Stereotypen und Vorurteile
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Dieser Beitrag ergänzt die Ausführungen über die Wahrheit, die Wirklichkeit und die Frage nach den dahinter verborgenen Bedeutungen. Wenn die Mediation eine Verstehensvermittlung ist, kommt es darauf an, ein Verständnis auch für diese Phänomene zu entwickeln. Die Komplexität des Themas erfordert es aber auch, folgende Beiträge im Blick zu haben:
Bedeutungswirklichkeit Denken Framing Verschwörungstheorien
Stereotypen und Vorurteile begegnen uns überall. Neuerdings erfreuen sich auch Verschwörungstheorien einer immer größeren Beliebtheit. Beachten Sie aber bitte, dass das Wort Verschwörungstheorie schon ein Framing darstellt, das den Verschwörungstheoretikern bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Wird ihnen diese Zuschreibung gerecht? Wie wäre es, wenn wir statt von Vorurteilen von ersten Eindrücken sprechen und statt von Verschwörungstheorien von nicht nachvollziehbaren Erklärungsansätzen? Das würde den negativen Beigeschmack herausnehmen und kommt dem Thema sogar etwas näher, um das es in diesem Beitrag geht. Warum solche Begriffe bei dem ein oder anderen etwas auslösen, hat mit der Leistungsfähigkeit unseres Gehirns zu tun.
Die Leistungsfähigkeit des Gehirns
Im Grunde ist die gedankliche Ausgangslage in allen Fällen vergleichbar. Unser Gehirn wird ständig mit Reizen und Informationen überflutet. Es würde uns Menschen überfordern, wenn alle Reize hinterfragt, untersucht und abgewogen werden. Das Gehirn hilft sich und uns, indem es bestimmten Reizen eine Priorität zuschreibt, die ähnlich wie ein gedanklicher Fingerabdruck wirkt. Die sich daraus ergebende Prägung erlaubt es, dem Reiz (oder der Information) Eindrücke und Emotionen zuzuschreiben, woraus sich ihre Bedeutung ableiten lässt. Bitte beachten Sie:
Erst die Bedeutungszuschrift erlaubt die Einschätzung der Lage oder der Situation. Sie liefert also die Meinungs-, Entscheidungs- und Handlungsgrundlage. Um unsere Entscheidungsfähigkeit sicherzustellen, muss alles sehr schnell gehen. Deshalb beschränkt sich der Eindruck auf ein paar Eigenschaften, die in der Regel als gegeben angenommen werden.
Schubladendenken
Die Problematik lässt sich mit der Entwicklung der ersten Schachcomputer vergleichen. Schach ist ein außerordentlich komplexes Spiel, das in jeder Spielsituation nahezu unendlich viele Zugoptionen anbietet. Die ersten Computer waren deshalb kaum in der Lage, die enorme Rechenleistung zu erbringen, wo jede mögliche Zugvariante und ihre Auswirkungen auszurechnen war. Abgesehen davon, dass die Rechenleistung der Prozessoren mit der Zeit wesentlich verbessert wurde, konnte der Rechenaufwand minimiert werden, als die Computer lernten, nicht jeden möglichen Zug zu errechnen, sondern nur solche, die aus der Spielsituation heraus einen Sinn ergeben.1 Die Computer lertnen also eine Art Schubladendenken, um die Rechenleistung zu minimieren.
