Streitbeilegungsverfahren
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite zum Abschnitt Systematik des Mediationshandbuchs.
Um die Verfahren gegeneinander abgrenzen zu können, kommt es darauf an, wie sie mit dem Streit umgehen. Beachten Sie bitte auch:
Verfahrenssystematik Komplexität Entscheidungsprozesse Verfahren Eigenschaften Streitbeilegungsverfahren
Die Übersicht der Verfahren und deren Einteilung wird im 2. Buch mit dem Titel Systematik vorgestellt. Dort finden Sie eine systematische Einteilung aller Verfahren. In diesem Kapitel sollen die Verfahrenskategorien genauer betrachtet werden, damit Sie die Verfahren besser gegeneinander abgrenzen können und eine Entscheidungshilfe bei der Verfahrenswahl haben.
Der Wirkungsgrad
von Streitbeilegungsverfahren
Inhalt des Beitrages
Ausgangslage
Die möglichen Weichenstellungen bei der Konfliktbeilegung belegen bereits die Vielschichtigkeit der Verfahren und deren unorthodoxes Aufkommen. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die Ausgangslage. Bitte beachten Sie, dass nicht nur die Verfahren gegeneinander abzugrenzen sind, sondern auch die übrigen Vorgänge zur Streit- und Konfliktbeilegung.
Neben dem zu betreibenden Verfahren finden Parallelprozesse statt, die es zu beachten gilt. In Einklang zu bringen ist die Konfliktstrategie der Partei A und die der Partei B, der neben dem Verfahren stattfindende Streit und alle Einwirkungen der Kollegen, Freunde, Familienmitglieder. Sie alle beeinflussen auf die eine oder andere Art das Konfliktgeschehen.
Gegenstand und Ziel
Auch wenn der Gesetzgeber versucht hat, die Verfahren der Streit- und Konfliktbeilegung unter dem Begriff Konfliktbeilegungsverfahren zusammenzuführen, erübrigt sich nicht die Unterscheidung zwischen der Streit- und der Konflktbewältigung. Die Unterscheidung führt nicht nur zu unterschiedlichen Verfahrent. Sie leitet auch in unterschiedliche Konfliktzugänge. Sinnvoll ist die Unterscheidung zwischen:
- Streitbeilegung
- Konfliktbeilegung
- Konfliktlösung
- Konfliktvermeidung
Streitbeilegung
In der gesetzlichen Terminologie werden lediglich noch die Verfahren der Streitschlichtungsstelle als Streitbeilegungsverfahren bezeichnet1 . Der Begriff Konfliktbeilegungsverfahren bildet dazu den Oberbegriff. Geht man davon aus, dass der Streit das Handeln und der Konflikt das Motiv bezeichnen2 , dann ist es nahegeliegend, den Begriff der Streitbeilegungsverfahren als den Oberbegriff anzusehen, zumindest dort wo gestritten wird. Der Richter kann einen Streit beilegen. Ob er damit einen Konflikt beilegt, ist die spannende Frage. Aber versuchen kann er es.
Konfliktbeilegung
Im Verständnis des Gesetzgebers bilden die Konfliktbeilegungsverfahren den Oberbegriff über alle Verfahren der JURISTISCHEN Streitbeilegung. Allerdings ist der Konflikt nicht immer der Angriffspunkt, wohl aber der Streit. Dass die sprachliche Vereinheitlichung3 mit der Verwendung des Begriffs der Konfliktbeilegungsverfahren unglücklich gewählt wurde, ergibt seine inkonsequente Verwendung. Das Gericht würde keine Streit-, sondern eine Konfliktentscheidung treffen und der Mediator würde keine Streit- sondern eine Konfliktvermittlung durchführen. Ohne dass diese Einschränkung explizit erwähnt wurde, fällt weiterhin auf, dass der Gesetzgeber keine Vorgänge anspricht, bei denen die Partei mit sich selber versucht, eine Lösung zu finden oder sich an einen Berater, Therapeuten, Coach, Supervisor usw. wendet. Die Logik der Verfahren zur Streit- und Konfliktbeilegung erschließt sich besser und vor Allem vollständiger, wenn auch diese Vorgänge im Blick sind.
Konfliktlösung
Dieser Begriff wird synonym mit dem der Konfliktbeilegung verwendet, obwohl die Streitbeilegung nicht zwingend eine Konfliktlösung bedeutet.
