Eine Mediation zum Zeitpunkt der Trennung kann zum einen Eltern dabei unterstützen Ihren
Beziehungskonflikt zu „erhellen“ und damit wieder einen klareren Blick für Sachthemen zu bekommen. Zum anderen hilft eine Mediation zu diesem Zeitpunkt Regelungen zu treffen, die die ohnehin schwierige Situation für die Kinder nicht noch schwieriger macht. Auf diese Art und Weise können Kinder schneller wieder Vertrauen in die für sie neue Situation gewinnen und Ängste, die bei einer Trennung entstehen, überwinden. Ganz zu schweige von seelischen Schäden, die vermieden werden, wenn Eltern ihren Beziehungskonflikt zu Lasten der Kinder austragen.
Faktoren für eine gesunde Entwicklung von Kindern
Kinder sind bei der Geburt 100%ig von den Eltern abhängig. Dies ändert sich mit zunehmendem Alter. Mit 18 tritt vor dem Gesetz die Volljährigkeit ein. Der Zeitpunkt an dem Kinder alle Rechte haben, aber damit auch für alles einstehen müssen. Die Aufgabe für Eltern besteht also darin, Kinder nicht nur zu versorgen, sondern in Ihrer Entwicklung so zu fördern, dass Sie zum notwendigen Zeitpunkt für sich selbst die richtigen Entscheidungen treffen und „Nein“ sagen, wenn es besser für sie ist. Zwischen Eltern und Kindern bestehen entsprechend zweierlei Beziehungen, die man unterscheiden muss:
- Die Versorgungsbeziehung
- Materielle Versorgung: Materielle Versorgung bedeutet Nahrung, Kleidung, Wohnraum, usw. Eine materielle Grundversorgung ist überlebenswichtig. Ohne Nahrung würden wir verhungern, ohne Wohnraum und warme Kleidung im Winter möglicherweise erfrieren. All dies stellen Eltern für Ihre Kinder sicher.
- Emotionale Versorgung: Ein Kind emotional zu versorgen, bedeutet ihm Liebe zu schenken, verfügbar zu sein, wenn es Unterstützung benötigt, Empathie, Grenzen setzen, u.v.m. Je stabiler die emotionale Versorgung innerhalb der Familie ist, umso besser kann sich das Kind dem Leben außerhalb der Familie zuwenden, die Persönlichkeit entwickeln, lernen usw.
- Entwicklungsförderung: Entwicklungsförderung besteht darin besondere Fähigkeiten und Talente des Kindes zu erkennen und zu fördern. Ihm die Möglichkeit geben, Dinge auszuprobieren und diese besonderen Fähigkeiten und Talente zu entdecken. Das erfordert von den Eltern zum einen eine emotionale Fähigkeit aber auch finanzielle Mittel.
- Die Identitätsbeziehung: Menschsein bedeutet Leben und Überleben. Wenn ein Kind geboren wird, hat dieses (Über-) Lebensprogramm erfolgreich funktioniert. Dabei hatten Mutter und Vater eigene (Über-) Lebensprogramme, die völlig unabhängig voneinander und möglicherweise auch gegensätzlich sind. Ein Kind ist zu 50% Mutter und zu 50% Vater. Das bedeutet es trägt beide Programmatiken in sich, die es zu einer neuen Persönlichkeit zusammenführt. Die Persönlichkeit entwickelt sich dabei durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt. Ohne Informationen aus der Umwelt kämen die beiden genetischen Programmatiken nicht zum Tragen. Der freie „Zugang“ zur väterlichen und mütterlichen Programmatik ist die ideale Voraussetzung für eine gute Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Umgekehrt können Störungen bzw. der nicht freie Zugang zu den elterlichen Programmatiken zu einer negativen Beeinflussung der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung Kommen. Bis hin zu tiefgreifenden Persönlichkeitsstörungen die sich über Generationen fortsetzen. Auch neue Partner stellen nicht zwangsläufig eine Störung – aber auf jeden Fall eine Herausforderung für die Persönlichkeitsentwicklung dar.
