Die Entscheidung hat den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. August 2013 – 5 TaBV 22/12 – aufgehoben. Zur Begründung wird ausgeführt:
A. Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten.
Der Arbeitgeber ist der Trägerverein der Symphoniker. Er wendet auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Musiker den zwischen dem Deutschen Bühnenverein-Bundesverband der Theater und Orchester und der Deutschen Orchestervereinigung e.V. geschlossenen Haustarifvertrag vom 28. Februar 2011 an, welcher im Wesentlichen auf den Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in der jeweils gültigen Fassung verweist. § 12 Abs. 1 TVK lautet:
„Arbeitszeit
§ 12
Dienstliche Inanspruchnahme
(1)
Dienst ist die Mitwirkung des Musikers bei Aufführungen und Proben.“
Bei den Symphonikern ist die Gruppe der ersten Violinen mit 12 Musikern besetzt. Unter diesen kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung der Sitzplätze hinter dem ersten und zweiten Pult während der Orchesteraufführungen. Zur Streitbeilegung wurde ein Mediationsverfahren durchgeführt, an dem sich jedoch nicht alle betroffenen Musiker beteiligten. Die an dem Verfahren teilnehmenden Arbeitnehmer baten die Intendanz, für das vorgesehene Abschlussgespräch eine verpflichtende Teilnahme auszusprechen.
Im Juni 2011 ersuchte der Arbeitgeber den bei ihm gebildeten Betriebsrat um Zustimmung zum Dienstplan für den Monat Juli 2011. Dieser sah für den 20. des Monats neben der allgemeinen Probe eine verpflichtende Dienstbesprechung aller Musiker der ersten Violinen vor. Der Betriebsrat stimmte dem Dienstplan nicht zu. Der ihm vorgelegte geänderte Dienstplan enthielt keine Dienstbesprechung mehr.
In einem an die Musiker der ersten Violinen gerichteten Schreiben des Arbeitgebers vom 5. Juli 2011 heißt es:
„… hiermit lade ich Sie ein, zum Abschlussgespräch der Mediationsrunde der I. Violinen am
Mittwoch, 20. Juli 2011 von 13.00 – 14.00 Uhr
ins Besprechungszimmer zu kommen.
Ich weise Sie daraufhin, dass Sie verpflichtet sind, im Rahmen Ihrer arbeitsvertraglichen Regelungen an diesem Termin teilzunehmen …“
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der im Schreiben vom 5. Juli 2011 ausgesprochenen verpflichtenden Teilnahme an einem Gruppengespräch handele es sich um Arbeitszeit, bei deren Festlegung er nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG zu beteiligen sei.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1.
dem Arbeitgeber zu untersagen anzuordnen, dass seine Arbeitnehmer außerhalb der im Dienstplan vorgesehenen Dienste an einem Gruppenpersonalgespräch teilnehmen müssen, ohne dass der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt hat oder die Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt wurde;
2.
für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiergegen ein Ordnungsgeld iHv. bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.
Der Arbeitgeber hat zur Begründung seines Abweisungsantrags ausgeführt, für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BetrVG fehle es bereits an einem kollektiven Tatbestand. Ein etwaiges Beteiligungsrecht sei zudem nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Beschwerde des Arbeitgebers abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats auf die Beschwerde des Arbeitgebers zu Unrecht abgewiesen.