{EXAMPLE()}Streitbeendigung: Kleinbeigeben beendet einen Streit. Es löst aber nicht unbedingt den Konflikt, wenn das Kleinbeigeben eine andere Reaktion hervorruft oder die Unstimmigkeit aufrecht erhält.{EXAMPLE}
Konfliktvermeidung
Für diesen Zweck ist kein explizites Verfahren vorgesehen.
Streitinstanzen
Die Streitinstanzen werden aus der Zahl der beteiligten Dienstleistungsebenen gebildet. Zu unterscheiden ist die monadische, die dyadische und die triadische Instanz. Die Vorgänge und Abläufe innerhalb der Distanzen werden als Verfahren (im weitesten Sinne) bezeichnet.
monadische Verfahren
In dieser Instanz ist keine weitere Person ist beteiligt. Der Betroffene macht den Konflikt mit sich selbst aus. Er versucht sich selbst in dem Konflikt zurechtzufinden und ergreift Möglichkeiten die er alleine abwickeln kann. Im Vordergrund stehen Informationen über Bücher, Webseiten, Nachrichten und Tools zur Selbsthilfe.
dyadische Verfahren
Wenn der Konflikt in der monadischen Instanz nicht abgewickelt werden kann, kommt eine Beratungsinstanz als weitere Ebene hinzu. Es kommt zur Einschaltung einer "zweiten Person“ als Hilfsperson. Dabei kann es sich um Freunde (informelle Berater), professionelle Berater, Coaches oder Therapeuten handeln.
Verfahren der triadischen Instanz
Die Verfahren der Streitentscheidung bilden eine Gruppe innerhalb der Streitbeilegungsverfahren. Die bekanntesten sind das Gerichtsverfahren und die Schiedsgerichtsbarkeit. Dazu kommen noch Mischformen und Abgrenzungsfälle, die im Zusammenghang mit der Streitentscheidung besprochen werden.
Verfahren der Streitentscheidung
Schlichtung
Das Ziel der Schlichtung ist die Vermittlung einer Lösung. Im Grunde ist das Verfahren ähnlich konzipiert wie ein streitentscheidendes Verfahren. Der Dritte hat jedoch weniger Macht, weil er in der Regel keine Durchsetzungskompetenz hat. Der Schlichter ist ein neutraler Dritter, der aktiv an der Lösungsfindung beteiligt ist. Er ist - wie der Entscheider - Teil des Streitsystems, das die Parteien zu ihren Gunsten eeinflussen werden. Die Schlichtung ist ebenfalls ein Nullsummenspiel, das Ergebnis meist ein Kompromiss.
Mediation
Ganz anders ist das Konzept und das daraus folgende Kommunikationsmodell der Mediation. Das Ziel ist es Verstehen zu vermitteln das die Parteien befähigt, selbst eine Lösung zu finden. Die Vereinbarung über die gefundene Lösung, also die Abschlussvereinbarung, ist genau betrachtet bereits die Umsetzung des Ziels. Anders als in den zuvor genannten Verfahren nimmt der neutrale Dritte (nach den Grundsätzen der integrierten Mediation) keinerlei bestimmenden Einfluss auf die Lösungsfindung (Grundsatz der Indetermination). Der Mediator positioniert sich außerhalb des Streitsystems. Das Spiel ist ein Nicht-Nullsummenspiel. Der Mediator ist nicht instrumentalisierbar. Aus dieser Rolle leitet sich ein Kommunikationsmodell ab, das Streitanlässe aus dem Weg räumt. Es macht keinen strategischen Sinn, den Anderen schlecht zu reden oder am Gewinnen zu hindern, denn das „Spiel“ sieht keine Verlierer vor4 .
Die Verfahren der Streitvermittlung bilden eine Gruppe in den Streitbeilegungsverfahren, bestehend aus den Grundformen der Mediation und Schlichtung. Dazu kommen noch Mischformen und Abgrenzungsprobleme, die im Zusammenghang mit der Streitvermittlung besprochen werden.
