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Anerkennung und Recognition

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

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Der Begriff Recognition bedeutet vom Englischen ins Deutsche übersetzt so viel wie Anerkennung, Bestätigung, Identifizierung, Erkennung usw. Mit der Bedeutung der Anerkennung hat er in der Sozialwissenschaft, in der Philosophie und in der Psychologie eine zentrale Bedeutung erlangt. Die hier anzusprechende Anerkennung soll nicht mit dem juristischen Anerkenntnis verwechselt werden, das nach §307 ZPO zu einer Verurteilung führt. Die Anerkennung eines Anspruchs hat nichts mit der Anerkennung oder gar der Wertschätzung des Klägers zu tun, obwohl die Anerkennung der Person durchaus auch zur Anerkennung des Anspruchs beitragen kann. Um diese Verwechselung zu vermeiden, liegt die Verwendung des Fachbegriffs der Recognition nahe.

Definition von Recognition

Recognition kann allgemein als der soziale Prozess definiert werden, durch den Individuen oder Gruppen als gleichberechtigt anerkannt werden. Dies geschieht durch Bestätigung der Identität, Leistungen, Rechte und Würde. Die Anerkennung ist eine Grundvoraussetzung für die persönliche und soziale Entwicklung, die zur Selbstachtung und zu einem positiven Selbstbild beiträgt. Honneth unterscheidet drei Formen der Anerkennung: persönliche Anerkennung (Liebe), rechtliche Anerkennung (Rechte) und soziale Wertschätzung (Leistungen).1

Der Unterschied zum Respekt

Recognition und Respekt, also Anerkennung und Achtung, werden zumindest in der Philosophie scharf voneinander getrennt und in dieser Trennung auf Hegel und Kant zurückgeführt. Trotz ihrer Unterscheidung werden die Begriffe in der Praxis oft synonym verwendet. Trotzdem sollte die Anerkennung nicht mit der Achtung verwechselt werden. Auch wenn sie den gleichen Urspung hat, ist sie grundsätzlich nicht mit dem Respekt identisch. Während die Recognition breiter angelegt ist und auf die umfassende Wertschätzung der Identität und des Beitrags eines Individuums abzielt, ist der Respekt spezifischer ausgeprägt. Er meint die grundsätzliche Achtung vor dem Wert und den Rechten eines anderen Individuums. Respekt kann als moralische Haltung verstanden werden, die andere Menschen als autonome und gleichwertige Subjekte behandelt. Er muss nicht unbedingt mit Zustimmung oder Bewunderung einhergehen, sondern ist die Anerkennung der grundlegenden Würde und Rechte eines anderen. Die Anerkennung erlaubt eine intersubjektivistische Deutung, mit der die soziale Dimension des Phänomens, dessen Wechselseitigkeit sowie dessen Bedeutung für das Selbstbewusstsein in den Fokus gerückt wird.2 Es ist durchaus möglich, jemanden anzuerkennen ohne ihn zu respektieren, so wie es möglich ist, jemanden zu respektieren ohne ihn anzuerkennen. Man könnte sagen, die Anerkennung sieht den Menschen, der Respekt sieht seine Erscheinung oder gar nur seine Position. Anerkennung bedeutet, die Leistungen, Fähigkeiten oder Errungenschaften einer Person positiv wahrzunehmen und dies wertzuschätzen.

Theoretische Grundlagen der Recognition

Das Konzept der Anerkennung basiert auf verschiedenen theoretischen Ansätzen, die von der Philosophie über die Sozialwissenschaft bis zur Psychologie reichen. Einer der prominentesten Theoretiker des Anerkennungskonzepts ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In seiner Phänomenologie des Geistes beschreibt Hegel den Kampf um Anerkennung als zentrales Moment menschlicher Entwicklung. Hegel argumentiert, dass Individuen nur dann eine vollständige Identität entwickeln können, wenn sie von anderen als gleichwertige und autonome Subjekte anerkannt werden. Axel Honneth entwickelte Hegels Ideen weiter und argumentierte, dass soziale Ungerechtigkeit oft auf Formen der Missachtung und fehlenden Anerkennung beruht. Honneths Theorie der Anerkennung stellt soziale Interaktionen in den Mittelpunkt, die zur Identitätsbildung und zum sozialen Status von Individuen beitragen. In feministischen und postkolonialen Ansätzen wird Anerkennung als zentral für die Überwindung struktureller Unterdrückung gesehen. In der Psychologie ist Anerkennung eng mit Konzepten wie Selbstwert und sozialer Identität verbunden. Die Anerkennung ist als ein Teil der menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit wesentlich für das Wohlbefinden ist. Anerkennung fördert das Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Akzeptanz.

