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Vertrauen und der Vertrauensgrundsatz

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomene des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen.

Konflikt Grundsätze Vertrauen Zweifel Unsicherheit Eintrag Wikisuche

Worum es geht: Vertrauen ist ein zentrales Thema nicht nur innerhalb der Mediation. Das ist Grund genug, sich in einem Mediationswiki mit dem Thema und der Problematik auseinanderzusetzen. Es gibt verschiedene Berührungspunkte in der Mediation.

Einführung und Inhalt: Wir begegnen dem Vertrauen an verschiedenen Stellen in der Mediation. Schon das Mediationsgesetz erwähnt den Begriff indirekt, indem es die Mediation als ein vertrauliches Verfahren definiert.1 Laut Duden bedeutet vertraulich so wiel wie: nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; mit Diskretion zu behandeln; geheim.2 Als Wortherkunft wird zu vertrauen angegeben. Damit ist wenisgtens der sprachliche Bezug zum Vertrauen hergestellt. Vertrauen wird als Sicherheit beschrieben, sich auf jemanden oder etwas verlassen zu können.

Definition von Vertrauen

In der subjektivistischen Form bedeutet Vertrauen das feste Überzeugtsein von der Verlässlichkeit und der Zuverlässigkeit einer Person oder einer Sache.3 Damit einher gehen die Begriffe Berechenbarkeit, Beständigkeit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das Vertrauen kann verschiedene Richtungen haben und sich auch als Selbstvertrauen auf die Person selbst beziehen.

Vorkommen von Vertrauen

Der Mediator begegnet dem Phänomen in vielerlei Hinsicht:

  1. Vertrauen in das Verfahren
  2. Vertrauen in die Person des Mediators
  3. Vertrauen in den Gegner
  4. Vertrauen in sich selbst
  5. Vertrauen in die Lösung
Vertrauen in das Verfahren
Gerade weil die Lösung in der Mediation nicht vorgegeben werden kann, erfordert es ein großes Vertrauen, etwa ein sicheres Gerichtsverfahren zurückzustellen, um eine als unsicher vorgestellte Lösung zu finden. Die Parteien haben noch nicht die Erfahrung gemacht, dass sich die Lösung findet, obwohl sie nicht im Fokus der Gespräche liegt.4 Sie müssen das Vertrauen haben, dass selbst eine aussichtslos oder überflüssig erscheinende Verhandlung möglich und sinnvoll ist.
Vertrauen in die Person des Mediators
Die Parteien müssen dem Mediator vertrauen, dass er neutral ist und eine Verhandlung auf gleicher Augenhöhe herbeiführen kann. Sie müssen ihm vertrauen, dass er die Mediation nach den Regeln der Kunst durchführen kann.
Vertrauen in den Gegner
Die Parteien müssen einander vertrauen, dass sie die Mediation nicht zum Streit missbrauchen. Sie müssen darauf vertrauen, dass sie ernsthaft an einer Lösungssuche interessiert sind.
Vertrauen in sich selbst
Die Parteien müssen sich selbst zutrauen, nicht nur das Verfahren, sondern auch das was danach kommt zu überstehen. Sie müssen das Vertrauen in sich haben, dass sie nicht den Kürzeren ziehen werden. Die Mediation (der Mediator) setzt sich gegebenenfalls mit dem Selbstvertrauen der Parteien auseinander und versucht, es zu stärken.
Vertrauen in die Lösung
Die Parteien müssen darauf vertrauen, dass selbst die nicht bekannte Lösung eine gute Lösung ist, die ihre Zufriedenheit garantiert. Wenn die Mediation als ein nutzenorientiertes Verfahren verstanden wird, wird sich das Vertrauen in die Lösung über die zuvor erarbeiteten Nutzenkriterien in Verlauf des Verfahrens von selbst herstellen.

Vertrauen aufbauen

Vertrauen ist ein Gefühl. Es kann nicht befohlen, angeordnet, hin- oder wegargumentiert werden. Vertrauen muss entstehen. Der Mediator hat sicherlich einen Vertrauensvorschuß. Dann ist es leichter, Vertrauen zu ihm aufzubauen. Er hat nur darauf zu achten, dass er den Vorschuß nicht verspielt.

Ganz anders ist die Situation zwischen den Parteien. Hier ist der Vorschuß längst aufgebraucht. Das Vertrauen wurde verspielt und hat sich in Misstrauen umgewandelt. Jetzt hat die andere Partei - wenn man so will - einen Misstrauensvorschuß. Der Vorschuß bewirkt eine Veränderung der Wahrnehmung. In beiden Fällen sucht er eine Bestätigung. Der Aufbau von Vertrauen ist ein Teil der Beziehungsarbeit. Er wird durch den Perspektiv- und Fokuswechsel in der Mediation begünstigt.

