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Mediationen bei mehreren Beteiligten
Es gibt mehrere Mediationsvarianten, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie vorzugehen ist, wenn der Streit über einen Zweipersonenkonflikt hinausgeht. Hier werden Abgrenzungen erforderlich. Auch kommt es zu Überscheidungen, weshalb in dem Zusammenhang auch folgende Beiträge zu beachten sind:

Mehrparteienmediation Gruppenmediation Unternehmensmediation Großmediation

Großmediation

Mediation in großen Gruppen und mit (unbegrenzt) vielen Teilnehmern.

Der Duden bietet viele Konnotationen an, wenn das Wort groß beschrieben wird1 . Dort ist unter anderem von "verhältnismäßig viel Zeit beanspruchend, von verhältnismäßig langer Dauer, von verhältnismäßig beträchtlicher Menge, Anzahl; sich aus vielen einzelnen Bestandteilen oder Werten zusammensetzend, in hohem Grade, von starker Intensität" die Rede. In der Mediation ergibt der Begriff groß einen Bezug auf die Art und Weise der Durchführung der Mediation.




Die wirklich große Mediation

Definition

Die Definition des Begriffs Großmediation muss sich mit der Frage auseinandersetzen, wann eine Mediation groß Ist. Die Frage löst sicher genz individuelle Einschätzungen aus. Ein Mediator, der viel mit Gruppen zu tun hat und sich überwiegend in schwierigen Fällen bewegt, wird groß wahrscheinlich anders definieren als jemand, der nur einfachere Meditationen mit nur zwei Teilnehmern kennt. Dennoch knüpfen sich an diesen Begriff Anforderungen und Konsequenzen. Der methodische Zugang erfordert eine Festlegung.

In der Mediation bezieht sich der Begriff groß in erster Linie auf die Zahl der Teilnehmer.
Wenn hier also von Großmediationen oder Mediationen in großen Gruppen gesprochen wird, sind diejenigen Fälle gemeint, die eine Teammediation erfordern. Mit der Abgrenzung zur Teammediation gibt es einen Maßstab. Er orientiert sich am folgenden Grundsatz:

 Merke:
Die Mediation erfordert so viele Mediatoren, wie nötig sind, um alle Medianden im Blick zu haben2

Ein einzelner Mediator kann durchaus bis zu fünf Personen im Blick haben, wenn sie ihm gegenüber sitzen. In einem Stuhlkreis beispielsweise bestehend aus 18 Teilnehmern, muss er seinen Gesichtskreis erweitern. Wenn er in die eine Hälfte der Gruppe schaut, sieht er nicht, was in der anderen Hälfte passiert. Dieser Blick wird durch den Co-Mediator abgedeckt. Ist die Teilnehmerzahl so groß, dass sie nicht mehr in einen Saal passt und mehrere Gruppen zusammenfasst, braucht ein Mediator die Unterstützung von Kollegen.

Es gibt keine zahlenmäßige Festlegung. Eine Orientierung, wie viele Teilnehmer die Mediation groß erscheinen lassen, ergibt möglicherweise der Begriff groß selbst. Groß ist nämlich auch ein anderer Name für Gros. Das wiederum ist eine Maßeinheit, die für ein Dutzend mal ein Dutzend, also 12x12 steht3 . Das Ergebnis dieser Multiplikation ergibt 144. Es ist gleichzeitig eine Größenordnung, bei der durchaus schon von einer Großmediation gesprochen werden kann.

Ausschlaggebend ist nicht nur die Zahl der Teilnehmer. Eine große Gruppe beispielsweise kann bei einem geringen Streitpotenzial durchaus moderiert werden. Eine Moderation gelingt nicht mehr, wenn sich innerhalb der Gruppen und unter den Gruppen ein Streitpotenzial herausbildet, in dem ganz unterschiedliche Interessen zu koordinieren sind. In großen Gruppen stellen sich leicht Trittbrettfahrer-Effekte her, sodass Menschen sich vehement in Themen einbringen können, ohne am Thema selbst interessiert zu sein. Ein ähnliches Phänomen ist auch bei sogenannten Kulturkonflikten zu beobachten.

