Keine Verfahrensfestlegung erforderlich für Honoraranspruch, wenn der Rechtsanwalt beide Parteien im Rahmen einer Schlichtung oder Mediation vertritt. Honoraransprüche aus einer Mediation lassen sich nicht herleiten, wenn der Anwaltsmediator aktive Rechtsberatung betreibt, seine Rolle nicht sauber abgrenzt und auch keine erkennbare Vermittlungsleistung erbringt. Vorgestellt und besprochen wird das Urteil des OLG Hamm, Urteil vom 20.10.1998 - 28 U 79/97
Entscheidung
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, macht mit der Klage ein Honorar geltend für ein am 31.8.1994 durchgeführtes Beratungsgespräch. Bei dem Gespräch haben sich ein Bauunternehmer und ein Bauherr bei dem Anwalt getroffen, um über die Zahlungspflicht für eine fällige Baurate zu verhandeln. Die Zahlungspflicht war streitig. Zu Beginn des Gesprächs hatten der Bauherr und der Bauunternehmer dem Kläger dargelegt, dass die Fälligkeit der 2. Rate zwischen ihnen streitig sei und baten um rechtliche Beratung. Der Inhalt des 1 1/2-stündigen Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger diktierte am 31.8.1994 einen Vermerk über das Gespräch, den er mit Schreiben vom 2.9.1994 an beide Parteien übersandte. In dem Vermerk vom 31.8.1994 hielt der Kläger unter anderem folgendes fest: Der Bekl. verweigere die Zahlung der 2. Rate, weil er den Standpunkt vertrete, dass er eine Vorleistung erbracht habe, da in der 1. Rate Gewinn enthalten sei, dem keine Bauleistungen gegenüberstünden. Ferner habe der Bekl. die Befürchtung geäußert, dass eventuell die weiteren Raten nicht ausreichten, um den Bau fertigzustellen. Er, der Kläger, habe darauf hingewiesen, dass die in der 1. Rate enthaltene teilweise Vorauszahlung Inhalt des Vertrages gewesen sei, dass die Fälligkeit der nachfolgenden Raten aber von einer Vorausleistung des Bauunternehmers abhängig sei. § 322 BGB finde keine Anwendung und auch sonst greife kein sonstiger rechtlicher Gesichtspunkt ein, der den Bekl. und seine Ehefrau zur Verweigerung der Zahlung der nach dem Vertrag eindeutig fälligen 2. Baurate berechtige, zumal über den Bauwert für die Fälligkeit der 2. Rate hinaus bereits das Dach eingedeckt und die Rohbauinstallation überwiegend fertiggestellt worden sei. Er habe darauf hingewiesen, dass sich für den Bauunternehmer erhebliche Rechte ergeben könnten, wenn geschuldete Werklohnzahlungen ausblieben. Dem Zeugen E, der wegen eigenmächtiger Veränderungen der Bauausführung durch den Bekl. mit einer Anzeige bei der Bauordnungsbehörde gedroht habe, habe er hiervon abgeraten. Am 1.9.1994 veranlaßten der Bekl. und seine Ehefrau die Überweisung der 2. Rate an den Bauunternehmer, der später in Konkurs fiel.
Das OLG hat dem Kläger einen Honoraranspruch zuerkannt.
Der Kläger ist auf Grund eines von beiden Vertragsparteien erteilten Mandats für den Bauherrn und dien Bauunternehmer als Mediator tätig geworden. Soweit der Bekl. schriftsätzlich bestritten hat, dass er dem Kläger einen derartigen Auftrag erteilt habe, hat er dies bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat am 03.03.1998 ebenso wie bereits bei seiner persönlichen Anhörung vor dem LG dahingehend richtig gestellt, dass er den Kl. zusammen mit dem Zeugen E zu einer Schlichtung aufgesucht hat, um eine faire Lösung für alle zu finden.