Methoden des Recognition

In der Forschung und Praxis gibt es verschiedene Ansätze und Methoden, um Recognition zu fördern und zu verstehen. Diese lassen sich in individuelle, interpersonale und gesellschaftliche Methoden unterteilen.

  1. Individuelle Anerkennungsmethoden: Anerkennung kann auf individueller Ebene durch die Förderung von Selbstachtung und Reflexion über die eigene Identität und die eigenen Leistungen unterstützt werden. Dies geschieht oft durch Coaching, Mentoring oder psychologische Beratung, die das Selbstwertgefühl steigern sollen. Im persönlichen Umfeld, z.B. in der Schule oder am Arbeitsplatz, kann Anerkennung durch positives und konstruktives Feedback gegeben werden. Dies stärkt das Selbstvertrauen und fördert die persönliche Weiterentwicklung.
  2. Interpersonale und soziale Methoden: Im zwischenmenschlichen Bereich wird Anerkennung oft durch Empathie und aktives Zuhören vermittelt. Indem man anderen Menschen respektvoll zuhört und ihre Perspektive versteht, drückt man Wertschätzung und Respekt aus. Anerkennung kann auch durch dialogische Verfahren, wie etwa Mediation oder partizipative Entscheidungsprozesse, gefördert werden. Diese Methoden ermutigen zur Gleichberechtigung und Einbeziehung aller Beteiligten.
  3. Gesellschaftliche und politische Methoden: Auf gesellschaftlicher Ebene wird Anerkennung durch die Verankerung von Rechten und rechtlichen Rahmenbedingungen sichergestellt. Die Anerkennung der gleichen Rechte aller Bürger, unabhängig von Geschlecht, Ethnizität oder sozialem Status, ist ein wichtiger Bestandteil moderner Demokratien. In Organisationen und Institutionen werden Programme zur Förderung von Vielfalt und Inklusion entwickelt, um die Anerkennung marginalisierter Gruppen zu fördern. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, die Sichtbarkeit und Wertschätzung von Individuen mit unterschiedlichen Hintergründen zu erhöhen.

Einsatzbereiche des Recognition

Das Konzept der Anerkennung findet in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Anwendung. Zu den wichtigsten Einsatzbereichen gehören Bildung, Arbeitswelt, soziale Bewegungen und internationale Beziehungen.

  1. Bildung: Anerkennung spielt eine zentrale Rolle im Bildungsbereich, wo Schüler und Studierende durch die Anerkennung ihrer individuellen Fähigkeiten und Leistungen gefördert werden. Eine positive Lernumgebung, die auf Wertschätzung und Respekt basiert, trägt wesentlich zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Motivation bei (Ryan & Deci, 2000). Lehrer können durch differenziertes Feedback und die Berücksichtigung der individuellen Lernbedürfnisse der Schüler die Anerkennung fördern.
  2. Arbeitswelt: Am Arbeitsplatz ist Anerkennung ein wichtiger Faktor für Mitarbeiterzufriedenheit und -engagement. Anerkennungsprogramme, die sowohl individuelle Leistungen als auch Teamarbeit wertschätzen, tragen zur Motivation und Produktivität bei. Studien zeigen, dass Anerkennung einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Leistung von Mitarbeitern hat (Brun & Dugas, 2008). Anerkennung kann in Form von Lob, Beförderungen oder finanziellen Anreizen erfolgen.
  3. Soziale Bewegungen: In sozialen Bewegungen wird das Konzept der Anerkennung häufig als zentrales Ziel verstanden. Marginalisierte Gruppen, wie ethnische Minderheiten, Frauen oder LGBTQ+-Gemeinschaften, kämpfen um soziale Anerkennung und die Überwindung von Diskriminierung. Anerkennung in diesem Kontext bedeutet die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung sowie die Beseitigung von Vorurteilen und Stigmatisierung.
  4. Internationale Beziehungen: In der internationalen Politik spielt Anerkennung eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Beziehungen zwischen Staaten und ethnischen Gruppen. Anerkennung kann hier die Anerkennung von Staatlichkeit oder die Anerkennung kultureller Identitäten betreffen. Der Kampf um Anerkennung in internationalen Beziehungen zeigt sich beispielsweise im Streben indigener Völker nach Anerkennung ihrer Rechte und Autonomie.

