Das Mediationsgesetz liest sich auf den ersten Blick recht moderat. Es ist ein Verfahrensgesetz geworden. Sinnvoller wäre es gewesen, die Mediation zunächst im BGB als einen weiteren Vertragstypus zu regulieren. Ohne eine Typisierung wird man den Mediationsvertrag, also der Vertrag der die Durchführung der Mediation regelt, als einen Dienstvertrag mit besonderen Anforderungen, am besten also als einen Vertrag sui generis anzusehen haben. Immerhin gibt es den § 779 BGB, der den Vergleich als ein gegenseitiges Entgegenkommen reguliert. Diese Vorschrift wird für gütliche Einigungen vor einem Konflikthintergrund zwar zitiert, ist aber nicht wirklich einschlägig. § 779 BGB spricht den Kompromiss an. Er beschreibt das gegenseitige Nachgeben. Die Mediation hingegen strebt einen Konsens an . Anders als der Kompromiss, der ein lose-lose-Ergebnis beschreibt, erzielen wir mit dem Konsens ein win-win-Ergebnis. Somit ergeben die Herbeiführung von Kompromiss oder Konsens unterschiedliche Einigungsqualitäten, die wiederum auf unterschiedliche Einigungsstrategien (Verfahrensweisen) aufsetzen . Die unterschiedlichen Qualitäten ließen sich ohne weiteres, umfassender und präziser mit differenzierenden Rechtsregeln beschreiben, in denen sowohl das Zustandekommen wie die Auswirkungen einer mediativen Einigung bis hin zur Haftung des Mediators zu beschreiben sind. Ein weiterer Vorteil bestünde darin, dass die Regelungen im BGB jedermann beträfen und nicht nur ausgesuchte Berufsgruppen. Diese Positionierung würde schließlich auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Streitvermittlung überall im Alltag vorkommt und durchaus auch als eine private Domäne anzusehen ist. Auf einem Kongress hatten Mediatoren einmal herausgearbeitet, dass die Mediation ein Kulturgut sein solle. Hier wurde die Mediation als eine Kompetenz gewichtet, die als ein Teil der Bildung zur Steigerung des sozialen Miteinanders und der persönlichen Konfliktfähigkeit eines jeden Bürgers beitragen könnte. Sicherlich würde dieser Ansatz auch dazu beitragen, die Streitkultur zu verbessern.
Die Streitkultur verbessern, will der Gesetzgeber inzwischen wohl auch. Nur sein Fokus ist ein anderer. Der Gesetzgeber sieht die Mediation nicht als eine Art des Denkens und Herangehens an Problemlösungen, sondern als ein professionalisiertes Verfahren, das als Dienstleistung anzubieten ist und eine Alternative zum Gericht darstellen soll. Im Vordergrund des nunmehr erlassenen „Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ steht das so bezeichnete Mediationsgesetz. Daneben finden sich auch Regelungen zur Änderung bestehender Verfahrensgesetze.
Hintergründe
Der angebliche Auslöser für die Einführung des Gesetzes war die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Sie wollte sicherstellen, dass die gesetzlichen Anforderungen für die Einführung der Mediation als ein Streitbeilegungsverfahren in den Mitgliedstaaten möglichst gleichförmig vorzufinden sind. Demnach regelt die EU Direktive beispielsweise die Anforderungen an die Vertraulichkeit, die Freiwilligkeit und die Verjährung. Die rechtlichen Anforderungen zur Einführung der Mediation waren in Deutschland durchaus auch ohne ein Gesetz gegeben. Die Vertraulichkeit beispielsweise kann durch einen Prozessvertrag zwischen den Parteien vereinbart werden. Das Gleiche gilt für die Freiwilligkeit, die ein vereinbarungsfähiges, sofortiges Kündigungsrecht der Mediation begründet. Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung aus Anlass schwebender Verhandlungen war ebenfalls schon in unserem Gesetz bekannt. Die Vollstreckbarkeit konnte durch notarielle Beurkundung herbeigeführt werden usw. Trotzdem nahm der Gesetzgeber die EU Direktive zum Anlass ein eigenes Gesetz über die Mediation zu entwerfen. Der Rechtsausschuss des Bundestages führte als Motiv für das Gesetz unter anderem aus, dass die verschiedenen Formen der Mediation im deutschen Recht weitgehend ungeregelt seien. Dies war sicherlich aber nicht der Grund, dass der Gesetzgeber schließlich über den in der EU Direktive vorgegebenen Rahmen der internationalen Handelssachen hinausging. Der Gesetzgeber ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und regelte die Mediation in vermeintlich all ihren Anwendungsbereichen.