{EXAMPLE()}Trittbrettfahrer: In einer Gemeinde besteht Streit um den Bebauungsplan. Die Anlieger bilden eine Front gegen die Gemeinde, die einem Konzern die Möglichkeit geben will, ein großes Einkaufszentrum zu errichten. Die Anwohner befürchten ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in ihrer Nachbarschaft, Unruhe und andere Beeinträchtigungen. Sie haben ein berechtigtes Interessa daren, ihre Sorgen beachtet zu wissen. Nachdem der Streit zwischen Anwohnern und der Kommunalverwaltung in die Öffentlichkeit getragen wurde, schließen sich plötzlich andere Gruppen an. Sie nutzen den Streit, um auf sich aufmerksam zu machen, um ihrem generellen Frust Ausdruck zu verleihen, um einfach nur zu streiten, .... {EXAMPLE}

Anwendbarkeit

Großmediationen werden oft mit Mediationen im öffentlichen Bereich in Verbindung gebracht. Die bekanntesten Meditationen in diesem Bereich sind die Flughafenmediationen, Streitigkeiten bei der Änderung von Bebauungsplänen und Flächennutzungsplänen, Abfallbeseitigungsanlagen usw. Die Notwendigkeit, Menschen frühzeitiger öffentlicher Entscheidungsprozesse einzubeziehen, verwirklicht sich auch in der Idee der Bürgerbeteiligung. Sie kann als ein Anwendungsfall der Integrierten Mediation gesehen werden, in der sich die hier beschriebenen Techniken und Methoden wiederfinden lassen.

Die Verwendung des Formates der Mediation ist allerdings nicht auf den öffentlichen Bereich beschränkt. Auch eine Mediation in einer großen Verwaltung und einem großen Unternehmen muss mit großen Gruppen und mehreren 100 Teilnehmern zurechtkommen.

Durchführbarkeit

In jeder Mediation sind die Motive für den Streit herauszuarbeiten. Dieser Auftrag wird bei großen Gruppen und einer nahezu unbegrenzten Teilnehmerzahl erschwert. Die Unüberschaubarkeit macht es den Menschen leichter, sich und ihre wahren Interessen zu verstecken. Viele Menschen verstecken sich hinter Argumenten. Sie nutzen die allgemeine Stimmungslage, um den Streit aufzupeitschen. Für sie bedeutet eine einvernehmliche, friedliche Lösung eher eine Niederlage. Sie brauchen den lauten Streit, um von ihren Anhängern als stark und durchsetzungsfähig gesehen zu werden.

Die gleichen Phänomene sind auch bei Mediationen mit weniger Teilnehmern bekannt. Manche Parteien versuchen, die Mediation als ein Mittel zum Streit zu missbrauchen. Die Mediation ist dafür allerdings nicht gemacht. Der Mediator wird versuchen, die Konfrontation aufzulösen und die Teilnehmer in den Flow der Mediation einzubinden. Was bei kleinen Mediation relativ gut gelingt, ist bei den großen Meditationen eine wirkliche Herausforderung.

Trotzdem ist eine Mediation nicht nur theoretisch mit einer unbegrenzten Zahl von Teilnehmern möglich. Großmeditationen erfordern eine noch intensivere Planung und einen wesentlich erhöhten, organisatorischen Aufwand.

 Merke:

Im Mittelpunkt steht die Frage wie es gelingt, dass jeder mögliche Interessenbetroffene, aktiv in den Prozess eingebunden werden kann2

In der bei Wiki to Yes konsequent eingehalten Systematik werden Meditationen mit großen Gruppen und unbegrenzt vielen Teilnehmern als ein Mediationsformat angesehen. Wenn sie als Umweltmediation oder Mediation im öffentlichen Bereich benannt werden, werden weder ein Mediationsformat noch eine Mediationsart beschrieben. Der Gegenstand betrifft vielmehr ein Anwendungsfeld, bei dem das Format der Großmediation allerdings häufig anzutreffen ist.

