Ein Artikel,1 der auf die National Security Strategy der USA vom Oktober 20222 verweist, wirkt auf mich nicht gerade beruhigend. Die dort vorgestellte Strategie führt nach meiner Einschätzung nicht in eine Heilung der kranken Welt. Sie führt stattdessen in ein konfrontatives Denken hinein, obwohl die Zeichen der Welt eine Kooperation nahelegen. Wenn ich dann noch lese, was Chinas Staats- und Parteichef Xi zum Auftakt des Kongresses der Kommunistischen Partei in China gesagt haben soll, fällt auf, dass sich alle Seiten in die Konfrontation begeben. Ich suche vergebens nach versöhnlichen Worten. Alles deutet auf eine Verschärfung der Konfrontation hin. Wie lässt sich der Wahnsinn stoppen? Ich hoffe, es besteht wenigstens Einigkeit darüber, dass er gestoppt werden muss. Möglicherweise denken die, die nicht an die Front müssen aber anders darüber.

Die Welt verändert sich und mit ihr die Lebensbedingungen. Phänomene wie die Pandemie oder die Klimaveränderung können nur gelöst werden, wenn alle Nationen kooperieren. Auch die wirtschaftlichen Bedingungen erwarten eine Kooperation der Nationen. Nur so lassen sich die Steuerflucht, die Zahl der Emigrationen, die Korruption, die unterschiedlichen Standpunkte und die soziale Ungerechtigkeit in der Welt beseitigen.

Wie in dem Beitrag zur Friedenspolitik3 bereits erwähnt, nehmen die systemischen Irritationen in allen Gesellschaften zu, sodass eine Veränderung zwingend folgen wird. Wir haben die Wahl, ob wir den Veränderungsprozess steuern oder ob wir uns der systemischen Emergenz ausliefern, die sich nicht am Nutzen, sondern ausschließlich am Erhalt eines Systems orientiert.

In der aktuellen Ausgestaltung und perspektivisch betrachtet ist das System, das unser Zusammenleben und das der Nationen aktuell gestaltet, definitiv nicht überlebensfähig. Die Kriege sind ein Symptom dafür. Revolten werden folgen. Sie nehmen zu statt ab und werden immer brutaler. Es geht um alles, nur nicht um den Menschen. Es ist fraglich, ob der Trend in die Eskalation gewollt ist. Einiges deutet darauf hin. Falls nicht, lautet die Frage, ob die Eskalation mit den konventionellen Strategien und dem herkömmlichen Denken verhindert werden kann. Mehr Macht bedeutet nicht weniger Krieg und Widerstand.

In den Beiträgen Welt-Mediation4 und Mensch-Mediation5 wurde nicht nur der Bedarf nach einer Neuregulierung der Weltordnung festgestellt, sondern auch der Bedarf zum Umdenken. Was geschieht, wenn wir die National Security Strategy einmal hochrechnen? Sie unterstellt, dass China seine Einflusssphäre im indopazifischen Raum erweitern und die führende Macht der Welt werden will. Ja, die Bemühungen Einfluss zu nehmen und die geopolitische Lage für eigene Interessen zu verändern, ist erkennbar. Allerdings nicht nur bei China. Auf der Basis einer Konfrontation, die auf ein Null-Summen-Spiel hinausläuft, ergeben sich auch kaum strategische Alternativen zu einer Amerika first, China first oder Russland first Politik. Das Problem ist nur, dass es in dieser Denkweise nur einen Ersten geben kann. Bei der Frage wer das ist, werden die Karten gerade neu gemischt. Und weil keiner nachgeben will, nimmt die Gewalt zu. Sie ist keine Abschreckung mehr. Sie wird zum Mittel der Wahl. Wenn das verhindert werden soll, wäre die logische Schlussfolgerung nicht, die Konfrontation weiter zu treiben, sondern eine Ausgangslage zu schaffen, die ein Miteinander attraktiver macht als ein Gegeneinander.