Als die ersten Diskussionen über das Gesetz aufkamen, waren sich die Mediatoren noch gar nicht sicher, ob die Zeit für ein derartiges Gesetz überhaupt reif genug sei. Noch auf dem 67. Juristentag im Jahre 2008 in Erfurt jedenfalls erklärten sich (fast) alle Mediatoren gegen ein Mediationsgesetz. Man war der durchaus zutreffenden Meinung, es sei noch zu früh für ein solches Gesetz. Die Mediation müsse sich erst einmal etablieren. Es solle sich erst zeigen, in welcher Weise und in welcher Form die Mediation in Deutschland zu implementieren sei. Auf der anderen Seite wuchs der Bedarf, einheitlich festzuschreiben was Mediation überhaupt ist. Zu oft geschah es, dass Anbieter ihre Dienstleistungen als Mediation verkauften, ohne dass es sich bei dem was sie konkret angeboten hatten um eine Mediation handelte – wenigstens nicht im Verständnis der fachkundigen Mediatoren. „Vergleiche können wir doch auch. Das machen wir doch schon immer“ lautete die ignorante Aussage. Mediation ist aber – wie eingangs erwähnt eben nicht nur ein kompromissartiger Vergleich.
Das Interesse des Gesetzgebers jedenfalls weckte die Lobby. Und plötzlich wandelte sich das Bild. Jetzt sprach sich die Mehrheit der Mediatoren für das Gesetz aus. Sie erwarteten, das Gesetz könne den Markt für Mediatoren bereiten, indem der Gesetzgeber die Mediation als ein alternatives Verfahren zur Gerichtsbarkeit institutionalisiert. Der schlaue Gesetzesentwurf des BMJ wollte die weitere Entwicklung erst einmal abwarten. Der Markt sollte eine Chance haben und sich entwickeln. Nicht einmal die Ausbildung, als das marktbestimmende Element in dem Gerangel um die Mediation wurde geregelt. Inzwischen hatten sich die Verbände ohnehin nach langen Diskussionen auf eine 200 stündige Ausbildung mit dementsprechenden Inhalten verständigt. Der Gesetzgeber hat den Entwurf anschließend jedoch nicht uneingeschränkt übernommen. Eine wesentliche Änderung betraf die Ausbildung die andere betraf die gerichtsinterne Mediation. Die Ausbildung wurde nunmehr wenigstens rudimentär geregelt, wobei die Fachanwaltsausbildung mit einem 120 Stundenvolumen wohl das Vorbild war. Die gerichtsinterne Mediation wurde nicht übernommen, aber durch den Güterichter ersetzt. Sowohl bei der gerichtsinternen Mediation wie bei dem Güterichter stehen die Parteien vor einem Richter, der nicht entscheidungsbefugt ist aber die Parteien dabei unterstützt eine einvernehmliche Regelung zu treffen.
In der Pressemitteilung des dt. Bundestages vom 30.11.2011 wurde die ungewöhnliche „Interfraktionelle“ Einstimmigkeit des Bundestages hervorgehoben. Das klingt wie ein guter Start für ein Gesetz, das sich mit der Mediation befasst. Einstimmigkeit passt gut zur Mediation. Allerdings sollte es sich dann herausstellen, dass Einstimmigkeit nicht gleichzusetzen ist mit Konsens. Das Gesetz wurde vom Bundesrat abgelehnt. Es musste dem Vermittlungsausschuss vorgelegt werden; nicht etwa wegen der Fragen zur Ausbildung, sondern wegen der Regelung des Güterichters oder besser gesagt, wegen der abgelehnten Richtermediation. Für viele erschien der Streit um die gerichtsinterne Mediation oder den Güterichter wie ein Streit um das Etikett. Die Politiker konnten sich dann schließlich auf einen Kompromiss einigen, nachdem der Gesetzgeber klargestellt hatte, dass der Güterichter alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen dürfe. Mit dieser nicht unbedingt nachvollziehbaren, weil unnötigen Klarstellung konnte das Gesetz dann schließlich am 28.6.2012 um 13:05 ohne weitere Debatte erlassen werden .