I. Das Arbeitsgericht hat dem auf Unterlassung gerichteten Antrag zu 1. zu Recht entsprochen.
1. Der Antrag ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.
a) Entgegen dem weit gefassten Antragswortlaut wendet sich der Betriebsrat nicht gegen die Anberaumung von jeglichen Gesprächen außerhalb der im Dienstplan festgelegten Zeiten, die ohne seine Zustimmung oder deren Ersetzung durchgeführt werden sollen. Gegen ein solches Verständnis spricht der vom Betriebsrat zur Begründung seines Antrags angeführte Anlassfall. Die in diesem liegende Verletzungshandlung des Arbeitgebers wird begrenzt durch die beteiligte Personengruppe („Orchestermusiker“) und den besonderen Grund für die vom Arbeitgeber ausgesprochene Weisung. Gegenstand des Abschlussgesprächs sollte eine Aussprache unter den Musikern der ersten Violinen über das zuvor durchgeführte Mediationsverfahren sein. Nur auf die sich daraus ergebende Verletzungsform kann der Betriebsrat sein zukunftsgerichtetes Unterlassungsbegehren stützen. Bei einem wörtlichen Verständnis würde der Antrag jedoch darüber hinaus Fallgestaltungen umfassen, bei denen es bereits an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr als Anspruchsvoraussetzung für die erstrebte Unterlassung fehlte. Über den angeführten Anlassfall hat der Betriebsrat weitere Verstöße gegen sein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Arbeitszeit nicht dargetan. Die verlangte Unterlassung ist deshalb dahin zu verstehen, dass sie sich nur auf einen Fall bezieht, in dem der Arbeitgeber gegenüber Orchestermusikern anordnet, an einem Gespräch von mindestens zwei Orchestermusikern außerhalb der im Dienstplan festgelegten Zeiten über die Sitzordnung im Orchester teilzunehmen, ohne dass der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt hat oder diese durch die Einigungsstelle ersetzt wurde. Weitergehende Rechte nimmt der Betriebsrat nicht in Anspruch. Dies hat er in der Anhörung vor dem Senat klargestellt.
b) Mit dem vorstehenden Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht die Begrifflichkeit „außerhalb der im Dienstplan vorgesehenen Dienste“ nicht entgegen. In Anlehnung an § 12 Abs. 1 TVK meint der Betriebsrat mit „Dienst“ ersichtlich eine den Orchestermusikern gegenüber angeordnete Anwesenheitsverpflichtung außerhalb von Aufführungen und Proben. Über das inhaltliche Verständnis des „Dienstplans“ streiten die Beteiligten nicht. Der Arbeitgeber kann erkennen, was von ihm verlangt wird.
2. Der auf Unterlassung gerichtete Antrag zu 1. ist begründet. Der Arbeitgeber darf künftig die Teilnahme von Orchestermusikern an Gesprächen über die Sitzordnung im Orchester nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung anordnen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
a) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann der Betriebsrat nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen, sondern sich gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren (zuletzt BAG 25. September 2012 – 1 ABR 49/11 – Rn. 19).
b) Der Arbeitgeber hat mit der im Schreiben vom 5. Juli 2011 gegenüber den Musikern der ersten Violinen getroffenen Anordnung, am 20. Juli 2011 im Betrieb zu erscheinen und an dem Abschlussgespräch teilzunehmen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verletzt.
aa) Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen war die verfahrensgegenständliche Maßnahme des Arbeitgebers auf die Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und nicht auf die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gerichtet.
(1) Betriebsübliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit. Sie wird bestimmt durch den vertraglich geschuldeten regelmäßigen zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und die für ihn erfolgte Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte. Sie muss im Betrieb nicht einheitlich, sondern kann für verschiedene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein (BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 66/12 – Rn. 21, BAGE 147, 113).
(2) Die im Schreiben vom 5. Juli 2011 liegende Anordnung hat das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht bereits deshalb ausgelöst, weil die Teilnahme der Musiker der ersten Violinen an dem Abschlussgespräch im Dienstplan für den Monat Juli 2011 nicht vorgesehen war. Zwar haben Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Verteilung der gesamten betriebsüblichen Arbeitszeit vorzunehmen, weshalb die Anordnung einer über die dienstplanmäßige Festlegung hinausgehenden Arbeitsleistung bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestands das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auslösen kann. Die Betriebsparteien haben im Dienstplan für Juli 2011 aber nicht die gesamte regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit verteilt, sondern sich auf die Festlegung der zeitlichen Lage der durch § 12 Abs. 1 TVK bestimmten dienstlichen Inanspruchnahme der Mitglieder des Kulturorchesters beschränkt. Nach dieser Vorschrift gilt als Dienst die Mitwirkung des Musikers bei Aufführungen und Proben. Auf diese beschränkt sich die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung der Orchestermusiker jedoch nicht. So gehen beide Beteiligte übereinstimmend davon aus, dass von der Arbeitsverpflichtung zumindest auch das Üben und die Instrumentenpflege umfasst sind. Weitere Regelungen über die betriebsübliche Arbeitszeit der Orchestermusiker bestehen nicht. Es ist weder festgestellt noch ergeben sich aus dem Vorbringen der Beteiligten Anhaltspunkte dafür, dass in den Arbeitsverträgen der Orchestermusiker das regelmäßige Arbeitszeitvolumen festgelegt ist.
bb) Der Arbeitgeber hat jedoch mit der im Schreiben vom 5. Juli 2011 ohne Mitwirkung des Betriebsrats getroffenen Anordnung gegen § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen.
