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Trauma und Traumata in der Mediation

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Der Begriff Trauma (Mehrzahl Traumata) bedeutet psychische Ausnahmesituation („Psychotrauma“). Ausgelöst durch überwältigende Ereignisse ( z.B. Gewalttat, Krieg oder Katastrophe), die eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen oder einer nahestehenden Person darstellen.1 Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und wird mit Wunde oder Verletzung übersetzt. Man könnte ein psychologisches Trauma also als eine psychologische Verletzung ansehen.

Verletzungen und Psychotraumata

Verletzungen sind im menschlichen Leben an der Tagesordnung. Sie brauchen nur beim Brotschneiden mit dem Messer auszurutschen und schon haben Sie Ihren Finger verletzt. Ist die Wunde nicht groß, unternehmen Sie wahrscheinlich gar nichts. Der Körper heilt sich selbst. Wenn es sich um einen tieferen Schnitt handelt, werden Sie den Finger wohl verbinden, damit die Wunde besser heilen kann. Geht der Schnitt noch tiefer, muss er vielleicht sogar genäht werden, damit er richtig ausheilen kann. Die psychologische Verletzung veräuft ähnlich. Auch die Psyche ist in der Lage, sich selbst zu heilen.2 Kleinere Verletzungen benötigen keinen Eingriff. Größere brauchen eine Unterstützung, um die Heilung zu ermöglichen. Damit ist die Therapie gemeint. Weder der Körper noch die Seele können heilen, wenn die Wunde zu tief geht oder ständig wieder aufgerissen wird.

Der Unterschied zwischen körperlichen und seelischen Verletzungen besteht zunächst darin, dass die einen meist sichtbar sind, die anderen nicht. Ein Psychotrauma ist nicht ledigkich ein schreckliches Ereignis, das die betroffene Person zu verarbeiten hat. Es meint auch keine beliebige oder beiläufige, seelische Verletzung. Vielmehr wird eine Verletzung angesprochen, die so tief geht, dass sie eine existentielle Bedrohung darstellen kann. Sie löst extreme Angst, Kontrollverlus und Ohnmacht aus. Die angeübten Mechanismen genügen oft nicht mehr, um die Verletzung zu bewältigen.

Die Ursachen von seelischen Verletzungen

Psychische Verletzungen können auf anhaltende, wiederholte oder chronische traumatische Erfahrungen zurückgeführt werden, die während der frühen Entwicklungsphasen in der Kindheit und Jugend auftreten. Dann ist von einem Entwicklungstrauma die Rede. Diese traumatischen Erlebnisse wirken sich tief auf die körperliche, emotionale und psychische Entwicklung einer Person aus. Typische Ursachen sind:

  1. Vernachlässigung: Vernachlässigung durch Bezugspersonen
  2. Missbrauch: Emotionaler, physischer oder sexueller Missbrauch über einen längeren Zeitraum
  3. Stress: Chronischer Stress in der Familie, wie ständige Konflikte, Alkohol- oder Drogenmissbrauch der Eltern
  4. Bindungsdefizit: Unstabile Bindungen oder Verlust einer Bezugsperson (z. B. durch Tod oder Trennung)

Daneben kann eine Traumatisierung auch durch ein einzelnes, überwältigendes Ereignis herbeigeführt werden, das als lebensbedrohlich erlebt wird und die betroffene Person stark erschüttert. Dann ist von einem Schocktrauma die Rede. Sie geschehen oft unerwartet. Häufige Ursachen sind:

  1. Gewalt: Gewalterfahrungen, sei es physische, sexuelle oder emotionale Gewalt, können tiefe seelische Wunden hinterlassen. Diese können sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter auftreten und verursachen oft langfristige psychische Probleme.
  2. Unfälle und Naturkatastrophen: Erlebnisse wie schwere Unfälle oder Naturkatastrophen können traumatisch sein und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) auslösen. Die plötzliche und oft lebensbedrohliche Natur solcher Ereignisse kann zu lang anhaltenden psychischen Problemen führen.
  3. Krieg und Konflikte: Menschen, die Krieg oder bewaffnete Konflikte erleben, sind einem hohen Risiko für Traumata ausgesetzt. Die Erfahrungen von Gewalt, Verlust und Trennung können schwerwiegende psychische Folgen haben, die oft lange Zeit anhalten.
  4. Vernachlässigung und Missbrauch: Vernachlässigung oder Missbrauch in der Kindheit können tiefe emotionale Wunden verursachen und das Risiko für psychische Probleme im Erwachsenenalter erhöhen. Diese Formen von Traumata können das Vertrauen und das Selbstwertgefühl eines Menschen stark beeinträchtigen.