Zu Recht weist China auf die Gefahr der Blockbildung hin. Sie wird in dem Strategiepapier in gewisser Weise sogar nahegelegt. Wir erinnern, dass Chinas Präsident Xi Jinping vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs zur Wiederherstellung des Friedens aufgerufen hat.6 Wörtlich sagte er:

... dass sich die internationale Gemeinschaft der Hegemonie und Machtpolitik widersetzen müsse, dass die Länder mehr Verantwortung übernehmen und sich für Gleichheit und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen müssen.


Wenn die von den USA gegenüber China unterstellten Absichten zutreffen, kollidieren sie mit dieser eigenen Aussage Xi Jinpings. Die spannende Frage ist also, ob die aufstrebende Weltmacht China auch dann noch ein Interesse daran hat, seine Einflusssphäre zu vergrößern, wenn die Weltordnung so angelegt wird, dass es darauf gar nicht mehr ankommt. Zu dieser Frage müssen auch die USA sowie die anderen Nationen Rede und Antwort stehen. Wer glaubt, dass ein solches Konstrukt nicht möglich ist, muss umdenken.

Wir stehen vor folgendem Phänomen: die Lebensbedingungen erzwingen eine Veränderung. Es ist unbedingt erforderlich, die Spannungen zwischen den Nationen und innerhalb der Gesellschaften auszubalancieren. Eine Polarisierung hilft dabei nicht weiter. Zwar betont die US-Regierung wo immer möglich zu kooperieren, um globale Herausforderungen anzugehen, die anders nicht zu lösen seien. Wie aber kann das gelingen, wenn der Wunsch zur Kooperation auf einer Konfrantation basiert? Wir wissen aus der Mediation, dass sich die Konfrontation und die Kooperation einander grundsätzlich ausschließen. Eine Kooperation gelingt innerhalb einer Konfrontation nur, wenn sie in einer Exklave stattfindet und scharf von der grundlegenden Konfrontation abgegrenzt werden kann. Das ist bei der Komplexität der anstehenden Fragen kaum möglich. Die zugrunde liegende Konfrontation liegt es nahe, internationale Koalitionen zu stärken. Natürlich grenzen sich die Koalitionen innerhalb einer Konfrontation von den Gegnern ab. Es ist also zu erwarten, dass diese Politik genau in die von China befürchtete Blockbildung führt und dazu antreibt Gegenblöcke zu bilden. Das strategische Konzept

ist in einer konfrontativen Ausgangslage stimmig. Es erinnert jedoch an die Kriegerameisen7 und führt in einen Teufelskreis. Die Mediation kennt einen Ausweg.

Dass die USA und China Konkurrenten sind, ist naheliegend. Unter normalen Bedingungen kann man sagen, dass der Wettbewerb das Geschäft belegt. Das gilt jedoch nicht, wenn sich der Wettbewerb nicht auf wirtschaftliche Fragen begrenzt, sondern mit Fragen der nationalen Sicherheit gleichgesetzt wird und als Bedrohung verstanden wird. Die Wirtschaft wird längst zur Kriegsführung missbraucht. Sie wird auch so verstanden, auch wenn die unmittelbare Kriegsbeteiligung geleugnet wird. Es ist deshalb naheliegend, dass die Sanktionen in dem Verdacht stehen, diesen Missbrauch zu fördern.

Dann kommt die Frage auf, was denn genau bedroht ist. Ist es die wirtschaftliche Vormachtstellung oder der Führungsanspruch, also die Vormacht in der Welthierarchie. Die nehmen die USA historisch für sich in Anspruch. Legal steht sie ihnen jedoch nicht zu.

Eine Neuregelung der Weltordnung wird gefordert. Sogar der Papst ruft zu einer neuen Weltordnung auf, wo die Vereinten Nationen gestärkt werden, um die nationalen Interessen dem globalen Gemeinwohl unterzuordnen. Entspricht eine derartige Weltordnung auch den Vorstellungen des Ostens oder des Westens?

