Mediation bei und mit traumatisierten Medianden
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Mediation Trauma traumasensible Mediation Datenbank Eintrag Suche
Der Begriff der traumasensiblen Mediation wurde offenbar wieder von der Meditation abgeschaut. Dazu finden Sie im Internet einige Quellen. Meist werden therapeutische Ansätze verstärkt in die Mediation einbezogen. Der Begriff der traumasensiblen Mediation wurde nur in zwei Quellen gefunden.1 Praus versteht darunter eine Mediation, in die sie die Methode des Somatic Experiencing einbindet. Somatic Experiencing ist eine sanfte, körperorientierte Therapiemethode nach Dr. Peter Levine, die darauf abzielt, traumatische Erfahrungen durch gezielte Aufmerksamkeit auf körperliche Empfindungen und Reaktionen zu bearbeiten.2 Hartung sieht in der traumasensiblen Mediation eine spezielle Form der Mediation, die sich auf die Arbeit mit Menschen konzentriert, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Sie ist ein Ansatz, der darauf abzielt, die Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen mit Traumata zu berücksichtigen und ihnen dabei zu helfen, ihre Konflikte auf eine konstruktive und respektvolle Weise zu lösen.3
Herausforderungen der Mediation
Bei Konflikten, in denen eine oder beide Parteien traumatische Erfahrungen gemacht haben, können die Dynamiken der Mediation erschwert werden. Traumatisierte Personen können durch bestimmte Gesprächssituationen oder durch Aussagen der Gegenseite getriggert werden. Dies kann zu einer Übererregung, emotionalen Rückzügen oder sogar einem kompletten Abbruch der Kommunikation führen. Zu den spezifischen Herausforderungen in der Mediation mit traumatisierten Parteien gehören:
- Erschwerte Kommunikationsfähigkeit: Traumatisierte Personen können Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle und Bedürfnisse klar zu kommunizieren. Es kann ihnen schwerfallen, in den Dialog zu treten und ihre Perspektive in einer konstruktiven Weise darzustellen.
- Erhöhtes Misstrauen: Traumatisierte Menschen entwickeln häufig ein erhöhtes Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Dies kann die Vertrauensbasis, die für eine erfolgreiche Mediation notwendig ist, beeinträchtigen.
- Gefahr der Retraumatisierung: In einer Mediation können Themen angesprochen werden, die schmerzhafte Erinnerungen an das traumatische Erlebnis wachrufen und so zu einer Retraumatisierung führen. Dadurch kann der Prozess für die betroffene Person sehr belastend werden.
Der Ansatz der traumasensiblen Mediation
ChatGPT meint, der Ansatz der traumasensiblen Mediation habe sich entwickelt, um diesen besonderen Herausforderungen gerecht zu werden. Dabei wird die Mediation so gestaltet, dass sie den besonderen Bedürfnissen von traumatisierten Menschen Rechnung trägt und darauf abzielt, eine retraumatisierende Situation zu vermeiden. Wichtige Aspekte der traumasensiblen Mediation seien:
- Schaffung einer sicheren Atmosphäre: Der Mediator oder die Mediatorin achtet darauf, eine Atmosphäre der Sicherheit und des Vertrauens zu schaffen. Dies kann durch eine behutsame Einführung in den Mediationsprozess, klare Struktur und transparente Kommunikation geschehen.
- Sensibilität für Trigger: Traumasensible Mediatoren haben ein geschultes Auge für mögliche Trigger und Anzeichen einer Überforderung bei den Konfliktparteien. Sie wissen, wie sie den Prozess anpassen können, um Belastungen zu verringern, z. B. durch Pausen oder den Verzicht auf direkte Konfrontationen.
- Empathische Gesprächsführung: Eine einfühlsame und respektvolle Gesprächsführung ist besonders wichtig. Mediatoren achten darauf, den Raum für Gefühle zu lassen und den Parteien zu vermitteln, dass ihre Emotionen wahrgenommen und respektiert werden.
- Stärkung der Autonomie: Es ist wichtig, dass traumatisierte Personen die Kontrolle über den Prozess behalten und sich nicht erneut in eine ohnmächtige Position versetzt fühlen. Mediatoren achten daher darauf, dass die Konfliktparteien in Entscheidungen über den Ablauf der Mediation einbezogen werden.
