Psychologie Teil 1
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Nebenfächer Psychologie I Psychologie II Konflikt Persönlichkeit
Wir danken Psychologe und Mediator Tom Schönborn für die Überlassung des Skriptes.
Quellenhinweise finden Sie im Literaturverzeichnis.1
Allgemeine Einführung in die Psychologie
Die Mediation ist noch viel zu sehr an Ausgangsberufe gebunden, um als eine selbständige Kompetenz wahrgenommen zu werden. Die Psychologie spielt in der Mediation eine außerordentlich große Rolle. Anders als viele meinen, ist das psychologische vielleicht sogar wichtiger als die Rechtskunde. Tatsächlich muss ein voll ausgebildeter Mediator alle Disziplinen kennen und beherrschen, ohne dass es noch auf seinen Ursprungsberuf ankommt. Wiki to Yes hat deshalb ein Kapitel Fachwissen innerhalb der Abteilung Akademie angelegt, um den Mediatorn aus anderen Ursprungsberufen ein möglichst großes Querschittswissen zu ermöglichen.
Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, was Psychologie eigentlich ist und wie Psychologen arbeiten? Dieser Beitrag soll Ihnen einen kurzen Einblick in die Entwicklung, Methodik und die Anwendungsbereiche der Psychologie geben:
Entwicklung der Psychologie
Die frühen Wurzeln der Psychologie lassen sich bis ins antike Griechenland zurückverfolgen. Psychologie setzt sich aus den griechischen Worten psyche (Seele, Geist, Hauch) und logos (Lehre, Vernunft, Wort) zusammen. Die Übersetzung ,,Lehre von der Seele“ trifft die Sache recht gut.
Bedeutende Denker dieser Zeit wie Sokrates, Platon und Aristoteles machten sich schon damals Gedanken über Fragestellungen, die wir heute dem Themenfeld der Psychologie zuordnen würden. Sie philosophierten über die Fragen, ob Körper und Seele eigenständige Systeme oder im Zusammenspiel untrennbar miteinander verbunden seien - und ob wir unser menschliches Wissen nur durch Erfahrungen erlangen oder bereits mit einem bestimmten Grundwissen geboren werden. Dabei ist jedoch wichtig zu sagen, dass es sich damals um Philosophen handelte, die sich mit psychologischen Fragestellungen auseinandersetzten und nicht um Psychologen nach unserem heutigen Verständnis. Dafür fehlte ihnen der methodische Ansatz der Psychologie.
Als Vater der Psychologie als empirischer Wissenschaft wird Wilhelm Wundt gesehen. Dieser etablierte die experimentelle Psychologie als akademische Disziplin, indem er 1879 das weltweit erste Forschungsinstitut für experimentelle Psychologie an der Universität in Leipzig gründete. Im Vergleich zu anderen Wissenschaften ist die Psychologie daher noch eine vergleichsweise junge Disziplin. Wie Hermann Ebbinghaus so treffend sagte: ,,Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit, doch nur eine kurze Geschichte.“
Nichtsdestotrotz hat die Psychologie in ihrer jungen Geschichte einige Wandlungen erlebt. Zu ihren Anfängen war sie eine Wissenschaft, die sich mit dem ,,Seelenleben“ befasste und sich zur Erforschung dessen der Selbstbeobachtung (Introspektion) bediente. Diese Form der Forschung war vielen jedoch nicht objektiv genug, weshalb sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Amerika der Behaviorismus entwickelte. Die Behavioristen konzentrierten sich nunmehr ausschließlich auf äußerlich beobachtbares und messbares Verhalten, wandten sich dementsprechend komplett von mentalen Prozessen ab und untersuchten mit strenger Methodik, wie Menschen und Tiere auf ihre Umwelt reagieren. John B. Watson und B.F. Skinner gehören zu den bekanntesten Vertretern des Behaviorismus.
Einen echten Meilenstein in der Entwicklung der Psychologie stellt Sigmund Freuds Erfindung der Psychoanalyse dar. Die Psychoanalyse beruht auf Freuds Annahme, dass der Großteil der Prozesse, die für unser Denken und Verhalten verantwortlich sind, unserem Bewusstsein verborgen bleiben. Darauf aufbauend sah Freud im Unterbewussten den Schlüssel zur Behandlung psychischer Leiden. Gedanken, Gefühle und Erinnerungen, die das Bewusstsein nicht verarbeiten kann (weil sie z.B. zu schmerzlich sind oder nicht ins Selbstbild der Person passen), werden verdrängt und ins Unbewusste verbannt. Kurzfristig hilft das der Person zwar, mit ihrem Leben klar zu kommen. Auf lange Sicht wird es allerdings zu Konflikten zwischen unbewussten und bewussten Gedanken kommen, die Spannungen und seelisches Leid bei der Person auslösen. Mit der Psychoanalyse versucht der Therapeut/ Psychoanalytiker, die ins Unterbewusste verdrängten Gedanken des Patienten ins Bewusstsein zurück zu holen und hilft dem Patienten bei der Bewältigung, um seelische Schäden zu vermeiden. Freuds Konzept hat bis heute großen Einfluss, gerade auf die Psychotherapie.