Das Mediationsgesetz
Das Mediationsgesetz definiert die Mediation in seinem § 1 als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben . Damit sind bereits wesentliche Prinzipien der Mediation, wie die Eigenverantwortlichkeit und die Freiwilligkeit zum Definitionsbestandteil geworden. Das Gesetz führt dann weiter aus, dass ein Mediator eine unabhängige und neutrale Person sei, welche die Parteien ohne Entscheidungsbefugnis durch die Mediation führe. Neutralität und mangelnde Entscheidungsbefugnis beschreiben weitere Prinzipien der Mediation. Die Vertraulichkeit ist ebenfalls ein wichtiges Prinzip der Mediation. Sie wird durch § 4 MediationsG mit der korrespondierenden Verschwiegenheitspflicht geregelt. „Der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist“ heißt es dort. § 2 MediationsG betrifft das Verfahren. „Der Mediator ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet. Er fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind“ wird dort unter anderem ausgeführt. „Er soll die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen“ wird weiterhin bestimmt. § 3 enthält einige Vorschriften über Offenbarungspflichten und Tätigkeitsbeschränkungen. „Als Mediator darf nicht tätig werden, wer vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen ist. Der Mediator darf auch nicht während oder nach der Mediation für eine Partei in derselben Sache tätig werden“ sagt das Gesetz. § 5 MediationsG betrifft die Ausbildung. Hier wird der zertifizierte Mediator erwähnt, der eine bestimmte, noch vom Bundesministerium der Justiz zu bestimmende Ausbildung absolviert haben muss. § 7 Mediationsgesetz erlaubt es schließlich Bund und Ländern wissenschaftliche Forschungsvorhaben zu vereinbaren, um die Folgen einer finanziellen Förderung der Mediation für die Länder zu ermitteln. § 8 betrifft die Evaluierung der Mediation, § 9 sind die Übergangsbestimmungen.
Die Verfahrensgesetze
Das Mediationsgesetz selbst ist ein Verfahrensgesetz. Darüberhinaus tangiert es aber auch gerichtliche Verfahren, deren Verfahrensordnungen anzupassen waren. Markant ist die Sollvorschrift des § 253 Absatz 3. Danach soll die Klageschrift die Angabe enthalten, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Die Richtermediation wurde in das Güteverfahren verlagert. „Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen Güterichter als beauftragten oder ersuchten Richter verweisen.“ Lautet der neue § 278 Abs. 5 ZPO.
Die Vollstreckbarkeit der Mediationsvereinbarung wurde vom Gesetzgeber nicht beschlossen.
Der Meilenstein
Das Mediationsgesetz enthält nicht mehr als 9 Paragrafen. Wenn es als ein Meilenstein bezeichnet wird, dann kann sich das nicht auf den Inhalt beziehen. Der Inhalt ist alles andere als epochal. Lediglich der kritische Leser hinterfragt seine Bedeutung und was der Gesetzgeber damit zum Ausdruck bringen will. Was will er uns sagen, wenn er es beispielsweise für notwendig erachtet den Mediator explizit zu verpflichten, die Parteien auf deren Verlangen über seinen fachlichen Hintergrund, seine Ausbildung und seine Erfahrung auf dem Gebiet der Mediation zu informieren. Soll sich der Bürger vorstellen, dass ein Mediator seine Frage unbeantwortet ließe? Würde er als autonomer Bürger dann nicht auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung seine Konsequenzen ziehen? Was bedeutet es, fragt sich der kritische Leser, wenn der Gesetzgeber explizit darauf hinweist, dass die Parteien als Vertragspartner des Mediators diesen auszuwählen haben. Steht zu erwarten, dass die Parteien Verträge abschließen ohne sich ihrer Parteiautonomie bewusst zu sein? Was will er uns sagen, wenn er verlangt, dass der Mediator im Falle einer Einigung darauf hinwirkt, dass die Parteien den Inhalt der von ihnen zu treffenden Vereinbarung auch verstehen. Glaubt er, dass die Parteien üblicherweise Verträge abschließen, die sie nicht verstehen oder soll der Hinweis herausstellen dass andere Berufe, wie etwa der Richter oder Rechtsanwalt Vergleiche herbeiführen, denen die Parteien zustimmen ohne dass sie deren Inhalt verstanden haben? So gelesen regelt das Gesetz eine Menge an Selbstverständlichkeiten. Mediatoren verstehen den Hintergrund. Erstaunlich ist indes, dass der Gesetzgeber meint, diese in einem Gesetz festhalten zu müssen.
