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Bedingungen und Zielvorgaben in der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite zum Kapitel Ziel im 4. Buchabschnitt, der sich mit dem Prozess der Mediation näher auseinandersetzt. Dem Abschnitt sind folgende Kapitel zugeordnet:

Ziel Zielvorgaben Grundsätze Erwartungen Eintrag Suche

Worum es geht: Die Gestaltungsfreiheit dieses Verfahrens unterliegt jedoch realen Spannungsfeldern, unter anderem durch Zielvorgaben und Bedingungen, die entweder implizit durch die Konfliktdynamik oder explizit durch Auftraggeberinnen, Institutionen oder politische Rahmenbedingungen gesetzt werden. Diese Abhandlung befasst sich mit der Frage, was unter Zielvorgaben in der Mediation zu verstehen ist, wie sie eingebracht werden und welche Auswirkungen sie auf das Verfahren haben können.

Einführung und Inhalt: Es bedarf der Auseinandersetzung, ob und inwieweit der Prozess und die prozessualen Ergebnisse beschränkt werden dürfen, ohne den Charakter der Mediation zu zerstören.

Grenzerfahrungen in der Mediation

Die nachfolgenden Beispiele sollen die Problematik und Tragweite aufzeigen, um eine Sensibilisierung für die Problematik zu erarbeiten und die Grenzen der Vorgaben und Bedingungen zu ermitteln. Überlegen Sie, wie Sie als Mediator oder als Mediatorin mit folgenden Fällen umgehen:

Beispiel 17019 - Eine Ehepaar kommt zum Mediator. Ihre Ehe verläuft schlecht. Sogar eine Scheidung kommt in Betracht. Das wollen die Eheleute unbedingt vermeiden. Sie möchten also die Mediation durchführen, um die Ehe zu erhalten und die Beziehung zu verbessern. Der Mediator bestätigt, dass die Mediation zur Verbesserung der Beziehung beiträgt. Er weist aber darauf hin, dass die Mediation lösungsoffen ist. Sollte sich herausstellen, dass die Scheidung zur Verbesserung der Beziehung beiträgt, ist das ein Ergebnis, das durch die Mediation auch herauskommen kann. Tatsächlich stellte sich im Verlauf der Mediation heraus, dass die Eheleute nichts gemeinsam haben und auch gar nicht genau wussten,. warum sie überhaupt geheiratet haben. Sie kamen deshalb überein, Freunde zu bleiben aber die Ehe aufzulösen.


Ist eine ergebnisoffene Mediation überhaupt möglich, wenn nur bestimmte Ergebnisse zugelassen werden? Hätten Sie die Ergebnisoffenheit ebenfalls herausgestellt? Hat der Mediator dadurch vielleicht sogar den Weg in das zunächst nicht erwünschte Ergebnis geebnet?

Beispiel 17022 - Die Parteien haben einen hoch eskalierten Konflikt. Sie gehen zum Mediator, sagen aber übereinstimmend, dass sie nur 5 Stunden Zeit hätten, das Problem zu lösen. Der Mediator lehnt eine Mediation unter Zeitdruck ab.


Hätten Sie die Mediation durchgeführt? Ist unter dieser Einschränkung wirklich noch eine Mediation möglich, ohne dass daraus eine Schlichtung wird?

Beispiel 17023 - Die beklagte Partei stimmt in einem Vorgespräch der Mediation nur zu, wenn die Klägerin die Klage zurücknimmt. Der Mediator, der die Mediation gerne verkaufen möchte, spürt, dass die Rücknahme eine Bedingung für das Zustandekommen der Mediation ist. Um keine Absage zu riskieren, empfiehlt er der Klägerin, die Klage zurückzunehmen.


Die Intervention des Mediators ist eine außerordentlich riskante (Rechts-)Beratung.

Beispiel 17024 - Es ist ein außerordentlich hoch eskalierter Familienkonflikt anlässlich der Trennung. Der Mann weigert sich Unterhalt zu zahlen. Die Frau will ihn mit dem Kind unter Druck setzen. Sie informiert den Mediator, dass ihr Mann unter dem Eisenofensyndrom leide und nur zur Mediation erscheine und verhandeln könne, wenn das Kind anwesend sei. Die Mutter besteht also darauf, auch das Kind einzuladen. Der Mediator hat dem Wunsch nicht entsprochen. Die Mediation kam nicht zustande.