Die Auslöser von seelischen Verletzungen

Traumata können durch verschiedene Auslöser aktiviert werden, die Erinnerungen an das traumatische Ereignis hervorrufen. Einige häufige Auslöser sind:

  1. Triggerereignisse: Bestimmte Ereignisse oder Situationen, die Ähnlichkeiten mit dem traumatischen Erlebnis aufweisen, können starke emotionale Reaktionen auslösen. Diese Triggerereignisse können dazu führen, dass die betroffene Person sich fühlt, als würde sie das Trauma erneut durchleben.
  2. Flashbacks: Flashbacks sind intensive, oft unkontrollierbare Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Sie können plötzlich auftreten und die betroffene Person in die Vergangenheit zurückversetzen, als wäre das Ereignis gerade erst geschehen.
  3. Alpträume: Alpträume sind häufige Begleiter von Traumata. Sie können die betroffene Person nachts quälen und zu Schlafstörungen führen, was wiederum die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann.

Anfälligkeit und Verletzlichkeit

Die Anfälligkeit für Traumata ist von Person zu Person unterschiedlich. Nicht alle Menschen, die traumatische Ereignisse erleben, werden zwangsläufig traumatisiert. Darüber hinaus können Menschen, die traumatische Ereignisse erleben, verschiedene Bewältigungsstrategien entwickeln, um mit den Folgen umzugehen und langfristige psychische Probleme zu vermeiden. Die Anfälligkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sie werden durch genetische, biologische, soziale und Umweltfaktoren beeinflusst. Einige Menschen können widerstandsfähiger gegenüber traumatischen Ereignissen sein, während andere anfälliger für die Entwicklung von Traumata sind. Hier sind einige Faktoren, die die Anfälligkeit für Traumata beeinflussen können:

  1. Genetik und Biologie: Einige Studien legen nahe, dass genetische und biologische Faktoren eine Rolle bei der Anfälligkeit für Traumata spielen können. Einige Menschen können aufgrund ihrer genetischen Veranlagung empfindlicher auf stressige Ereignisse reagieren.
  2. Frühe Lebenserfahrungen: Die Erfahrungen, die eine Person in ihrer Kindheit macht, können ihre Anfälligkeit für Traumata im späteren Leben beeinflussen. Vernachlässigung, Missbrauch oder andere traumatische Ereignisse in der Kindheit können das Risiko erhöhen, später im Leben traumatisiert zu werden.
  3. Soziale Unterstützung: Ein starkes soziales Netzwerk und unterstützende Beziehungen können dazu beitragen, die Anfälligkeit für Traumata zu verringern. Menschen, die in einem unterstützenden Umfeld aufwachsen oder leben, sind oft widerstandsfähiger gegenüber traumatischen Ereignissen.
  4. Persönlichkeitsmerkmale: Persönlichkeitsmerkmale wie Resilienz, Selbstwertgefühl und emotionale Stabilität können die Anfälligkeit für Traumata beeinflussen. Menschen mit einer starken Persönlichkeit und guten Bewältigungsstrategien sind oft besser in der Lage, mit traumatischen Ereignissen umzugehen.
  5. Exposition gegenüber Risikofaktoren: Menschen, die bestimmten Risikofaktoren ausgesetzt sind, wie z.B. Armut, Diskriminierung oder sozialen Ungerechtigkeiten, können anfälliger für traumatische Ereignisse sein. Diese Faktoren können das Risiko von Gewalt, Missbrauch oder anderen traumatischen Ereignissen erhöhen.

Erkennbarkeit von Traumatisierungen

Die Manifestation eines Traumas geschieht individuell. Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Art des Traumas, der individuellen Resilienz und der verfügbaren Unterstützungssysteme. Es gibt jedoch einige gemeinsame Anzeichen, die darauf hinweisen können, dass jemand traumatisiert ist:

  1. Verhaltensänderungen: Traumatisierte Personen können plötzliche Verhaltensänderungen zeigen. Sie könnten sich zurückziehen und sozial isoliert werden oder sich aggressiver und reizbarer verhalten als zuvor.
  2. Emotionale Instabilität: Starke emotionale Reaktionen wie plötzliche Wutausbrüche, intensive Ängste oder häufige Stimmungsschwankungen können Anzeichen für ein Trauma sein.
  3. Vermeidungsverhalten: Betroffene könnten versuchen, Erinnerungen an das traumatische Ereignis zu vermeiden, indem sie Situationen, Orte oder Personen meiden, die sie damit in Verbindung bringen.
  4. Flashbacks und Alpträume: Das Auftreten von Flashbacks, also das Gefühl, das traumatische Ereignis erneut zu erleben, oder wiederkehrende Alpträume können auf ein unbehandeltes Trauma hinweisen.
  5. Intrusionen: Ungewollte Erinnerungen an das traumatische Ereignis, die als belastend empfunden werden.
  6. Körperliche Symptome: Traumatisierte Personen können auch körperliche Symptome aufweisen, wie z.B. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder erhöhte Anfälligkeit für Infektionen.
  7. Suchtverhalten: Einige Menschen nutzen Substanzen wie Alkohol oder Drogen, um mit den emotionalen Schmerzen eines Traumas umzugehen. Ein übermäßiger Gebrauch von Suchtmitteln kann daher ein Hinweis auf traumatische Erfahrungen sein.
  8. Hypervigilanz oder Hyperarousal: Traumatisierte Personen können eine erhöhte Wachsamkeit und Hypervigilanz zeigen, da sie ständig nach potenziellen Bedrohungen Ausschau halten.

