Was sagen eigentlich Konfliktbeteiligte über Mediation?
Vorauszuschicken ist, dass diese Zusammenfassung auf dem ausführlichen Bericht von Christiane Händel, Frank Böttger, Marc Neufeld, Nils Goltermann, Ulrich Hagel, für die Arbeitskreise „Etablierung von Mediation im Wirtschaftskontext/Mediationsgesetz“, „Qualitätssicherung“ und „Etablierung und Kommunikation von Konfliktmanagement-Systemen in Unternehmen“ des Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft beruht.1 Schon auf der Webseite des RTMKM werden die Highlights der Umfrage wie folgt vorgestellt:2
- Qualität der Mediation:
Über 80% der Befragten bewerten die Qualität von Mediationsverfahren als gut oder sehr gut. - Erfolgsfaktoren:
Die Bereitschaft der Beteiligten und die Kompetenz der Mediatoren sind entscheidend für den Erfolg. - Staatliche Förderung:
Eine große Mehrheit befürwortet staatliche Maßnahmen zur Förderung der Mediation. - Weiterempfehlungsbereitschaft:
83% der Teilnehmer würden Mediation weiterempfehlen oder erneut nutzen.
Dass ein Bedarf besteht, die Medianden nach Eindrücken zu befragen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenngleich die Auffassung, dass es zu deren Perspektive keine wissenschaftlichen Untersuchungen gäbe, nicht bestätigt wird. Trotzdem sind direkte Befragungen von Medianden eher selten. Die Mediandensicht wird mittelbar über die Befragung der Mediatoren berücksichtigt. Einen direkten Eindruck ergibt die Statistik des Niederländischen Instituts für Mediation (NMI). Danach erstreckten sich Beschwerden der Parteien gegen Mediatoren auf die Prozessbegleitung im Allgemeinen, auf eine fehlenden Neutralität des Mediators, auf die Rechnungsstellung, auf das Resultat der Mediation und die Nachlässigkeit des Mediators.3
Die Leitfragen der RTMKM Umfrage haben eher einen abstrakten Bezug. Sie befassen sich mit der in der Fachwelt diskutierten Problematik, ob es tatsächlich ein Qualitätsproblem in der Praxis der Mediation gibt, ob die Mediation tatsächlich so wenig genutzt wird und ob eine Qualitätssteigerung durch Änderung des Zertifizierungsverfahrens und einer Erhöhung der Ausbildungsstunden erreicht werden kann oder ob Medianden einen anderen Änderungsbedarf erkennen. An der Umfrage haben sich nur 214 Personen beteiligt. 65% der Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt. 55% gaben an, selbst eine Mediationsausbildung absolviert zu haben. 39% waren als Mediatoren aktiv tätig. Mithin stammen 94% der Befragten aus dem Lager der Mediatoren. Trotzdem haben nur 52% bereits an mindestens einer Mediation teilgenommen. Das heißt mit anderen Worten, dass nur die Hälfte der Befragten aus einer Erfahrung als Mediand berichten konnte. Die Ergebnisse werden wie folgt zusammengestellt:4
Aussagen
- Eine Unzufriedenheit mit der Qualität von Mediationsverfahren konnten wir nicht feststellen. Die Nutzer bewerten die Qualität von Mediationsverfahren mit 53% als „sehr gut“ und weitere 31% mit „gut“, 10% mit „befriedigend“ und nur 6% mit „unbefriedigend“. Zudem gaben 83% an, in einem weiteren/neuen Konflikt eine Mediation probieren oder einem Freund/Kollegen das Mediationsverfahren empfehlen zu wollen (siehe 3.4).
- Die Fähigkeiten/Persönlichkeit des Mediators hat für den Erfolg der Konfliktbeilegung in etwa den gleichen Einfluss wie die Bereitschaft der Beteiligten, sich eigenverantwortlich und mit genügend Zeit auf das strukturierte Vorgehen innerhalb einer Mediation einzulassen (siehe 3.3.1).
- Bei der Hälfte der Befragten mit Mediationserfahrung kam es nicht zu einer Mediation, weil sich die Konfliktparteien nicht auf eine Mediation einigen konnten (32%) oder ihnen ein anderes Verfahren als geeigneter erschien (18%) (siehe 3.2.1).
- Der Mehrheit (57%) der Teilnehmer waren die wesentlichen Prinzipien der Mediation bekannt (siehe 3.2.4).
- Unter den Teilnehmern machten Team- und Gruppenmediationen einen größeren Anteil (56%) aus als die klassischen Zwei-Personen-Konstellationen. Dies mag darin begründet sein, dass die Teilnehmer überwiegend Konflikte im wirtschaftlichen Bereich vor Augen hatten, bei denen innerbetrieblichen Konflikten eine größere Bedeutung zukommt (siehe 3.2.1).
- Eine Einbeziehung Dritter (z.B. Anwälte, Sachverständige) spielte in den hier untersuchten Mediationen eine eher untergeordnete Rolle (nur ca. 18%) (siehe 3.2.1).
- In Summe würden 88% aller Befragten eine staatliche Förderung der Mediation begrüßen (siehe 3.3.2).
- Der Einrichtung von Konfliktanlaufstellen zur Förderung der Mediation z.B. in Unternehmen, an Gerichten, bei Schiedsgerichtsinstitutionen oder als Stadtteil-Konfliktberatungsstellen wird eine große Bedeutung beigemessen (in Summe 34%) (siehe 3.3.2).
- In Unternehmen werden viele Mediationen durchgeführt. Dies wird jedoch in der öffentlichen Diskussion und in der Mediationsszene bisher nicht wahrgenommen (siehe 3.2.1).
- Bei der Auswahl des anzuwendenden Konfliktbeilegungsverfahrens ist den Medianden die Möglichkeit einer zeitnahen Lösung des Konfliktes als Entscheidungskriterium am wichtigsten (siehe 3.2.4).
Folgerungen
- Mediationsverfahren lösen Konflikte umfassend und nachhaltig. Erfolgreiche mediierte Konfliktfälle landeten im Nachgang gar nicht mehr vor Gericht. Selbst bei gescheiterten Mediationen wurden nur selten im Nachgang Gerichte angerufen (19%) (siehe 3.2.5).
- Vermutlich haben die Medianden trotz gescheiterter Mediation einen für sie guten Umgang mit dem Konflikt gefunden und es konnte verhindert werden, dass sich ein Gericht oder ein Schiedsgericht mit dem Konflikt befassen musste.
- Ein eingeleiteter Rechtsstreit muss kein Hindernis für eine Mediation sein. Hilfreich für die außergerichtliche Beilegung des Konflikts im Wege der Mediation kann eine entsprechende Empfehlung des Gerichts sein (siehe 3.2.1).
- Mediation ist ein zeiteffektives Verfahren, um Konflikte zu lösen (siehe 3.2.3).
- Neben dem zeitsparenden Aspekt ist den Medianden vor allem an einer kooperativen (gemeinsamen) Konfliktbearbeitung gelegen, nicht an einer konfrontativen. Ihnen ist auch daran gelegen, den Konflikt eigenverantwortlich zu lösen und nicht Dritten zur Entscheidung zu überlassen (siehe 3.2.4).
- Das Potential in der innerbetrieblichen Mediation ist noch lange nicht ausgeschöpft (siehe 3.2.1).
- Medianden interessieren sich weit weniger für die Ausbildung und Zertifizierung der Mediatoren als gemeinhin erwartet (siehe 3.2.2). Es herrscht stattdessen ein deutlicher Vertrauensvorschuss den Mediatoren gegenüber.
- Erfolgreich erlebte Mediationen regen Mitarbeiter an, das Verfahren auch in anderen wie z.B. privaten Konfliktfällen zu nutzen (siehe 3.2.1).
- In Unternehmen, in denen Mediation in innerbetrieblichen Belangen bereits gelebt wird, haben Führungskräfte, Personalabteilung und Betriebsrat die Vorteile von Mediationsverfahren schätzen gelernt. Die Institutionalisierung von innerbetrieblicher Mediation kann auch einen positiven Einfluss auf den Einsatz von Mediationen im B2B-Bereich haben (siehe 3.2.4).
- Die hohe Weiterempfehlungsbereitschaft und das der Mediation von den Nutzern bestätigte Potential machen eine weitere Werbung für und Förderung von Mediation sowohl durch staatliche als auch durch private Initiativen umso wichtiger (siehe 3.4).
Empfehlungen
- Die kurze Konfliktbeilegungszeit der Mediation sollte zur Stärkung der Mediation deutlicher herausgestellt werden.
- Für die Mediationsausbildung ist zu empfehlen, den Themen Gruppen- und Teammediation, Co-Mediation und z.B. „drohender Abbruch“ der Mediation (siehe 3.2.5) methodisch und praktisch einen größeren Raum zu geben (siehe 3.2.1).
- Unternehmen ist zu empfehlen: über Mitarbeiter- und Führungskräfteschulungen sowie interne Leitbilder die präventive Konfliktbearbeitung auf allen Ebenen zu fördern (siehe 3.2.1).
- das Bewusstsein zu schaffen, dass eine frühzeitige Konfliktbearbeitung die Erfolgschancen einer Mediation erhöht (siehe 3.2.1).
- eine offene, positive Fehlerkultur zu etablieren, die dazu beiträgt Konflikte frühzeitig zu thematisieren und zu bearbeiten (siehe 3.2.1).
- interne Mediatorenpools auf- bzw. auszubauen (siehe 3.2.1).
- Co-Mediation entweder durch eine Vorgabe oder eine Empfehlung zu fördern (siehe 3.2.1).
- durch Unternehmensvorgaben und Corporate Pledges die Teilnahmebereitschaft an Mediationen zu erhöhen (siehe 3.3.2).
- Erfahrungen im Konfliktmanagement über Plattformen wie z.B. dem RTMKM auszutauschen (siehe 3.2.4).
Die Aussagen sind interessant. Sind sie auch verwertbar? Was hilft es, wenn wir feststellen, dass die Medianden mit der Qualität von Mediationsverfahren zufrieden waren? Es wäre schlimm, wenn es anders wäre. Die Umfrage beweist allerdings, dass es im Vorfeld gar nicht darauf anzukommen scheint. Das ist jetzt interessant. Nur 53% der Medianden wussten, dass ihr Mediator zertifiziert war. In 11% der Mediationen waren die Mediatoren gar nicht zertifiziert. 36% der Befragten war eine Zertifizierung weder bekannt noch wichtig. 74% der Medianden haben den Mediator nicht einmal nach seiner Mediationsausbildung gefragt. Worauf es ankommt ist der Erfolg und die Frage, wie der Mediator oder die Mediation den Erfolg anderen Verfahren gegenüberstellen kann.