Auch unser Gehirn versucht die Denkleistung zu reduzieren, indem es auf Erfahrungen und Vorprägungen zurückgreift. Anders als AlphaZero wird es sich von dem menschlichen Kontext allerdings nie wirklich entfernen können.2
Trotzdem ist es hilfreich, wenn die einer Einschätzung zugrunde liegenden Eindrücke und Erfahrungen schablonenhaft hinterlegt werden. Der Erfahrungsschatz optimiert die gedankliche Leistung. Er trägt dazu bei, eine Orientierung zu finden. Wenn die als Erfahrungen abgespeicherten gedankllichen Fingerabdrücke jedoch nicht differenziert und hinterfragt werden, kommt es zu einer Reduktion der gedanklichen Leistung. Die Hinterfragung unterbleibt, weil die hinterlegten Einschätzungen, ähnlich wie beim Priming, oft als real wahrgenommen werden. Wenn sich diese Unterlassung dann zu einer, an starren Kategorien orientierten, undifferenzierten und engstirnigen Denkweise auswirkt, ist von einem Schablonen- oder Schubladendenken die Rede.
Klischee
Es mag verwundern, wenn in diesem Zusammenhang Klischees aufgeführt werden. Was hat das mit Stereotypen oder Vorurteilen zu tun? Gemeinsam ist aber auch ihnen die schablonenhafte Vorstellung von der Welt. Bei einem Klischee geht es allerdings nur um eine Redensart, ein Kunstwerk oder ein Stilmittel. Der Begriff kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie Abklatsch.
Stereotypen
Im Gegensatz zu einem rasterhaften Klischee sind die Stereotype auf Personen oder Personengruppen bezogen. Das Stereotyp entsteht aus einer unbewussten und mitunter sogar automatischen kognitiven Zuordnung. Positiv betrachtet helfen sie die Komplexität zu reduzieren. Negativ betrachtet, führen sie zu einer Ungenauigkeit, die auf den Einzelfall bezogen weder wahr noch begründet ist. Trotzdem ist ein Stereotyp eine neutrale Feststellung, die meist wahr ist.3
Der im Beispiel aufgeführte Stereotyp existiert in Wirklichkeit, aber nicht immer. Er ist auch nicht negativ geprägt. Insbesondere erlaubt er auch nicht die Schussfolgerung, dass jemand der keine Lederhose trägt nicht Deutscher ist. Ebensowenig kann dareaus gefolgert werden, dass jemand, der eine Lederhose trägt Deutscher ist. Das Stereotyp ist also ein Eindruck. Seine Aussagekraft ist eher unbedeutend.
Vorurteile
Das Vorurteil drückt im Gegensatz zum Stereotyp eine generelle Haltung aus. Der Wortbestandteil Urteil deutet auf etwas endgültiges hin. Im Google Wörterbuch finden Sie die folgende Definition: Vorurteile sind nicht objektive, meist von feindseligen Gefühlen bestimmte Meinungen, die sich jemand ohne Prüfung der Tatsachen voreilig, im Voraus über jemanden oder etwas gebildet hat4 Wichtig ist, dass das Vorurteil der Informationsdimension Meinung zugeordnet wird. Auffällig ist die negative Bewertung.
Bergmann führt aus, daß in jeder Einschätzung Momente des Vorurteilshaften zu finden seien. Das läge daran, dass wir in unseren Urteilen stets die eigene Sichtweise wiedergeben, die fast immer auf Verallgemeinerungen beruhe. Die Vorurteilsforschung versucht den Begriff genauer einzugrenzen. Sie geht davon aus, dass der Vorurteilsbegriff wesentlich durch seinen normativen, moralischen Gehalt bestimmt sei. Vorurteile unterscheiden sich von anderen Einstellungen nicht durch spezifische innere Qualitäten, sondern durch ihre soziale Unerwünschtheit.5 In dieser Definition wird das Vorurteil als eine Einstellung gesehen, die nur deshalb auffällt, weil sie ein soziales Urteil widerspiegelt, das gegen anerkannte menschliche Wertvorstellungen (der eigenen Gruppe) verstößt. Vorurteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie gegen die Rationalität verstoßen, indem sie das Gebot verletzen, über andere Menschen nur auf der Basis eines möglichst sicheren und geprüften Wissens zu urteilen. Sie verstoßen gegen die Norm der Gerechtigkeit, indem sie Menschen oder Menschengruppen ungleich behandeln und die eigene Gruppe nach anderen Maßstäben beurteilt als andere. Schließlich verstoßen sie gegen den Grundsatz der Mitmenschlichkeit, indem sie Empathie verweigern.
