Die informelle Mediation
Die informelle Mediation wird auch substantielle oder materielle Mediation genannt.
Sie grenzt sich von der formellen Mediation ab, die auch als reine oder klassische Mediation bezeichnet wird.
Weil der Begriff informell auch Mediationen meinen könnte, die ohne einen Mediationsvertrag zustande gekommen sind, ist missverständlich, was genau damit gemeint ist. Deshalb und zur Verdeutlichung wurde der Begriff materielle Mediation eingeführt.1 Es geht darum, den unterschiedlichen Anwendungsformen der Mediation gerecht zu werden und eindeutige Abgrenzungen im Graubereich zu ermöglichen, damit eine Verhandlung mit aktivem Zuhören oder anderen mediativen Techniken nicht mit der Mediation verwechselt werden.
Die materielle Mediation erweitert den Mediationsradius, indem die methodisch korrekte und vollständige Anwendung der Mediation auch dann noch unter den Mediationsbegriff gefasst wird, wenn es keine ((reine Mediation|formelle (reine oder klassische) Mediation)) ist. Der Begriff substantielle Mediation wurde synonym eingeführt, weil dieser Begriff im Englischen besser verdeutlicht, was gemeint ist.
Die Notwendigkeit zur begrifflichen Unterscheidung zwischen der materiellen und der formellen Mediation legt der Sprachgebrauch nahe. Obwohl das Gesetz die Mediation in §1 Mediationsgesetz als ein Verfahren definiert, hat sich der Begriff Mediationsverfahren inzwischen eingebürgert. Es handelt sich um einen Pleonasmus. Offenbar gibt es ein Bedürfnis zur Unterscheidung zwischen der Mediation und dem so genannten Mediationsverfahren. Ohne ein solches Bedürfnis könnte auf die Wortdoppelung verzichtet werden.
Ein weiteres Phänomen des Sprachgebrauchs, das auf die Notwendigkeit der Abgrenzung zur Mediation hindeutet, ist die Verwendung des Begriffes meditative Techniken. Viele Mediatoren wollen darauf hinweisen, dass sie Elemente der Mediation, durchaus in wirksamer Weise, in anderen Verhandlungen benutzt haben, ohne dass es sich dabei um eine Mediation gehandelt hat.
Der Gesetzgeber differenziert selbst zwischen der Methode der Mediation und dem Verfahren der Mediation. Er kann sich darauf berufen, dass die Mediation ursprünglich auch als eine Methode definiert wurde. In der gesetzgeberischen Gestaltung wird die Methode der Mediation allerdings immer noch an dem formellen Konstrukt der Beteiligung einer nicht Entscheidung berufenen Personen angelehnt.
Die Unterscheidung zwischen Methode und Verfahren der Mediation wird in der Systematik von Wiki to Yes aufgegriffen. Sie passt in das Spektrum der Mediation, weil die methodische Anwendung nach wie vor auch in dem Verfahren praktiziert wird, sodass der Unterschied eigentlich nur ein begrifflicher ist - allerdings mit rechtlichen Konsequenzen.
Um ein vollständiges Bild zu zeichnen, muss die methodische Anwendung der Mediation noch von ihrer technischen Anwendung unterschieden werden. Der letztere Fall bezeichnet die Verwendung einzelner Techniken, wie zum Beispiel das aktive Zuhören. Die Technik ist keinesfalls mediationsspezifisch. Ihre Anwendung ist, isoliert betrachtet, auch nicht in der Lage, aus der Verhandlung eine Mediation zu gestalten. Erst die methodische Ausrichtung der Techniken und das Zusammenspiel der Methoden im Sinne der Mediationslogik führen die Bausteine in einer Art und Weise zusammen, dass darin eine Mediation wiedererkannt werden kann.
Den wissenschaftlichen Hintergrund für die materielle Mediation bildet die sogenannte kognitionsbasierte Mediationstheorie. Sie beschreibt die Mediation als einen Erkenntnisprozess, der die Parteien darin unterstützt selbst eine Lösung zu finden. Die Mediation bietet dabei die dazu erforderliche Reflexionsebene an und steuert den kognitiven Prozess.
Kognitionsbasierte Mediationstheorie
Die Verlagerung der Mediation in den Verstandesbereich erlaubt eine Virtualisierung und zugleich eine Befreiung von formalen Grenzen. Das Verfahren wird wie ein Container betrachtet, der je nach Form und Größe durchaus in der Lage ist, die Methode der Mediation in sich aufzunehmen. Entscheidend ist, ob die methodische Anwendung der Mediation, die Wahrung der Grundsätze und ihr logischer Ablauf gewahrt werden können. Wie sich die Elemente des mediativen Kognitionsprozesses zusammensetzen, ist dabei von sekundärer Bedeutung. Entscheidend ist lediglich, dass sie ihre Funktionalität entfalten können.
Mithin bezeichnet die informelle, materielle oder substantielle Mediation die methodische Anwendung der Mediation in einer Art und Weise, dass das Vorgehen eine vollständige Mediation ergibt, ohne dass es in einer formalen Mediation stattfindet. Welche Anforderungen erfüllt werden müssen, damit von einer materiellen Mediation die Rede sein kann, wird von der Integrierten Mediation im Detail beschrieben. Die integrierte Mediation basiert auf dem Konzept der kognitionsbasierten Mediationstheorie und beschreibt ihre Anwendungsformate.
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Alias: substantielle Mediation, informelle Mediation
Siehe auch: integrierte Mediation, Mediation-Systematik, Über das Verhältnis von Verfahren und Methoden
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