(1) Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Der Zweck des Mitbestimmungsrechts besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft dementsprechend die Lage der Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit (BAG 25. Februar 2015 – 1 AZR 642/13 – Rn. 19). Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Dies umfasst jegliche Tätigkeiten, die einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen (BAG 12. November 2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 20, 57, BAGE 146, 271).
(2) In Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die im Schreiben vom 5. Juli 2011 getroffene Anordnung der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
(a) Die Maßnahme hatte die Art und Weise der Ausübung der Arbeitsleistung von Orchestermusikern und daher eine fremdnützige Tätigkeit zum Gegenstand. Das Gespräch betraf die Sitzordnung der Musiker der ersten Violinen während der Aufführungen des Orchesters. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass die Mehrheit der betroffenen Musiker mit der Durchführung des Gesprächs einverstanden war. Ein solches Einverständnis hebt die Zuordnung von Anordnungen im Zusammenhang mit der Art und Weise der zu erbringenden Arbeitsleistung zu den fremdnützigen Tätigkeiten nicht auf.
(b) Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen war die Mitbestimmung des Betriebsrats auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Orchestermusiker nicht zur Teilnahme an dem Abschlussgespräch verpflichtet werden konnten. Für das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten ist die individualrechtliche Zulässigkeit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahme ohne Bedeutung. Der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist bereits erfüllt, wenn der Arbeitgeber tatsächliche Maßnahmen in Bezug auf die Festlegung der Arbeitszeit trifft und ein kollektiver Tatbestand besteht. Nur bei diesem Verständnis wird dem Schutzzweck der Mitbestimmung, die einseitige Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers durch die Mitwirkung des Betriebsrats zu begrenzen, ausreichend Rechnung getragen.
(c) Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers fehlt es nicht an dem nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erforderlichen kollektiven Tatbestand.
Ein solcher liegt vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die über eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtsausübung hinausgeht und kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt (BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 63/10 – Rn. 18, BAGE 140, 343). Dies ist vorliegend der Fall. Die im Schreiben vom 5. Juli 2011 enthaltene Anordnung war an die Musiker der ersten Violinen und damit an eine nach abstrakten Kriterien definierte Gruppe von Arbeitnehmern gerichtet. Die Maßnahme war nicht durch besondere, nur einen einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände veranlasst oder inhaltlich bestimmt.
cc) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist schließlich nicht nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ausgeschlossen.
(1) Nach dieser Vorschrift finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes ua. auf solche Unternehmen und Betriebe, welche unmittelbar und überwiegend künstlerischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Das ist der Fall, wenn es sich um tendenzbezogene Maßnahmen handelt und wenn die Ausübung des Beteiligungsrechts die Tendenzverwirklichung ernstlich beeinträchtigen kann. Hierfür reicht es nicht aus, dass von dieser Tendenzträger erfasst werden. Die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betrifft in der Regel Angelegenheiten, die vornehmlich den wert- und tendenzneutralen betrieblichen Arbeitsablauf zuzuordnen sind (BAG 11. Februar 1992 – 1 ABR 49/91 – zu B II 3 c der Gründe, BAGE 69, 302).
(2) Die im Schreiben vom 5. Juli 2011 liegende Anordnung des Arbeitgebers hat keinen unmittelbaren Bezug zu dem vom Arbeitgeber verfolgten Tendenzzweck. Ebenso wenig wie die künstlerische Bestimmung des Orchesterbetriebs durch das mitbestimmte Aufstellen konkreter Dienstpläne – bei denen der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wahrt – in Frage gestellt ist, wird sie durch die Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung der Zeiten für ein Gespräch über die Sitzordnung von Orchestermusikern beeinträchtigt.
II. Der zulässige Antrag zu 2. ist gleichfalls begründet. Das Prozessgericht kann dem Schuldner auf Antrag des Gläubigers für den Fall, dass dieser gegen eine im Tenor ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung verstößt, gemäß § 890 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO wegen jeder Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgelds bis zur Höchstgrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG androhen (BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zu B V der Gründe, BAGE 110, 252). Ein solcher Antrag kann mit dem Sachantrag im Erkenntnisverfahren verbunden werden (BAG 24. April 2007 – 1 ABR 47/06 – Rn. 24, BAGE 122, 127).