Wenn Dritte teilnehmen sollen, ist der Grund genau zu prüfen. Oft wird deren Teilnahme verlangt, um Druck auf die Gegenseite auszuüben. Wenn der Mediator sich darauf einlässt, unterstützt er die Konfrontation.

Zielvorgaben in der Mediation

Unter Zielvorgaben in der Mediation werden inhaltliche oder strukturelle Erwartungen an das Ergebnis oder den Verlauf des Mediationsverfahrens verstanden. Sie können von den Konfliktparteien selbst, von Dritten (z. B. Auftraggeber, Träger, Politik) oder von der Mediator*in eingebracht werden. Zielvorgaben lassen sich differenzieren in:

  1. Ergebnisbezogene Zielvorgaben: z. B. Einigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, Wahrung institutioneller Interessen, Rückkehr zu kooperativer Zusammenarbeit.
  2. Verfahrensbezogene Zielvorgaben: z. B. Einhaltung bestimmter Methoden (Restorative Justice, transformative Ansätze), Einbindung Dritter (z. B. Rechtsbeistände), Transparenz gegenüber Außenstehenden.
  3. Politisch-normative Zielvorgaben: z. B. Förderung von Diversität, diskriminierungssensible Sprache, „politisch korrekte“ oder inklusionsorientierte Resultate.

Bedingungen in der Mediation

Neben Zielvorgaben wirken äußere Bedingungen, die den Prozessrahmen beeinflussen:

  1. Institutionelle Bedingungen z. B. Vorgaben durch Schulleitungen, Verwaltungen, Organisationen
  2. Rechtliche Bedingungen (Datenschutz, Schweigepflicht, gesetzliche Fristen)
  3. Ökonomische Bedingungen (Zeitdruck, Ressourcenverfügbarkeit)
  4. Machtasymmetrien (ungleiche Verhandlungsmacht, Rollenverteilungen)

Die äußeren und zusätzlich gesetzten Bedingungen können den Handlungsspielraum des Mediators und der Parteien stark einschränken. Vor dem Hintergrund, dass auch die Prinzipien und die Grundsätze der Mediation nichts anderes sind, als Bedingungen, die zur Verwirklichung der Eigenschaften erforderlich sind, wird deutlich, dass die hier aufgeführten, äußeren Bedingungen die Verwirklichung der Prinzipien in Frage stellen und mit ihnen konkurrieren. Aus dieser Logik heraus beantwortet sioch die Frage, wie mit den von außen gesetzten oder vorgegebenen Bedingungen umzugehen ist.

Erwartungen in der Mediation

Um die Gruppe der möglichen Prozessmanipulationen abzurunden, sollte noch ein Blick auf die Erwartungen gelegt werden. Sie können mit einer verdeckten Zielvorgabe verglichen werden, die für das Handeln der Partei durchaus bestimmend sein kann. Der Umgang mit den Erwartungen in der Mediation inspiriert den Umgang mit den Vorgaben und Bedingungen. Es entspricht der Erfahrung, dass die Parteien zu Beginn der Mediation durchaus die Erwartung mitbringen, dass die Mediation ein für sie vorteilhaftes Ergebnis einbringt.

Beispiel 16820 - In einer Familiensache geht es um den Umgang des Vaters mit dem Kind. Der Vater will das Wechselmodell durchsetzen. Sein wahres Interesse ist aber nicht der Kontakt mit dem Kind, sondern die Vorstellung, dass er bei einem Wechselmodell der Mutter keinen Unterhalt zahlen muss. Die Nichtzahlung des Unterhaltes ist ihm ganz wichtig. Er kann dieses Motiv aber nicht eingestehen, weil der Richter dann erkennt, dass der Vater gar kein großes Interesse am Kind hat. Der Antrag ein Wechselmodell einzurichten wäre dann schon aus dem Grund abzulehnen.


Dass der Vater einen geheimen Vorbehalt hat und eine bestimmte Lösung erwartet, wird den Mediator nicht davon abhalten die Mediation durchzuführen. Möglicherweise kennt er den Vorbehalt auch gar nicht. ErSo betrachtet kommt die Frage auf, ob und warum sich der Mediator von anderen ausdrücklichen Vorgaben beeinträchtigt sehen soll. Im vorgenannten Beispiel wird der Mediator darauf vertrauen, das sich die Sicht des Vaters im Verlauf der Mediation verändert und er seine wahren Interessen offenbaren kann. Warum sollte er bei den anderen Vorgaben nicht darauf vertrauen, dass die Mediation eine Läuterung herbeiführt?

Zwischen Prozessförderung und Prozessmanipulation

Eine Mediation ist nur dann eine Mediation, wenn der Prozess ihr Wesen verwirklicht. Die gesetzlichen Vorgaben und die Prinzipien der Mediation sollen und können dazu beitragen, dass dies gelingt. Wenn die Zielvorgaben und die Rahmenbedingungen jedoch missbräuchlich gesetzt werden, können sie die Mediation durchaus zum Scheitern bringen. Grundsätzlich ist zwischen direkten (ausdrücklich eingeführten) und indirekten (unausgesprochenen) Prozessmanipulationen zu unterscheiden. Die verlangten Ausrichtungen und Eingrenzungen haben den Vorteil, dass sie unmittelbar angesprochen und geprüft werden können.

4.1 Transparenz und Aushandlung
Eine zentrale Leitlinie im professionellen Umgang mit Zielvorgaben ist die Transparenz gegenüber allen Beteiligten. Zielvorgaben müssen offengelegt, besprechbar und verhandelbar gemacht werden, um:

verdeckte Agenden zu identifizieren,

Rollenklarheit der Mediator*in zu wahren,

eine prozessethische Reflexion zu ermöglichen.

4.2 Mediative Grundprinzipien wahren
Zielvorgaben dürfen nicht die Eigenverantwortlichkeit der Parteien untergraben – ein Kernelement der Mediation. Die Mediator*in muss ggf. zwischen externer Zielsteuerung und interner Zielentwicklung vermitteln und die Parteien dazu befähigen, ihre eigenen Ziele zu formulieren.

4.3 Umgang mit normativen Zielsetzungen
Besonders herausfordernd sind vorgelagerte normative Zielsetzungen, wie z. B. bei Diversity-Mediation oder Mediation in politisch sensiblen Themenfeldern (z. B. Gender, Migration). Hier muss die Mediator*in einen reflexiven Umgang mit eigenen Haltungen und Rollenerwartungen entwickeln. Das schließt auch die Bereitschaft ein, Grenzen der Mediation zu erkennen und offen zu benennen.

5. Kritische Einordnung: Chancen und Risiken
5.1 Chancen
Zielvorgaben können Orientierung geben, insbesondere in komplexen Mehrparteienverfahren.

Sie fördern in manchen Kontexten (z. B. Organisationen, Bildungsinstitutionen) eine effektive Zielsteuerung und Verbindlichkeit.

Politisch-normative Vorgaben (z. B. diskriminierungssensible Sprache) können Gerechtigkeitsansprüche stärken.

5.2 Risiken
Fremdsteuerung kann das Prinzip der Freiwilligkeit und Allparteilichkeit gefährden.

Zielvorgaben können verdeckte Machtinteressen transportieren (z. B. „Lösung“ im Sinne des Auftraggebers).

Gefahr der Instrumentalisierung der Mediation, insbesondere in politisierten Kontexten.

6. Empfehlungen für die Praxis
Zielklärung als expliziter Bestandteil des Erstgesprächs oder Mediationsvertrags

Kontext- und Rollenanalyse: Wer will was – und warum?

Dokumentation und Monitoring von Zielverschiebungen im Verlauf

Supervision und Meta-Reflexion in Fällen mit widersprüchlichen Zielvorgaben

Abgrenzung der Mediation bei Zielkonflikten, die nicht mediationsfähig sind

7. Fazit
Zielvorgaben und Rahmenbedingungen sind in der Mediation unvermeidlich – sie können klärend, strukturierend oder legitimierend wirken, aber auch steuernd, einschränkend oder manipulierend. Der professionelle Umgang damit erfordert eine hohe Sensibilität, prozedurale Transparenz und kontextbewusste Haltung seitens der Mediator*innen. Nicht alle Zielvorgaben sind vereinbar mit dem mediationsethischen Kern – ihre reflektierte Integration oder bewusste Zurückweisung ist Teil einer integren Mediationspraxis.

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Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2025-05-14 19:49 / Version 10.

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Siehe auch: Verfahrensverzeichnis
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