Hartung geht davon aus, dass sich eine traumasensible Mediation durch folgene Merkmale auszeichnet, die sie von herkömmlichen Mediationsverfahren unterscheiden:4
- Sensibilität gegenüber Traumata: Der Mediator ist sich bewusst, dass eine oder beide Konfliktparteien traumatische Erfahrungen gemacht haben könnten und ist daher sensibel gegenüber den Auswirkungen dieser Erfahrungen.
- Sicherheit und Vertrauen: Ein wesentlicher Bestandteil der traumasensiblen Mediation ist es, ein sicheres und vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, in dem die Konfliktparteien sich öffnen und ihre Bedürfnisse und Gefühle ausdrücken können.
- Flexibilität: Der Mediator passt den Ablauf der Mediation an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Konfliktparteien an. Dies kann bedeuten, dass die Mediation in einem langsameren Tempo durchgeführt wird oder dass alternative Kommunikationsmethoden verwendet werden, um die Beteiligten zu unterstützen.
- Empowerment: Bei der traumasensiblen Mediation geht es nicht nur darum, den Konflikt zu lösen, sondern auch darum, die Beteiligten zu stärken und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um zukünftige Konflikte besser zu bewältigen.
- Fokus auf Selbstfürsorge: Die Beteiligten werden ermutigt, auf ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu achten und sich selbst zu schützen, während sie sich mit dem Konflikt auseinandersetzen.
Der Ansatz der traumakundigen Mediation
Auf der Suche nach konkreten Fallerfahrungen, mit denen sich die Praxis der Mediation bei traumatisierten Beteiligten erkunden lassen,
stoßen Sie auf das Projekt "Family mediation in the period of war" das von den NGO's Mediation School, League of Mediators of Ukraine und der Association of Family Mediators of Ukraine während des Ukraine Krieges seit 2022 durchgeführt wird.5
In diesem Projekt werden Erfahrungen gesammelt und Vorgehensweisen entwickelt, wo nicht nur einzelne Medianden, sondern alle Beteiligten durch den Krieg traumatisiert worden sind.
Die ukrainischen Mediatoren haben ganz eigene Erfahrungen gewonnen, wie sie die Mediation in solchen Fällen durchführen. Sie sprechen nicht von einer traumasensiblen Mediation, sondern von einem Trauma-informed approach, also einem traumakundigen Ansatz in der Mediation. Die begriffliche Nuance soll darauf hindeuten, dass dieser Mediationsansatz keine Kenntnisse der klinischen Psychologie erfordert und dass es nicht um eine therapeutische Behandlung geht. Die Besonderheit der Herangehensweise beginnt bereits mit dem Erstkontakt. Es werden fünf markante Schritte herausgestellt:
- Mediator: Was weiß ich über mich selbst? Hier geht es um die Frage der Belastbarkeit und Betroffenheit des Mediators. Die Frage ist in einem Kriegsgebiet besonders relevant, weil der Mediator möglicherweise selbst traumatisiert ist. Er muss sich also fragen, wie hoch der eigene Stresslevel ist, wie er mit Stress umgeht, wie er sich auf eine Mediation vorbereitet, wo Traumatisierungen ganz sicher ein Thema sein werden und ob er versteht, wie mit Menschen umzugehen ist, die ein Trauma erlebt haben, ohne das Trauma zu vertiefen?
- Mediand: Wer ist die Person, der ich begegne? Neben der Auseinandersetzung mit sich selbst spielt natürlich auch die Auseinandersetzung mit den Parteien eine Rolle. Der Mediator erkundigt sich nach Verletzungen und deren Konsequenzen. Er möchte wiessen, wie die Partei mit Stress umgeht und was die Partei benötigt, um so gut wie möglich auf die Mediation vorbereitet zu sein. Der Mediator braucht einen Plan für den Fall, dass Trigger eintreffen. Es ist wichtig, dem Medianden zuzuhören und sich die Einzelheiten des Traumaerlebnisses schildern zu lassen. Der Mediator unterstützt individuelle Ansätze mit den Mitteln des Empowerments aund der Rsilienz und ermutigt zum Handeln und zur Übernahme von Verantwortung.
- Screening und Analyse der Situation. Der Mediator prüft, ob er die über die nötigen Werkzeuge verfügt, um die Wünsche der Medianden bei der Reaktion auf Krisensituationen während der Mediation zu berücksichtigen. Besteht die Möglichkeit eines Screenings und der Nachfolgebewertung, zur Einbeziehung von trauma-bezogenen Informationen in die Dienstleistung und zu den verfügbaren Angeboten basierend auf den spezifischen Verletzungen. Er prüft, ob die Mediation für den Konflikt nützlich sein kann, und welche Themen Raum für Verhandlungen bieten. Weiterhin prüft er welche vorbereitenden Schritte unternommen werden sollten, bevor die Arbeit beginnt.
- Psychoedukation und grundlegende Informationen über Trauma für alle Teilnehmer Es geht um die Unterstützung bei Gefühlen der Abnormalität oder der Unzulänglichkeit, des Kontroll- und Sicherheitsverlusts, von Scham und Schuld. Die Medianden müssen bruhigt werden, sie müssen Vertrauen erfahren und benötigen Unterstützung beim Aufbau von Fähigkeiten und derm Erlernen, wie man Widerstand leisten kann. Gleichzeitig kann und sollte die Inanspruchnahme der Psychotherapie empfohlen werden.
- Merkmale des traumainformierten Ansatzes in der Mediation Familienkonflikte von übergeordneten Themen (einschließlich Krieg) trennen. Den Parteien helfen, die Bedeutung der Lösung von Familienkonflikten zu verstehen. Gemeinsame Gefühle über den Krieg/die traumatische Situation hervorheben..
Traumaarbeit in und mit Mediation
Den bisher aufgeführten Fällen war gemeinsam, dass die traumatisierten Personen direkt an der Mediation teilnehmen. Es gibt allerdings auch Fälle, wo die Mediation zwar mit traumatisierten Personen zu tun hat. Sie sind vielleicht sogar Gegenstand der Mediation, nehmen aber nicht direkt an ihr teil. Ein derartiger Fall wäre zum Beispiel die Scheidung der Eltern und die Regelung der Kindschaftsverhältnisse, wenn ein Kind von einem Elternteil missbraucht wurde. Auch dann wäre es für die Therapie des Kindes hifreich, wenn die Beziehung der Eltern und gegebenenfalls sogar zum Kind im Wege einer Mediation geheilt oder zumindest neutralisiert werden kann.6
Wenn Sie sich die Empfehlungen anschauen, die für traumasensible Mediationen vorgeschlagen werden, mag der Gedanke aufkommen, dass die Vorgehensweisen doch ohnehin in der Mediation zu beachten sind. In jeder Mediation kommt es auf die Achtsamkeit an oder darauf, den Selbstwert der Partei zu stärken. Sicher gibt es graduelle Unterschiede bei Erkrankungen. Deshalb sollte jeder Mediator eine Sensibilität im Umgang mit Krankheiten und insbesondere mit möglichen psychologischen Verletzungen entwickeln. Aber auch das ist eine generelle Anforderung an die Mediation und einer der Gründe, warum Wiki to Yes die Rubrik über Konfliktkrankheiten eingeführt hat. Eine Berührung der Mediation mit psychischen Erkrankungen kommt nicht nur bei der Behandlung in Betracht, sondern auch bei der Entstehung. Jeder Mediator muss wissen, dass und wann eine fehlerhafte Konfliktbewältigung zu einem Trauma oder einer sonstigen Erkrankung führen kann. Das Wissen über Traumata betrifft deshalb nicht nur den Umgang mit vorhandenen Traumata, sondern auch die Verhindung seines Entstehens.
Dass überhaupt von traumasensiblen oder traumakundigen Mediationen gesprochen wird, mag mit der Ausbildung zusammenhängen und dem unklaren Bild der Mediation und ihrer Anforderungen. Nicht jede Ausbildung wirdmet sich dem Thema Krankheit mit einem eigenen Themenbereich. Nicht einmal die Ausbildungsverordnung erkennt im Umgang mit Krankheiten einen eigenständigen Ausbildungsinhalt, wenn das Thema nicht unter die schwierigen Situationen subsummiert wird. Eine korrekt durchgeführte Mediation erstreckt ihre traumasensible Wirkung per se auf folgende Bereiche:
- Positive Effekte durch sichere Räume: Studien zeigen, dass Menschen mit traumatischen Erfahrungen besonders von stabilen, sicheren Räumen profitieren. Traumasensible Mediation schafft eine solche Umgebung und kann dadurch einen Raum der Heilung bieten, in dem die Betroffenen neue, positive Erfahrungen mit zwischenmenschlicher Kommunikation machen können.