Zumindest der Osten fordert eine neue Weltordnung ein. Die Forderung ist durchaus berechtigt. Die aktuelle Weltordnung bietet keine ausreichende und erst recht keine verbindliche Orientierung für das Verhalten einzelner Nationen. Interessanterweise halten sich aber auch die Staaten, die eine neue Weltordnung einfordern, nicht einmal an die bestehende. Damit taucht die Frage auf, was sie meinen, wenn von einer neuen Weltordnung die Rede ist. Vermutlich geht es um die Machtverhältnisse. Ich würde mir wünschen, dass es um die Bedürfnisse der Menschen geht und zwar aller, nicht einzelner.

Manche haben in der Pandemie die Chance gesehen, dass die Nationen zusammenarbeiten. Zu lesen ist jedoch, dass die Pandemie eine weitere Möglichkeit zur Konfrontation geschaffen hat, indem nach Verantwortlichen gesucht wird, die auch finanziell in irgendeiner Form zur Rechenschaft gezogen und mit Sanktionen belegt werden können. Es verwundert nicht, wenn die Angeklagten in dem Fall die Zusammenarbeit verweigern. Umgekehrt verwundert es, wenn nach Verantwortlichen, statt nach globalen Lösungen gesucht wird und dass die Ankläger sich nicht darauf einlassen konnten, auch die eigenen Labore auf Schwachstellen untersuchen zu lassen. In mir kommt deshalb der Verdacht auf, dass selbst die Pandemie für das Machtspiel missbraucht wird. Die Welt funktioniert unverändert nach dem Schema:

Quod licet Iovi, non licet bovi


Übersetzt bedeutet diese lateinische Weisheit so viel wie: Was Jupiter erlaubt ist, ist noch lange nicht jedem Ochsen erlaubt. Der Papst spricht von Egoismus. Es geht um Privilegien, um die Vormachtstellung, um die Ausnutzung. Es geht um die Sicherung von Ressourcen. Wer die Ressourcen hat, der hat die Macht. So scheint man zu denken. Es ist ein kurzfristiges Denken, das dazu führt, die wahren Ressourcen der Menschheit zu übersehen. Umweltschützer heben bereits hervor, dass der Ukraine Krieg ein Segen für die Umwelt sei, weil er die Suche nach umweltfreundlichen Energien, wie zum Beispiel Windkraft und Wasserstoff extrem beschleunigt. Es gibt einen Trend, sich von externen Ressourcen unabhängig zu machen, sodass ich mich frage, wozu der Imperialismus dann noch hilfreich sein kann, außer dass er die Grenzen verdichtet. Auch Xi Jinping muss sich die Frage gefallen lassen, wie sein Friedensruf mit der eigenen Politik einhergeht. Das passt alles nicht zusammen.

Die größten Probleme, mit denen alle Nationen umgehen müssen, sind neben dem Klimawandel die Armut und die Überbevölkerung. Armut und Überbevölkerung sind korrelierende Werte, die sich auch unmittelbar auf den Klimawandel auswirken. Die einfache Formel lautet: je mehr Armut, umso mehr Kinder (Menschen). Je mehr Menschen, umso mehr Klimabelastung. Um die Überbevölkerung zu verhindern, muss also nur die Armut überwunden werden. Das gelingt, indem den armen Ländern Wohlstand ermöglicht wird, nicht indem Wohlstand verhindert wird. Wo Wohlstand verhindert wird ist der Fundamentalismus eine Folge.

Ein weiterer Friedensgarant ist der Austausch unter den Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung ist gegen den Krieg. Die meisten Menschen sehnen sich nach einem friedlichen Miteinander. Wenn Sie sich mit den Menschen anderer Völker austauschen könnten, würden sie erfahren, dass sie endlich denken. Um diese Erfahrung zu stärken sollten Kontakte ermöglicht werden. Verbindungen sollten geschaffen werden, statt sie zu verhindern. Also sollten Reisen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert werden, damit sich die Menschen kennen lernen und lernen, einander zu vertrauen.