Der Ausgangspunkt zum Aufbau von Vertrauen liegt nicht beim Gegner, sondern bei der Partei selbst. Wer sich selbst vertraut, reduziert die Angst und kann geduldig sein. Ein mangelndes Selbstvertrauen befeuert das Misstrauen. Die Stärkung des Selbstvertrauens ist zwar ein außerordentlich wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung, aber noch nicht das Ziel. In der Mediation kommt es also darauf an, sich auf den vertrauensbildenden Weg zu verständigen. Die Parteien werden die Diskrepanz zwischen dem Verstand ("Ich sollte Vertrauen") und dem Gefühl ("Dem kann man nicht vertrauen") erleben. Die Vertrauensbildung kann also nur in kleinen Schritten (Babysteps) erfolgen. Darauf können sich die Parteien in der Regel einlassen. Der Mediator würde den Parteien also helfen, nach Markierungen zu suchen, die ihnen zeigen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Dazu bedarf es der Klärung unterschiedlicher Sichten, der Herausarbeitung einer gemeinsamen Sicht und der Verständigung über einen verbindlichen Weg. Natürlich müssen auch Mechanismen eingeführt werden, damit sich die Parteien an die Vereinbarungen halten. Die Vertrauensbildung in der Mediation lässt sich demnach in folgende Schritte aufteilen:

  1. Vertrauensbekenntnis (Einsicht zur Notwendigkeit wieder Vertrauen aufzubauen).
  2. Veränderung des (emotionalen) Settings und der Sichten aufeinander.
  3. Vertrauenshinweise aufdecken
  4. Vertrauenskrtiterien festlegen
  5. Vertrauensbeweise ermöglichen

Vertrauensbruch

So wie der Mediator helfen muss, Vertrauen aufzubauen, so sehr kommt es gegebenenfalls auch darauf an, das Vertrauen zu erschüttern. Die Parteien vertrauen z.B. in ihre Wahrnehmung. Der Plentitudo-Effekt scheint ihnen recht zu geben. Oder sie vertrauen auf falsche Ratschläge.

Beispiel 12093 - Es ist eine Trennungsmediation in einem hoch eskalierten Konflikt. Die Parteien haben Hass und Wut aufeinander. Der Mediator erkennt den emotionalen Ursprung und versucht die Begründungen zu hinterfragen. Die Parteien folgen seinen Gedanken. Alles scheint auf Kurs zu sein. Am Ende der Sitzung sagt die Frau: "Das ist ja alles schön und gut. Aber bei meinem Mann trifft das nicht zu. Auch wenn er das hier anders darzustellen versucht. Ich weiß doch was ich sehe!"

Beispiel 12094 - A hat Probleme mit seinem Vorgesetzten V. Er wendet sich an K, einem Kollegen dem er vertraut und schüttet ihm sein Herz aus. K erkennt plötzlich, dass er den Streit zwischen A und V nutzen kann, um sein ebenfalls angekratztes Verhältnis zu V aufzupolieren. Es stehen ja bald Beförderungen an. Er liefert A also Munition gegen V und rät ihm, V damit zu konfrontieren. Er weiß genau wie empfindlich V darauf reagierten wird.


Ein blindes Vertrauen kann in einen falschen Weg führen. Das Vertrauen steht also ständig auf dem Prüfstand. Zweifel sind berechtigt. Sie sind kein Vertrauensbruch. Ein Vertrauen muss es aushalten, hinterfragt zu werden.

Beispiel 12095 - Kann ich jemandem vorwerfen, mir nicht zu vertrauen? Kann ich Vertrauen verlangen? Kann ich Misstrauen verbieten? Würde ein solches Verhalten nicht noch mehr Misstrauen säen?


Das sind Fragen die durchaus auch in einer Mediation gestellt werden. Sie erwarten ein präzises Denken. Ich kann nicht verlangen, dass mir vertraut wird. Ich kann jedoch erwarten, dass genau hingesehen wird. Ich kann auch niemandem vorwerfen, das ein Misstrauen aufkommt. Ich kann aber auch hier erwarten, dass genau hingesehen wird, bevor Meinungen gebildet werden. Mit dieser Korrektur verschiebt sich auf die Verantwortlichkeit. Denn ich muss das genaue Hinsehen ermöglichen.

Auch wenn Vertrauen mit dem Synonym des Glaubens an etwas gleichgesetzt wird, handelt es sich um einen emotionalen Tatbestand.5 Emotionen sind nicht verhandelbare Tatsachen. Es sind Botschaften, die richtig zu deuten und zu verstehen sind. Was also bedeutet Misstrauen oder Vertrauensverlust? Auch das wäre eine Frage in der Mediation. Sie wird ergänzt durch die Fragen: "Wollen Sie vertrauen können?" und "Was brauchen Sie um Vertrauen aufzubauen (wiederzufinden)?". Mit diesen Fragen lässt sich ein Vertrauen wieder aufbauen.

Vertrauensgrundsatz

Der Vertrauensgrundsatz wurde eingeführt, um den Mediatos stets daran zu erinnern, dass er nichts unternimmt, was das Vertrauen der Part eien in seine Person und in die Mediation gefährdet. Der Grundsatz hängt eng mit dem Transparenzgrundsatz zusammen und dem Grundsatz der Vertraulichkeit,

Bedeutung für die Mediation

Das generelle Misstrauen ist inzwischen ein gesellschaftliches Problem geworden. Die Mediation wäre ein Weg, wieder Vertrauen aufzubauen. Siehe dazu die Ausführungen über den gesellschaftlichen Kontext und die Politik.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:48 / Version 25.

Aliase: Vertrauensgrundsatz
Siehe auch: Emotionen, Konfliktangst, Resilienz
Prüfvermerk: -

2 Duden (Wörterbuch) - 2018-11-10/vertraulich
3 Duden (Wörterbuch) - 2018-11-10/Vertrauen
5 siehe Duden (Wörterbuch) - 2018-11-10/Vertrauen


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Mittwoch Dezember 11, 2024 20:51:57 CET.

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