Herr Trossen, Sie sind als Autor durch "Mediation (un)geregelt" bekannt geworden. Sie bezeichnen sich als Berufsmediator sind aber auch Ausbilder und Gründer wie Vorsitzender des Verbandes integrierte Mediation. Danke, dass Sie sich bereit erklärt haben, einige Fragen zu beantworten:
Redaktion: Wie sind Sie zur Mediation gekommen?
Trossen: Richtiger ist es wohl zu sagen, die Mediation ist zu mir gekommen. Ich war Wirtschaftsstaatsanwalt und Richter, zuletzt Familienrichter. Dort wurde ich mit Konflikten konfrontiert, die niemand haben muss. Das wirft schon die Frage auf, warum benehmen sich Menschen so? Warum müssen sie andere Vernichten und manchmal sogar sich selbst? Das irrationale Verhalten macht doch keinen Sinn, oder doch? Jedenfalls hatte ich überlegt, wie damit umzugehen ist. Was kann ich als Sachbearbeiter tun, um den Parteien aber auch mir selbst Linderung zu verschaffen und zu retten was zu retten ist. Sie merken, ich spreche von hoch eskalierten Konflikten und von - sagen wir - einem Selbstschutz.
Redaktion: Hoch eskalierte Konflikte, sind das denn überhaupt Fälle für die Mediation?
Trossen: Nicht, wenn Sie Glasl folgen. Er hat Recht, dass solche Fälle einen autoritären Input brauchen. Dass diese Fälle der Mediation aber vorbehalten sind, davon würde ich nicht ausgehen. Genau das war ja der Grund für die Gründung der integrierten Mediation. Als Richter hatte ich beides: die Möglichkeit das Verfahren vorzugeben und sich auf den Konflikt einzulassen. Aus dieser Position heraus habe ich mehr und mehr versucht, mediative Elemente in ein Gerichtsverfahren einzubringen.
Redaktion: Bei der integrierten Mediation geht es also um die Anwendung meditativer Techniken im Gericht?
Trossen: Um Gottes Willen, Nein! Das wurde immer behauptet. Vielleicht war das auch der Anfang. Schnell mussten wir aber feststellen, dass mediative Techniken im konfrontativen Umfeld zwar ein besseres Klima schaffen können, nicht aber wirklich die Lösung herbeiführen. Dann kam immer mehr hinzu, bis wir begriffen hatten, dass die Verfahren um alles aufgepumpt werden müssen, was die Mediation beschreibt. Wir, das sind Eberhard Kempf als Psychologe, Therapeut und Mediator, und Ralf Kippele als Rechtsanwalt und ich als Richter. Wir haben experimentiert und waren am Ende in der Lage einen Prozess zu beschreiben, der alle Elemente der Mediation enthielt. Wegen des formalen Argumentes, dass der Richter ja kein Mediator sein könne, hatten wir diese Vorgehensweise schließlich Integrierte Mediation genannt.
Redaktion: Warum hat sich das nicht durchgesetzt?
Trossen: Vielleicht war die Zeit nicht reif genug dafür. Die Verbände waren zu sehr auf sich konzentriert und hatten den Fokus selektiv auf die Mediation als Produkt gerichtet. Die integrierte Mediation ist in erster Linie eine Kompetenz nicht ein Produkt. Das Produkt ist - wenn man so will - ihr Abfallprodukt. Diese Herangehensweise ermöglicht mediation, macht sie in gewisser Weise aber weniger transparent und unauffälliger. Es gab sogar eine Evaluation von Prof. Dr. Neuert, die zu dem Ergebnis gelangt war, dass die integrierte Mediation statistisch messbare Verbesserungen eingebracht hat. Das wollte man nicht hören. Es ist wie die Pille, die Krankheiten verhindert. Die kann man nur einmal verkaufen. Das ist nicht gewünscht, wenn man ein Business im Kopf hat.
Redaktion: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Mediation ein, wenn Sie auf die Mediationslandschaft in Deutschland blicken?
Trossen: Auf zwei spontane Eigenschaftswörter gebracht, stellt sich die aktuelle Situation in der Mediationslandschaft für mich ebenso chaotisch wie oligarchisch dar. Einige meinen, sie müssten unbedingt etwas nach vorne bringen. Sie nennen es Professionalisierung und Stärkung der Mediation, können aber Fragen nach dem Konzept, dem Nutzen und der dahinter liegenden Vision nicht beantworten. Es wird auf Mehrheiten gesetzt, nicht auf Konsens. In dem Vorgehen findet sich ein meditativer Geist nicht mehr wieder. Wer darauf angespritzt bekommt zur Antwort: "Wir sind nicht in einer Mediation". Ein integrierter Mediator würde sich nicht erlauben so etwas zu sagen. Er würde einen breiten Konsens anstreben und sich dabei an dir Grundsätze der Mediation halten. Vor allem würde er sich im gedanklichen Rhythmus der Mediation bewegen und Entscheidungen erst treffen, wenn die Fakten geklärt und der (gemeinsame) Nutzen ebenso wie der Weg dorthin abgestimmt sind. Wenn Mediatoren sich nicht daran halten, fragt man sich schon was das bedeutet und wo sich die Mediation wiederfinden soll. Genau diese Auseinandersetzung findet im Moment offen oder verdeckt, laut oder leise in vielen Verbänden statt. Von einer meditativen Kooperation sind wir kilometerweit entfernt. Da ist die Mediation kein Vorbild.
Redaktion: Was würden Sie sich wünschen für die Mediation in Deutschland?
Trossen: Dass die Einführung der Mediation an der Mediation gemessen werden kann. Ich beobachte, dass viele, die Mediation betreiben, sich selbst nicht an die Grundsätze halten. Es wird darüber geredet aber die Mediation wird nicht gelebt. Ich sorge mich, dass dieser Widerspruch die Mediation gefährdet.