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Fehleinschätzungen und Irrtümer

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Titel Vorstellung der Mediation in der Wiki-Abteilung Praxis. Sie befinden sich auf einer Unterseite, die Ihnen helfen soll, besser zu erkennen, wann die Mediation geeignet ist.

Mediation Irrtümer Vor- und Nachteile Startprobleme

Worum es geht: Immer wieder sind Argumente zu hören, weshalb eine Mediation abzulehnen sei. Immer wieder fällt auf, dass die Grundlagen dieser Einschätzung unzutreffend sind. Das bedarf einer Klarstellung, welche Fehleinschätzungen und Irrtümer dem Weg in die optimale Konfliktbeilegung im Wege stehen.

Einführung und Inhalt: Wer trifft eigentlich die Entscheidung darüber, wie Sie bei der Konfliktbeilegung vorgehen? Ist es Ihr Bauchgefühl, der Gegner, das Umfeld, die Erfahrung, Tatsachen oder Gründe? Haben Sie überhaupt eine Wahl? Bevor auf die typischen Irrtümer eingegangen wird, sollte der Blick auf ihr mögliches Zustandekommen gelenkt werden.

Die ernst zu nehmenden Einflüsse

Tatsächlich liefert der Bauch einen scheinbar triftigen Grund, eine friedliche Herangehensweise bei der Lösungsfindung abzulehnen. Möglicherweise löst er aber auch den Kampf und Fluchtmodus aus, der die Entscheidungen einschränkt. Die Emotionen spielen auch eine wichtige Rolle. In der Wut kommen feindliche Gedanken eher nicht auf. Emotionen sind jedoch vergänglich. Auch können sie sich irren. Sie sollten deshalb versuchen, sich über die Einflüsse klar zu werden, bevor Sie sich den Killeragumenten zuwenden. Der Blick wird freier.

Killerphrasen und Irrtümer

Der Wiki to Yes Mediationsreport 2019 hat nachgewisen, dass die Mediation oft falsch verstanden wird. Auf dieses Missverständnis sind viele Argumente zurückzuführen, mit denen eine Mediation abgelehnt wird. Nicht immer sind sie zutreffend. Diese Zusammenstellung der häufig vorgetragenen Killerargumente gegen die Mediation soll dazu beitragen, die Mediation und ihre Chancen besser einzuschätzen:

