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Die Infrastruktur - der passende Unterbau

Lernziel: Auch wenn die Mediation Alleinstellungsmerkmale hat, ist sie kein Gebäude. Um die Mediation erschließen zu können sollte man mit der Infrastruktur vertraut sein. Die Infrastruktur ergibt sich aus der Systematik, die wie in einem Bebauungsplan Wege und Grundflächen ausweist, die zu dem Gebäude führen. Die systematische Übersicht über die Verfahren der Streitbeilegung soll Ihnen also helfen, die Mediation besser zu verstehen und gegen andere Verfahren abzugrenzen.




Systematik
Ordnung ist das halbe Leben!

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Wir präzisieren den Zugang in die Welt der Mediation, indem wir die Mediation in der Landschaft der Streitbeilegungsverfahren verorten und mit anderen Verfahren abgleichen, um so auf die Bausteine hinzudeuten, die diese Verfahren miteinander teilen oder eben nicht. Die Verortung der Mediation hat nicht nur eine juristische Tragweite, weil sie die Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes betrifft. Sie verhilft auch zu einem besseren Verständnis der Mediation.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich die Verfahren durch ihren Charakter besser abgrenzen lassen als durch formale und ungenaue Regeln. Sie werden deshalb erstmalig mit dem Wesen der Mediation konfrontiert.

 Merke:

Die Verfahren lasen sich besser durch ihren Charakter abgrenzen, als durch formale Regeln1

Ordnung muss sein

Jede Systematik sucht nach Ordnungskriterien.
In unserem Fall trägt die Orndung dazu bei, sich in der diffusen Landschaft der außergerichtlichen Streitbeilegung zu orientieren. Solange behauptet wird, es wäre besser, im Deutschen (statt Mediation) Begriffe wie Moderation, Vermittlung oder Schlichtung zu verwenden, sind die Verfahren beliebig. Dann fällt es gar nicht auf, wenn sich ein Mediator in die Schlichtung verirrt, obwohl eine Mediation versprochen wurde. Rechtlich betrachtet begeht er einen Vertragsbruch, für den er gegebenenfalls gerade zu stehen hat.

Ein Profi muss wissen was er tut!  


In der Mediation kommt es, wie in anderen Verfahren darauf an, das zu tun, was das Verfahren fördert und erfordert. Die Mediation ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Verfahren und eine Dienstleistung zugleich und sie ist noch mehr. Als Dienstleistung schuldet der Mediator die korrekte Durchführung der Mediation. Also muss er genau wissen, wo Mediation anfängt und wo sie aufhört. Zieht er die Grenzen zu eng, verhindert er die Mediation. Zieht er sie zu weit, verändert er sie.

Die formale Sicht auf die Verfahren zwingt dazu, die Grenzen genau zu kennen. Die Verfahrensabgrenzung ist deshalb der erste wichtige Schritt, um den Handlungs- und Wirkungsbereich der Mediation festzulegen.

Verfahrensabgrenzungen

Es gibt eine Vielfalt an Verfahren und Vorgehensweisen bei der Konfliktbewältigung, die zum Teil fließend ineinander übergehen.
Um eine vertragsgerechte Leistung abzuliefern, muss der Mediator die Verfahren genau unterscheiden und präzise abgrenzen können, auch wenn er kein Richter, Schiedsrichter oder Schlichter ist.

Zugegeben, das ist gar nicht so einfach, denn auch die Fachwelt tut sich schwer damit. Sogar das Gesetz hilft nicht viel weiter.
§ 1 Mediationsgesetz besagt:

Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben


Das Gesetz versucht die Mediation zu definieren. Was genau sagt es aber über die mediationsspezifische Art und Weise der Konfliktbeilegung? Was sagt es über die Abgrenzung zur Schlichtung aus? Das Gesetz wirft eher Fragen auf als dass sie diese beantwortet2 . Zum Verständnis der Mediation und ihrer Verortung in der Landschaft der Konfliktbeilegung bedarf es offenbar mehr als eine gesetzliche Definition.

Die Systematik trägt dazu bei, die Verfahren in ihrer Wirkungsweise zu verstehen und besser gegeneinander abzugrenzen. Die Ordnungskriterien tragen zur Typologisierung bei.

Die mit der nachfolgenden Systematik einhergehende Typologisierung fördert nicht nur die Abgrenzung der Mediation nach außen. Sie gewährt auch Erkenntnisse über die elementare Zusammensetzung der Verfahren und erlaubt einen Blick in das Innenleben der Mediation.

Die Streitbeilegungsverfahren

Sie kennen die Unterscheidung zwischen DR und ADR3 . Aber was ist der Oberbegriff für beides?

Der Begriff Alt-Streitbeilegungsverfahren bietet sich zwar als Oberbegriff über alle Verfahren an, die sich mit Streit und Konflikten befassen. Leider hat der Gesetzgeber den Begriff Streitbeilegungsverfahren in allen Vorschriften „zur Begriffsvereinheitlichung“ in Konfliktbeilegungsverfahren ausgetauscht. Dadurch wird nicht nur die psychologisch bedeutsame Differenzierung zwischen Streit und Konflikt erschwert, sondern auch die konsistente Verwendung der Konfliktbeilegungsverfahren. Weil nicht jeder Streit einen Konflikt bedeutet aber jeder Konflikt einen Streit nach sich zieht, ist der Begriff der Streitverfahren der umfassendere. Er ist weniger verfänglich (viele Streitparteien leugnen einen Konflikt zu haben) und deshalb als Oberbegriff für eine Verfahrenssystematik geeignet.

Bevor wir uns die Verfahren genauer anschauen, wollen wir uns ein Bild über die Welt zeichnen, in der sie vorkommen. Es ist mehr als eine Welt. Es ist ein Universum. Das Kontinuum der Streitbeilegungsverfahren ist seine Metaebene. Wie im Universum gibt es Planeten und Planetenkonstellationen, die sich wie beispielsweise die Milchstraße zu einem Verfahren ausbilden wobei die Planeten wie Elemente zu verstehen sind, aus denen die Verfahren bestehen.


Mit der Sicht auf das Universum der Streitbeilegungsverfahren eröffnen sich verschiedene Perspektiven und Ebenen, aus denen unterschiedliche Ordnungskriterien abzuleiten sind. Der Blick auf das Universum erweitert den Blick auf das All. Er macht verschiedene Welten und ihre Elemente sichtbar. All diese in Bausteine zu überführende Elemente interagieren miteinander und beeinflussen sich gegenseitig.

  • Das Universum: Hinter dem All, der Gesamtheit aller Verfahren, finden wir das Kontinuum, in dem sich alle Verfahren bewegen und der Metaebene zuordnen lassen.
  • Die Welten: Das sind die Verfahren der Streitbeilegung.
  • Die eine Welt: Die Mediation im Fokus.
  • Die Elemente: Die nicht notwendigerweise an Verfahren gebundene, diesen aber zugeordnete Bausteine, die bei der integrierten Mediation als „functional units“ bezeichnet werden.

Mit dieser Einteilung ergeben sich nicht nur unterschiedliche Perspektiven, sondern auch Bezüge, aus der sowohl die Kriterien wie der Plan einer Systematisierung abzulesen sind:

  • Das Kontinuum der Streitbeilegung erlaubt eine Sicht auf das Ganze. Sein Bezugspunkt ist der Bearbeitungsgegenstand. Er prägt die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Verfahren.
  • Alle Verfahren der Streitbeilegung betten sich in das Kontinuum ein. Ihr Bezugspunkt ist die Herangehensweise. Die Sicht ist eher formalistisch, wobei die Verfahren nach der Zielsetzung, dem Verfahrenszweck, und der Expertenbeteiligung gegliedert werden.
  • In der Welt der Mediation kommen beide Bezugspunkte zusammen, wodurch es möglich wird, die Mediation in all ihren Erscheinungsformen systematisch zu erfassen.
  • Die Bausteine des Universums erschließen sich wie Atome und Moleküle aus den konstruktiven Elementen der Streitbeilegungsverfahren.

Die systemische Sicht kann alle Kriterien in sich vereinigen. Sie stellt den Charakter der Verfahren als das maßgebliche Unterscheidungskriterium heraus. Die Wesenhaftigkeit der Mediation erlaubt eine eindeutige Abgrenzung der Verfahren. Sie lässt Erkennen, welche Planeten (Elemente) dazu gehören und welche nicht. Sie gibt eine Orientierung bei Fragen, die in der Mediation oder anderen Verfahren auftauchen.

Das Kontinuum

Wenn wir uns der Welt der Mediation von außen nähern, betreten wir als Erstes ein Kontinuum, in dem sich alle Streitbeilegungsverfahren wiederfinden lassen. Das Kontinuum ist deshalb allen Verfahren übergeordnet. Es reflektiert die metaebene und erzeugt ein Spannungsfeld, indem es die vier Bearbeitungsebenen als Pole identifiziert. Die Ebenen bilden Gegensätze, bei denen sich Position und Interessen sowie Fakten und Emotionen gegenüberstehen.

Gericht


Im Idealfall kann sich ein Verfahren auf alle Ebenen dieses Kontinuums einlassen. Nur so ist eine vollständige Konfliktlösung möglich.

 Merke:

Der Konflikt bewegt sich durch alle Ebenen des Streitkontinuums, also sowohl auf der Sach-, der Emotions-, der Positions- und der Motivationsebene 1

Der Konflikt erwartet sowohl eine Auseinandersetzung mit den Positionen, den darauf beruhenden Fakten, mit den Emotionen und den Interessen. Angesprochen werden Dimensionen des Denkens. Zugegeben, mit der Einbeziehung der Ebenen des Kontinuums erweitert sich die Komplexität der Fallbearbeitung. Jede Bearbeitungsebene erwartet einen anderen Zugang und verändert die Problemlösung. Jede Ebene generiert dementsprechend andere Erkenntnisse. Um die Komplexität besser zu bewältigen, bildet die Praxis Bearbeitungsschwerpunkte heraus.

Auch die Mediation deckt nicht zwingend alle Ebenen des Kontinuums ab. Es steht zur Disposition der Parteien, wie sehr sie sich beispielsweise auf die Bearbeitung der Emotionen einlassen wollen. Allerdings bietet die Mediation alle Ebenen des Kontinuums zur Bearbeitung an.

Bearbeitungstiefe

Die Wahl des Bearbeitungsschwerpunktes ergibt die Alt-Bearbeitungstiefe. Werden Ebenen wie etwa im Gerichtsverfahren ausgeblendet, wird die Komplexität nicht bewältigt, sondern reduziert. Das Gerichtsverfahren reduziert die Komplexität auf Sachverhalte und Rechtsfolgen.

Zumindest theoretisch wäre es möglich, alle Ebenen des Kontinuums auch im Gerichtsverfahren zu bearbeiten. Die Methodik der Juristen, die Subsumtion, sieht diese Ebenen zwar nicht ausdrücklich vor. Sie schließt es sie aber auch nicht aus. Nirgends gibt es eine Vorschrift, die es dem zur Schlichtung verpflichteten Richter untersagt, den Nutzen des Verfahrens zu hinterfragen und die Parteien auf ihre emotionalen Befindlichkeiten anzusprechen.

Vielleicht ist die unausgesprochene Erlaubnis, Emotionen und Motive (Interessen) stets zu beachten der Grund, warum die Ebenenaufteilung des Kontinuums nicht als Kriterium für die Einteilung der Streitbeilegungsverfahren herangezogen wird. Spätestens bei der Systematisierung der Mediation wird dieser Aspekt jedoch wieder eine Rolle spielen4

Die anderen Welten

Der Blick auf das Universum findet eine Ordnung in der Systematik der Streitbeilegungsverfahren.
Jetzt geht es um formale Eckdaten. Sie sollen eine zuverlässige und verbindliche Abgrenzung der Verfahren ermöglichen. Die Art und Weise der Konfliktlösung steht im Mittelpunkt, nicht die im Kontinuum verankerte Bearbeitungstiefe. Es geht um eine Standortbestimmung innerhalb der Verfahren der Streitbeilegung, die sich an der Zielsetzung, am Verfahrenszweck, und an der sich daraus ergebenden Expertenbeteiligung orientiert.
Die Expertenbeteiligung bildet den Ausgangspunkt für die Einteilung der Verfahren. Ihre unterschiedlichen Grade ergeben drei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Verfahrenstypen: die nomadischen, die dyadischen und die triadischen Verfahren.

Weil die Mediation ein triadisches Verfahren mit der Beteiligung einer dritten Instanz (Person) ist, geht es im nächsten Schritt darum, die triadischen Verfahren aufzulisten und gegeneinander abzugrenzen.

Triadische Verfahren

Das Schema zur Verortung der triadischen Verfahren innerhalb der Streitbeilegungsverfahren sieht wie folgt aus:

Verfahren

Nomadische Verfahren
Keine weitere Person beteiligt. Der Betroffene macht den Konflikt mit sich selbst aus. Eine Beratungsinstanz kommt als „weitere, zweite Person“ hinzu Die triadischen Verfahren involvieren eine dritte Person als eine (weitere) Verfahrensinstanz
Dyadische Verfahren
Innerhalb der triadischen Verfahren bietet sich eine weitere Unterscheidung an, die sich am Verfahrenscharakter orientiert. Hier finden wir 3 unterschiedliche Kategorien, die sich an der Beteiligung des Dritten (neutrale Instanz ) orientieren.
Triadische Verfahren
Zu unterscheiden sind die Streitvermittlung und die Streitentscheidung.

triadisch


Es gibt sogenannte dritte Personen (Richterm Schlichter, Mediator) mit und ohne Einflussnahmemöglichkeit. Die jeweilige Rolle führt zu hinter den Verfahren verborgenen Kommunikationsmodellen. Die Unterscheidung ist wichtig und charakteristisch. Die Kommunikation der Parteien wird an der Rolle des Dritten und der sich daraus ergebenden Funktionalität bezogen.

{EXAMPLE()}Kommunikationsmodelle: Die Parteien werden gegenüber einem Entscheider versuchen ihn dahingehend zu manipulieren, dass er eine für sie günstige Entscheidung trifft. Bei einem Schlichter werden die Parteien versuchen, in dahingehend zu beeinflussen, dass er einen für sie günstigen Vorschlag unterbreitet. In der Mediation hat der Dritte keine Rolle, die es den Parteien erlaubt, sich in Sachfragen an ihn zu orientieren. Wenn der Richter Entscheider ist, werden die Parteien ihn versuchen zu manipulieren.{EXAMPLE}

Aus dieser Überlegung heraus sind drei markante Rollen zu unterscheiden: der Richter, der Schlichter und der Mediator.
Die unterschiedlichen Rollen führen zu einem unterschiedlichen Verhalten, das sich in markanten Kommunikationsmodellen manifestiert. Augenfällig ist die an der Entscheidungsbefugnis festzumachende und eindeutig zu identifizierende Unterscheidung zwischen der Streitentscheidung und der Streitvermittlung.

Verfahren

Streitentscheidung

Die Zielsetzung einer Streitentscheidung erwartet ein anderes Verhalten als die einer Streitvermittlung.
Das durch die Streitentscheidung ausgelöste Kommunikationsmodell legt es nahe, den Gegner am Gewinnen zu hindern (denn in der binären Logik des Nullsumenspiels bedeutet der Verlust des Einen den Gewinn des Anderen). Die Parteien werden versucht sein, den neutralen Dritten zu instrumentalisieren, damit er die für sie jeweils günstige Entscheidung trifft. Das Denken erfolgt in einem Nullsummenspiel. Nur Einer kann gewinnen. Der Gewinn erfolgt auf Kosten des Verlierers. Die Schiedsgerichtsbarkeit und das Gerichtsverfahren sind beides Verfahren der Streitentscheidung. Sie verfolgen die gleiche Strategie. Ihr Ziel ist die Herbeiführung einer Streitentscheidung. Die Entscheidung ist in beiden Verfahren faktenund rechtslagenorientiert. Ihr Unterschied ist lediglich der Rang und die Herkunft des Entscheiders. In einem Fall ist es eine Privatperson, die zum Schiedsrichter bestellt wird, im anderen Fall ist es ein gesetzlich bestellter Richter.

Streitvermittlung

Die Zielsetzung der Streitvermittlungsverfahren ist weniger homogen. Hier bedarf es deshalb einer weiteren Differenzierung, um die auf dieser Ebene miteinander konkurrierenden Verfahren der Schlichtung und der Mediation gegeneinander abgrenzen zu können.

Schlichtung
Das Ziel der Schlichtung ist die Vermittlung einer Lösung. Im Grunde ist das Verfahren ähnlich konzipiert wie ein streitentscheidendes Verfahren. Der Dritte hat jedoch weniger Macht, weil er in der Regel keine Durchsetzungskompetenz hat. Der Schlichter ist ein neutraler Dritter, der aktiv an der Lösungsfindung beteiligt ist. Er ist wie der Entscheider Teil des Streitsystems, das die Parteien zu ihren Gunsten beeinflussen werden. Die Schlichtung ist ebenfalls ein Nullsummenspiel, das Ergebnis meist ein Kompromiss.
Mediation
Ganz anders ist das Konzept und das daraus folgende Kommunikationsmodell der Mediation. Das Ziel ist es Verstehen zu vermitteln das die Parteien befähigt, selbst eine Lösung zu finden. Die Vereinbarung über die gefundene Lösung, also die Abschlussvereinbarung, ist genau betrachtet bereits die Umsetzung des Ziels. Anders als in den zuvor genannten Verfahren nimmt der neutrale Dritte (nach den Grundsätzen der integrierten Mediation) keinerlei bestimmenden Einfluss auf die Lösungsfindung (Grundsatz der Indetermination). Der Mediator positioniert sich außerhalb des Streitsystems. Das Spiel ist ein Nicht-Nullsummenspiel. Der Mediator ist nicht instrumentalisierbar.

Aus dieser Rolle leitet sich ein Kommunikationsmodell ab, das Streitanlässe aus dem Weg räumt. Es macht keinen strategischen Sinn, den Anderen schlecht zu reden oder am Gewinnen zu hindern, denn das „Spiel“ sieht keine Verlierer vor.

Abgrenzung der Streitvermittlungsverfahren

Theorie und Praxis fällt die Abgrenzung zwischen Mediation und Schlichtung schwer. Sie wird an Behauptungen festgemacht wie etwa die, der Mediator dürfe keine Vorschläge unterbreiten. Umgekehrt wird gefolgert, dass das Verfahren eine Mediation ist, wenn der Dritte Vorschläge unterbreitet.

{EXAMPLE()}Abgrenzung-Recht: Die gängige Abgrenzung zwischen der Mediation und der Schlichtung orientiert sich daran, ob der dritte Vorschläge unterbreitet oder nicht. Die Behauptung: „Das war keine Mediation, weil der Mediator Vorschläge gemacht hat!“ ist jedoch nicht belastbar, weil es zulässige und unschädliche Vorschläge gibt.{EXAMPLE}

Die Tätigkeit des Dritten kann kein Definitionsmerkmal sein, weil sich die Tätigkeit am Verfahren zu orientieren hat und nicht umgekehrt. Die Tätigkeit sollte sich aus dem Verfahren ergeben statt dieses zu definieren. Tätigkeiten können relativ sein. Dasselbe Verhalten kann unterschiedliche Ziele verfolgen, mithin auch unterschiedlichen Verfahren zugeordnet werden. Von der Mediation wissen wir, dass sich die Bedeutung des Verhaltens aus seiner Zweckbestimmung erhellt5 .
Eine konsistente Abgrenzung der Verfahren lässt sich auf den Verfahrenscharakter ein.

Die unterschiedliche Wesenhaftigkeit der Verfahren bedingt eine unterschiedliche Sicht- und Herangehensweise, die über den Verfahrenszweck unterscheidbar wird.

 Merke:

Der Zweck der Mediation ist eine Verstehensvermittlung aufgrund der die Parteien ihre Lösung finden können. Der Zweck der Schlichtung ist eine Lösungsvermittlung, der beide Parteien zustimmen1

Streitvermittlung


Bei der Mediation steht das wechselseitige Verstehen im Vordergrund. Der Fokus ist auf den Prozess gerichtet. Die Lösung steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Fokus ist auf das Ergebnis gerichtet. Mithin sind Tätigkeiten, die der (bloßen) Verstehensvermittlung dienen, stets solche der Mediation, während solche, die der Lösungsvermittlung dienen in den Bereich der Schlichtung fallen.

{EXAMPLE()}Vorschläge: Beispiel zur Prüfung der Frage, wann Vorschläge in der Mediation zulässig sind: Zweifellos erlaubt und sogar gefordert sind Vorschläge für das Verfahren. Das entspricht dem Auftrag des Mediators (die Mediation durchzuführen) und dem Stil zu vereinbaren statt anzuweisen. Schwieriger zu beantworten ist die Frage bei sachbezogenen Vorschlägen. Wie ist der Vorschlag einzuschätzen, wenn er eine verkappte Warnung darstellt, zu der der Mediator wiederum verpflichtet wäre: „Ich würde vorschlagen diese Vereinbarung nicht zu treffen, denn sie ist sittenwidrig!“. Hier wird der Hinweis als Vorschlag formuliert, ist also zulässig. Was wenn die Vorschläge zum besseren Verstehen beitragen oder in Phase vier lediglich dazu ermuntern soll, an Lösungen zu denken die nicht gerade nahe liegend sind. Der Mediator fügt ohne weitere Erläuterung selbst einen Lösungsvorschlag an: „Urlaub machen“. Wenn dieser Vorschlag keine Orientierung gibt aber inspiriert in eine andere Richtung zu denken, bestehen ebenfalls keine Bedenken, den Vorschlag zu unterbreiten. Solche Vorschläge würden die Mediation nicht infrage stellen. Sie ändern nicht das Kommunikationsmodell. {EXAMPLE}

Verfahrenswechsel

Soweit Sie sich in einem formellen Verfahren bewegen, ist ein Wechsel in dem Sinne, dass das eine Verfahren in ein anderes überführt wird, nicht bzw. nur eingeschränkt möglich. Ein unabgestimmter Wechsel (Mediator hat Mediation versprochen liefert aber eine Schlichtung ab) wäre ein Vertragsbruch. Vertraglich könnte eine Mediation in eine Schlichtung umgewandelt werden. Der Wechsel von einer Mediation in eine Moderation ist unproblematisch, wenn die Phase 3 erledigt ist oder sich erübrigt. Welche Verfahren in ein anderes überführt werden können ergibt die folgende
Aufstellung:

Verfahren Wechsel möglich?
Gericht → Mediation nur als Methode
Mediation → Schlichtung nur bei Vereinbarung
Mediation → Gericht nein
Mediation → Schiedsgericht ja siehe Med-Arb
Mediation → Moderation ja
Schlichtung → Mediation nur bei Vereinbarung
Mediation → Beratung Tätigkeitsverbot
Mediation → Coaching Tätigkeitsverbot

Unproblematisch ist es, wenn ein Verfahren ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht wird, um ein anderes zu ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist die gerichtsnahe Mediation.

Schnittmengen

Die Grenzen zwischen den Verfahren sind fließend. Es gibt Mischformen, wo Elemente der angrenzenden Verfahren vorkommen.

{EXAMPLE()}Schnittmengen: non-binding Arbitration; Med-Arb (Mediation wird beim Scheitern als Schiedsgerichtsverfahren fortgeführt){EXAMPLE}

Die Ausführungen zur Abgrenzung der Mediation von der Schlichtung haben ergeben, dass sich eine Grenzüberschreitung (ein Verfahrenswechsel) nicht ohne Weiteres an Formalien oder am Verhalten festmachen lässt. Als Abgrenzungskriterium wurde die Zweckausrichtung der Tätigkeit herausgestellt. Der Zweck kann aber nicht die Mittel heilen. Letztlich kommt es darauf an, ob das Verhalten dem zur Mediation passenden Kommunikationsmodell entspricht. Hier schließt sich der Kreis.

 Merke:
Das Kommunikationsmodell der Mediation ist Teil seiner Wesenhaftigkeit. Es darf deshalb nicht beeinträchtigt werden! 1

Das Kommunikationsmodell korrespondiert mit Eigenschaftsmerkmalen, die sich potentiell auf die Verfahren verteilen und Interpretationshilfen darstellen, wenn es darum geht, Tätigkeiten den Verfahren zuzuordnen.

 Merke:
Für die Abgrenzung der Verfahren entscheidet im Zweifel der den Verfahrenscharakter bildende Verfahrensschwerpunkt1

{EXAMPLE()}KR01-Wesen: Die Entscheidung bei der non-binding Arbitration steht zwar unter Vorbehalt. Das Entscheidungsrecht des Schiedsrichters ist also eingeschränkt und kommt einem Vorschlag nahe. Dennoch ist die non-binding Arbitration ein Schiedsgerichtsverfahren, weil der Weg zur Entscheidungsfindung dem Verfahren der Streitentscheidung
entspricht{EXAMPLE}

Wann ist ein Verfahren eine Mediation?

Wenn wir uns nicht nur an den formalen Eckdaten des § 1 MediationsG, sondern auch am Zweck des Verfahrens orientieren, um das Verfahren als Mediation zu qualifizieren, dann mögen folgende Kriterien dazu beitragen, das Verfahren korrekt zu benennen:

 Merke:
Es geht um die Suche nach einer Lösung auf der Basis der Verstehensvermittlung und mit dem Zweck der allseitigen Nutzenmaximierung, für die eine Regelung zu finden ist. Die Parteien sollen selbst die Lösung finden, ohne den Dritten bestimmend in den Prozess der Lösungsfindung einzubeziehen1

Daraus ergeben sich folgende Abgrenzungen:

  • Die Suche nach einer Lösung erwartet eine Kooperation mit offenem Ergebnis. D.h.: Wenn die Parteien konfrontieren bewegen sie sich aus der Mediation, ebenso wenn es ihnen darauf ankommt, ein bestimmtes Ergebnis durchzusetzen.
  • Wenn Verstehensvermittlung die Basis ist, steht das Verstehen im Mittelpunkt. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er Fragen übergeht, ungeklärte Punkte nicht erkennt, Bedeutungen nicht erhellt oder Einsichten verhindert.
  • Verstehensvermittlung setzt wechselseitiges Verstehen voraus. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er die neutrale Metaebene nicht mehr repräsentieren kann.
  • Mit der allseitigen Nutzenmaximierung wird die Bedeutung der Motive angesprochen. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er Motive nicht wahrnimmt, übergeht oder gar unterdrückt
  • Wenn es die Lösung ist, die zunächst zu finden ist, dann ist die Regelung dazu nicht mehr als die umsetzung der Lösung. Das Ziel ist der Nutzen. Die Lösung soll ihn ermöglichen. Die Regelung soll ihn sichern. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er die Abschlussvereinbarung in den Vordergrund stellt und statt des Nutzens zum Maßstab des Handelns macht.
  • Wenn die Parteien selbst die Lösung finden sollen, wird vom Mediator Zurückhaltung erwartet. Die Parteien müssen nachdenken, nicht er. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er in den Köpfen der Medianden und für sie denkt.
  • Entscheidend für die Verwirklichung des Kommunikationsmodells hinter der Mediation ist die Ausgestaltung einer Rolle, in der der Mediator von den Medianden nicht bestimmend in den Prozess der Lösungsfindung einbezogen wird. Es genügt nicht, dass der Mediator lediglich keine Entscheidungsbefugnis hat. Das trifft auf den Schlichter in gleicher Weise zu. Auch wäre es prozesswidrig, dem Mediator jegliche Meinungsäußerung zu verbieten. Dem Zweck folgend kommt es darauf an, ob das Verhalten einerseits Verantwortung abnimmt und andererseits zum Orientierungspunkt wird. D.h.: Der Mediator bewegt sich aus der Mediation, wenn er für die Parteien entscheidet oder wenn er Bewertungen vorgibt.

Geeignetheit der Mediation

Die Geeignetheit umschreibt sowohl die Statthaftigkeit wie die Zulässigkeit der Mediation. Die integrierte Mediation unterscheidet zwischen der objektiven Geeignetheit, der Zulässigkeit und der subjektiven Geeignetheit.
Die objektive Geeignetheit betrifft die Auswahl des Verfahrens und ist deshalb hier anzusprechen. Die Mediation ist immer dann das geeignete Verfahren, wo es um die Suche nach einer Lösung im Konflikt geht, mit der beide (alle) Seiten gut zurecht kommen. Mithin gibt es zwei Verfahrensvoraussetzungen:

  • Es muss sich um einen Konflikt handeln
  • Die Suche nach einer (anderen) Lösung muss opportun sein

Die präszise Unterscheidung differenziert zwischen der objektiven, der subjektiv-parteilichen und der subjektiv-mediatorischen Geeignetheit. Deteils dazu finden Sie im Beitrag Geeignetheit, falls Sie sich jetzt schon darüber schlau machen wollen.

Abgrenzung zu anderen Verfahren

Der Abgrenzungsbedarf ergibt sich aus der Übersicht zur Abgrenzung der Mediation gegenüber anderen Verfahren und Vorgängen.

Verfahren Gegenstand Einordnung
Schlichtung Lösungsvermittlung triadisch
Rechtsberatung Faktenerforschung dyadisch
Therapie Ursachenforschung dyadisch
Schiedsgericht Streitentscheidung triadisch
Gericht Streitentscheidung triadisch
Moderation Gesprächsführung triadisch
Mediation Verstehensvermittlung triadisch

Die Welt der Mediation

Welten
Unser Blick wandert von den Welten der Streitbeilegungsverfahren zur Welt der Mediation. Der Fokus erstreckt sich auf den Variantenreichtum der Mediation. Schauen Sie sich einmal an, welche und wieviele Mediationen es gibt. Sie finden eine Übersicht im Mediationverzeichnis. Der Blick wendet sich von den Varfahren ab und richtet sich nach innen auf die Mediation. Wenn Sie sich näher mit der Mediation befassen, werden Sie schnell bemerken:

 Merke:

Mediation ist nicht gleich Mediation1

Der Begriff wird inflationär gebraucht. Wieder droht die Beliebigkeit. Sie verleitet dazu, Eigenschaften der Verfahren zu ignorieren. Der Trend lässt sich nur mit einer differenzierenden Sicht korrigieren, in der alle Varianten der Mediation ein zu Hause finden. Warum die Unterscheidung der Mediation so wichtig ist, ergibt die folgende wahre Geschichte:

{EXAMPLE()}Vorausmediation: Es soll sich zugetragen haben, dass ein von der Mediation überzeugter Anwalt seinem Mandanten eine Mediation nahegelegt hat, die dieser mit dem Hinweis ablehnte, es habe schon so eine Mediation am Telefon statt gefunden. Die sei gescheitert. Mediation mache keinen Sinn!“. Eine transformative Mediation würde durchaus Sinn machen und wäre auch erfolgversprechend. Ohne eine Differenzierung bleiben diese Unterschiede dem Konsumenten, wie leider auch vielen Anbietern, jedoch verschlossen.{EXAMPLE}

Die Systematische Einteilung der Mediation

Innerhalb der Mediation sind folgende Einteilungen sinnvoll, um die verschiedenen Arten und Herangehensweeisen unter einen Hut zu bekommen. Die Mediationssystematik lässt sich grafisch wie folgt abbilden:

Mediationssystematik


Um sich in der Welt der Mediation orientieren zu können, bedarf es auch hier einer Systematik. Nur in einer konsitenten Struktur lassen sich die Unterschiede herausarbeiten. Nur so können die Kompetenzen der Mediation und ihre unterschiedlichen Wirkungsgrade korrekt abgebildet werden. Bei dem Versuch einer Typologisierung fallen folgende Parameter ins Gewicht:

  • Mediationskonzept: ergibt den äußeren zur Verfügung stehenden Rahmen,
  • Mediationsmodell: das anzuwendende Modell (Mediationsart),
  • Mediationsform: die zu wählende Form,
  • Mediationsfeld: Anwendungsfelder (Fachmediationen) und
  • Mediationsstil:der individuelle Stil.

Mediationskonzept

Das Mediationskonzept betrifft das Mediationsverständnis. Auch das kann variieren. Wegen seiner grundlegenden Bedeutung ist auch von der Mediationsbasis die Rede.

Das zugrundlegende Konzept erschließt den Handlungsspielraum. Aus ihm resultiert die Mediationsbasis, die wiederum den Handlungsspielraum festlegt. Die grundsätzliche Unterscheidung weist die formelle und die substantielle Mediation als Gegensätze aus. Innerhalb der formellen Mediation ist die Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes von der sogenannten reinen Mediation im Übrigen zu unterscheiden.

Die Unterscheidung zwischen formeller und die substantieller Mediation ist geboten, weil die Mediation ganz unterschiedliche Einsatzbedingungen kennt, die ihr dementsprechend unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen abverlangen. Auch die Sichten auf die Mediation variieren abhängig von der Basis und bringen unterschiedliche Stile hervor. Eine mechanistische Sicht beispielsweise wird die Formalien herausstellen, eine systemische Sicht die Interaktionen. Die formale Sicht orientiert sich stets am Verfahren, die systemische am Vorgang. Dementsprechend lässt sich ein Bogen spannen, der sich von der Mediation als Verfahren über die Methode bis hin zum Konzept erstreckt.

Bedeutung:

Eigentlich soll die Mediation ein informelles und flexibles Verfahren sein. Jede Reglementierung kollidiert mit diesem Anspruch. Dennoch sind Regeln notwendig, damit sich die Verfahren sowohl technisch wie auch rechtlich voneinander abgrenzen und konform bewältigen lassen. In der Praxis bewegt sich die Mediation in dem Spannungsfeld zwischen reglementiertem und faktischen Verhalten. Die Unterscheidung zwischen der formellen und der substantiellen Mediation trägt diesem Umstand Rechnung.

Formelle Mediation (Mediation als Verfahren):

Bei der formellen Mediation bildet die Mediation das Verfahren (den Container), in dem die Mediation auch methodisch abgewickelt wird. Je näher die Mediation an den Bereich der Justz herantritt, desto formaler und verbindlicher werden die Verfahrensregeln. Mit dem Begriff der formellen Mediation wird das förmlich abzugrenzende, isoliert durchgeführte Verfahren beschrieben, bei dem ein nicht entscheidungsbefugter neutraler Dritter die Mediation in einem durch Vertraulichkeit geschützten Gesprächsrahmen durchführt.
§ 1 MediationsG beschreibt die formelle Mediation. Allerdings erhebt das Gesetz einen Absolutheitsanspruch, der ihm nicht zukommt. §1 Mediationsgesetz reguliert die Anwendung des Gesetzes, in dem es die Mediation ohne Einschränkung definiert. Übersehen wird, dass die Definition auch auf Fälle zutrifft, die durchaus eine Mediation darstellen, aber nicht unter die Anwendung des Mediationsgesetzes fallen.

{EXAMPLE()}Formelle Mediation: Beispiele für eine formelle Mediation, auf die das Mediationsgesetz nicht anwenbar ist, sind: die Schulmediation; so genannte nichtvertragsbasierte Mediationen; Güterichter{EXAMPLE}

Konsequent wird die formelle Mediation unterteilt in die Mediationen, die zur Anwendung des Mediationsgesetzes führen und den Mediationen i.ü.
Beide Varianten entsprechen der Definition des Mediationsgesetzes. Das Gesetz ist aber dennoch nur auf die Mediationen i.S.d. Gesetzes anzuwenden. Das Gesetz kann dennoch zur Unterscheidung herangezogen werden, weil die Vorschrift um sogenannte ungeschriebene Tatbestandsmerkmale wie das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens (Haftungsbereitschaft) und eine (nicht näher spezifizierten) Ausbildung zu erweitern ist.

Materielle Mediation (Mediation als Methode)

Mit der Abgrenzung zwischen der Mediation als Verfahren (§ 1 MediationsG) und der Mediation als Methode (zB § 278 Abs. 5 ZPO) hat der Gesetzgeber unbewusst einen Fingerzeig auf eine Mediation gerichtet, die nicht einmal mehr als Verfahren bezeichnet werden kann; allenfalls als der Teil eines Verfahrens, nämlich dem Zivilprozess. Hier soll die Mediation nach dem Willen des Gesetzgebers methodisch angewendet werden.
Die integrierte Mediation geht noch weiter. Sie weiß die Mediation als Verfahrenskonzept einzubinden bis hin zu einer virtuellen Mediation. Die bekanntesten Ausprägungen im Bereich der substantiellen Mediation sind:

  • kooperative Praxis
  • Güterichter
  • virtuelle Mediation (als ein Anwendungsfall der integrierten Mediation)

Der Blick auf die substantielle Seite der Mediation macht die Mediation zu einem universellen Tool, das mit einer anderen Sicht auf die Verfahren einen flexibleren und erweiterten Aktionsradius bekommt.

Der Kognitionsprozess

Möglich wird diese Herangehensweise, indem die Mediation auf verschiedene Verfahrensbegriffe zugreift. Ihr interdisziplinärer Ansatz erlaubt es, die Mediation nicht nur als ein Verfahren im juristischen, sondern auch als ein Verfahren im psychologischen Sinne zu verstehen. Im psychologischen Verständnis, das die integrierte Mediation aufgenommen hat, beschreibt die Mediation einen Kognitionsprozess, also einen gedanklichen, auf parteiseitigen Erkenntnissen beruhenden Prozess, um zu dem Ziel, der Lösungsfindung zu gelangen. Für die Beschreibung der Systematik genügt die Feststellung, dass die mit der Mediation beschriebenen Vorgänge auf unterschiedliche Verfahren bezogen sein können5.

Verfahren als Container

Wenn man sich von dem Begriff eines starr abgegrenzten Verfahrens löst und die Mediation als einen Vorgang beschreibt (der bestimmte Anforderungen erfüllen muss, damit er funktioniert), dann mag die Vorstellung leichter fallen, dass sich dieser Vorgang durchaus auch unter anderen Bedingungen und einem anderen (rechtlichen) Rahmen herstellen lässt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die (rechtlichen) Bedingungen und die Handlungsoptionen stets durch das gewählte Verfahren gesetzt werden, das dadurch zur Mediationsbasis wird.

 Merke:
Die Entscheidung für das Verfahren ergibt den rechtlichen Rahmen1

Mit dem Mediationsförderungsgesetz hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen Verfahren und Methode festgeschrieben. Eigentlich werden die Begriffe synonym gebraucht. Das ist auch der Grund, warum das Güterichterverfahren weiterhin als Mediation bezeichnet wird. Durch das Gesetz hat sich eine Abstufung ergeben, die das Verfahren über die Methode stellt.

{EXAMPLE()}Güterichter: Der Güterichter unterliegt der ZPO, die das Verfahrensrecht vorgibt, wendet innerhalb des Zivilverfahrens jedoch die Methode der Mediation an. Die Verfahrensregeln ergeben sich weiterhin aus der ZPO, da dieses Verfahren den Rahmen bildet{EXAMPLE}

Wenn das Verfahren (die Mediation) als Vorgang (also als Verfahren im psychologischen Verständnis) begriffen wird, kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der Vorgang auch in einem anderen Verfahren verwirklicht werden kann. Die Einrichtung des Güterichters, der die Methode innerhalb eines anderen Verfahrens anwendet, ist nur ein Beispiel. Die integrierte Mediation erklärt den Zusammenhang zwischen Verfahren und Vorgang mit der Containertheorie. Danach sind die Verfahren nicht mehr als Container. Sie sind wie Behälter zu verstehen, die je nach Beschaffenheit, miteinander zu kombinieren, zu verschachteln und zu verbinden sind6. Wenn die Behälter groß genug sind (also Raum für andere Vorgänge geben), können sie auch in andere Verfahren integriert werden.
Verfahren, Methoden und Techniken
Für die systematische Aufbereitung der Mediation ist es hilfreich Verfahren, Methoden und Techniken gegeneinander abzugrenzen. Auch hier kommt es zu Interaktionen, die der Mediator aufeinander abzustimmen hat.

{EXAMPLE()}Verwendung:Schon Sunzi sagte, dass man den Feind genau kennen muss, wenn man ihn besiegen will. Ist das jetzt die Einladung zum aktiven zuhören?{EXAMPLE}

Dieselbe Technik kann unterschiedlichen Zwecken dienen. Damit sie einen mit der Mediation kompatiblen Zweck verfolgt, muss sie mit einer Methode übereinstimmen, die zur Mediation deckungsgleich ist. Mithin ergeben sich folgende Interdependenzen:

  1. die Technik orientiert sich an der Methode
  2. die Methode orientiert sich am Verfahren
  3. das Verfahren orientiert sich an den Vorgaben

Der Mediator hat bei jeder Intervention zu prüfen, ob sich Technik, Methode und Verfahren entsprechen. Die Interdependenz zwischen Technik, Methode und Verfahren wird in der Toolbox „Werkzeugkoffer“ im Detail nachgewiesen.

Modelle (Arten)

Modelle sind Mediationsarten, also typologisch zu unterscheidende Umgehensweisen mit der Mediation.
Die Zuordnung und Eingliederung der Mediationsmodelle in die Mediationslandschaft erwartet folgende Kategorieiserungen:

  1. sondierende Mediation
  2. evaluative Mediation
  3. facilitative Mediation
  4. transformative Mediation
  5. integrierte Mediation

International ist von „mediation styles“ die Rede, was mit „Arten“ zu übersetzen wäre. Die Regierung hat den Begriff der Mediationsarten für die Fachmediationen verwendet, sodass die zur Typologisierung geeignete Abgrenzung in einer begrifflichen Eindeutigkeit mit „Modellen“ bezeichnet wird. Gemeint sind die Mediationsarten. Weil die Mediationsmodelle in allen Mediationsbasen denkbar sind, erweitert sich die Systematik im Bezug auf das Kontinuum der Streitbeilegungsverfahren wie folgt:


Die richtige, am Leistungsvermögen der Mediation ausgerichtete Antwort lautet: überall. Tatsächlich kann sich die Mediation auf allen Ebenen des Kontinuums bewegen. Sie verdankt diese Kompetenz ihrem interdisziplinären Charakter. Trotz dieser Allkompetenz setzt die Praxis Bearbeitungsschwerpunkte. Der Grund mag in dem Ursprungsberuf gefunden werden (Juristen beispielsweise sind es gewohnt in Positionen und Fakten zu denken) aber auch in Kostenfragen oder in der Frage der Belastbarkeit der Parteien.

Folgende, an Bearbeitungstiefe und -schwerpunkt ausgerichteten Mediationsmodelle sind zu unterscheiden:

Sondierende Mediation
Eigentlich eine Moderation. Das Verfahren bewegt sich auf dem Niveau eines Sondierungsgespräches
Evaluative Mediation
Positionenbasierte Mediation. Die Vermittlung hat das Rechtsverständnis im Blick. Sie zielt deshalb eher auf einen Kompromiss. Das evaluative Element bezieht sich auf die rechtliche Bewertung, die aktiv in die Mediation eingebracht wird.
Facilitative Mediation
Fakten- und Interessenbasierte Mediation. Die facilitative Mediation lässt sich auf die Interessen (Motive) ein, geht aber nicht unbedingt tiefer. Das Verfahren ist deshalb überwiegend faktenlastig.
Transformative Mediation
Bedürfnisorientierte Mediation. Diese Mediation möchtse Sichten und Beziehungen korrigieren können. Sie geht dementsprechend tief auf die emotionale Ebene ein und will Bedürfnisse aufdecken.
Integrierte Mediation
Kombination von Modellen und Formen, wobei auch Ressorcen außerhalb der Verfahren eingebunden werden.

Anwendungsweise

Weil das gewählte Modell über den Bearbeitungsschwerpunkt und die Bearbeitungstiefe entscheidet muss der Mediator dieses Thema spätestens bei der Kostenfrage oder der Terminplanung ansprechen. Die folgenden Beispiele belegen den Grund:

{EXAMPLE()}Anwalt: Beispiel 1: Der Anwalt empfiehlt seiner Mandantschaft eine Mediation. Der Mandant lehnt ab mit der begründung, es habe schon eine gescheiterte Mediation gegeben. Gescheitert war ein Gespräch, das als telefonoder Shuttlemediation angepriesen wurde. Weil die Mediation nicht als die sondierende Mediation ausgewiesen wurde, fehlt die Vorstellung, dass die transformative Mediation trotzdem noch erfolgreich ist{EXAMPLE}

{EXAMPLE()}Kostenlast: Beispiel 2: Die Partei fragt: „Was kostet das?“. Der Mediator antwortet: „Meine Leistungen werden nach Zeitaufwand abgerechnet. Wie lange die Mediation dauert hängt von den Themen und der gewünschten Bearbeitungstiefe ab. Bei einem Beziehungskonflikt bietet sich eine transformative Mediation an. Sie dauert aber länger, geht dafür aber in die Tiefe und kann sogar Beziehungen restaurieren. ... Wofür möchten Sie sich entscheiden?...“{EXAMPLE}

Modellwechsel

Während der Wechsel von der Schlichtung zu Mediation eine Vertragsänderung erfordert, ist der Wechsel der Mediationsmodelle unauffälliger. Es ist also nicht nur möglich, sondern manchmal auch angezeigt, dass der Mediator das Modell wechselt.
Die der integrierten Mediation nahestehende eclectic oder blended Mediation erkennt ebenfalls den Bedarf, die Modelle dem Verfahren anzupassen.
Fachlich korrekt erfolgt ein Modellwechsel, indem der Mediator seine Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit mit den Parteien erörtert und darauf hinweist, dass sich abhängig vom nunmehr gewählten Modell der Lösungsrahmen und die Ergebnistiefe (und damit die Nachhaltigkeit der gefundenen Lösung) verändert.

{EXAMPLE()}Trennung: Eine Ehepaar trennt sich. Zugleich sind die Eheleute Gesellschafter eines Familienbetriebes. Die beste Lösung wäre, die Eheleute könnten die Gesellschafterbeziehung aufrecht erhalten neben der Trennung. Der Mediator versucht zunächst im Einvernehmen mit den Parteien eine transformative Mediation. Nach einer Zeit wird sie den Parteien zu anstrengend. Sie können die gleichzeitige Anwesenheit in einem raum kaum ertragen. Im Einvernehmen mit den Parteien hat der Mediator dann die Mediation als evaluative Mediation fortgesetzt so dass sich die Lösung als Kompromiss im rechtlichen Entscheidungsrahmen herstellen konnte.{EXAMPLE}

Formen

Während die Mediationsmodelle Aufschluss über die Bearbeitungstiefe geben, beschreiben die Formen das Zustandekommen oder die formelle Ausgestaltung der Mediation. Die Formen können in nahezu allen Containern und Modellen vorkommen.
Formate stellen Typisierungen dar, die dem Mediator bei Einzelfragen helfen, die Mediation korrekt auszugestalten.

{EXAMPLE()}Mediationsformen: Shuttle- oder Pendelmediation. Sie ist zulässig, allerdings besonderen Regeln unterworfen. Die Vorschriften über Einzelgespräche in der Mediation kommen zur Anwendung. Co-, Team-Mediation, ... usw.{EXAMPLE}

Übersicht Mediationsformate
Bandbreite Erläuterungen
formell → ← substantiell Die Zuordnung soll nur den Formalisierungsgrad andeuten
Klassisch, rein Isolierter Vorgang mit einem nicht entscheidungsbefugten Dritten
Gesetzlich i.S.d. MediationsG
Forensisch über Fälle, die vor Gericht ausgetragen werden können.
Einzel-Mediation
Co-Mediation
Team-Mediation
Peermedsiation
Gerichtsmediation Mediation mit Gerichtsbeteiligung
gerichtsnah Gericht verweist in eine externe Mediation beim freien Anbieter
gerichtsintern (Güterichter) Methoden der Mediation werden in einem dafür ausgegrenzten Teil des Gerichtsverfahrens angewendet.
gerichtsintegriert Das Ausgangsverfahren wird durch Addition mediativer Methoden und durch Einbeziehung der functional Units bis zu einer substantiellen Mediation entwickelt
verfahrensintegriert dto
TOA TäterOpferAusgleich.
Restorative Justice ADR im Strafrecht mit dem Fokus der Wiederherstellung.
Donatormediation Von einem Sponsor (Dritten) gestiftete Mediation
Mandatory Verpflichtete Mediation
Ad-hoc Abgrenzung zur institutionalisierten Mediation
Institutionalisierte Es gibt Vorgaben, Mediationsordnungen und verbindliche Standards
Pendelmediation die Parteien sitzen in getrennten Räumen, es werden getrennte Gespräche geführt.
Telefonische Shuttle Pendelmediation am Telefon
Telefonmediation Mediation am Telefon (nur akustisch)
Online Mediation Mediengestützte Mediation (zB videochat)
Mobile Mediation Mediengestützte Mediation auf einem Handy
Kurzmediation Zeitlich limitierte Mediation
praktisch Private Mediation

Felder

Mit den Feldern werden die Anwendungsbereiche und Fachmediationen bezeichnet.
Das Feld bezeichnet das Anwendungsgebiet und deutet die Fachmediation an. Weil Konflikte fachunabhängig auftreten, sind die Fachmediationen nicht unbedingt ein Hinweis darauf, dass der Mediator wirklich mit den auslösenden Konflikten umgehen kann. Deshalb zielt die Ausbildung der integrierten Mediation stets auf einen Generalmediator ab und bevorzugt es, statt von einer Fachmediation von der Mediation im Anwendungsfeld XY zu sprechen.

Zu unterscheiden sind:

  • Mediation im Umfeld Familie (Familienmediation) Mediation in Familienangelegenheiten. Hier kommen Sach-, Beziehungsund Wertekonflikte zum Tragen.
  • Rechtsnachfolge: Mediation über Nachlassund Firmenübernahmesachen.
  • Forensisch

Die Sicht auf die Anwendungsfelder der Mediation belegt die Größe des Angebotes und zeigt vor allem, dass nicht jede Mediation einem Gerichtsverfahren entsprechen muss. Die Frage z.B. ob man sich scheiden lassen soll oder nicht ist hervorragend gut in einer transformativen Mediation unterzubringen. Die Antwort würde sich jedoch niemals im Gericht finden lassen. Ähnliches gilt für innerbetriebliche Mediationen, wo es um die Verbesserung des Miteainanders oder der unfreundlich geratenen Konkurrenz von zwei Abteilungen geht. Auch diese Fälle würden (zumindest nicht mit der Themenstellung) niemals bei Gericht landen. Die forensische Mediation meint Mediationen über Fälle, die alternativ bei Gericht landen könnten, wenn sie dort nicht schon anhängig sind.

  • Finanz / Kredit
  • Öff. Bereich
  • Bau
  • Nachbarschaft
  • Schulmediation: Mediation von Schülern für Schüler im Minderjährigenbereich. Die Mediation wird förmlich durchgeführt unterliegt aber nicht dem MediationsG.
  • Umwelt
  • Wirtschaft: Hier ist Vorsicht angesagt, denn es ist nicht klar welche Kompetenzen damit im Einzelfall umschrieben sind. Korrekt und vollständig umfasst der Bereich Wirtschaft vier Sektionen: Den Bereich B2C (Business to Consumer); B2B (Business to Business); innerbetriebliche Konflikte; Firmenübernahmen und -nachfolgen.
  • Verbraucher: Verbraucher sollen auch in den Genuss der Mediation kommen, auch wenn die Interessen dort eher zu vernachlässigen sind und eine Moderation oder noch besser eine moderierte Beratung ausreichen würde.

Stil(e)

Der Stil beschreibt die individuelle Herangehensweise. Auch der Stil prägt die Mediation, verwirklicht sich in ihm doch die Art des Denkens und miteinander Umgehens. Zu unterscheiden sind:

  • Narrativ: Die narrative Mediation ist eine Form der transformativen Mediation. Sie ist stark kontextund geschichtenorientiert.
  • Perspektiven-Refl.
  • Scrivener
  • Aktiv
  • Direktiv: macht Vorgaben
  • Ergebnisorientiert: Hat hauptsächlich die Erfolgsstatistik im Blick.
  • Führend
  • Stoisch: Das ist der zur integrierten Mediation passende Stil.
  • Muscle

Mediation im Einklang

Wenn man sich die Mediation wie ein Puzzle vorstellt, ist es die Aufgabe des Mediators, die Puzzlesteine zu erkennen und zu sortieren, damit sie sich zu einem Bild zusammenzufügen, in dem sich die Mediation wiederfindet.

{EXAMPLE()}Konsequenz: Es wirkt wie ein double bind (zweideutige Kommunikation), wenn der Mediator von den Parteien Fairenss verlangt, sich selbst aber unfair verhält; wenn er gleiche Augenhöhe verspricht, aber allzu direktiv eingreift und sich wie ein Vorgesetzter oder ein Richter aufführt.{EXAMPLE}

 Merke:

Es ist wohl eine der größten Herausforderung in der Mediation, ein stimmiges Bild abzuliefern1

Das Bild das der Mediator herzustellen hat, ist das Bild der Mediation, nicht das Bild für die Lösung!
Wie er das macht hängt wesentlich von seinem Verständnis von der Mediation ab und von der Rolle, die er sich als Mediator zuschreibt. Mithin spielt die Haltung eine entscheidende Rolle. Sie wird in der Toolbox „Haltung“ besprochen.

Der Mikrokosmos

Um die Systematik zu vervollständigen, erlauben wir uns einen ersten Blick in das Innere der Mediation. Wir kommen dabei wieder auf das Universum zurück, in dem neben Welten auch Elemente aufgeführt waren. Es sind, wenn man so will, die Bausteine des Universums mithin auch die der Mediation.

Kontinuum - Gesellschaft


Die Grafik zeigt die Mediation als ein System, das mit anderen Systemen, der Umwelt und Elementen interagiert und sich dadurch verändert. Auch der Konflikt kann als ein System verstanden werden. Um dieser Komplexität zu entgehen, neigen besonders Anfänger dazu, den Prozess als eine monochrone und eher monokausale Abfolge von Schritten innerhalb eines Vorganges zu sehen. Sie retten sich gerne in das Gerüst, dessen Formelhaftigkeit zumindest eine scheinbare Sicherheit vermittelt und wenigstens das Vorhandensein eines Ablaufplans suggeriert. Mit zunehmender Erfahrung erkennt der Mediator die Grenzen dieser Mechanik. Er begreift, dass sie nicht unbedingt gleich zu setzen ist mit den Grenzen der Mediation. Um die Mediation voll ausschöpfen zu können, kommt es darauf an, dass sich der Mediator in den Limitierungen nicht verfängt.

{EXAMPLE()}Verhalten: Den Parteien werden alle Belehrungen und Gesprächsregeln aufgezwungen, auch wenn der Konflikt dies nicht erfordert. Das Beleidigungsverund das Fairnesgebot müssen nicht in einem Gespräch vorgegeben werden, das auf dem Niveau einer Moderation geführt werden kann. {EXAMPLE}
{EXAMPLE()}Verhalten: Der Supervident erklärt sich: „Ich darf mich doch nicht nach den Bedürfnissen erkundigen, wenn wir noch in Phase zwei sind!“ {EXAMPLE}

Eine systemische Sicht kann sich besser auf die Dynamik des Verfahrens einlassen. Sie geht von vielschichtigen Einflüssen aus und davon, dass Elemente untereinander und mit Systemen interagieren, so dass Interaktionen steuerbar werden.

 Merke:

Mediation ist ein Verfahren, das Interaktionen beschreibt und steuert 1

Die systemisch interagierenden Bausteine sind:

  • Die Umwelt (übergeordnetes System z.B. die Gesellschaft)
  • Die Mediation als Streitsystem
  • Andere konkurrierende und kooperierende Systeme
  • Die Elemente des jeweiligen Systems

Der Blick auf den Mikrokosmos lenkt den Fokus auf die Bausteine.

Die konstruktiven Elemente der Mediation

Um ein System zu begreifen, müssen seine Elemente bekannt sein. Die Mediation ist ein kognitives Verfahren. Deshalb sind folgende Elemente vorzuhalten, damit der Prozess erfolgreich abgewickelt werden kann.

  • Eigenschaften: Die Wesensmerkmale sind von den Ausführungsbedingungen zu unterscheiden.
  • Prinzipien: Prinzipien sollen die korrekte Durchführung der Mediation sicherstellen. Die Prinzipien sind an den Eigenschaften zu messen und insoweit dispositiv. Die wichtigsten Prinzipien sind: Freiwilligkeit, Vertraulichkeit, (Ergebnis-)offenheit, Eigenverantwortlichkeit, Neutralität / Allparteilichkeit, Indetermination
  • Strategie: Das Ziel ist die SUCHE nach einer Lösung. Mediation ist ein „Suchspiel“, das auf Kooperation angewiesen ist.
  • Methoden: Oft wird die Mediation mit „der Methode der Mediation“ gleichgesetzt. Mit dem MediationsG wurde eine Unterscheidung zwischen Methode und Verfahren eingeführt. Diese Unterscheidung begünstigt die Sicht auf das Zusammenspiel mehrerer Methoden, die in der Mediation zum Tragen kommen.
  • Techniken: Techniken sind die Werkzeuge, mit denen die Methoden umgesetzt werden. Techniken sind an Methoden auszurichten.
  • Container: Container beschreiben den Rahmen, in dem die Mediation durchgeführt wird. Der Rahmen wird durch das Verfahren vorgegeben.
  • Setting: Das Setting beschreibt die äußeren Bedingungen, unter denen die Media-tion durchzuführen ist.

Functional Units

Die Konzentration auf einen Prozess führt mehr oder weniger gewollt und mitunter zwangsläufig zur Fokussierung des Denkens. Der Kontext gerät dann gerne aus dem Blickfeld. Die Mediation stellt für sich gesehen eine Metaebene dar, die einen erweiterten Blick erlaubt. Damit sich dieser Blick nicht aus dem Kontext löst, steht der Konflikt im Mittelpunkt des Denkens. Weil der Konflikt weder auf Disziplinen, noch auf Verfahren Rücksicht nimmt, sollte die Mediation auch für sich selbst eine Metaebene bilden. Sie erlaubt den wertfreien Blick auf Alles: auf den Prozess, der in eine Umwelt eingebettet ist und Möglichkeiten anbietet, einen Konflikt zu lösen und auf die zu lösenden Sachfragen. Das gut zur Mediation passende Motto lautet:

 Merke:
Don‘t fit the fuss to the form, fit the form to the fuss 1

Es kommt nicht darauf an, ein Verfahren um jeden Preis zu verwirklichen, sondern darauf, den Konflikt beizulegen.
Ein Denken in der Mediation erfordert es deshalb auch außerhalb der Mediation zu denken, sie selbst in Frage zu stellen und zu überlegen, wie sich das Kontinuum der Streitbeilegung den Parteien erschließt. Auch wenn die Mediation in gewisser Weise eine Allkompetenz besitzt, ist sie eine unvollständige Dienstleistung, die sich in der Welt der Streitbeilegungsverfahren behaupten will.

Die Mediation ist ein kognitives Verfahren, das den Parteien hilft, selbst eine Lösung zu finden. Die Suche nach einer Lösung ist Gedankenarbeit. Sie basiert auf Erkenntnissen. Am Anfang steht die Erkenntnis, dass es eines allparteilichen Erkenntnisgewinns bedarf, um eine nachhaltige, von bei-­‐ den Seiten gewünschte Lösung zu finden. Die Mediation stellt selbst diesen Erkenntnisprozess her, weshalb es fast paradox ist, von den Parteien eine Entscheidung für die Mediation zu erwarten, die vor der Mediation liegt. Die integrierte Mediation bevorzugt eine systemische Sicht. Sie erkennt die Bausteine des Kognitionsprozesses, also die Elemente, die notwendig sind, damit der Prozess er-­‐ folgreich durchgeführt werden kann.

Eigenschaften
Die Wesensmerkmale sind von den Ausführungsbedingungen zu unterscheiden. Die Definition in § 1 MediationsG vermischt Eigenschaftsmerkmale mit Prinzipien.
Prinzipien
Prinzipien sollen die korrekte Durchführung der Mediation sicherstellen. Die Prinzipien sind an den Eigenschaften zu messen und insoweit dispositiv. Die wichtigsten Prinzipien sind: Freiwilligkeit, Vertraulichkeit, (Er-­‐ gebnis-­‐)offenheit, Eigenverantwortlichkeit, Neutralität / Allparteilichkeit, Indetermination
Strategie
Ziel ist die SUCHE nach einer Lösung. Die Vereinbarung darüber ist be-­‐ reits die Umsetzung! Mediation ist ein „Suchspiel“, das auf Kooperation angewiesen ist.
Methoden
Oft wird die Mediation mit „der Methode der Mediation“ gleichgesetzt. Mit dem MediationsG wurde eine Unterscheidung zwischen Methode und Verfahren eingeführt. Diese Unterscheidung begünstigt die Sicht auf das Zusammenspiel mehrerer Methoden, die in der Mediation zum Tragen kommen.
Techniken
Techniken sind die Werkzeuge, mit denen die Methoden umgesetzt werden. Techniken sind an den Methoden auszurichten.
Container
Container beschreiben den Rahmen, in dem die Mediation durchgeführt wird. Der Rahmen wird durch das verfahren vorgegeben.
Setting
Das Setting beschreibt die äußeren Bedingungen, unter denen die Mediation durchzuführen ist.


Isoliert betrachtet, sind die Elemente wirkungslos. Es macht wenig Sinn, irgendwelche Techniken anzuwenden, wenn diese nicht an einer Methode ausgerichtet werden. Es macht auch wenig Sinn, Methoden anzuwenden, wenn diese nicht in den vorgegebenen Rahmen passen usw. Die Elemente sind wie Puzzleteile anzusehen, die erst in ihrem Zusammenspiel ein Bild ergeben, das sich wie eine Mediation anfühlt.

Vertiefung

Übungen

  1. Bitte schauen Sie sich die Fallstudien an:
    1. Überlegen Sie warum diese Fälle für Mediation geeignet sind.
    2. Überlegen Sie, welche anderen Verfahren auch zur Bearbeitung geeignet sind und versuchen Sie die Entscheidung zu begründen.
  2. Bitte schauen Sie sich das Mediationsverzeichnis an:
    1. Versuchen Sie die Verfahren nach Modell, Format, Feld und Stil einzusortieren oder die Zuordnung nachzuvollziehen
    2. Überlegen Sie, wie sich die Mediation von anderen Verfahren abgrenzt. Hierbei hiulft der Beitrag Verfahrensabgrenzungen.

Kernaussagen

  1. Es gibt eine Vielfalt an Verfahren und Vorgehensweisen bei der Konfliktbewältigung, die zum Teil fließend ineinander übergehen.
  2. Die Systematik trägt dazu bei, die Verfahren in ihrer Wirkungsweise zu verstehen und besser gegeneinander abzugrenzen. Die Ordnungskriterien tragen zur Typologisierung bei.
  3. Der Begriff Streitbeilegungsverfahren bietet sich als Oberbegriff über alle Verfahren an, die sich mit Streit und Konflikten befassen.
  4. Die Wesenhaftigkeit der Mediation erlaubt eine eindeutige Abgrenzung der Verfahren. Sie gibt auch Orientierung bei Fragen, die in der Mediation auftauchen.
  5. Der Konflikt bewegt sich durch alle Ebenen des Streitkontinuums, also sowohl auf der Sach-, der Emotions-, der Positionsund der Motivationsebene.
  6. Werden Ebenen wie etwa im Gerichtsverfahren ausgeblendet, wird Komplexität reduziert.
  7. Der Zweck der Mediation ist eine Verstehensvermittlung aufgrund der die Parteien ihre Lösung finden können. Der Zweck der Schlichtung ist eine Lösungsvermittlung, der beide Parteien zustimmen.
  8. Das Kommunikationsmodell der Mediation ist Teil seiner Wesenhaftigkeit. Es darf deshalb nicht beeinträchtigt werden!
  9. Es geht um die Suche nach einer Lösung auf der Basis der Verstehensvermittlung und mit dem Zweck der allseitigen Nutzenmaximierung, für die eine Regelung zu finden ist. Die Parteien sollen selbst die Lösung finden, ohne den Dritten bestimmend in den Prozess der Lösungsfindung einzubeziehen.
  10. Mediation ist nicht gleich Mediation
  11. Der Blick auf die substantielle Seite der Mediation macht die Mediation zu einem universellen Tool, das mit einer anderen Sicht auf die Verfahren einen flexibleren und erweiterten Aktionsradius bekommt.
  12. Die Entscheidung für das Verfahren ergibt den rechtlichen Rahmen.
  13. Das Bild das der Mediator herzustellen hat, ist das Bild der Mediation.

Examensfragen

Boxenstop

Der Boxenstop ermahnt zum Innehalten. Werden Sie sich bewusst über das was Sie gerade gelernt haben und überlegen Sie den nächsten Lernschritt.

Bitte vermerken Sie das Studium dieser Toolbox im Lerntagebuch. Dort können Sie eingeben:

Lerngegenstand: Systematik
Lernschritt: 01 Orientierung
Lernmethode: Skriptstudium

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitierund Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2021-11-03 21:35 / Version .

Diskussion: Ihnen steht ein eigenes Leserforum zur Verfügung: Tollbox-Mediation Forum
Siehe auch: Mediationstraining, Toolbox-Übungen, Toolbox-Kernaussagen, Examen
Geprüft:

2 Dieser Eindruck wird belegt in: Trossen (Jrsg.) „Mediation (un)geregelt“, Lehrbuchkommentar zum MediationsG, Altenkirchen, 2014.
3 DR = Dispute Resolution (ungenau übersetzt mit Gerichtsverfahren), ADR = Alternative Dispute resolution (ungenau übersetzt mit außergerichtlicher Konfliktbeilegung). Siehe ADR
4 „Modelle (Arten)“
5 Der Zweck wird in Phase 3 über die Motive abgefragt. „Wozu machst Du das?“


Based on work by Arthur Trossen . Last edited by anonymous contributor
Seite zuletzt geändert am Freitag November 1, 2024 19:02:39 CET.

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