Während der Roland Rechtsreport 20181 das Kapitel mit der Überschrift "Hohe Bedeutung der Mediation" versah, lautet die Kapitelüberschrift im Roland Rechtsreport 20212 "Hohe Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung". Auch die Zahlen haben sich verändert. Es ist von einer Steigerung die Rede. Im Jahre 2018 haben der Forschung zufolge 73 Prozent der Bevölkerung von der Möglichkeit der Mediation gehört. Der Report des Jahres 2021 führt aus, dass 86 Prozent der Bevölkerung bereits davon gehört haben, dass es neben dem Gerichtsverfahren die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung gibt. Im Jahre davor waren es 87, zwei Jahre davor waren es 84 Prozent. Es ist markant, dass im Unterschied zum Bericht aus dem Jahre 20183 jetzt ausdrücklich nicht nur die Mediation sondern auch die Schlichtung erwähnt wird. Explizit lautete die Fragestellung:

Wenn man bei einer rechtlichen Auseinandersetzung nicht mehr weiterkommt, gibt es neben dem Gerichtsverfahren auch die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung, z.B. die Mediation oder die Schlichtung. Dabei versuchen die beiden Streitparteien mit Hilfe eines unabhängigen Vermittlers gemeinsam zu einer Konfliktlösung zu kommen. Haben Sie von dieser Möglichkeit schon einmal gehört, oder hören Sie davon jetzt zum ersten Mal?


Wieder finden wir die Beschränkung auf eine rechtliche Auseinandersetzung und wieder wird nach der Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung nur für den Fall gefragt, wenn man bei der rechtlichen Auseinandersetzung nicht mehr weiterkommt. Also muss auch wieder darauf hingewiesen werden, dass die Mediation auch in anderen Fällen sinnvoll einzusetzen ist.

Interessanter war die zweite Frage, die den Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung abdecken sollte. Die Befragten wurden um eine Erfolgseinschätzung gebeten. Ihnen wurden folgende Verfahrensmerkmale vorgegeben:

  • Die Teilnahme an solchen Verfahren ist freiwillig
  • Die beiden Streitparteien versuchen mithilfe eines unabhängigen Vermittlers gemeinsam zu einer Konfliktlösung zu kommen
  • Der Vermittler unterstützt die beiden Streitparteien bei der Suche nach einer Konfliktlösung
  • Ob und wie die Parteien sich einigen, entscheiden sie alleine. Sie können sich aber auch rechtlich beraten lassen


Hier bewerteten die Befragten die Erfolgschancen der außergerichtlichen Streitbeilegung positiver als im Vergleich mit dem Report des Jahres 2018. Jetzt sind immerhin 52 Prozent davon überzeugt, dass sich mit einem solchen Verfahren viele Streitigkeiten beilegen lassen. 31% waren skeptisch. Im Roland Rechtsreport des Jahres 2018 lautete die Fragestellung:

  • Die Teilnahme am Mediationsverfahren ist freiwillig
  • Die beiden Streitparteien versuchen mit Hilfe eines unabhängigen Vermittlers, eines sogenannten Mediators, gemeinsam zu einer Konfliktlösung zu kommen
  • Die beiden Streitparteien wählen den Mediator gemeinsam aus
  • Der Mediator unterstützt die beiden Streitparteien lediglich bei der Suche nach einer Konfliktlösung, er trifft selbst keine Entscheidungen und schlägt keine möglichen Lösungen vor
  • Die gemeinsam gefundene Lösung beruht auf der Einigung der beiden Parteien


Damals waren 49 Prozent der Bürger überzeugt, dass sich durch die Mediation viele Streitigkeiten beilegen lassen. 37 Prozent waren skeptisch. Es gibt also eine geringfügig bessere Einschätzung zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung. Liegt das an der Fragestellung?

Ebenso bemerkenswert wie interessant ist der Zusammenhang den der Rechtsreport zwischen den Erfahrungen mit der Justiz und der Einschätzung der außergerichtlichen Streitbeilegung herstellt. Nach der Feststellung, dass die persönlichen Erfahrungen vor Gericht keineswegs zu einem positiveren Bild von der deutschen Justiz beitragen, beginnt das Kapitel über die außergerichtliche Streitbeilegung mit der Formulierung, dass die Möglichkeiten der außergerichtlichen Einigung vor diesem Hintergrund für viele an Attraktivität gewonnen hätten. Dem Leser wird nicht klar, ob und wie der Zusammenhang zwischen den Gerichtserfahrungen und der Einschätzung zur außergerichtlichen Streitbeilegung erforscht wurde. Das ist umso bemerkenswerter, als gleichzeitig festgestellt wird, dass das deutsche Rechtssystem in der Bevölkerung ein hohes Maß an Vertrauen genießt. Immerhin haben 66 Prozent der Bürger sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gerichte. Im Jahre 2018 waren es nur 64 Prozent. Leider werden den Erfahrungen, die Menschen mit der Justiz gemacht haben auch nicht die Erfahrungen gegenübergestellt, die sie mit der außergerichtlichen Streitbeilegung gemacht habe. Leider wird die außergerichtliche Streitbeilegung auch auf die triadischen Verfahren4 beschränkt, sodass das Potenzial der Möglichkeiten zur Streitbeilegung oder gar zur Streitvermeidung nicht ausgeschöpft wird.

Die Erforschung des Bekanntheitsgrades in der Mediation spielt für die Planung ihrer Entwicklung und ihre Förderung eine wichtige Rolle. Der Roland Rechtsreport gibt einen Eindruck wieder. Belastbare Zahlen liefert er jedoch nicht.

 
Headerbild von Pixabay athree23

3 Siehe dazu auch den Beitrag Roland-Rechtsreport
4 Siehe Systematik