  1. Das macht doch keinen Sinn, der ändert sich ja doch nicht!
    Das Argument wird zum Alibi, die Mediation abzulehnen. Schlechte Erfahrungen mit dem Gegner und Resignation kommen zum Vorschein. Aber auch der Wunsch, sich zu schützen, das Vertrauen nicht noch einmal zu vergeuden. Die Mediation macht trotzdem Sinn. Sie kann Missverständnisse aufklären, Einsichten vermitteln und eine Veränderung herbeiführen.1
  2. Da hilft kein Gerede, da zählen nur die Fakten!
    Die Mediation setzt sich durchaus mit Fakten auseinander. Allerdings verhinder sie, dass Fakten zum Argumentieren missbraucht werden und konzentriert sich nur auf lösungsrelevante Fakten. Auch weiß sie Fakten von Behauptungen zu unterscheiden. Wer also wirklich meint, dass Fakten die Lösung bringen, ist in der Mediation bestens aufgehoben.2
  3. Der soll erst mal seine Schuld eingestehen, ehe ich in Verhandlungen trete!
    Das ist eine Bedingung, die nur dann eingahalten werden kann, wenn der Gegner sich selbst schuldig fühlt. Er wird dieser Bedingung nicht zustimmen, wenn er dazu eine andere Auffassung vertritt. Um eine Schuld einzugestehen, bedarf es der Einsicht, nicht der Unterwerfung. Die Mediation führt diese Einsicht herbei und setzt sich mit den Verletzungen auseinander. Die Chance zu einem Schuldeingeständnis wird also eher größer als kleiner.
  4. Wieso verhandeln, ich will doch nur mein Recht!
    In einem Gerichtsverfahren wird übrigens auch verhandelt. Während sich der Verhandlungsgegenstand dort nur auf den Sachverhalt und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen konzentriert, umfasst die Verhandlung in der Mediation einen viel weitergehenden Rahmen, der auch die Interessen und den Konflikt umfasst. Ds Recht schaut nicht auf den Nutzen. Die Mediation durchaus.3
  5. Das Weicheigelaber hilft uns doch nicht weiter!
    In der Mediation werden die Soft Skills zwar nach vorne gestellt. Sie helfen die Kommunikation zu bewältigen. Trotzdem werden die Dinge beim Namen genannt. Man redet Tacheles. Der Streit wird allerdings in eine Auseinandersetzung überführt. Emotionen werden verstanden und kontrolliert, sodass auch schwierige Gespräche möglich werden.
  6. Nur mit einem guten Anwalt bin ich dem Gegner gewachsen!:
    Der Mediator stellt gleiche Augenhöhe her und erweitert den Gegenstand auf nicht-juristischen Tatbestände. Die vermeintliche Stärke kann sich jetzt als kontraproduktiv erweisen. Die Mediation ist kein Kampf. Es kommt gar nicht auf die Stärke an. Der Anwalt ist nur ein Rechtsberater.
  7. Wir zweifeln jedoch sehr an der Bereitschaft der Gegenseite, eine Einigung zu erzielen!
    Ist das ein Argument, warum man selbst die Mediation ablehnt? Wie steht es mit der eigenen Einigungsbereitschaft? Offenbar wird ein Nachgeben vorausgesetzt. Ob und wer überhaupt nachgibt, ergibt sich allerdings erst aus der Mediation. Es sollte nicht vorausgesetzt werden.4 Darüber hinaus sollte man vermeiden, im Kopf des Ggeners zu denken. Wenn er die Mediation versteht, wird er schon zustimmen.
  8. Die Mediation ist aber teuer (kostet doch Geld)
    Ja, es ist eine Investition in den Frieden. Und ja, es könnte trotzdem zum Streit kommen. Auch wenn es bei einer professionell durchgeführten Mediation sehr unwahrscheinlich ist, bietet sie doch eine Chance, den Streit (Krieg) zu vermeiden. Jeder muss für sich entscheiden, was ihm diese Chance wert ist. Weil die Mediation aber den Nutzen im Blick hat, achtet sie darauf, dass die Konfliktkosten gering bleiben.
  9. Verhandeln macht doch keinen Sinn
    Diese Einschätzung mag aus den vorausgegangenen Erfahrungen mit dem Gegner resultieren. Sie übersieht, dass die Mediation ein anderes Verhandeln ist, das bisher sicher noch nicht ausprobiert wurde. Macht es nicht Sinn, erst alles zu probieren, ehe man sich für eine Eskalation entscheidet? Bei einer unkontrollierten Eskalation geht es ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch darum, ohne Gesichtsverlust aus dem Streit herauszukommen. Dann sind Verhandlungen wieder unausweichlich. Bei den dann stattfindenden Verhandlungen geht es aber nicht mehr um eine nützliche Lösung, sondern um Schadensbegrenzung. Das sollte auch bedacht werden.
  10. Und wenn Du Dich weiter so benimmst, breche ich die Mediation ab.
    Es ist durchaus ok, ein Verhalten des Gegners einzufordern, das ein Verhandeln möglich macht. Das wäre allerdings eine der Aufgaben des Mediators. Die Partei sollte sich vor Augen halten, dass sie die Mediation nicht zum Gefallen der Gegenseite durchführt, sondern um eigene Interessen zu wahren. Dann ist es eine Frage der Abwägung, die durchaus mit dem Mediator zu erörtern ist, ob die Mediation Sinn macht und welche Erwartungen befriedigt werden, wenn andere Verfahren durchgeführt werden oder Fakten geschaffen werden.
  11. Den Gefallen tue ich Dir nicht
    Wer glaubt, die Mediation sei ein Entgegenkommen für die Gegenseite, verkennt die Mediation. Es geht darum, die Maximalinteressen beider Seiten zu verwirklichen, also auch der eigenen. Das Motiv zur Teilnahme an einer Mediation sollte also nicht die Kompromissbereitschaft sein, sondern die Vorstellung, dass noch mehr möglich ist, als die gerade vorgestellte Lösung.
  12. Die Mediation kommt zu spät. Das hätte man früher machen sollen
    Dieses Argument deutet auf ein konfrontatives Denken hin. Die Parteien haben sich kennengelernt und wissen, dass man mit dem Gegner nicht reden kann. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre das möglich gewesen. Dieses Argument spricht eigentlich gerade für eine Mediation, weil der Eindruck der Parteien belegt, dass nur noch ein Gespräch mit einer professionellen Unterstützung möglich ist. Wer die Mediation kennt, der weiß, dass sie auch in schwierigen Verhandlungssituationen aus dem Streit in eine Auseinandersetzung hinein führt. Die Mediation führt aus der Konfrontation hinaus.
  13. Die Mediation führt nur zu einer Verzögerung.
    Tatsächlich könnte die Bereitschaft, sich auf eine Mediation einzulassen, von dem Gedanken getragen sein, Entscheidungen hinauszuzögern oder gar Fristen zu vereiteln. Auch insoweit wird die Mediation unterschätzt. Wenn der Mediator merkt, dass die Parteien nicht hinreichend motiviert ist, an der Mediation teilzunehmen, wird er frühzeitig einschreiten. Das Argument, das darauf abzielt, dass ein nach der (gescheiterten) Mediation erst mögliches Gerichtsverfahren verzögert wird, kann dadurch abgewendet werden, dass es erstens möglich ist die Prozesse parallel laufen zu lassen und aufeinander abzustimmen und dass es zweitens möglich ist, prozessuale Schritte des Gerichtsverfahrens in der Mediation zu antezipieren, beispielsweise in dem sich die Parteien auf einen Gutachter festlegen, die Themen spezifizieren usw.. Wer generell die Absicht hat, eine Entscheidung, also auch ein Gerichtsverfahren hinauszuzögern, würde in der Mediation von der Nützlichkeit anderer Wege überzeugt werden. Denn eine Verzögerung schiebt das Ergebnis lediglich hinaus.