Die Einordnung als Mediationsformat verdeutlicht, dass auch die Großmediation grundsätzlich mit allen Mediationsmodellen umgehen kann. Der Mediator muss das am besten geeignete Mediationsmodell identifizieren und überlegen, ob und wie er auch bei einer Vielzahl von Teilnehmern die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen herstellen kann. Wie auch bei anderen Meditationen lautet die Grundregel:

 Merke:
So wenig Mensch und zu wenig Problem wie möglich! 2

Jeder Teilnehmer, der hinzukommt, potenziert die Vielfalt. Die sich aus der Teilnehmerzahl ergebende Komplexität ergibt sich - mathematisch formuliert - nicht aus der Summe der Teilnehmer, auch nicht aus ihrem Produkt, sondern aus der ihrer Potenz. Die Komplexität wird durch zusätzliche Sichtweisen, schwer kontrollierbare Interaktionen, schwer abzustimmende Bedürfnisse, undurchsichtige Relationen und einer chaotischer anmutenden Gemengelage gekennzeichnet. Der Mediator muss überlegen, wie er die Struktur der Mediation und ihre innere Logik in diesem Konglomerat realisieren kann.

Vorbereitung

Wie bei jeder anderen Mediation auch beginnt die Arbeit des Mediators mit einer Konfliktanalyse. Sie soll herausarbeiten, wer mit wem welchen Konflikt hat. Während sich formelle Gruppen relativ leicht identifizieren lassen, sind informelle Gruppen in dieser Größenordnung als solche kaum fassbar. Statt in Konflikten zu denken ist also der Schrift die Überlegung, wer von dem Thema überhaupt in irgendeiner Art und Weise betroffen sein könnte. Jede zu diesem Kreis zählende Person oder Institution ist ein potentieller Mediand. Ähnlich wie bei der Bürgerbeteiligung wäre eine Flucht nach vorne Strategie hilfreich. Bei dieser Strategie wartet der Mediator nicht, bis Konflikte sichtbar oder eingebracht werden. Stattdessen werden die möglicherweise Betroffenen eingeladen, ihre Betroffenheit anzuzeigen. Technische Möglichkeiten die Betroffenen zu identifizieren, ergeben sich aus einer Öffentlichkeitsarbeit, also Pressenachrichten oder aus einer Umfrage, die als eine Fragebogenaktion ausgestaltet werdn kann.

Wenn der Streit schon fortgeschritten ist und sich Protagonisten herausgestellt haben (etwa wenn der Mediator in ein laufendes Verfahren einbezogen wird), muss er prüfen ob der Streit nicht durch die Personen, sondern durch das Thema ausgelöst wurde und ob die Protagonisten wirklich in der Lage sind, die von dem Thema betroffenen Menschen zu repräsentieren und verbindlich für sie zu sprechen.

Wenn die Interessenträger (Stakeholder) identifiziert sind, kommt es darauf an, mit ihnen in Kontakt zu treten. Der Mediator muss sich fragen, ob und wie sich alle diese Personen in die Verhandlung einbringen und an einer verbindlichen Abschlussvereinbarung mitwirken können. Werden Personen oder Gruppen ausgelassen, kann es sein, dass sie sich an die Abschlussvereinbarung entweder nicht gebunden fühlen oder diese gar anfechten oder anders boykottieren. Die Mediation hätte ihre Wirkung verfehlt.

Es genügt also nicht die Parteien und Teilnehmer zu identifizieren. Der Mediator muss vielmehr darauf achten, dass alle Konfliktbetroffenen am Ende Teil einer verbindlichen Vereinbarung werden. Wenn die Mediation beispielsweise mit 1000 Teilnehmern durchzuführen ist, müssen alle Teilnehmer aktiv oder passiv legitimiert sein (also Träger der zu verhandelnden Rechte und Pflichten sein), um sich verbindlich zur Abschlussvereinbarung zu bekennen. D. h. alle müssen die Abschlussvereinbarung unterzeichnen.