Wenn wir uns jetzt die Sanktionspolitik anschauen, kommt der Verdacht auf, dass sie genau das Gegenteil bewirkt. Dem Feind bringt man doch keinen Wohlstand. Der muss doch geschwächt werden. Und genau diese Strategie befeuert den Teufelskreis. Die Schlussfolgerung jedoch, dass die Sanktionen aufgehoben werden sollten, löst das Problem ebenfalls nicht. Ein völkerrechtswidriges Verhalten muss Konsequenzen haben. Wie wir sehen, genügen Appelle nicht, um ein Verhalten zu ändern. Ich frage mich wie die Sanktionsgegner mit anderen Mitteln die Verbindlichkeit im Miteinander herstellen wollen. Bedeutet die neue Weltordnung etwa, dass jeder machen kann was er will, solange er Atombomben besitzt? Auch diese Strategie würde den Teufelskreis befeuern.

Jetzt beißt sich die Katze in den Schwanz. Irgendwer muss ein rechtswidriges Verhalten feststellen und sanktionieren können. Das muss unabhängig von den politischen Interessen möglich sein. Es muss also eine Weltordnung herbeigeführt werden, die ein geordnetes Zusammenleben der Nationen und der Menschen in der Welt ermöglicht. Eine Weltordnung, die Wohlstand nicht als Teil eines Null-Summen-Spiels sieht und die nicht das Ego eines Autokraten oder einer Führungsriege zu Lasten der Weltbevölkerung massiert.

Wie kommt man dahin?

Ich hatte zuvor bereits angedeutet, dass die Mediation die Antwort liefert. Die Mediation sucht nach einer Emergenz, die ein für alle nützliches Zusammenleben ermöglicht. Die Betonung liegt auf "für alle" und "nützlich". Und ja, es kann sein das es keinen ersten mehr gibt. Es kann aber nicht sein, dass die die erste sein wollen dabei Schaden nehmen. Wenn man das im Hinterkopf hat, fragt man sich warum die Verhandlungen beispielsweise mit Russland oder China auch anlässlich des Ukrainekrieges abgelehnt werden. Die Ukraine ist nur ein Spielball und selbst Russland ist nur eine wenig bedeutsame Marke auf dem eigentlichen Konflikt um die Weltherrschaft. Vor einem solchen Hintergrund sind auch Verhandlungen schwierig. Im Moment weiß auch niemand was damit gemeint ist. Der Begriff Verhandlung wird mit Unterwerfung gleichgesetzt ebenso wie die Unabhängigkeit. Es ist dringend erforderlich, sich auch über die Terminologie zu verständigen und daraufhin zu arbeiten das man vom selben spricht, wenn irgendwelche Begriffe oder Behauptungen in den Raum gestellt werden.

Die Mediation schafft doch dafür eine Grundlage. Entscheidend ist, dass sie eine strategische Exklave herstellen kann. Damit erfüllt sie eine ganz wesentliche Voraussetzung, um aus dem Teufelskreis herauszukommen. Das gelingt nur, wenn das Null-Summen-Spiel, dass unser strategisches Denken und vor allem dass der Nationen gerade dominiert, beendet wird. Der strategische Ansatz besteht also darin, ein anderes Spiel zu ermöglichen. Auch das ist innerhalb einer von Misstrauen geprägten Konfrontation kaum möglich. Die Mediation schafft deshalb eine strategische Exklave, dies zumindest erlaubt einmal Gedanken in eine Richtung zu lenken, die nicht von der Konfrontation geprägt werden. Ich frage mich, wie schnell wir einen Weltfrieden hätten, wenn die Staatenlenker nach dem Konzept der Konklave solange eingesperrt werden, bis sie einen Friedensvertrag geschlossen haben. Leider gibt es für diese Maßnahme keine Handhabe. Also muss die Vernunft den Weg zeigen. Eine Mediation kommt manchmal nur unter Druck zustande. Wie wäre es wenn wir statt Sieg und Vernichtung Druck aufbauen, dass die Verantwortlichen jenseits der Konfrontation miteinander reden? die Gespräche sollten sich darauf konzentrieren, was die Welt zum Überleben braucht, wie sich die Genialität der Völker verbinden lässt, wie sich die Armut überwinden lässt bevor darüber gesprochen wird, wer das Sagen hat.

Arthur Trossen


Bild von AbsolutVision auf Pixabay dl am 13.10.2022