Die Trennung der Eltern
Für ein Kind, das mit beiden Eltern zusammenlebt, bricht bei einer Trennung eine Welt zusammen. Das Ereignis kommt für ein Kind meist überraschend. Und es hat keinen Einfluss darauf – ist dem also ungefragt ausgeliefert. Die Eltern lieben sich nicht mehr – noch mehr – sie hassen sich häufig sogar. Das Kind jedoch liebt nach wie vor beide Eltern. Je nach Alter weiß das Kind bereits sehr genau, dass es ein Geschöpf aus beiden Teilen ist: Ein Teil Vater und der andere Teil Mutter. Es ist offensichtlich welcher innere Konflikt in dem Kind stattfindet, wenn nun ein Elternteil den anderen schlecht macht.
Da ein Zusammenleben mit beiden Eltern nicht mehr möglich ist, stellt eine Entscheidung für den einen oder anderen Elternteil einen unlösbaren Konflikt für das Kind dar. Verlustängste oder Schuldgefühle an der Trennung der Eltern können auftreten. So unterschiedlich und individuell jedes Kind in seiner Persönlichkeit ist, so individuell und unterschiedlich sind auch mögliche Reaktionen nach einer Elterntrennung: von unauffällig über zurückgezogen oder aggressiv ist Vieles möglich.
Leider sind Eltern in der Trennungsphase sehr in ihrem Paarkonflikt gefangen und es werden negative Gefühle auf die Elternrolle übertragen. Plötzlich ist die Frau eine schlechte Mutter oder der Mann der sein schlechter Vater. Plötzlich ist die Zeit mit dem Kind oder der zu leistende Unterhalt eine gleichzeitige Unterstützung des neuen Lebens des anderen, die man nicht leisten will und schon geht das Ganze zu Lasten des Kindes. Die Faktoren für eine gesunde Kindesentwicklung sind gefährdet oder möglicherweise nicht mehr gegeben. Bewusst oder unbewusst. Plötzlich schaden Eltern dem Kind, für das die Eltern doch eigentlich nur das Beste wollen.
Psychologische Folgen der Trennung für Kinder
Es gibt verhältnismäßig wenige Studien über psychische Langzeitfolgen von Trennungskindern. Der Diplompsychologe Claus Koch zieht hierzu 3 Studien heran:
- Virginia Langzeitstudie von Mavis Hetherington
- Studie von Judith Wallerstein
- Kinderstudie des Deutschen Jugendinstituts München
Die Studien von Hetherington und Wallerstein aus den 70er Jahren entstanden in einer Zeit, in der Trennungen und Scheidungen gesellschaftlich weit weniger akzeptiert waren als heute. Die Münchener Studie fand ihren Ursprung in den 90er Jahren. Ist also weitaus aktueller. Die Sicht der Gesellschaft auf Trennungs- bzw. Scheidungskinder und die entsprechenden Familienkonstellationen spielen bei der Bewertung der Folgen durch die Kinder selbst sicherlich eine Rolle.
Allen Studienergebnissen gemeinsam ist jedoch, dass die Kinder im Moment der Trennung eine sehr hohe psychische Belastung empfinden. Während Mavis Hetherington davon ausgeht, dass bereits nach 2 Jahren eine deutliche Verbesserung stattfindet, kommt Wallerstein zu dem Schluss, dass die Kinder auch nach 10 Jahren noch sehr unter der Trennung leiden.
Die Ergebnisse der Studien von Hetherington und des Münchener Jugendinstituts haben eines gemeinsam: Sie kommen zu dem Schluss, dass die Art und Weise wie Eltern nach der Trennung mit der Betreuung und Versorgung der Kinder umgehen, einen entscheidenden Einfluss auf die spätere psychische Verfassung von Trennungskindern im Erwachsenenalter hat. Je stärker sie den anderen Elternteil schlecht machen, Kämpfe um das Kind austragen und sich „zerfleischen“, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit negativer Folgen für das Kind im Erwachsenenalter. Besonders problematisch werden Familien gesehen, die hochgradig eskalierte Konflikte haben und diese immer wieder gerichtlich austragen.
