Lade...
 

Konfliktmotivator und Konfliktmotivation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf einer Unterseite des Titels Konfliktarbeit, der zur Rubrik Konflikt des 6. Buchabschnitts gehört. Dem Beitrag Konfliktmotivation sind folgende Kapitel zugeordnet:

Konfliktarbeit Motivation Motive Konflikttheorie Dimensionen Dynamik Evolution

Worum es geht: Menschen machen nichts ohne ein Motiv oder einen Beweggrund. Das Motiv ist ihr Antrieb.1 Der Beweggrund drückt sich im Konflikt aus, wenn der Konflikt nicht selbst als Motivator in Erscheinung tritt. Das Motiv zum Konfliktverhalten erfordert deshalb eine besondere Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, den Konflikt beizulegen.

Einführung und Inhalt: Im Konflikt treffen verschiedene Reize aufeinander, die unterschiedliche Motive bedingen. Der Verstand will eine vernünftige Lösung. Er weiß, dass es im Krieg nur Verlierer gibt und dass man die Energien, die der Streit verzehrt, anders besser verwerten könnte. Die Emotionen sagen etwas anderes. Sie wollen Genugtuung, ein Gefühl von Macht unter Umständen sogar Rache. Sicher spielt die Umwelt auch noch eine Rolle, die zu dem ein oder anderen Verhalten animiert.

Der Konflikt als Motivator

Mit dem Begriff der Motivation wird der Prozess oder die Kraft beschrieben, die das Verhalten einer Person antreibt oder steuert. Ein Motivator ist eine Person, ein Objekt, eine Situation oder ein Ereignis, das dazu beiträgt, die Motivation einer anderen Person zu steigern oder zu verstärken, um ein bestimmtes Verhalten zu fördern oder ein Ziel zu erreichen. Motivatoren können verschiedene Formen annehmen, je nach den Bedürfnissen und Zielen der Person, die motiviert werden soll. Der Konflikt ist eine Form die dieses Ziel erreicht. Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar würfe seinen Müll auf Ihr Grundstück. Ohne dass dadurch ein Konflikt ausgelöst wird, würden Sie sich kaum veranlasst sehen, darauf zu reagieren. Der Konflikt löst nicht nur eine Reaktion aus. Er beeinflusst auch die Wahl der Mittel. Weil dem so ist, kann ein gezielt provozierter Konflikt zu einem Handeln motivieren. Nicht ohne Grund steht die Politik im Verdacht, Konflikte zu schüren, um ein Verhalten der Wählerschaft oder der Bevölkerung zu provozieren. Es gibt zweifellos bessere Motivatoren, denn der Konflikt birgt stets das Risiko, dass er außer Kontrolle gerät. Um dem Mediator beizukommen, sollten die Motivationen des Konflikts näher untersucht werden.

Das Konfliktmotiv

Die Lage der Partei wird deutlicher, wenn zwischen den unterschiedlichen Motiven differenziert wird, die in der Mediation aufeinanderprallen. Zu unterscheiden sind das Verfahrensmotiv, das Lösungsmotiv, das Streitmotiv und das Konfliktmotiv. Die Auseinandersetzung mit den Motiven und ihrer Bedeutung in der Mediation wird in dem Kapitel Motive näher beschrieben.

Die Bedeutung und die Rolle der Motive in der Mediation

Das Konfliktmotiv konzentriert sich auf die Handlungsanreize, die sich im Konfliktverhalten wiederfinden und die der Konflikt vorgibt. Dabei darf nicht außer acht bleiben, welche Rolle die Emotionen bei der Generierung von Motiven spielen. Weil auch sie nach einer Befriedigung rufen, ergeben sie ein eigenes Handlungsmotiv. Sie sind meist stärker als der Verstand. Je höher der Konflikt eskaliert ist, desto mehr treten sie in den Vordergrund. Der Konflikt entwickelt eine eigene Dynamik. Mit der steigenden Eskalation kann sie so dominant werden, dass sie den Menschen in Besitz nimmt. Dann macht es wenig Sinn, sich gegen die Dynamik der Inbesitznahme zu stellen. Wirkungsvoller ist es, die Konfliktdynamik zu erkennen und für sich arbeiten zu lassen. Der Grundsatz der Mediation lautet deshalb:

 Merke:
Leitsatz 3308 - Die Mediation arbeitet MIT nicht gegen die Dynamik des Konfliktes!

Wenn die eingangs aufgestellte These, dass der Mensch nichts ohne ein Motiv unternimmt, zutrifft, würde die Frage nach dem Konfliktmotiv Aufschluss darüber geben, wie der konfliktbedingte Handlungsantrieb befriedigt, kompensiert oder abgestellt werden kann.