Obwohl Trauma und Konfliktverhalten zwei unterschiedliche Phänomene sind, können sie sich überlappen und Symptome zeigen, die schwierig voneinander abzugrenzen sind. Schwierigkeiten kann auch die Abgrenzung eines Traumas von einem schrecklichen Ereignis machen, das kein Trauma ist. Dami Charf erläutert in dem nachfolgenden Video die Erkennungsmerkmale.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Woran erkenne ich ein Trauma?

Behandlung von Traumata

Traumatisierte Personen benötigen oft spezifische therapeutische Interventionen, um ihre traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten und die Symptome zu bewältigen. Für das Konfliktverhalten genügen Konfliktlösungsstrategien und Kommunikationstechniken. Für die Behandlung von Traumata ist eine ganzheitliche Herangehensweise angebracht, die sowohl medizinische als auch therapeutische Interventionen umfasst. Einige gängige Methoden zur Behandlung von Traumata sind:

  1. Psychotherapie: Verschiedene Formen der Psychotherapie, wie z.B. kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), haben sich als wirksam bei der Behandlung von Traumata erwiesen. Diese Therapien zielen darauf ab, belastende Erinnerungen zu verarbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
  2. Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen kann die medikamentöse Behandlung von Traumata notwendig sein, insbesondere wenn begleitende Symptome wie Depressionen oder Angststörungen vorliegen. Antidepressiva und angstlösende Medikamente können dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
  3. Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann eine wertvolle Unterstützung für traumatisierte Personen sein. Selbsthilfegruppen bieten einen sicheren Raum für den Austausch von Erfahrungen und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien.
  4. Achtsamkeitspraktiken: Achtsamkeitspraktiken wie Meditation und Yoga können dazu beitragen, Stress abzubauen und das emotionale Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf den gegenwärtigen Moment konzentrieren, können traumatisierte Personen lernen, mit belastenden Gedanken und Emotionen umzugehen.

Traumata in der Mediation

Ein deutlicher Hinweis, dass mit der Partei etwas nicht in Ornung ist, zeigt sich in der Mediation, wenn sie nicht bereit oder in der Lage ist, sich auf den Gedankengang einzulassen. Wenn sie sich wehrt, bestimmte Gedanken in ihren Kopf zu lassen. Das kann noch ein konfliktbedingtes Verhalten sein. Wenn aber die Techniken der Mediation und insbesondere die Interventionen versagen, um die zu reflektierenden Gedanken der Partei zugänglich zu machen, ist Vorsicht geboten. Sicherlich gelingt es dem Mediator, eine seelische Wunde aufzureißen. Aber wie behandelt er jetzt die aufgebrochene Wunde?

 Merke:
Leitsatz 16171 - Die Mediation ist KEINE Therapie. Sie kann der Therapie jedoch zuarbeiten und eine hervorragende Ergänzung darstellen, die auch der Therapeut nutzen kann.

Die Mediation ist keine Therapie. Auch wenn sie der Therapie sehr nahe kommt.3 Selbst ein therapeutischer Mediator sollte den Unterschied nicht verkennen und die Grenzen zwischen Therapie und Mediation nicht überschreiten. Die Mediation endet stets in einer Entscheidung. Die Behandlung ist eine andere Dienstleistung. Weil die Mediation überwiegend Techniken der Therapie verwendet, sind die Grenzen fließend. Die Gratwanderung verlangt eine erhöhte Achtsamkeit des Mediators. Die Auseinandersetzung mit Mediationen, die mit Traumatisierungen zu tun haben, hat zu einem Ansatz geführt, der als traumasensible under traumakundige Mediation beschrieben wird. Nähes dazu lesen Sie in der Beschreibung der Mediationsvariante.

traumasensible und traumakundige Mediation

Bedeutung für die Mediation

Die Aufassung, dass eine Mediation bei Traumata nicht möglich sei, ist unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. Die Mediation kann eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung zur Traumabehandlung darstellen, erst recht, wenn und weil sie den Verletzer mit ins Boot holen kann. Sie kann dessen Einsicht erreichen und die Resilienz des Opfers stärken. Wenn sich die Beteiligten auf eine Mediation einlassen, ist sie im Zweifel ein effizienterer Weg, eine Bedrohungslage abzustellen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mediator die erforderliche Kompetenz vorhalten kann. Die lediglich auf dem Harvard-Konzept basierende, verhandlungsbasierte Mediation genügt dafür nicht.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-10-22 13:39 / Version 29.

Alias: Traumata
Siehe auch: Verletzung, Gewalt
Prüfvermerk: -

1 Zitat aus Seelisches Trauma: Was ist das? - 2024-03-05
3 besonders bei der transformativen oder der integrierten Mediation


Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag November 22, 2024 16:28:20 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 9 Minuten