Wir alle haben Vorurteile. Wir brauchen sie sogar, um Situationen schnell einschätzen zu können. Wären wir nicht in der Lage, die Welt oder das Gegenüber, dem wir begegnen, zu kategorisieren, gäbe es einen Informationsüberlauf. Wie und welche Schubladen wir bilden, beruht auf Stereotypen und Alltagsweisheiten anstatt auf Wissen. Oft kommt noch ein Gefühl hinzu. Wenn das Fremde Furcht auslöst, wird das Vorurteil einen Grund zur Ablehnung liefern. Die Überlegungen führen zu dem Grundsatz:
Sensibilisierung
Aus der subjektiven Sicht des Rezipienten fallen Vorurteile also auf, wenn sie mit der eigenen Einstellung kollidieren. Bleibt die Frage, woran man eigene Vorurteile erkennen kann. Das folgende Video soll zur Sensibilisierung für Stereotypen und Vorurteile beitragen:
Dieses Youtube-Video zeigt und erläutert die sogenannte Zitronenübung.
Der Educast von U.Bergmann, A.Kießling, A.-K.Knuth und L.Martens erläutert zunächst Merkmale und Funktionen von Stereotypen und lädt dazu ein, an einer entsprechenden kurzen interkulturellen Sensibilisierungsübung selbst teilzunehmen. Abschließend wird die Übung ausgewertet.
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung.
Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Die Zitronenübung
Bedeutung für die Mediation
In der Mediation werden Vorurteile oft zur Begründung einer Behauptung herangezogen.
Ein einfach so dahin gesagter Satz kann viele Bedeutungen haben und Nachfragen erfordern, um genau zu verstehen, was gemeint ist und was der Satz bezwecken soll. Bei Vorurteilen stellen sich in der Regel drei Fragen:
- Erkennbarkeit: Die erste Frage betrifft die Erkennbarkeit von Vorurteilen. Bei der Erkennbarkeit hilft die Technik des Dimensionierens. Sowohl Stereotypen und Vorurteile sind Meinungen, die entweder eine Bedeutungszuordnung abbilden oder eine eigene Einstellung widerspiegeln.
- Relevanz: Die zweite Frage betrifft die Relevanz (kann das so stehen bleiben oder muss das Vorurteil aufgelöst werden). Bei der Frage nach der Relevanz kommt es darauf an, ob und welcher Bezug sich zu einem der Themen herausbildet.
- Auflösung: Die dritte Frage sucht nach der Antwort, wie das Vorurteil aufzulösen ist. Der Mediator trennt das Fakt von der Meinung und hinterfragt, wo und wie das Fakt in der Meinung aufgegriffen und verarbeitet worden ist.
Für den gesamten Vorgang stellt das Loopen die grundlegende Technik zur Verfügung. Der Loop beschreibt, wie die Informationsdimensionen zurückgemeldet und die Bedeutungen herausgearbeitet oder hinterfragt werden. Die Mäeutik zeigt, wie Gedanken (Meinungen) hinterfragt werden oder wie die Gedanken zu Ende geführt werden. Oft genügt es deshalb einfach zu hinterfragen: "Ist das so?". Wenn die Partei argumentativ nachlegt ergeben sich Anhaltspunkte wo Zweifel zu wecken sind, die eine Reflexion erlauben.
Was tun wenn ...
- Die Partei beruft sich auf alternative Fakten
- Die Partei lügt
- Die Partei hat Vorurteile
- Die Partei hält an ihren Vorurteilen fest
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Vorurteil, Stereotyp, Stereotypen, Schubladendenken
Siehe auch: Reframing
Diskussion: Wieviel Mensch braucht die Mediation?
Prüfvermerk: