Bei der Entscheidung geht es um die Geltendmachung der Honorarforderung eines Rechtsanwaltes, der im vorliegenden Fall als Mediator aufgetreten war aber dabei (für das Gericht unbemerkt) seine Rolle verlassen hat.
Schon die Beschreibung der Fallbehandlung erschreckt. Zwar macht der Anwaltsmediator mit der Klage sein Honorar geltend; im Kern des Urteils aber geht es nicht um die Frage, inwieweit ein Anwaltsmediator eigene Berechnungen überhaupt in eine Mediation einbringen darf, sondern darum, ob die von dem Anwaltsmediator den Parteien vorgelegte (und auf Steuerbescheinigungen basierende) Unterhaltsberechung korrekt war oder nicht. Das Urteil führt aus:
“Der Anspruch auf die Vergütung im Falle der Kündigung entfällt gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn der Auftraggeber das Dienstverhältnis aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Dienstverpflichteten kündigt und die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben. … Für einen Vertrag über eine anwaltliche Mediation gilt nach Auffassung des Gerichtes nicht anderes, da auch dieser Vertrag ein Anwaltsvertrag ist. Wird die Mediation durch einen Anwalt angeboten, dann ist sie eine anwaltliche Dienstleistung, für die der Anwalt im Rahmen der mediationsfachlichen Regelungen genauso einzustehen hat, wie für alle anderen anwaltlichen Dienstleistungen auch. Der danach grundsätzlich mögliche Einwand aus § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB greift in der Sache jedoch nicht durch, weil ein Fehlverhalten des Klägers nicht festzustellen ist2. Ein Fehlverhalten liegt insbesondere nicht in einer möglicherweise falschen Unterhaltsberechnung. Zwar ist aufgrund eines normalen Anwaltsvertrages der Rechtsanwalt verpflichtet, einen Mandanten bei der Entscheidung über die Annahme eines Vergleichsvorschlages gründlich über das Für und Wider zu beraten und auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen eine Prognose darüber zu treffen, wie sich ein Rechtsstreit möglicherweise entwickeln wird. Eine Verletzung dieser Pflicht kann vorliegen, wenn er seinen Mandanten nicht zutreffend über die Berechnung eines Unterhaltsanspruches aufklärt (vgl. KG Berlin, KGR Berlin, 2005, 89 – 90; OLG Köln FamRZ 96, 942 – 944). Diese Sorgfaltspflichten eines eine Partei vertretenden Rechtsanwaltes treffen einen Rechtsanwalt, der als Mediator tätig wird, jedoch nicht in gleicher Weise. Wesen einer Mediation ist es nämlich, dass ein Mediator im Einverständnis beider Parteien mit dem Ziel der Vermittlung und Schlichtung tätig wird. Der Anwalt nimmt also nicht die Interessen einer Partei wahr, was sich auch schon daraus ergibt, dass ihm jede weitere Tätigkeit für eine Partei allein generell nach § 43 a Abs. 4 der BRAO untersagt wird. …”
Wir haben hier den Fall, dass ein Anwaltsmediator auf Grund seiner anwaltlichen Fallkenntnis in ein "Mediationverfahren" eigene Informationen einbringt, die er dann gegenüber dem Willen der Parteien auch noch als richtig verteidigt. Hier liegt unzweifelhaft der Ansatz für ein Fehlverhalten als Mediator; dieser Ansatz wurde vom Amtsgericht weder geprüft, noch bewertet. Gerade ein Anwaltsmediator hat eine gesteigerte Pflicht, darauf hinzuweisen, dass er in einer Mediation NICHT als Anwalt tätig wird. Bedenklich ist bereits, dass der Anwaltsmediator den Parteien offenbar seine eigene Berechnungsergebnisse vorgelegt hat, statt eigene Berechnungnen von den Parteien entwickeln zu lassen. Auffällig ist auch der Satz im Urteil:
“Nach Erhalt des Schreibens (des Mediators!!!) verlangte der Beklagte auch unter Einschaltung seiner Prozessbevollmächtigten eine Abänderung der Unterhaltsberechnung und lehnte die Durchführung weiterer Mediationssitzungen ab”.