Andere oder ergänzende Meinung: Die Bezeichnung Schlichtung spricht gegen eine Mediation. Dass eine faire Lösung gefunden werden soll spricht für eine Mediation, aber nur, wenn die Suche von den Parteien erfolgen sollte. Dass ständig vom Beratungsgespräch die Rede ist, spricht wieder gegen eine Mediation.
Er hat ferner bestätigt, dass der Kläger wie dieser in seinem Aktenvermerk niedergelegt hat zu Beginn des Beratungsgespräches am 31.08.1994 darauf hingewiesen hat, dass er sowohl den Bauunternehmer als auch den Beklagten beraten werde, im Falle eines Streits aber keinen von beiden vertreten könne und werde. Die demnach unstreitige gemeinsame Beauftragung des Klägers, als Schlichter für beide Vertragsparteien tätig zu werden, ist rechtlich als Mandatserteilung für eine Mediatortätigkeit zu qualifizieren.
Andere oder ergänzende Meinung: Nicht ohne Weiteres.
Hierbei ist unerheblich, dass der Bauunternehmer den Gesprächstermin nach Abstimmung mit dem Beklagten telefonisch mit der Kanzlei des Klägers vereinbart hat. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob er bereits bei diesem Telefonat von einem Schlichtungsmandat sprach. Entscheidend ist, dass zu Beginn des Beratungsgespräches zwischen allen Beteiligten klar war, dass der Kläger beide Vertragsparteien als Mediator beraten sollte.
Andere oder ergänzende Meinung: Der Schwerpunkt einer Mediation ist eine Vermittlungsleistung keine Beratung. Die Gleichsetzung von Mediation und Schlichtung spricht ebenfalls dafür, dass es sich weder um das eine noch das andere gehandelt hat.
Die Höhe des Honorars ist von dem Kläger zutreffend berechnet worden. Die zu zahlende Vergütung bemißt sich mangels abweichender Parteivereinbarung nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Der Anwendung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung steht § 1 II BRAGO nicht entgegen, weil es sich bei der Mediation um eine originär anwaltiche Tätigkeit handelt, die nicht den in § 1 Absatz II BRAGO genannten Tätigkeiten, auf die die BRAGO keine Anwendung findet, gleichzustellen ist (vgl. Schlußbericht des BRAK-Ausschusses Mediation, BRAK-Mitt. 5/1996, Seite 187). Für die Tätigkeit als Mediator können die Kl. eine Gebühr nach § 20 BRAGO geltend machen (vgl. Schlußbericht des BRAK-Berichtes Mediaton, BRAK-Mitteilung 5/1996, Seite 187). Nach § 20 Absatz I Satz 2 BRAGO ist die Gebühr der Höhe nach auf 350,00 DM begrenzt. Ferner können die Kl. die Auslagenpauschale nach § 26 Satz 2 BRAGO in Höhe von 40,00 DM sowie MwSt geltend machen, ...
Gegenüber dem Honoraranspruch kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass der Kläger das Mandat wegen der Gefahr der Interessenkollision nicht hätte annehmen dürfen. Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte in Übereinstimmung mit der Aussage des Bauunternehmers bekundet, dass der Kläger von beiden Vertragsparteien einverständlich als Schlichter beauftragt worden sei. Eine derartige im Einvernehmen mit beiden Vertragsparteien vorgenommene Tätigkeit als Mediator begegnet keinerlei rechtlichen Bedenken....
Das Schlichten und Vermitteln in Konflikten gehört zum klassischen anwaltlichen Aufgabenbereich. Das Interesse der an der Mediation Beteiligten ist gerade nicht entgegengesetzt, sondern gleichgerichtet, nämlich auf das Ziel der Formulierung einer gemeinsam erarbeiteten, einvernehmlichen Regelung (vgl. Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 1997, Rdnr. 19 und 21; Schlußbericht des BRAK-Ausschusses Mediation, BRAK-Mitteilungen 5/1996, Seite 186; Henssler, Anwaltliches Berufsrecht und Mediation, Anwaltsblatt 1997, 130; Jessnitzer/Blumberg, Bundesrechtsanwaltsordnung, 8. Aufl., § 43 a Rdnr. 4, Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43 a Rdnr. 148).