Strategie

Die Strategie, die Zahl der Teilnehmer zu reduzieren und zum Teil einer verbindlichen Vereinbarung werden zu lassen, legt eine Reduktion der Verhandlungspartner nahe. Sie kann beispielsweise durch die Gründung von Rechtskonstrukten, wie rechtsfähige Bürgerinitiativen (Vereine oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts) möglich werden. Auch die Bevollmächtigung von Repräsentanten, die an dem Gespräch teilnehmen, ist denkbar.

Die Partialisierungsstrategie erlaubt es, statt mit den Gruppenmitgliedern selbst, mit den von ihnen gewählten Repräsentanten zu verhandeln. Der Mediator muss darauf achten, dass bei der Wahl der Repräsentanten und der Abstimmung über das Verfahren alle Teilnehmer und alle potentiellen Interessenträger beteiligt sind. Er muss auch darauf achten, wer mit dem Procedere nicht einverstanden ist, wer sich nicht beteiligt und dass die Wahl der Gruppen und Repräsentanten die Interessenlandschaft innerhalb der Teilnehmer widerspiegelt.

Die Notwendigkeit, die Interessenlandschaft widerzuspiegeln, könnte dazu führen, dass der Mediator die Hierarchie durchbricht. Statt die Vorsteher und gewählten Repräsentanten und dem Gespräch teilnehmen zu lassen, könnte er die unterschiedlichen Positionen zu dem gegenständlichen Thema erfassen und darauf bezogene Repräsentanten wählen zu lassen.

{EXAMPLE()}Repräsentanten: Bei einer großen innerbetrieblichen Mediation wie einer Verwaltung besteht ein Streit, der sich auf das Betriebsklima auswirkt. Die Verwaltung besteht aus 1000 Mitarbeitern, die kaum in ein Gespräch einzubeziehen sind. Würde der Mediator das Gespräch nur mit den vorgegebenen Institutionen, also die Führungsebene (Abteilungsleiter) Personalrat usw. durchführen, riskiert er dass sich viele Mitarbeiter nicht repräsentiert fühlen. Er könnte also beispielsweise mit einer vorgeschalteten Umfrage, die unterschiedlichen Positionen herausarbeiten und ermitteln, ob die Mitarbeiter Sprecher für die jeweilige Position ernennen können. Dabei kommt es nicht darauf an, welche hierarchische Position sie in der Verwaltung innehaben. {EXAMPLE}

Die Mediation baut auf Konsens, nicht auf Mehrheitsentscheidungen auf. Der Mediator wird sich also nicht damit begnügen, dass Repräsentanten in die Gesprächsrunde gewählt werden, um dann nur noch mit diesen Personen zu verhandeln. Er wird sich vergewissern, dass die Kommunikation innerhalb der jeweils repräsentierten Gruppe in einer Art und Weise ausgestaltet wird, dass ihr Sprecher nicht asls ein Mehrheitsvertreter angesehen wird, sondern nur als das Sprachrohr für jeden einzelnen in der Gruppe. Gegebenenfalls muss er die persönlichen Interessen des Vertreters gegen die der Gruppe abgrenzen. Bieten sich Repräsentatnten (z.B. Parteiführer, Kirchenoberhäupter, Vereinsvorstände, Abteilungsleiter, ...) an, ist zu hinterfragen, ob sie tatsächlich für alle Mitglieder der von ihnen repräsentierten Gruppe äußern können. Der Mediator weiß, dass auch innerhalb der Gruppen (z.B. eine politischen Partei) unterschiedliche Interessen bestehen, sodass sich nicht zwangsläufig jedes Gruppenmitglied durch seinen Sprecher repräsentiert fühlt. Er sollte sich und die Teilnehmer also fragen: "Wenn die hier Anwesenden eine Abschlussvereinbarung treffen, werden dann auch die Menschen dahinter stehen, die nicht persönlich in das Verfahren eingebunden wurden?" oder "Würde die Entscheidung der Teilnehmer von allen betroffenen (Bürger, Mitarbeiter, ...) getragen werden können?

Die Komplexität dieses Vorganges könnte eine Teammediation erforderlich machen. Bei der Teammediation sind (weit) mehr als zwei Mediatoren beteiligt. Einige Mediatoren des Teams leisten die erforderliche Hintergrundarbeit. Sie tragen Sorge, dass auch innerhalb der Gruppen ein Konsens darüber besteht, was in die Mediation eingebracht wird und wie das was aus der Mediation zurückgemeldet wird zu verstehen ist. Konsens oder Dissens wird den Mediatoren zurückgemeldet. Dann wird entschieden, ob die widerstreitenden Interessen im Plenum oder gegebenenfalls auch durch die Teammediatoren in den jeweiligen Gruppen mediiert werden.

Lassen sich keine (rechtsfähigen) Gruppierungen herstellen, muss der Mediator dafür sorgen, dass trotzdem jeder die Möglichkeit hat, sich an der Mediation zu beteiligen. Hier könnten technische Hilfsmittel, wie zum Beispiel Massenmedien, Onlinekonferenzen, Umfragen oder Funkgeräte, die den Repräsentanten mit der Gruppe in ständiger Verbindung halten, eine Erleichterung schaffen.

Techniken

Die Mediation kann Techniken der sogenannten Unkonferenzen (auch als Ad-hoc-Nicht-Konferenzen bezeichnet) verwenden. Die bekanntesten Techniken sind: Open Space, World Coffee oder Barcamp. Die Unkonferenzen sind nicht an Redner und Themenvorgaben gebunden. Sie erlauben deshalb eine freie Meinungsbildung in großen Gruppen. Jeder hat die Möglichkeit, zu Wort zu kommen. In großen Gruppen mit weniger Teilnehmern bieten sich Techniken wie das Fish bowl an. Wenn es zu Anbstimmungen kommen sollte, ist das systemische Konsensieren eine Technik, um den evtl. Widerstand gegen eine Mehrheitsentscheidung zu messen.

Der Mediator kann verschiedene Kommunikationswege ausschöpfen, indem er auch die nicht präsenten Teilnehmer beispielsweise durch anonyme Fragebögen einbezieht. Er sollte sich auch nicht scheuen, Funk und Videotechnik zu verwenden. Es ist genau zu überlegen, wann Massenveranstaltungen und Gruppengespräche sinnvoll sind und wie die Interaktion zwischen dem einen und dem anderen sichergestellt werden kann.

In allen Fällen muss er die Teilnehmer und die Gruppen, sowie das mit Ihnen und in den Gruppen zu führende Gespräch in einer Art und Weise gestalten, dass sich der Erkenntnisprozess der Mediation bei jedem einzelnen Teilnehmer verwirklicht.

 Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass Wiki to Yes alle erforderlichen Werkzeuge (Umfragen, Onlinekonferenzen) zur Verfügung stellt

Vorgehen

1.Phase

Wie bei jeder anderen Mediation auch, wickelt der Mediator die Phasen in der ihr vorgegebenen Phasenlogik ab. Nachdem die Teilnehmer bekannt und in das Verfahren einbezogen worden sind, kommt es zu einer Zielvereinbarung. Sie wird auf den Nutzen ausgerichtet. Der Nutzen wird grob formuliert: "Wir suchen eine Lösung, mit der alle zurechtkommen können!". Es ist wichtig, dass die Ergebnisoffenheit nach vorne gestellt wird. Danach werden die Bedingungen ausgehandelt, wie das Verfahren zu gestalten ist. Die Zahl der Teilnehmer, ihre Konfliktbetroffenheit und gegebenenfalls die Rolle in der sie sich an dem Verfahren beteiligen, sind herauszuarbeiten und abzustimmen. Der Mediator muss darauf achten, dass auch potentielle Teilnehmer, die noch nicht bekannt sind eine Chance haben, angesprochen zu werden. Eine systemische Sicht es angebracht, die es auch erlaubt Institutionen und Organisationen als solche virtuell zu beteiligen.

