Lade...
 

Die Konfliktkongruenz

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Unterseite zum Thema Verfahrenseigenschaften im Abschnitt Systematik des Mediationshandbuchs.
Hier geht es um die Verfahrenskongruenz. Mit ihr lässt sich der Grad der Konfliktbeilegung messen. Beachten Sie bitte auch die folgenden Beiträge:

Das ist ein Verfahrenskriterium Verfahrenscharakter Konflikte Konfliktkongruenz

Mit der Konflikt- oder Verfahrenskongruenz lässt sich der Grad der Konfliktbeilegung messen. Die Konfliktkongruenz legt im Zusammenhang mit anderen Parametern die Bearbeitungstiefe fest. Sie trägt dazu bei, den Verfahrenscharakter zu bestimmen. Die Konfliktkongruenz ist ein sekundäres Verfahrenskriterium, das aus der Effizienz des Verfahrens abgeleitet wird. Mit ihr kann herausgearbeitet werden, ob das Verfahrensziel den gewünschten Erfolg erzielen kann oder nicht. Mit dieser Thematik setzen sich die folgenden Kapitel des Beitrages auseinander:


Wer ist der Chef,
die Partei oder der Konflikt?


Das juristische Denken hätte gerne eine logische und fachliche Zuständigkeit, die sich an Konflikten orientiert. Eine Bausache gehört vor die Baukammer, eine Familiensache vor das Familiengericht, eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gehört vor das Verwaltungsgericht usw. Wäre es nicht gut, wenn es für jeden Konflikt ein passendes Verfahren gäbe?

Konfliktzuweisung

Um die Verfahren einem Konflikt zuzuweisen, bedarf es der Kenntnis des Konfliktes und seines Tiefganges. Um den Konflikt zu identifizieren bedarf es der Konfliktanalyse. Sie ist den meisten Verfahren fremd, weshalb eine Konfliktzuweisung von vorne herein kaum möglich ist. Aber auch der Konflikt ist von der Idee der sogenannten differenzierten Konfliktzuweisung1 ganz und gar nicht angetan.

Der Konflikt ist der Chef

Leider lässt sich der Konflikt nicht unterordnen! Auch die Komplexität des falles will ein Wort mitreden. Wir assoziieren den Konflikt mit einem Wassertropfen, der in den Ozean des Konfliktes fällt. Einen ersten Eindruck von diesem Ozean hatten wir mit unserer Tour ja bereits gewinnen können. Eine Inhaltsverzeichnis, die dem Konflikt gerecht wird, kann sich auf die Komplexität einlassen, anstatt sie zu reduzieren.

Verfahrenskongruenz

 Merke:
Leitsatz 14827 - Der Konflikt kümmert sich nicht um Disziplinen und fachliche Nöte. Er orientiert sich auch nicht an Verfahren. Er erwartet stattdessen, dass sich die Verfahren für ihn interessieren

Verfahren im Wettbewerb

Warum sich die Kongruenz von Verfahren und Konflikt nicht ohne Weiteres herstellen lässt, ergibt das folgende Beispiel einer Verfahrenskonkurrenz mit nicht unerheblichen Abgrenzungsproblemen.

Beispiel 14828 - S ist der Sohn von seinen in direkter Nachbarschaft lebenden Eltern OMA und OPA. S hatte das Geschäft von OPA und OMA übernommen. Das Geschäftsgrundstück liegt direkt neben den Wohngrundstücken, so dass Geschäft, Wohnsitz des Sohnes und Wohnsitz der Eltern OMA und OPA direkt nebeneinander gelegen sind. OMA und OPA waren weiterhin Eigentümer des Geschäftsgrundstückes auf dem der Sohn das Geschäft der Eltern unter eigenem Namen fortführte. Das Grundstück war allerdings nur befristet an S vermietet worden. Zunächst verlief alles wunderbar, bis sich die Frau des Sohnes S, namens F, mit OMA verwirft. Die Spannungen werden so groß, das OMA nicht einmal mehr das Kind E von S und F sprechen kann, obwohl es ihr in direkter Nachbarschaft lebende Enkelkind ist. OMA kann das Kind aus dem Fesnter beobachten. Ein direkter Kontakt ist ihr verwehrt. S will sich aus dem Konflikt heraushalten. Wenn es darauf ankommt, steht er hinter seiner Frau F.

