Den Ausgangspunkt bildet die Überlegung, was eine Beratung überhaupt ist und was sie von der Mediation unterscheidet.1
Was ist eine Beratung?
Das Wort Beratung stammt laut Wikipedia von dem althochdeutschen Wort râtan ab, was so viel bedeutet wie „beraten“, „helfen“, „ratschlagen“ oder „einen Rat erteilen“. Es beinhaltet den Rat als die aus einer Überlegung hervorgehende, an jemand gerichtete Einschätzung.2 Mithin umfasst die Beratung die Bereitstellung von Informationen, deren Auswertung, ihren Abgleich mit möglichen Alternativen, woraus sich eine Empfehlung, Bewertung oder Beurteilung ableitet. Die Beratung erfordert stets eine intensive Auseinandersetzung mit einem Problem. Sie ist kommunikationslastig und wird meist durch die Interaktion mit einem (professionellen oder wissenden) Berater ausgeführt.
Die Mediation hingegen ist in dem hier verwendeten Verständnis ein Verfahren, in dem die Parteien selbst eine Lösung für ihr Problem finden sollen. Auch die Mediation erfordert eine intensive Auseinandersetzung, die Informationen bereitstellt, auswertet, mit möglichen Alternativen abgleicht, um aus der daraus erfolgenden Bewertung eine Entscheidung zu treffen. Der Unterschied wird deutlich, wenn die Schnittstellen von Beratung und Mediation näher untersucht werden.
Die Schnittstellen von Beratung und Mediation
Es gibt Ähnlichkeiten, Überschneidungen und Kombinationen. Da ist von einer mediativen Beratung die Rede, nicht aber von einer beratenden Mediation. Wikipedia erkennt in der Mediation sogar ein Beratungsformat. Wie kann das sein? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Die Ähnlichkeiten und Unterschiede ergeben sich aus den Schnittmengen.
Gemeinsam haben die Verfahren zunächst, dass es um die Lösung eines Problems geht. In beiden Fällen sind Informationen heranzuziehen und zu verarbeiten, um einen Erkenntnisgewinn bei den Parteien zu ermöglichen. Der Erkenntnisgewinn ist die Grundlage für die zu treffende Entscheidung. In beiden Fällen ist eine intensive Auseinandersetzung erforderlich. Sowohl bei der Beratung, wie bei der Mediation, liegt die finale Entscheidung, wie mit dem Informationszuwachs umzugehen ist, bei den Parteien. Die Beratung wird als ein kommunikativer Prozess beschrieben. Auch sollte das Verstehen des Ratsuchenden in der Beratung eine Selbstverständlichkeit sein. Es verwundert deshalb, wenn die Verwendung von Kommunikationstechniken in der Beratung dazu führen, dass der Beratung das Adjektiv mediativ zugeschrieben wird. Entwertet es die Beratung nicht, wenn diese Eigenschaft besonders hervorzuheben ist? Warum gibt es nicht das Pendant der beratenden Mediation?
Der Unterschied liegt in der Herangehensweise
So wie die bloße Verwendung mediativer Techniken aus der Beratung keine Mediation machen, kann die Verwendung beratender Inhalte aus der Mediation keine Beratung machen. Beratung und Mediation setzen einen unterschiedlichen Fokus. Auch der Gedankengang unterscheidet sich. Während die Beratung eher analytisch an die Problemlösung herangeht, denkt die Mediation utilitaristisch. Anders als der Mediator bildet sich der Berater eine Meinung, die zur Lösung führt. Der Mediator bildet sich allenfalls eine Meinung wie die Parteien denken müssen, damit sie die Lösung finden können. Der Berater denkt lösungsorientiert. Der Mediator denkt verstehensorientiert.
Die konzeptuellen Unterschiede bedeuten aber nicht, dass das Eine im Anderen nicht vorkommt. Ohne zu verstehen, kann der Berater kaum einen brauchbaren Vorschlag ausarbeiten und ohne eine sachverständige Bewertung der Faktenlage ist es oft auch nur schwer vorstellbar, eine angemessene Lösung zu finden. Auch die neutrale Ebene, die in der Mediation durch den Mediator abgebildet wird und gerne als Unterscheidungskriterium zur Beratung herangezogen wird, sollte dem Berater nicht fremd sein. Wie kann ein parteiischer Anwalt beispielsweise eine gerichtliche Entscheidung einschätzen, wenn er nicht die neutrale Sicht des Richters abbilden kann? Eine seriöse Beratung muss also auch diese Ebene abbilden und das Problem aus allen Perspektiven beleuchten können.
Das Konzept der Selbstberatung
Wenn der Kern einer Beratung die Bereitstellung von Informationen, deren Auswertung, ihr Abgleich mit möglichen Alternativen, und die sich daraus ergebende Empfehlung, Bewertung oder Beurteilung ist, fragt es sich, wozu ein außenstehender Berater überhaupt erforderlich ist. Informationen beschaffen, auswerten, abgleichen und bewerten kann doch jeder Mensch. Außer, ihm fehlt das Fachwissen und die Distanz, die erforderlich ist, das Problem korrekt einzuschätzen. Die Intervision ist ein Konzept, bei dem das Fachwissen und die Distanz aus der Gruppe der Teilnehmer abgebildet wird. Es fällt unter die sogenannte Selbstberatung. Auch ohne die Teilnahme anderer Personen wird die Selbstberatung auch als ein Konzept im Coaching eingesetzt.3 Der Coachee wird in die Rolle eines Beraters versetzt, wo er versuchen kann, sich selbst zu beraten.
Auswirkungen auf die Mediation
In der Mediation können Informationen eingebracht und hinterfragt werden. Auch kann eine Distanz hergestellt werden. Es sind mehrere Personen beteiligt, die etwa bei einer Gruppenmediation auch ein Fachwissen mitbringen. Die zu klärenden Fragen werden in der Gruppe, gebildet aus Mediator und Medianden, aufgeworfen und aus verschiedenen Perspektiven ventiliert. Das Zusammenspiel der Gruppe löst systemische Effekte wie z.B. die Order from noise aus, mit der Fragen aufkommen, die einem externen Berater gegebenenfalls gar nicht in den Sinn kämen und aus sich selbst heraus eine Emergenz herstellen. Schaut man sich den Prozess der Mediation genauer an, kommen analytische Fragen, die eine Beratung oder eine Expertise erfordern, ohnehin meist erst in der 4.Phase auf, nachdem sich ein Lösungskanal gebildet hat.4 Oft stellt es sich dann heraus, dass ein Beratungsbedarf sich erübrigt oder nur noch auf ein Minimum reduziert ist. Die Selbstberatung betrifft in erster Linie den Umgang mit dem Konflikt.
Arthur Trossen
Bild von geralt Altmann auf Pixabay (UNO-Gebäude)
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