Hier wird deutlich, dass der Mediator seine Rolle nicht geklärt hat und durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, dass es an ihm liege, Entscheidungen zu treffen. Das Verhalten des Anwaltsmediators passt in eine Schlichtung (und selbst das nur mit Vorbehalt), nicht in eine Mediation. Es liegt somit ein grober Verfahrensfehler vor.
Das Amtsgericht hätte diesen Fragen nachgehen müssen, denn der Mediator hat ein “gefährliches Spiel” gespielt. Er hat das Verhandlungsmodell der Mediation verlassen. Ob dieser Fehler zu einem anderen rechtlichen Ergebnis geführt hätte, bedarf einer weiteren Prüfung. Die Prüfung würde sich auf die Relevanz des Fehlverhaltens in der Mediation beziehen. Hier kommt der Verdacht auf, dass auch der Parteivertreter, der von der Partei schließlich eingeschaltet wurde, nicht wirklich weiß, was eine Mediation ist und dass der Vorschlag doch nur ein (unzulässiger) Schritt zur Lösungsfindung sein kann. Er hätte also die veränderte Berechnung in die Mediation einbringen können, wo der Mediator dann die unterschiedlichen Rechtsmeinungen auf die Interessenlage hätte zurückführen müssen. Als ein mit der Mediation vertrauter Rechtsbeistand hätte er auch den Fehler des Mediators ansprechen und zur Diskussion stellen müssen, bevor es zur Eskalation kommt. Stattdessen wurde die Eskalation gesucht. Die Frage ist, wie sich das Verhalten der Fachleute jetzt auf das Konfliktverhalten der Parteien und den von ihnen zu klärenden Fragen auswirkt. Wahrscheinlich sind nicht nur die Unterhaltsfragen danach in Gerichtsprozessen abgewickelt worden.
Was das Zusammenspiel der Fachleute nicht bewirkt hat, ist die Überführung von an und für sich gebotenen und offenbar unterlassenen bzw. nicht abgeschlossenen Verhandlungen über die Interessen (damit sind die Motive gemeint!!!) in eine Verhandlung über Lösungen.
Festzustellen ist, dass einer der Medianden mit der vorgegebenen Berechung überhaupt nicht zurecht gekommen war. Festzustellen ist auch, dass den Mediator zwar nicht die Sorgfaltspflichten eines eine Partei vertretenden Rechtsanwaltes treffen. Heute verlangt das Mediationsgesetz in § 6 den expliziten Hinweis auf den parteilichen Beratungsbedarf. Diese Pflicht betrifft auch Anwaltsmediatoren3. Ihre Verletzung stellt einen Haftungsfall dar4. Nichtsdestotrotz kann und muss er, wenn er schon Informationen und gar Lösungsvorschläge einbringt, diese so sorgfältig einführen, so dass die Parteien sie beide nachvollziehen können. Das schließt eine neutrale Beratung ein, in der die Grenzen des rechtlichen Rahmens offen gelegt werden müssen. Wohl bemerkt: Vorschläge, die eine Lösung vorgeben sind ohnehin höchst riskant. Sie sind von Vorschlägen und Beratungen zu unterscheiden, die nach der Lösungsfindung stattfinden. Das ist auch der Grund, warum WATNA/BATNA erst nach der Lösungsfindung, also erst gegen Ende der Phase 4 zum Tragen kommt.
Andere oder ergänzende Meinung
Der Grundsatz ist: Wenn ein Mediator Informationen einbringt, dann haftet er a) für deren Korrektheit und ist b) dafür verantwortlich, dass die Parteien diese nachvollziehen können, um sie zu ihrer eigenen Entscheidungsgrundlage zu machen.