Das Lösungspentagramm

Das Lösungspentragramm dient zur Ermittlung der Konfliktmotivation und zur Einordnung der Konfliktmotive. Psychologen unterscheiden zwei Grundformen von Motiven, das Wachstum und die Mangelbeseitigung.2 Sicher kommen im Konflikt beide Motive zur Geltung. Es kann jedoch (hier zur Vereinfachung) unterstellt werden, dass das Handeln im Konflikt auf ein Mangelerleben zurückzuführen ist. Dann steht das Motiv zur Mangelbeseitigung bei einem Konflikt im Vordergrund. Wenn dem so ist, würde sich der Handlungsantrieb erübrigen, wenn der Mangel beseitigt ist. Das ist zumindest die logische Konsequenz dieser Überlegung. Die Vielschichtigkeit und Komplexität der im Konflikt auf den Menschen zukommenden Fragen und Problemstellungen geben allerdings, ebenso wie die Verfahren zu ihrer Erledigung, unterschiedliche Stationen vor, die sich im Lösungspentagramm ausweisen und aufeinander beziehen lassen. Sie helfen, die Mediationslogik zu verwirklichen, indem sie sich auf die Informationsdimensionen einlassen und Zusammenhänge herstellen. Demnach sind folgende Dimensionen zu unterscheiden:

Wunsch und Forderung

Lösungspentagramm-1

Der Wunsch ist auf eine Lösung gerichtet. Er basiert auf dem Interesse, das in der Mediation nach dem Harvard-Konzept eine wichtige Rolle spielt. Eine Forderung ist seine Steigerung. Sie fomuliert das an einen Gegner gerichtete Verlangen zum Tätigwerden (oder etwas zu unterlassen). Wenn sich die Forderung verdichtet, wird daraus eine Position. Die Abfolge entspricht der Konflikttheorie: Die Partei hat ein Problem. Aus dem Problem entsteht der Wunsch, das Problem zu lösen. Nach der Konflikttheorie erwächst dieser Wunsch in ein blaming. Es werden Erwartungen deutlich, die sich an die Gegenseite richten. Das blaming wird zum claiming. Die Partei wendet sich an einen Anwalt, der diese Erwartungen (den auf eine Lösung abzielenden Wunsch) in Forderungen an den Gegner übersetzt. Wenn sich die Forderung verdichtet, wird daraus die Position.

Erfüllung und Nutzen

Lösungspentagramm-2

Eigentlich hat der Anwalt seine Arbeit erledigt, wenn er die Forderung durchgesetzt hat und dafür gesorgt hat, dass die Forderung erfüllt wird. Ein guter Berater achtet allerdings auch darauf, ob und inwieweit das Durchsetzen der Forderung nicht nur zu einer Erfüllung führt,3 sondern der Partei auch einen Nutzen einbringt.4 Leider ist das für die Mediation typische5 nutzenorientierte Denken in der Gesellschaft nicht sehr verbreitet. Es wird durch ein lösungsorientiertes Denken ersetzt, wobei die Lösung als Erfolg definiert wird und der Nutzen aus dem Blickfeld gerät. Die Partei wird irgendwann erfahren, ob ihr Vorgehen nützlich war oder nicht. Meist ist es dann zu spät. Solange sich der Nutzen nicht herstellt, ist der Konflikt nicht beigelegt.

Bedürfnis und Befriedigung

Lösungspentagramm-3

Die spannende Frage ist, woraus der Wunsch der Partei überhaupt entsteht? Üblicherweise wünschen sich Menschen nur, was sie nicht haben. Sie versuchen ein Bedürfnis zu befriedigen. Es empfiehlt sich also die Prüfung, ob der Wunsch (die vorgestellte Lösung) auch den Bedürfnissen der Partei entspricht. Die Bedürfnisse drücken sich in den Motiven aus. Anders als die Interessen, die auf eine Lösung gerichtet sind, beschreiben die Motive den erwarteten Nutzen. Während die Interessen also eine Lösung fokussieren, erlauben die Motive den Blick auf die noch darunter verborgenen Bedürfnisse. Abgesehen davon, dass sich erst mit den Bedürfnissen eine Verbindung zwischen allen Elementen des Pentagramms herstellt, zielen Bedürfnisse stets auf eine Befriedigung ab. Wenn das Ziel der Mediation darin besteht, eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind, geht der Weg an den Bedürfnissen nicht vorbei.