- Vermeidung von Retraumatisierung: Untersuchungen belegen, dass traumatisierte Menschen sensibel auf unvorhergesehene Situationen und emotionale Belastungen reagieren. Ein traumasensibler Mediationsansatz kann helfen, solche Situationen zu vermeiden und dadurch die Gefahr einer Retraumatisierung zu verringern.
- Stärkung der Resilienz: Durch eine traumasensible Herangehensweise in der Mediation können Betroffene lernen, ihre Ressourcen zu nutzen und ihre Resilienz zu stärken. Sie können erleben, dass Konflikte auf eine konstruktive Weise bearbeitet werden können, was das Vertrauen in sich selbst und in andere wiederherstellen kann.
Trossen weist darauf hin, dass die Mediation nach der kognitiven Mediationstheorie alle Anforderungen erfüllt, ohne dass es eines eigenen Namens bedarf. Sie eignet sich schon deshalb für die traumasensible Mediation, weil sie sich selbst an dem Konzept der lösungsorientierten Kurztherapie orientiert. Wenn die Mediation nach diesem Konzept ausgeübt wird, kommt sie auch der von Genther-Haglington beschriebenen lösungsorientierten Traumatherapie nahe.7 Es besteht kein Anlass, das Trauma zu kennen und sich bewusst zu erinnern oder das Trauma nochmals zu durchleben. Dadurch wird eine erneute Traumatisierung vermieden. Wie in der Mediation wird nicht das Trauma, sondern das behandelt, was daraus resultiert. Auf diesem Weg erzeugt die Mediation in der Phase drei Resilienzeffekte, die die Partei nur stärken kann. Das Ergebnis könnte in der Empfehlung einer Therapie enden. Auch die Resilienzeffekte werden von Bauer bestätigt. Er verweist auf die Kommandostrukturen des Gehirns, wie sie von der Neurowissenschaft erläutert werden. Danach sind zwei Kommandoebenen zu unterscheiden, die hierarchisch miteinander verbunden sind. Die obere Kommandoebene betrifft das Selbstsystem, womit die innere Aufstellung gemeint ist. Hier finden sich Antworten auf die Frage, "Was denke ich über mich?" oder "Was glaube ich, was gut für mich ist?". Die Resilienz entsteht, wenn und weil die obere Kommandoebene die untere Ebene beeinflusst, zu der das Belohnungssystem, das Stresssystem und das Angstsystem gehört. Die untere Kommandoebene produziert Botenstoffe, mit denen das Herz-, Kreislauf- und Immunsystem beeinflusst werden. Die obere Kommanoebene wird durch die Mediation gestärkt. Diese Stärkung wirkt sich auf das Wohlbefinen und die Resilienzfähigkeit auch auf der körperlichen Ebene aus, woraus eine Wechselwirkung entsteht. Wenn weniger Stressbotenstoffe, weniger Angstbotenstoffe, mehr Glücksbotenstoffe in den Körper geschickt werden, stabilisiert sich in vielen Fällen die eigene Wertschätzung und mithin die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Konflikt- und Traumabewältigung.8
Bedeutung für die Mediation
Nicht alle Mediatoren sind ausreichend psychologisch geschult, um mit den speziellen Bedürfnissen traumatisierter Menschen umzugehen. Nicht alle können mit den starken emotionale Belastungen umgehen. In manchen Fällen ist eine Zusammenarbeit mit Trauma-Therapeuten notwendig. Manchmal ist eine vorherige therapeutische Bearbeitung des Traumas notwendig.
Die traumasensible Mediation ist ein wichtiger Ansatz, um Menschen, die durch traumatische Erlebnisse belastet sind, in Konfliktsituationen besser zu unterstützen. Sie schafft eine sichere und strukturierte Umgebung, in der auch schwierige Themen besprochen werden können, ohne dass die betroffenen Personen erneut belastet werden. Durch eine erhöhte Sensibilität für die besonderen Bedürfnisse traumatisierter Menschen kann die traumasensible Mediation dazu beitragen, tragfähige Lösungen zu finden und die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien nachhaltig zu verbessern. Weitere Forschung ist notwendig, um die Wirksamkeit und die besten Methoden in diesem Bereich genauer zu untersuchen und den Ansatz weiterzuentwickeln.
Bitte beachten Sie die Zitier - und LizenzbestimmungenAlias: traumakundige Mediation
Siehe auch: Wut Verfahrensverzeichnis
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