Setzt man sich tiefer mit dem Gesetz auseinander, dann fällt auf, dass das Gesetz nur Gegenstände regelt, die ohnehin privatvertraglich vereinbart werden können. Diese Autonomie wird sogar noch eingeschränkt. So wird das Verbot zum Tätigwerden als Berater vor oder nach einer Mediation ohne eine Dispositionsmöglichkeit der Parteien vorgegeben. Auch die im Mediationsgesetz geregelte Vertraulichkeit bleibt weit hinter der Schweigepflicht anderer Berufe zurück. § 4 MediationsG regelt nicht mehr als auch eine Parteivereinbarung zur Beweisverwertung regeln könnte. Wie diese gilt sie nur für zivilrechtliche Verfahren. Anders als diese endet sie beim Ordre Public, der öffentlichen Ordnung. In unserem Rechtsstaat gilt der Grundsatz: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Was sagt uns also der Gesetzgeber, wenn er explizit erlaubt, was man eh’ schon darf? Ist das ein Meilenstein? Verleitet ein solches Gesetz die Bürger nicht eher dazu, zu erfragen was explizit erlaubt ist anstatt sie zu ermutigen darüber selbst zu entscheiden? Wendet sich das Gesetz überhaupt an den autonomen Bürger, der mittels der Mediation seine Angelegenheiten eigenverantwortlich klären soll? Eine rechtsstaatliche Errungenschaft ist das Gesetz so gesehen also sicherlich nicht. Es muss wohl etwas anderes gemeint sein, wenn von einem Meilenstein die Rede ist.
Ein Meilenstein ist ein Ereignis besonderer Bedeutung . Meilensteine bezeichnen Ziele oder Zwischenschritte bei der Zielerreichung. Mithin taucht die Frage auf, welches Ziel erreicht wurde oder welches Ziel erreicht werden soll. Ursprünglich war es die Kosteneinsparung bei Gericht. Dann war von der Verbesserung der Streitkultur die Rede. Eine Kultur indes definiert sich durch das gemeinsame Denken und Handeln. Es wäre schön, wenn wir Menschen uns ein Denken aneignen könnten, bei dem wir unsere Probleme durchaus mit Härte aber ohne die kriegerische Vernichtung des Gegners führen. Die Mediation und die in ihr repräsentierte Einstellung des Denkens würden dies ohne weiteres ermöglichen. Das Gesetz regelt aber nicht das Denken hinter der Mediation, sondern das Verfahren und mit diesem die Ausgestaltung einer Dienstleistung. Sollte das Angebot einer bestenfalls als low interest product nachgefragten, kostenpflichtigen Dienstleistung wirklich dazu beitragen können eine Kultur zu verändern?
Die Institutionalisierung
Zweifellos ist festzustellen dass mit den Bemühungen des Gesetzgebers sowohl das Interesse wie auch die Nachfrage nach Mediation ansteigen. Die Mediation wird als ein alternatives Verfahren institutionalisiert. Sie erlangt damit eine an das Gerichtsverfahren heranreichende Wertigkeit. Was wie eine Aufwertung der Mediation aussieht ist aber zugleich deren Abwertung. Indem der Gesetzgeber das Verfahren als eine Alternative zum Gerichtsverfahren etabliert, übernimmt er die Verantwortung für das Institut. Wird es dem Bürger also gewährt oder genommen? Diese Frage muss die Zukunft erweisen.