Hier wird bereits deutlich welchen positiven Beitrag Trennungs- bzw. Familienmediationen für die psychische Entwicklung von Trennungskindern beitragen kann.
Was kann Mediation im Moment der Trennung für Kinder leisten?
Das Ziel nach einer Trennung sollte für die Kinder immer der freie Zugang zu Mutter und Vater sein. Auch die erweiterte Familie wie Großeltern oder Tanten und Onkels sollte für Kinder weiterhin frei verfügbar sein.
Speziell im Moment der Trennung ist die Situation für Eltern und Kinder jedoch besonders schwierig. Und damit ist es für viele besonders schwierig, diese freie Verfügbarkeit herzustellen. Für Kinder ist die Trennung der Moment der höchsten psychischen Belastung, für Eltern ein Moment, in dem eine
„gesunde“ Regelung besonders schwerfällt. Der Paarkonflikt wird auf die Elternebene übertragen.
Beim Vorliegen einer solchen Konfliktkonstellation kann eine Mediation zum Zeitpunkt der Trennung einen wichtigen Beitrag im Sinne des Kindeswohls leisten. Und zwar lange bevor der eigentliche gerichtliche Scheidungsakt beginnt an dem allerspätestens gerichtlich die relevanten Kindsfragen wie Unterhalt und Umgang im Sinne des Kindeswohls geregelt werden.
Stellt sich die Frage wie ist Kindeswohl definiert? Es gibt keine eindeutige Definition vielmehr hilft es zu schauen, wann lt. Gesetz eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Dies ist in §1666 BGB geregelt:
§ 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
1. Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2. Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3. Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4.Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6.die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Von der Trennung bis zur gerichtlichen Ehescheidung vergehen durch das gesetzlich vorgeschriebene Trennungsjahr (§1566 BGB) mindestens 12 Monate. 12 Monate sind eine lange Zeit. Liegt ein ungelöster Konflikt vor in dem Kinder eine Rolle spielen und missbrauchen Eltern in dieser Zeit die Abhängigkeit der Kinder bewusst oder unbewusst, indem Sie diese für Ihre Zwecke beeinflussen, instrumentalisieren oder psychisch missbrauchen, zeigen sich möglicherweise zum Zeitpunkt der gerichtlichen Scheidung bereits schwerwiegende psychische Folgen bei den Kindern. Unter Umständen bis hin zur Gefährdung des Kindeswohls.
Mögliche Konfliktkonstellationen bei betroffenen Kindern sind zu unterscheiden:
- Elternentfremdungssyndrom (PAS- Parental Alienation Syndrom): Richard A. Gardner, ein US-amerikanischer Kinderpsychiater7, entdeckte nach eigener Aussage Anfang der 80er Jahre das PAS als Störung bei Kindern in Verbindung mit Sorgerechtsstreitigkeiten. Er bezeichnete es als Gehirnwäsche durch einen programmierenden Elternteil in Begleitung durch eigene verunglimpfende Beiträge des Kindes selbst. Bisherige Erfahrungen des Kindes werden durch die „Gehirnwäsche“ umprogrammiert. Kinder fügen eigene Beiträge hinzu, da sie erkennen, dass dies von dem programmierenden Elternteil gewünscht wird. Bei einem PAS liegt eine Form der psychischen Kindesmisshandlung vor.9Also eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des §1666 Abs.1 BGB.
- Besuchsrechtssyndrom: Hier handelt es sich um eine natürliche Reaktion des Kindes. In diesem Fall ist innerhalb 6-12 Monaten eine Verbesserung zu erwarten, wenn das Kind Vertrauen in die neue Familienkonstellation gewonnen hat und weiß, dass es keinen Elternteil verliert und sich für keine der beiden Seiten entscheiden muss. Die Gründe für das Auftreten des Besucherrechtssyndroms können vielfältig sein: Trennungsängste, Kränkungen, soziale Isolation, Probleme mit dem neuen Partner, …. In jedem Fall liegen die Ursachen nicht darin, dass Eltern sich gegenseitig für die auftretenden Symptome verantwortlich machen.