Mangel

Lösungspentagramm-4

Der Kreis schließt sich, wenn die Frage gestellt wird, woher das Bedürfnis überhaupt kommt. Wenn sich das Bedürfnis in der Motivation ausdrückt, finden wir die Antriebsfeder entweder in der Motivation zum Wachstum oder zur Mangelbeseitigung. Unterstellen wir im Konflikt, dass es um eine Mangelbeseitigung geht. Jetzt hat der Mediator ein eindeutiges Kriterium dafür, wann sich der Konflikt oder die Motivation zum Konfliktverhalten erübrigt. Dann nämlich, wenn der gefühlte Mangel beseitigt ist. Der Mangel meint kein monetäres Defizit. Aus der Sicht der Psychologie ist der Mangel eng mit den Bedürfnissen verknüpft und letztlich deren Ursprung.6

Das Lösungspentragramm lässt sich mit dem homöostatischen Motivationsmodell vergleichen, wo der Mangelzustand zu einem Bedürfnis führt, aus dem sich der Trieb (Motiv) für ein zielgerichtetes Verhalten ableiten lässt, der wiederum zu einer Zielhandlung führt, deren Zweck die Befriedigung des ursprünglichen Mangelzustandes ist.7 Trossen hat sich für die geometrische Figur eines Pentagramms entschieden, weil alle vorgestellten Elemente miteinander im Zusammenhang stehen und unterschiedliche Einstiegsszenarien anbieten. Das Besondere an einem Pentagramm ist, dass alle Endpunkte der geometrischen Figur mit Linien verbunden sind, ohne dass es einen Anfang und ein Ende gibt. Die Eckpunkte haben also keine Hierarchie.

Die Kohärenz des Lösungspentagramms

Es mag kein Zufall sein, dass dem Pentagramm auch in der Kulturgeschichte eine herausragende Bedeutung zugeschrieben wurde. Laut Wikipedia erkannte Pythagoras darin ein Symbol für Gesundheit. Das kommt der Mediation schon ziemlich nahe. Ihr wird auch eine heilende Wirkung zugeschrieben. Das Pentagramm diente aber auch als Zeichen für den Kreislauf des Lebens.8 Auch daraus lässt sich ein Zusammenhang mit der Mediation herstellen. Um die Zusammenhänge aufzudecken mag das Pentagramm mit einem Pantakel verglichen werden. Dieses Symbol, das auch zur Abschreckung von Dämonen Verwendung findet, zeigt, dass es auch direkte Verbindungen zwischen den Elementen gibt. Die nebenstehende Grafik weist anhand dieser geormetrischen Vorgabe die Zwischenschritte aus, die in der Mediation aufzuarbeiten sind.

Lösungspentagramm-Pentakel

Für den Mediator kommt es lediglich darauf an, dass er alle Eckpunkte und Zwischenschritte im Blick haben sollte, ohne dass er dabei eine Reihenfolge zu beachten hat. Sein Ziel ist es, den Mangel zu identifizieren, weil nur dessen Beseitigung eine vollständige Konfliktlösung darstellen kann.

Die Spannungsfelder

Nach der Triebreduktionstheorie kommt es darauf an, den aus den inneren Spannungsfeldern entstandenen Handlungsdruck zu reduzieren. Welche Spannungsfelder im Konflikt auf den Menschen eintreffen, wird im Zusammenhang mit der Konfliktdynamik beschrieben. Ähnlich wie bei den Lebenskrisen könnte die Strategie zur Auflösung der Spannungsfelder darin bestehen, die Balance zwischen den sich daraus ergebenden Widersprüchen zu finden. Voraussetzung dazu ist es, die Spannung (also den inneren Widerspruch) zu erkennen und zu akzeptieren.

Die sich aus der Konfliktdynamik ergebenden Spannungsfelder

Bedeutung für die Mediation

Die Idee, auf die Motivation abzustellen, kommt der Mediation sehr entgegen. Denn sie benutzt die Motivationsenergie der Phase drei, um die Konfliktenergie umzuwandeln. Die Motive des Streitens werden durch die Aussicht auf eine „heile Welt" kompensiert. Achtet der Mediator jetzt darauf, dass die Mangelbeseitigung in die Kriterien für die Konfliktlösung mit aufgenommen werden, verliert der Konflikt seine Antriebskraft. Die Eckpunkte des Lösungspentagramms finden sich in den Phasen der Mediation wieder. Die Erhellung der Bedürfnisse des Mangels und des sich daraus erwachsenden Nutzens ergeben die Kriterien, die in der Phase drei ermittelt werden. Wunsch und Forderung können in der Phase vier darauf bezogen werden und fließen in die Lösung ein, auf die beide Parteien sich verständigen können.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-04-25 08:59 / Version 35.

Alias: Konfliktmotiv
Literaturhinweise: Trossen (Toolbox)
Included: Lösungspentagramm
Siehe auch: Bedürfnis, Motive
Prüfvermerk:

1 Näheres zur Abgrenzung Motiv, Bedürfnis siehe unter Bedürfnis
2 Siehe Trossen (Toolbox) Seite 911
3 Eine insolventer Schuldner kann die Forderung nicht erfüllen, selbst wenn sie bei Gericht durchgesetzt wurde.
4 Was hab ich davon, wenn die Forderung beglichen wird, der Schmerz aber zurückbleibt?
5 Nach dem Konzept der kognitiven Mediationstheorie


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 24, 2024 09:46:18 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 4 Minuten