Die von dem Kläger in Höhe des Honoraranspruchs erklärte Hilfsaufrechnung greift nicht durch, weil dem Bekl. kein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch zusteht. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages scheidet aus. Wie bereits dargelegt, ist der Kläger als Mediator für beide Vertragsparteien tätig geworden und nicht etwa auf Grund eines ihm allein von dem Bekl. erteilten Mandats als dessen Interessenvertreter. Seine Verpflichtungen sind daher ausschließlich an den Pflichten eines Mediators zu messen. Der Mediator darf bei seiner Tätigkeit nicht einseitig einen seiner Auftraggeber vertreten, sondern ist zur Neutralität verpflichtet (vgl. Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 18 Rdnr. 24). Gegenstand der Mediation ist die Rechtsberatung beider Auftraggeber und der Versuch einer Schlichtung zwischen ihnen (vgl. Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 18 Rdnr. 26).
Andere oder ergänzende Meinung: Gegenstand der Mediation ist die Vermittlung zur SUCHE nach einer Lösung.
Die Mediation ist ein freiwilliges, außergerichtliches Konfliktbearbeitungsverfahren, das darauf abzielt, den Konfliktpartnern Wege zu weisen, damit sie gemeinsame Entscheidungen treffen können, die letztlich von ihnen selbst zu verantworten sind (vgl. Mähler/Mähler, Streitschlichtung-Anwaltssache, hier: Mediation, NJW 1997, 1263). Der Mediator ist verpflichtet, den von beiden Parteien offen gelegten streiterheblichen Sachverhalt zu würdigen und beide Parteien über ihre jeweiligen Rechte und Pflichten umfassend zu informieren, ohne Rücksicht darauf, ob dies die Einigung letztlich erschwert oder nicht (vgl. Schlußbericht des BRAK-Ausschusses, Mediation, BRAK-Mitteilungen, 1996, Seite 187).
Andere oder ergänzende Meinung: Zulässig isst allenfalls eine sogenannte Vertragsberatung, NACHDEM die Parteien selbst die Lösung gefunden haben
Die funktionale Stellung des als Mediator tätigen Rechtsanwalts setzt präventiv seine Unabhängigkeit und Neutralität voraus (vgl. Schlußbericht des BRAK-Ausschusses Mediation, BRAK-Mitteilung 1996, 187). Der Mediator vertritt keine Partei und ist allein dazu verpflichtet, ein Verfahren der Streitschlichtung zu moderieren, wobei er dem Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet ist (vgl. Ponschab, Anwaltliche Schlichtung, Anwaltsblatt 1993, 431).
Unter Beachtung dieser zutreffenden Grundsätze hat der Kl. zu 1) nicht gegen seine Pflichten als Mediator verstoßen. Er hat, wie sich aus Ziff. 9 seines Aktenvermerks vom 31.08.1994 ergibt - und wie auch vom Bekl. bei seiner persönlichen Anhörung bestätigt worden ist -, zu Beginn des Gesprächs dargelegt, dass er keine der beiden Vertragsparteien als Anwalt vertreten werde. Er hat auch den ihm von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt bei seiner rechtlichen Würdigung vollständig und zutreffend bewertet.
Andere oder ergänzende Meinung: Unter Beachtung der Regeln der Mediationskunst ist gar nicht ersichtlich, wo der Kläger meditiert hat. Der Vermerk würde der in der ZMediatAusbV (Entwurf) vorgesehenen Dokumentationspflicht auch nicht entsprechen.
Anmerkung
Das Urteil ist aus dem Jahre 1998. Man mag dem Gericht zugute halten, dass die Mediation zu dem Zeitpunkt noch nicht hinreichend bekannt war. Besser wäre es gewesen, die Beratung als eine unparteiliche Rechtsberatung zu qualifizieren. Merkmale einer Mediation sind gar nicht vorgetragen worden.