- Vernachlässigung: Hier liegen bereits vor der Trennung Erfahrungen des Kindes vor, die die Ablehnung des Elternteils begründen. Beispielsweise Misshandlung oder Vernachlässigung.
Es wird deutlich, wie wichtig ein möglichst früher Zeitpunkt der Konfliktlösung für Trennungskinder ist für eine langfristig psychisch gesunde Entwicklung ist. Eine frühe Mediation ist eine sehr gute Möglichkeit, dies zu erreichen.
Beitrag der frühen Mediation
Keine Trennung ist wie die andere. Fast immer befinden sich die Beteiligten jedoch in hoch emotionalem Zustand. Man könnte sagen, sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das heißt sie sind häufig so in ihren negativen Emotionen dem Partner gegenüber gefangen, dass diese negative Paaremotion alles andere überdeckt. Sie sind in dem Moment nicht mehr in der Lage, ihre Elternrolle auszufüllen, wie sie es wollen und für eine gesunde Entwicklung des Kindes sollten. Bewusst oder unbewusst. Die Kinder machen es erforderlich, dass Eltern auch nach der Trennung eine intensivere Beziehung haben müssen, mehr als es Ihnen vielleicht lieb ist oder sie sich vorstellen können.
Hier kommt die Mediation zum Tragen. Mediation ist Verstehensvermittlung. Freiwillig mit gemeinsamem Ziel: Eine Lösung, die für alle Beteiligen zufriedenstellend ist und die von Ihnen selbst gefunden wird. Der Mediator begleitet lediglich diesen Prozess. Dabei sind Kinder nicht direkt am Verfahren beteiligt aber in jedem Fall Betroffene, die direkt von einer erfolgreichen Elternmediation profitieren. Ohne dass sie am Verfahren selbst teilnehmen müssen. Ein großer Unterschied zu einer gerichtlich herbei geführten Lösung, bei der die Kinder unter Umständen direkt ins Verfahren einbezogen werden und aussagen müssen. Eine weitere Belastung für das Kind.
Die Verstehensvermittlung bei der Mediation beinhaltet, dass die Eltern während des Mediationsprozesses ihren eigentlichen Konflikt auf der Paarebene erkennen (Rumpelstilzchen) und diesen vom Elternkonflikt lösen. Der einmal gelöste Paarkonflikt ebnet meist den Weg für die Lösung der Elternkonflikte. Ein entscheidender Faktor dabei ist, dass der Mediator als neutrale Person den Parteien hilft, die gegenseitigen Motive zu ergründen und zu verstehen.
Ist am Ende des Mediationsprozesses eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden, sind Eltern wieder in der Lage verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen, die das Wohl des Kindes und seine Interessen als Grundlage haben. Das hilft den betroffenen Kindern das Vertrauen in die neue Situation herzustellen und damit verbundene Ängste abzubauen. Schlimmere psychische Folgen können damit verringert, wenn nicht sogar abgewendet werden.
Je früher die Mediation bei einer Trennungs-Konfliktsituation mit Kindern durchgeführt wird, umso weniger müssen Kinder in solchen Situationen leiden.
Ausblick
Wenn ich davon ausgehe, dass jeder Trennung ein Paarkonflikt zugrunde liegt, habe ich die Voraussetzung einer Mediation. Warum also nicht bei Trennungen von Eltern gesetzlich eine Verpflichtung zu einem kostenfreien Mediations-Informationsgespräch schaffen? Nicht zur Mediation selbst, denn die muss entsprechend freiwillig erfolgen. Aber es wäre eine Chance für die Kinder und für die Eltern selbst. Denn auch Eltern, die in der Lage sind, ihren Paarkonflikt vom Elternsein zu lösen, profitieren letztlich von einer Mediation. Eventuell würde sich die Quote der Wiedervereinigungen erhöhen und/oder man würde für eventuell später auftretende Konflikte eine bessere Ausgangssituation schaffen.
Leopoldshafen, 30.09.2021
Elke Anna Lankers
Bild von Ulrike Mai auf Pixabay