Weitere Irrtümer und Vorurteile finden Sie im Beitrag Nachfragehürden.

Worum geht es genau?

Lenken Sie den Blick auf die entfernte Zukunft und lösen Sie sich von der Mediation. Lenken Sie den Blick auf eine Zukunft, die entsteht, wenn der Konflikt oder das Problem überwunden ist. Wie soll sie aussehen? Möglichwerweise stellen Sie sich vor, dass Sie jetzt Ihre Ruhe und den inneren Frieden gefunden haben, dass Sie den Konflikt so schnell wie möglich hinter sich gelassen haben, dass Sie stolz auf sich sein können, das Richtige getan zu haben, dass die Konfliktkosten gering gehalten wurden, dass Ihnen der Gegner keinen Schaden mehr zufügt, usw. Überlegen Sie saus diesem Gedanken heraus, was der beste Weg ist, um dorthin zu kommen.

Aufklärungsbedarf

Möglicherweise denken Sie jetzt: "Ja, das ist ja schön und gut" und sofort kommt der Gedanke auf: "Aber das geht ja doch nicht". Das ist dann ein weiterer Irrtum der der Mediation im Wege steht. Die Mediation ist anders. Sie geht einen Weg der auch in solchen Situationen funktioniert. Das "Aber das geht ja doch nicht" ist also ein berechtigter Zweifel, aber kein triftiges Gegenargument. Um zu vertrauen, dass es geht, bedarf es der Aufklärung über die Mediation. Jetzt ist es wichtig, zu wissen, dass die Mediation ein Umdenken ermöglicht und eine ganz andere Herangehensweise praktiziert. Wieder kommt das Zitat von Albert Einstein zum Tragen. Er sagte, dass das Denken das in ein Problem hineinfürht nicht aus dem Problem herausführen kann. Die Mediation verspricht ein anderes Denken. Fragen Sie den Mediator, ob er dafür einstehen kann.

Bedeutung für die Mediation

Die Mediation wird oft mit dem Verfahren nach dem Mediationsgesetz gleich gesetzt. Es gibt aber auch andere Varianten, die das Denken in den Prozess der Konfliktbeilegung einbezieht, sodass die Weichen auf den Nutzen und nicht auf einen verlustreichen Sieg oder eine zu vermeidende Niederlage gestellt werden. Vielleicht kommt es auf etwas ganz anderes an?

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-02-20 11:53 / Version 44.

Aliase: Fehleinschätzungen
Siehe auch: Mediation, Startprobleme, Darstellungen, Mediationsmetaphern, Vorteile, FAQs, Falsche Mythen
Diese Seite wird als ein Verfahrenshindernis erfasst.
Prüfvermerk: -

1 Siehe auch Persönlichkeit und Persönlichkeitsveränderung
3 Siehe Nutzen


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag April 18, 2024 17:09:54 CEST.

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