In der Arztpraxis kann die Mediation ihre Stärken zeigen

Ausgangslage

Arztpraxen werden mehr und mehr in Kooperationen betrieben, wie zum Beispiel Praxisgemeinschaften, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ. Das liegt vor allem daran, dass es heute der nachvollziehbare Wunsch vieler Ärzte und Ärztinnen ist, nicht mehr allein tätig zu sein. Dies bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich, wie zum Beispiel Kostenverdünnung, Möglichkeit von gegenseitiger Vertretung, kollegiale Fachgespräche, Aufteilung der Praxisführung, besserer Service für Patienten usw.. Die Praxen werden in der Regel als kleine Personengesellschaften (GbR, PartG) geführt.

Konflikte unter den Praxisinhabern oder auch mit ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeitern kommen angesichts der Verflechtung von finanziellen und persönlichen bzw. emotionalen Aspekten nicht selten vor. Juristische Lösungen führen in dieser Situation erfahrungsgemäß meist nicht zu einem befriedigenden Erfolg.

Typische Konfliktfelder in der Praxis

Aus dieser Ausgangssituation ergeben sich erfahrungsgemäß folgende Konfliktfelder:

  1. Praxispartner untereinander
    1. Gewinnverteilung wird für ungerecht gehalten
    2. Arbeitseinsatz für die Praxis erscheint ungerecht verteilt
    3. unterschiedliche Auffassungen von Praxis- oder Personalführung
  2. Junior- Senior- Partner
    1. Juniorpartner bringt nicht den erwünschten Einsatz
    2. Juniorpartner erhält nicht die erhoffte Stellung in der Praxis
    3. Seniorpartner beharrt auf seiner bisherigen Art der Praxisführung
  3. Gender- Problematik (Arzt/ Ärztin)
  4. Unterschiedliche Vorstellungen, wie die Praxis weiterentwickelt werden soll
    1. Investitionen
    2. neue Strukturen/Kooperationen
    3. Verkauf an MVZ
    4. Marketingstrategie
  5. Probleme im Praxisteam
  6. Konflikt Arzt/ Team, insbesondere nach Praxisübernahme.

Spezielle Hindernisse in Arztpraxen für juristische Lösungen

Es gibt in den Praxen Besonderheiten gegenüber anderen Unternehmen. Anwaltliche oder steuerliche Berater von Arzt- oder sonstigen Praxen kennen diese Probleme hinreichend und halten aufgrund dieser -nachfolgend beschriebenen- Besonderheiten zunehmend juristische Lösungen für die Konfliktbewältigung in Praxen für ungeeignet.

Die Konflikte in der Praxis werden häufig lange unter dem Tisch gehalten, um durch einen Streit die gemeinsame Tätigkeit nicht zu gefährden. Oft führt auch die Summe von vielen Kleinigkeiten, die ihrerseits im Einzelfall nicht justiziabel sind, nach längerer Zeit zum Streit.
Wenn der Konflikt dann ausbricht, sind juristische Lösungen meist sehr schwierig, da wir es hier mit einer Verflechtung von verschiedenen Rechtsgebieten -Zivilrecht, ärztliches Berufsrecht, Kassenarztrecht, Steuerrecht- zu tun haben. Darüber hinaus findet man häufig verschiedenste, ineinandergreifende Verträge vor, die manchmal 20 Jahre alt sind und nur mit Ergänzungsverträgen auf neue Konstellationen angepasst wurden. Womöglich steht zudem noch die Praxisimmobilie im Eigentum der Praxisinhaber oder deren Lebenspartner.

Ein gerichtliches Verfahren ist selbst bei anderen Unternehmen oder Gesellschaften wegen der üblichen Verfahrensdauer selten zielführend. Bei Arztpraxen kommt noch dazu, dass manchmal parallel zum Rechtsstreit im Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung von den Beteiligten schon Fakten geschaffen werden, die ein eventuelles Urteil konterkarieren. Umgekehrt kann es kassenarztrechtliche Vorgaben geben, die eine bestimmte zivilrechtliche und wirtschaftliche Lösung unmöglich machen oder zumindest verzögern. So muss eine Praxisnachfolge oder eine Verlegung eines Praxissitzes (auch eines ggf. ausscheidenden Partners) immer vom Zulassungsausschuss genehmigt werden.

