibel auf das Thema reagiert.

Von allen eskalierenden Fragen lernen wir, dass sie nicht neutral sind. Die Formulierung und der Kontext entscheiden, ob sie ein Gespräch verbessern oder verschlechtern. Um Eskalationen zu vermeiden, sollte man neutrale und respektvolle Formulierungen wählen, keine Vorwürfe in Fragen verpacken, emphatisch nachfragen, statt zu konfrontieren und Tabuthemen meiden, wenn sie nicht relevant sind.

Fragen die Erkenntnisse ermöglichen

Fragen die Erkenntnisse ermöglichen, sind letztlich die Fragen, die in der Mediation von Interesse sind. Die sogenannten Erkenntnisfragen sollen es den Parteien ermöglichen, die erforderlichen Einsichten zu erlangen, aus denen sich Lösungen bilden lassen.4 Zweifellos tragen Fragen besser zur Erkenntnisgewinnung bei als Vorträge und Argumente. Fragen helfen, die eigenen Gedanken kreativ zu entwickeln anstatt fremde Gedanken nachzuvollziehen. Damit sich der kreative Vorgang verwirklichen lässt, müssen die Fragen so gestellt werden, dass Erkenntnisse ermöglicht und nicht unterdrückt werden. Dabei ist zu beachten, dass Fragen sind nicht nur Worte sind. Sie sind ein Werkzeug, das spezifische Gehirnregionen aktiviert. Fragen beeinflussen Emotionen und steuern Denkprozesse. Eine Frage ist wie ein Schlüssel, der als ein Türöffner genutzt werden kann. Wie der Türöffner einzusetzen ist, soll am Beispiel der eingangs zur Einschätzung gestellten Fragen aufgezeigt werden. Ich möchte darlegen, dass und warum die eingangs gestellten Fragen selbst dann nicht die gewünschte Wirkung erzielen können, wenn sie respektvoll und neutral formuliert werden.

  1. Wie beenden wir den Krieg? Diese Frage ist deshalb kaum geeignet, den krieg zu beenden, weil sie den Fokus der Gedanken im Krieg festhält. Logisch betrachtet gibt es nur drei Möglichkeiten einen Krieg zu beenden. Indem er gewonnen wird, wenn er verloren wird oder wenn es zu einem Patt kommt. Deshalb werden Verhandlkungen erst möglich, wenn diese Frage geklärt ist oder sich abzeichnet. Die Frage, die den Krieg tatsächlich beenden kann, muss die Gedanken aus dem Kontext des Krieges herausführen. Sie könnte lauten: "Wie werden wir Freunde", oder: "Wie werden wir gute Nachbarn". Schon verändert sich der Assoziationsraum und es ergeben sich weitere Optionen, die über die drei logischen Konsequenzen der Beendigung eines Krieges hinausgehen.
  2. Was mach ich nur als Nächstes? Die nahe liegende Antwort auf diese Frage würde lauten: "Es kommt darauf an". Um die Antwort auf die Frage zu finden, muss also zunächst eine andere Frage geklärt werden. Die zur Antwort führende Frage lautet deshalb: "Was geschieht hier gerade?". Die Frage, was als Nächstes zu geschehen hat, ergibt sich daraus.
  3. Warum tust Du mir das an? Warum Fragen sind immer gefährlich, weil sie eine Begründung liefern, die möglicherweise gar nicht gewollt ist und eher in die Eskalation hinein als herausführt. Die Begründungssemantik verläuft üblicherweise, indem geantwortet wird: "Weil Du angefangen hast". Worauf ein "Nein Du", gefolgt von einem "Nein, aber Du", usw. den Argumentationszirkel vervollständigt. Bei einer Verletzung wäre auch damit zu rechnen, dass die Begründung die Verletzung vertieft. Wir wäre es mit einer in die Zukunft gerichteten Frage, etwa: "Wie wollen wir miteinander umgehen?" oder "Wollen wir versuchen, freundlich zueinander zu sein?".

Es wird deutlich, dass die Fragestellung eine Denkrichtung vorgibt. Die Frage: „Wohin gehst Du?“, veranlasst an ein Ziel zu denken, das in der Zukunft liegt nicht an den Fragegrund, der in der Gegenwart liegt. Geht es um die gedankliche Ausrichtung, dann kommt die Mediation ins Spiel. Wenn sie dem Konzept der kognitiven Meditationstheorie folgt, repliziert die Mediation einen Gedankengang, der darauf angelegt ist, die Gedanken über die Lösung hinweg in den zukünftig zu erwartenden Nutzen zu führen. Die Gedanken werden dorthin geführt, wo die zum Prozess passenden Fragen automatisch aus dem Problem herausführen. Es ist also weniger eine Technik als eine Logik an der die Fragen auszurichten sind. Die Fragetechnik orientiert sich an Erkenntnisfragen.5 Der mediative Gedankengang6 definiert auch eine Festlegung, wann welche Fragen angebracht sind und wann nicht. Anders formuliert, führt der Gedankengang der Mediation automatisch in die richtigen Fragen hinein.

Arthur Trossen


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1 Siehe den Beitrag Fragen
2 Siehe Argumente
5 Siehe Fragen dort Kapitel: Fragen, die Erkenntnisse ermöglichen