Verfahren der Streitvermittlung
Verfahren der Metainstanz
Im Kapitel Systematik wurde eine weitere Streitinstanz ausgewieden, der das sogenannte Verfahrensverfahren zugewiesen ist. Der Ausweis eines (nicht existierenden) eigenständigen Verfahrens soll den Bedarf formulieren einen Weg zu finden, wie sich die Verfahren kombinieren und koordinieren lassen. Folgendes Phänomen bildet den Ausgangspunkt für diese Überlegung:
{EXAMPLE()}Verfahrensperpetuum Mobile: In einer Vormundschaftssache stellte sich heraus, dass die Mutter nicht in der Lage ist. ihr Kind zu versorgen. Die hygienischen Verhältnisse in ihrem Haushalt sind menschengefährdend. Die Mutter ist uneinsichtig, lässt sich aber auf den Vorschlag des Betreuungsrichters ein, das Kind kurzzeitig in einer Pflege unterzubringen, bis der Zustand in ihrem Haushalt wieder menschenwürdig ist. Um der Mutter die nötige Unterstützung zu gewähren und sicherzustellen, dass die Unterbringung der Kinder so kurzfristig wie nur irgend möglich erfolgt, wird im Einvernehmen mit der Mutter eine Betreuung eingerichtet. Der Richter findet eine engagierte Betreuerin, die aber mit der Mutter nicht zusammenarbeiten kann. Es wird eine weitere Betreuerin zur Verfügung gestellt. Auch hier zeigen sich in kürzester Zeit Probleme im Umgang mit der Mutter. Es stellt sich heraus dass die Mutter an Borderline erkrankt ist. Die Unterbringungszeit der Kinder verlängert sich entsprechend. Die Mutter geht zum Anwalt. Der wirft der Justiz Unfähigkeit vor. Nach einer Zeit merkt er, dass er mit seiner Mandantin nicht zusammenarbeiten kann und legt das Mandat nieder. Die Mutter geht zum nächsten Anwalt. Der zieht alle juristischen Register, legt Rechtsmittel ein und beantragt weitere Verfahren. Nach einer Zeit liegt auch er das Mandat nieder. Die Mutter geht zum nächsten Anwalt .... das Perpetuum Mobile ist im vollen Gang. Jedes neue Verfahren hat den Blick auf sich und nicht auf die Gesamtsituation. Das Spiel beginnt immer wieder von neuem.{EXAMPLE}
Wenn von einem Verfahrensverfahren die Rede ist soll die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht werden den Tunnel Blick aus dem Verfahren heraus zu lenken und die Gesamtsituation im Blick zu haben. Dazu bedarf es nicht eines eigenständigen Verfahrens. Aber es bedarf einer Metainstanz, also einer Ebene in auf der sich das Verfahren die Vorgänge in dem Verfahren und die Abstimmung mit anderen Verfahren reflektieren lassen.
integrierte Mediation
Das Konzept der integrierten Mediation ist erkenntnisbasiert. Die Metaebene spielt in diesem Konzept eine ganz entscheidende Rolle. Sie wird für das Verfahren, für den Fall und für die Systemik fest etabliert, sodass die Verfahren wie Container betrachtet werden in dem sich die unterschiedlichsten Methoden einbeziehen lassen, soweit es der Rahmen des Verfahrens erlaubt.
Möglichkeiten der Streitvermeidung
ADR-Verfahren
Dem Oberbegriff ADR-Verfahren soll die außergerichtlichen Verfahren zusammengefassen. Der Begriff ist zu einem Sammelbecken von Verfahren geworden, die sich gerne als Alternative zum (konventionellen) Gerichtsverfahren präsentieren.
Bedeutung für die Mediation
Schon die Unterscheidung zwischen Streit- und Konfliktbeilegungsverfahren hat eine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit. Jeder Mediator ist gut beraten, wenn er zwischen Problemlösung (Streitbeilegung) und Konfliktlösung (Konfliktbeilegung) differenziert. Der Konflikt hat stets eine emotionale Beteiligung. Der Streit ist eine seiner Handlungsformen. Es macht einen Unterschied ob das Streiten abgestellt wird und der Konflikt verbleibt oder ob die Streitbeilegung auch zu einer Konfliktlösung führt. In der hier vorgestellten Systematik findet nicht nur der Mediator ein Handlungskonzept, dass es ihm erlaubt, die Leistungsfähigkeit der Verfahren korrekt anzubieten und adäquat zu verwirklichen.
Siehe auch: Systematik, Streitvermittlung