Viele Gesellschaftsverträge enthalten Klauseln, wonach ausscheidende Gesellschafter ihren Gesellschaftsanteil einschließlich ihrer vertragsärztlichen Zulassung in der Praxis belassen müssen, verbunden mit einem Wettbewerbsverbot. Ein Ausscheiden unter einer solchen Regelung führt somit zur Unmöglichkeit, im bisherigen Wirkungskreis seine berufliche Tätigkeit fortzusetzen. Das Ergebnis ist, dass der ausscheidenswillige Partner nicht kündigt, sondern die anderen Partner solange drangsaliert, bis diese einer Realteilung der Gesellschaft zustimmen.

Neben der Dauer einer juristischen Auseinandersetzung wirkt sich auch deren Art und Weise sehr negativ auf die Praxis aus, weil die Prozessparteien hier Ärzte oder andere Dienstleister im Gesundheitswesen sind. D. h., es handelt sich um Personen, die einen Beruf gewählt haben, der ihnen ermöglicht, Menschen zu helfen und der Empathie verlangt. Werden diese Personen mit den üblichen anwaltlichen Schriftsätzen überzogen, hat dieses tiefgreifende persönliche Auswirkungen. (Erfahrene Kaufleute würden solche Verfahren meist als übliches Geschäftsgebaren abtun). Die Zusammenarbeit in der Praxis ist dann regelmäßig blockiert. Was zunächst als Sachkonflikt behandelt wurde, wird dann auf einmal sehr persönlich ausgetragen. Konsequenzen in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit, die Qualität der ärztlichen Versorgung und Stimmung der Mitarbeiter bleiben nicht aus.

In den Arztpraxen gibt es auch die besondere Konstellation, dass auf der einen Seite die wirtschaftliche Lage auskömmlich ist, und zwar auch wegen der von den Partnern gewählten Konstellation der beteiligten Ärzte, zum Teil mit verschiedenen Fachrichtungen oder Zielgruppen bei den Patienten. D. h., dass ein Konflikt unter den Praxispartnern die wirtschaftliche Lage der Praxispartner durchaus in existentiellem Umfang gefährdet. Wirtschaftlich gesehen „geht es also um etwas“.
Dem gegenüber steht eine sehr persönliche Beziehung der Praxispartner untereinander. Manchmal resultiert diese aus früheren gemeinsamen Ausbildungszeiten, manchmal aus verwandtschaftlichen Beziehungen etc.. Die Tätigkeit der einzelnen Partner in den Praxen ist geprägt durch ihre Therapiefreiheit, d.h. dass die Art und Weise, wie ein Arzt in der Praxis tätig ist, immer einen sehr persönlichen Hintergrund hat. Die oben dargestellten Konfliktfelder berühren also auch immer das Selbstverständnis der Person.

Da es sich bei den Praxen um Personengesellschaften handelt, sind diese durch die Gesellschafter persönlich finanziert. D. h., dass für eine Praxisgründung oder für den Erwerb eines Gesellschaftsanteils hohe Investitionskosten durch persönliche langfristige Kredite finanziert werden. Meist handelt es sich neben der Hausfinanzierung um die größte Investition, die die Gesellschafter in ihrem Leben tätigen. Die Zerschlagung einer Praxis hat somit -anders als zum Beispiel bei einer kaufmännischen GmbH- für die Gesellschafter persönlich oft drastische finanzielle Auswirkungen.

In der Arztpraxis ist die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Praxisteam sehr eng, sowohl im administrativen Bereich wie auch bei gemeinsamer Behandlung am Patienten. Gegenseitiges Vertrauen ist hier unerlässlich. Bei Konflikten im Team oder mit dem Team stehen die Praxen heute zusätzlich vor dem Problem, dass neue Mitarbeiter sehr schwer zu finden sind. Daher ist die Kündigung von Mitarbeitern -was im Kleinbetrieb ja meist ohne weiteres möglich ist- heute eine Option, die möglichst vermieden werden soll. Eine einvernehmliche Regelung unter den Mitarbeitern oder im Verhältnis zum Praxisinhaber ist daher in jedem Fall vorzuziehen.

Die Mediation als Verfahren zur Konfliktbewältigung

Wenn der Konflikt in einer medizinischen Praxis dauerhaft gelöst werden soll, muss somit auch immer die persönliche Ebene mit befriedet werden. Aus verschiedenen Gründen bietet sich daher die Mediation als Verfahren zur Konfliktbewältigung in einer Arztpraxis an.

Die Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines Mediators freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Ein Mediator ist dabei eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt (§ 1 MediationsG).

Anders als bei einem Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren wird es nicht einen Gewinner und einen Verlierer geben. Vielmehr wird angestrebt, dass alle beteiligten Parteien aus dem Verfahren in der Weise als Gewinner hervorgehen, dass sie den für Sie größtmöglichen Nutzen erreichen. Nur mit einem solchen Ergebnis kann eine dauerhafte Fortführung einer Praxis möglich sein.

Bei der Mediation wird nicht nur der an der Oberfläche liegende Sachkonflikt gelöst, sondern auch der Beziehungskonflikt der beteiligten Parteien.

Die Mediation lässt kreative Lösungen durch die Konfliktparteien zu, auf die man in juristischen Verfahren gar nicht kommen würde. Diese Lösungen werden sich am Nutzen für die Parteien orientieren.

Den Konfliktparteien wird nicht eine Lösung durch ein Gerichtsurteil vorgeschrieben, vielmehr entwickeln die Konfliktparteien gemeinsam aus eigener Kraft heraus ihre Lösung. Dies entspricht vielmehr dem Selbstverständnis von Partnern in einer Arztpraxis und gibt den Partnern Zuversicht, die Probleme auch in Zukunft gemeinsam lösen zu können.

Ein Mediationsverfahren ist immer vertraulich. Anders als bei einem öffentlichen Gerichtsverfahren ist hier die Diskretion gewahrt. Schließlich möchte niemand, dass der interne Konflikt einer Praxis nach außen getragen wird, auch nicht in den eigenen beruflichen Kreisen

Die Mediation führt anders als bei sonstigen Verfahren meist zu einer langfristigen und somit nachhaltigeren Befriedung zwischen den Parteien. Das Praxisklima wird nicht durch eine lange Verfahrensdauer weiter verschlechtert. Das Verfahren ist durch die Parteien selbst bestimmt und nicht in eine Verfahrensordnung gepresst.

Um formale Sicherheit für die Konfliktparteien zu gewährleisten, wird in den meisten Fällen eine Integration der beteiligten Praxisberater erfolgen. Die rechtliche und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer von den Parteien bei der Mediation gefundenen Lösungen kann und sollte im Abschluss durch die jeweiligen juristischen oder/ oder steuerlichen Berater überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Das Ergebnis kann dann z.B. als außergerichtlicher Vergleich durch die Anwälte fixiert werden.

Hohe Motivation der Konfliktparteien

Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, kennen in der Regel die Mediation als Verfahren oder haben zumindest schon einmal davon gehört. Es kann daher von einer gewissen Aufgeschlossenheit gegenüber diesem Verfahren ausgegangen werden.

Die beteiligten Personen sind in der Regel an einer außergerichtlichen Lösung interessiert. Ihnen ist meist klar, dass vor Gericht der Konflikt weiter eskalieren wird. Gesellschaftsverträge in einer Arztpraxis enthalten meist eine Schlichtungs- oder sogar Mediationsklausel.

Die Praxen sind langfristig angelegt, üblicherweise sollen sie für die beteiligten Gesellschafter die Grundlage für ihre ärztliche Tätigkeit bis hin zum Eintritt in den Ruhestand sein. Daher ist eine Fortsetzung der Gesellschaften auch persönlich für die Gesellschafter von hoher Bedeutung. Somit ist es wichtig, dass eine Lösung gefunden wird, die die Fortführung der Praxis ermöglicht; wenn dies nicht möglich ist, kann durch die Mediation wenigstens eine Lösung gefunden werden, die für alle Beteiligten auch für die Zukunft eine wirtschaftlich auskömmliche Situation herstellt.

Gerichtliche Verfahren und auch Verfahren vor einem Schiedsgericht sind für die Beteiligten mit sehr hohen Kosten verbunden, da diese sich nach dem Streitwert bemessen. Wenn es um ein Ausscheiden aus der Praxis oder um eine Aufteilung der Praxis geht, wird dies der Wert der gesamten Praxis sein. Man bewegt sich also mit den Streitwerten in Bereichen von mehreren 100.000 Euro. Die Mediation hingegen wird meist nach der tatsächlich verbrauchten Zeit abgerechnet.

Resümee

Die Mediation als Verfahren bietet sich also aus vielen Gründen gerade zur Konfliktlösung in Arztpraxen oder sonstigen Praxen im Gesundheitswesen an. Die Mediation ist selbstbestimmt, sie strebt den Nutzen aller beteiligten Konfliktparteien an, ist schneller und kostengünstiger als ein gerichtliches Verfahren und führt meist zu einer nachhaltigeren Befriedung der Konflikte.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Mediator Hans Barth
August 2024