Die neue Mediatorengeneration
Mediation ist nicht gleich Mediation. Für viele ist sie auch mehr als nur ein justitiables Verfahren. Mediatoren der ersten Stunde beklagen, dass die Mediation nicht mehr das sei, was sie hätte sein können. Die Pioniere hatten Großes vor mit der Mediation. Sie war Teil der Friedensbewegung und ein guter Ansatz der Professionen, die einen klientenzentrierten Problemzugang suchten. Sie haben die Kompetenz erkannt und die befriedende Macht, die hinter der Mediation steht. Es ist die Macht des präzisen Denkens, der elegante Umgang mit Widersprüchen, die Exposition der Bedürfnisse. Diese Macht erschöpft sich nicht in der Erweiterung eines Produktportfolios. Mediation kann Philosophie sein. Sie wirkt über die innere Geisteshaltung. Die Institutionalisierung drängt weitere Anbieter auf den Markt. Jeder will die Mediation für sich einverleiben. So wird die Mediation als Inbegriff der anwaltlichen und gar der richterlichen Tätigkeit verdefiniert. Markteroberung und Marktsicherung werden für Viele zu unausgesprochenen Motiven des Interesses. Während früher etwa 2/3 der Kursteilnehmer gar nicht die Absicht hatten, Mediator zu werden, sind es heute mindestens 2/3 der Kursteilnehmer, die das ausschließliche Ziel verfolgen, ein niedergelassener Mediator zu werden . Vielen geht es um den Titel – weniger um die Kompetenz. Wenn die Bundesrechtsanwaltskammer dann behauptet, es sei ein Segen für die Rechtsanwälte, dass es die Mediation gäbe, dann mag das für den einzelnen Rechtsanwalt zutreffen. Aus der berufsständischen Sicht jedoch ist diese Behauptung nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Als Erweiterung der Kompetenz im Sinne der integrierten Mediation wäre sie zutreffend. Als ein von Rechtsanwälten angebotenes Produkt ist sie es nicht. Mediatoren beobachten, dass in der Mediation weniger Juristen zum Einsatz kommen als in einem streitigen Gerichtsverfahren. Da Mediatoren keine Rechtsberatung durchführen, müssen sie die Parteien mitunter geradezu zum Anwalt prügeln, um ihnen die Bedeutung der erforderlichen rechtlichen Absicherung nahezulegen. „Wir sind uns doch einig“, antworten die Parteien, „Warum sollten wir zu einem Anwalt gehen? Genügt es denn nicht, wenn wir nur zu einem Anwalt gehen?“ Die Zahl der involvierten Juristen in einer Mediation mag sich also verringern. Kein Wunder also, wenn die Lobby ein so starkes Interesse daran hat, die Mediation mitzugestalten um sie vor allem der von ihr repräsentierten Berufsgruppe einzuverleiben.
Ein Mediator der ersten Stunde geht gelassen mit der Entwicklung um. Er weiß dass es müßig ist über Dinge zu streiten, die noch nicht eingetroffen sind und einen Markt zu verteidigen, den es noch gar nicht gibt. Mit dieser Gelassenheit konnte er getrost beobachten, wie darum gestritten wurde, die gerichtsinterne Mediation als wettbewerbsverzerrend zu Gunsten des Güterichters abzuschaffen. Vor lauter Streit hat man wohl übersehen, dass der Güterichter jetzt zwar ein anderes Etikett trägt, de facto aber mit weitaus mehr Optionsmöglichkeiten ausgestattet ist als der Mediator. Er unterliegt nicht dem Mediationsgesetz und hat dennoch den Auftrag des Gesetzgebers zu mediieren. Wenn das kein Wettbewerbsvorteil ist? Der gelassene Mediator weiß, dass die Mediation – wenn sie denn einmal als Kompetenz verstanden wurde – sich wie ein Virus verbreitet – egal wie sie dann später genannt wird. Es ist das andere Denken und der in der Mediation mögliche Umgang mit Widersprüchen was fasziniert. Dieses Denken kann nicht mehr genommen werden – auch nicht, wenn man noch so viel an der Mediation herumschraubt. Das ist nun ein echter Meilenstein. Aber es ist keine Errungenschaft der Politik, sondern eine der Mediation. Deren Meilensteine markieren die eigene, individuelle Persönlichkeitsentwicklung.
Arthur Trossen