Erklärungen des Recognition

Das Konzept der Anerkennung lässt sich durch verschiedene Mechanismen erklären:

  1. Identitätsbildung: Anerkennung ist entscheidend für die Identitätsbildung. Honneth (1995) argumentiert, dass Individuen ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl nur in Interaktion mit anderen entwickeln können. Anerkennung durch andere bestätigt die eigene Identität und verleiht ihr Legitimität.
  2. Soziale Integration: Anerkennung ist eine Voraussetzung für soziale Integration. Inklusion und die Anerkennung von Unterschieden fördern das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften. Ohne Anerkennung fühlen sich Menschen ausgegrenzt, was zu sozialen Spannungen und Konflikten führen kann.
  3. Gerechtigkeit und Fairness: Anerkennung trägt zur Verwirklichung von Gerechtigkeit bei, indem sie den gleichen Wert und die gleiche Würde aller Menschen anerkennt. Dies ist nicht nur eine Frage der materiellen Umverteilung, sondern auch eine Frage des symbolischen Respekts und der sozialen Gleichstellung (Fraser, 2003).

Herausforderungen und Kritik des Recognition

Obwohl Recognition als grundlegendes Konzept für die Förderung von Gerechtigkeit und Inklusion gilt, gibt es auch Herausforderungen und Kritik:

  1. Essenzialismus: Eine häufige Kritik am Anerkennungskonzept ist, dass es zu einer Verfestigung von Identitätskategorien führen kann. Wenn Anerkennung auf festen Identitätsmerkmalen (z.B. ethnische Zugehörigkeit oder Geschlecht) basiert, besteht die Gefahr, dass diese Merkmale essenzialisiert werden, anstatt Vielfalt und Fluidität der Identität zu fördern.
  2. Instrumentalisierung: In manchen Kontexten wird Anerkennung als Instrument zur Kontrolle oder Manipulation genutzt, insbesondere in Unternehmen, die Anerkennungsprogramme einsetzen, um Mitarbeiter zu motivieren, ohne grundlegende strukturelle Veränderungen vorzunehmen.
  3. Spannung zwischen Anerkennung und Umverteilung: Nancy Fraser (2003) weist auf die potenzielle Spannung zwischen Anerkennung und Umverteilung hin. Sie argumentiert, dass sich Gerechtigkeitspolitiken nicht allein auf Anerkennung konzentrieren sollten, sondern auch die ökonomischen Strukturen und die Verteilung von Ressourcen berücksichtigen müssen.


Fazit

Recognition ist ein vielseitiges und bedeutendes Konzept, das in vielen wissenschaftlichen Disziplinen und gesellschaftlichen Bereichen Anwendung findet. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Identitätsbildung, der sozialen Integration und der Förderung von Gerechtigkeit. Die Methoden zur Förderung von Anerkennung variieren je nach Kontext und reichen von individueller Unterstützung über zwischenmenschliche Interaktionen bis hin zu politischen und rechtlichen Maßnahmen. Trotz der Herausforderungen und Kritik bleibt Recognition ein grundlegendes Element für das Verständnis sozialer Beziehungen und die Schaffung gerechterer Gesellschaften.

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Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-11-18 13:20 / Version .

Alias:
Siehe auch: Wut Verfahrensverzeichnis
Prüfvermerk: -

1 Siehe Schütz (soziale Anerkennung) - 2024-09-05
2 Siehe Puber (Anerkennender Respekt) - 2024-09-06 Seite 5/6
3 Siehe Puber (Anerkennender Respekt) - 2024-09-06 Seite 5/6
4 Siehe auch -


Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 24, 2024 18:54:23 CET.

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