S muss den Mietvertrag verlängern, um eine Basis für weitere Investitionen zu haben. Die Eltern verweigern sich. Sie drohen mit der Nicht-Verlängerung des Mietvertrages und stellen Bedingungen auf. Es gibt von beiden Seiten natürlich auch rechtliche Argumente. S will sich auf die Bedingungen nicht einlassen. Oma und Opa drohen mit Enterbung. S droht mit Wegzug.

S hört von Mediation und wendet sich an die IHK, die ihn zu einem Wirtschaftsmediator schickt. Das Hauptanliegen von S ist die Verlängerung des Mietvertrages gegebenenfalls Schadenersatz. Mittlöerweile behauptet er, seine Eltern hätten ihn bei der Firmenübertragung betrogen und einen unzulässigen Knebelvertrag geschlossen. Dieser Sicht folgend wurde der fachliche Regelungsgegenstand mit einer Wirtschaftsmediation verknüpft. Immerhin ging es ja um die Übernahme der Firma bzw. die Verlängerung des Mietverhältnisses für einen Geschäftsbetrieb. Leider hatte der Wirtschaftsmediator keine Erfahrung mit familiären Beziehungskonflikten und auch nicht mit Mediationen dieses Umfanges. F, die inzwischen in Therapie ist, wird von der Therapeutin gestärkt, jeden Kontakt zur Oma zu unterlassen. Der Streit eskaliert.


Im vorliegenden Fall war die Mediation gescheitert. Es kommt nicht zu einer Verlängerung des Mietvertrages und das Enkelkind E bekommen OMA und OPA auch weiterhin nicht zu sehen. Niemandem war es gelungen, die Konflikte richtig zu deuten in einen Zusammenhang zu bringen und mit den Verfahren zu koordinieren.

Zum Chef befördern

Die Mediation geht davon aus, dass die Parteien ihre Konflikte selbst lösen müssen. Mitthin muss die Partei zum Chef des Konfliktes befördert werden. Dem Mediator obliegt eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Dementsprechend entscheidet die Partei, ob der Bearbeitungsschwerpunkt auf den Sach- und Fachfragen liegt oder ob sie tiefer gehen soll, um sich auf die emotionalen Belange des Konfliktes einzulassen. Das Kontinuum hilft bei der Dimensionierung.

Mittel zum Zweck

Die Verfahren sind ein Mittel zum Zweck. Sie bieten ein Set an Tools und Interventionen, mit denen der Konflikt beizulegen ist. Mitunter ist es erforderlich, die Verfahren zu koordinieren. Dabei stehen die Bedürfnisse der Parteien im Vordergund, selten die Fachfragen. Ein effizientes Konfliktmanagement steht über den Verfahren so wie ein effizientes Verfahren die Maßnahmen zur Konfliktbewältigung zu koordinieren versteht. Ein Konfliktzuweisungsprinzip, mit dem Verfahren Konflikten zugeordnet werden, ist kontraproduktiv.

Bedeutung für die Mediation

Idealerweise erarbeitet der Mediator das Aufkommen der Konflikte mit den Parteien anhand seiner Konfliktlandkarte. Er prüft die Kongruenz, in dem er darf darauf achtet, dass alle Konflikte benannt werden und sich im Thema repräsentieren. Wichtig ist, dass die Parteien den Krieg erkennen und die Schlacht vom Krieg differenzieren können. Ob über diese Themen gesprochen wird ist eine andere Frage. ist es wichtig dass die Parteien den Konflikt erkennen.2

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2023-02-11 09:57 / Version 46.

Alias: Konfliktzuweisung, Konfliktdeckung, Verfahrenskongruenz, Kongruenz
Siehe auch: Kontinuum, Phase 2, Authentizität
Prüfvermerk:


Based on work by Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 24, 2024 00:37:07 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 3 Minuten