Wenn die Teilnehmerschaft geklärt ist, wird das Verfahren besprochen. Der Mediator stellt die Schwierigkeiten einer Meinungsbildung in einer so großen Gruppe heraus und erörtert mit den Teilnehmern wie diese zu überwinden sind. Abgestimmt wird beispielsweise, wie die zuvor genannten technischen Hilfsmittel und Vorgehensweisen in die Mediation eingebunden werden können.

Natürlich kommen die Prinzipien der Mediation zu Geltung. Auch wird besprochen, ob und inwieweit eine Vertraulichkeit zuzusichern ist und was passieren soll, wenn Teilnehmer abspringen. Nach Möglichkeit werden die Verfahrensfragen in einer Mediationsdurchführungsvereinbarung festgehalten, die für alle verbindlich ist.

2.Phase

In großen Gruppen kann die Themensammlung nur durch die Kärtchenmethode erfolgen, wenn sie zuvor nicht durch einen Fragebogen vorbereitet wurde. Ein Zuruf der Themen wäre auch möglich. Wichtig ist wieder, dass auch die Betroffenen zu Wort kommen, die sich in großen Gruppen nicht äußern können oder sich nicht trauen.

Die Themensammlung wird reduziert, indem der Mediator peinlich genau darauf achtet, dass wirklich nur konfliktrelevante Themen und nicht Argumente, Motive oder Lösungen aufgeführt werden. Positionen werden in Themen übersetzt und neutralisiert. Jedes Thema muss einem Konflikt entsprechen. Im Ergebnis gibt es also "nur" so viele Themen wie es Konflikte gibt. Die Themensammlung muss mit allen Teilnehmern abgestimmt werden. Dabei bedient sich der Mediator wieder der zuvor genannten, technischen Hilfsmittel, wenn ich die geschaffenen Rechtsstrukturen eine Abstimmung ermöglichen.

Der Mediator hört sich die Argumente an und sorgt dafür, dass sie von allen Teilnehmern gehört werden. Angriffe formuliert er um. Nachdem alle Argumente erfasst sind, fasst er sie lediglich zusammen. Streitiges wird (lediglich) ausgewiesen. Die Gemeinsamkeiten werden herausgestellt.

3.Phase

Das herausarbeiten der Motive ist in einer Gruppe besonders schwierig und herausfordernd. Kommunikationsregeln müssen sicherstellen, dass jeder ausreden kann und dass der Mediator die Gelegenheit hat die Interessen eines jeden Teilnehmers zu hinterfragen.

Besonders in Gruppen, wo sich Klicken und Lager bilden, kann es passieren, dass ich manche stark fühlen und versuchen den Prozess zu boykottieren. Wenn es nicht gelingt, diese Gruppen in den Prozess einzubeziehen, ist gegebenenfalls eine Umstrukturierung des Verfahrens erforderlich. Möglicherweise könnte es helfen, die Gruppen zu trennen und die Mediation als Shuttle fortzuführen.

4.Phase

Wenn hinreichende Kriterien herausgearbeitet wurden, die die Interessen aller widerspiegeln und an denen sich die Lösung messen lässt, ist Zeit für die Kreativphase. Sie lässt sich in großen Gruppen fast wie ein Event gestalten und sollte auch so ausgestaltet sein. Jeder kann Vorschläge machen. Die Vorschläge werden gesammelt, geordnet und den erst in einem zweiten Schritt bewertet. Wenn jetzt noch Fragen streitig sind, wird überlegt wie die zugrunde liegenden Fakten geklärt werden.

5.Phase

Die Einigung ist wieder besonders herausfordernd, weil alle betroffenen daran erkennbar beteiligt sein müssen.

Besonderheiten

Pressearbeit

Bei Meditationen ist die Presse Fluch und Segen. Einerseits muss sie benutzt werden um eine große Öffentlichkeit aufzurufen sich an dem Verfahren zu beteiligen. Andererseits kann sie etwa von einzelnen Teilnehmern missbraucht werden, um die Gegenseite anzugreifen. Die Nachrichtenübersicht belegt Beispiele für beide Aspekte. Sobald Meinungen öffentlich verbreitet werden bildet sich ein Parallelprozess, den der Mediator unbedingt kontrollieren muss. Sollte sich auch nicht dazu hinreißen lassen, die Presse für die eigene Werbung zu nutzen. Neutralität und Vertraulichkeit stehen im Vordergrund.

Feedback

Wichtig ist eine bidirektionale Kommunikation und die Möglichkeit, dass sich jeder an den Mediator wenden kann. Auch diejenigen Personen die nicht direkt in dem Verfahren beteiligt sind. Rechtlich gesehen wären dies Einzelgespräche. Sie erfordern das Einverständnis aller Teilnehmer in. Weil es schwierig ist, solche Absprachen in einer von allen zu unterzeichnenden Mediationsdurchführungsvereinbarung abzustimmen, mag ein (partei-)öffentlicher Aufruf verbunden mit der Aufforderung Einwendungen gegen diese Vorgehensweise vorzubringen genügen, um die rechtlichen Anforderungen dieser Vorgehensweise zu erfüllen.

Anlaufstelle

Damit jeder die Möglichkeit hat, sich über das Verfahren zu informieren und sich gegebenenfalls im Nachgang einzubringen oder Kritik zu äußern, sollte eine Anlaufstelle eingerichtet werden. Es ist wichtig dass diese Anlaufstelle als neutral und unparteiisch angesehen wird.

Vertraulichkeit

Die Wahrung der Vertraulichkeit stellt besondere Anforderungen an Mediation, dem öffentlichen Bereich stattfinden Auch hier sollte es eine klare Regelung geben, welche Informationen öffentlich zugänglich sind und welche nicht. Die Parteien müssen die Gelegenheit haben, vertrauliche Informationen einzubringen und sie müssen sich darauf verlassen können, dass diese Informationen auch vertraulich behandelt werden.

Mediatorenwahl

§2 Mediationsgesetz erwartet von den Parteien, dass sie den Mediator wählen. Bei einer streitigen Ausgangslage und einer Unzahl von Beteiligten wäre dies bereits eine Hürde, die sich beim eskalierten Streit kaum bewältigen lässt. Es wird immer jemanden geben, der mit der Wahl des Mediators gegebenenfalls nicht einverstanden ist. Der Grundsatz der Freiwilligkeit heilt eine vorgegebene Mediatorenwahl. Wer also mit der Wahl des Mediators nicht einverstanden ist, muss an der Mediation nicht teilnehmen. Die Frage ist dann, ob die nicht Teilnahme als Abwahl des Mediators verstanden wird und wie damit umzugehen ist, wenn von dem Grundsatz der Freiwilligkeit Gebrauch gemacht wird. Ein guter, professioneller Mediator wird es zu einer solchen Situation erst gar nicht kommen lassen. Seine Arbeit würde aber unterstützt werden, wenn diese Fragen nicht vor, sondern in dem Verfahren geklärt werden.

Bedeutung für die Mediation

Stuttgart 21 hat gezeigt, wie nah die Grenzen zwischen Schlichtung und Mediation in diesem Bereich sind. Es gab einige Diskussionen darüber, ob dieses Verfahren als das eine oder das andere zu bezeichnen sei. Im Ergebnis war klar, dass Stuttgart 21 keine Mediation war. Für den Mediator ergibt sich die Anforderung, die Grenzen der Mediation genau zu beachten, nicht aus dem Verfahren und seiner Rolle auszubrechen und das Wesen der Mediation zu verwirklichen. Dass dies möglich ist, beweist die Praxis.

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2022-06-09 19:47 / Version 19.

Aliase: Großmediationen, Mediationen in großen Gruppen, Mediation in großen Gruppen
Siehe auch: Umweltmediation, Mediation im öffentlichen Bereich, Bürgerbeteiligung, Alt-Gruppenmediation, Mehrparteienmediation
Diskussion: Mediation im öffentlichen Bereich
Prüfvermerk:


Based on work by anonymous contributor und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag November 5, 2024 02:53:04 CET.

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