Erst in den 60er Jahren wurde die Dominanz des Behaviorismus überwunden. Die strikte Beschränkung auf äußerlich Beobachtbares hatte einfach zu viele Fragen offen gelassen und man beschäftigt sich nach der „kognitiven Wende“ wieder mit mentalen Prozessen wie Gedanken, Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Die Abgrenzung zum Behaviorismus stellt insofern einen wichtigen Schritt dar, weil der Blick in die so genannte Blackbox (Behavioristische Bezeichnung für eben genannte mentale Prozesse) einen ganz maßgeblichen Teil der Psychologie umfasst. Mit den richtigen Forschungsmethoden lassen sich auch über innere Prozesse objektive Aussagen treffen.
Was die Psychologie heute besonders auszeichnet, ist ihr interdisziplinäres Arbeiten. So werden Erkenntnisse aus der Psychopathologie, Allgemeinmedizin, Inneren Medizin, Pharmakologie, Neurobiologie, Neurologie und Neuropsychologie verwendet, um nur einige der Richtungen zu nennen, mit deren Betrachtung man das große Ganze möglichst genau erfassen will. Allgemeiner formuliert ist die Psychologie ein Zusammenspiel aus Verhaltens-, Kognitions-, Neuro-, Sozial- und Geisteswissenschaften.
Definition und Forschungsmethodik
Fragt man Sachkundige nach einer Definition der modernen Psychologie, hört man Dinge wie: Die Psychologie als empirische Wissenschaft in ihrer heutigen Form ist die Wissenschaft von Erklärung, Vorhersage und Veränderung menschlichen Denkens, Verhaltens und Erlebens.
Empirisch bedeutet ,,auf Beobachtung beruhend“. Jetzt ist es aber nun mal so, dass jedes Individuum einzigartig ist. Es reicht also nicht, eine einzige Person zu beobachten und auf Grundlage dieser Beobachtung eine allgemeine Gesetzmäßigkeit festzulegen. Dafür braucht es eine zufällig ausgewählte (randomisierte) Gruppe von Versuchspersonen (Probanden), wobei schon allein eine echte, randomisierte Auswahl zu treffen sehr schwer umzusetzen ist. (Ruft z.B. ein Forschungsinstitut Menschen an, so sind zu bestimmten Uhrzeiten Rentner und Arbeitslose leichter zu erreichen und könnten daher überproportional in der Stichprobe auftauchen.)
Je mehr Versuchspersonen an einer Umfrage oder einem Experiment teilnehmen, desto höher ist die Repräsentativität. In wissenschaftlichen Erhebungen werden aber immer nur, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, sehr kleine Probandengruppen untersucht. Mit hunderten oder tausenden von Probanden kann man, je nach untersuchter Gruppe (Grundgesamtheit), zwar von einer sehr hohen Validität der Ergebnisse ausgehen, letztendlich wird die Wahrscheinlichkeit eines verzerrten Ergebnisses aber nur minimiert und faktisch nicht ausgeschlossen. In der psychologischen Forschung dreht sich daher alles um Wahrscheinlichkeiten. Um überhaupt so etwas wie allgemeingültige Aussagen treffen zu können, bedient sich die Psychologie der Statistik als Werkzeug. Mit Hilfe dieser können zwar auch keine deterministischen Kausalaussagen getroffen werden (Veränderung der Variable X führt immer dazu, dass sich Ergebnis Y ändert), wohl aber probabilistische Kausalaussagen (Veränderung der Variable X erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ergebnis Y ändert).
In der psychologischen Forschung geht man – im Gegensatz zu den Naturwissenschaften – so vor, dass man nicht versucht Hypothesen zu beweisen. Vielmehr versucht man, gemäß dem Ansatz von Karl Popper, Hypothesen zu widerlegen (falsifizieren). Findet man nach ausführlicher experimenteller Untersuchung und umfangreichen statistischen Erhebungen keinen Anlass an einer Hypothese zu zweifeln (ist diese also nicht falsifizierbar), wird die Hypothese als wahr angesehen – im Sinne von: Noch nicht widerlegt.
Anwendungsfelder der Psychologie
Viele Menschen denken, wenn sie den Beruf Psychologe hören, an einen Psychotherapeuten, der mit seinem Patienten auf dem Sofa über dessen Träume, Gefühle, Wünsche und Ängste spricht oder an den Psychiater, der Patienten mit Zwangsjacke in einer Gummizelle betreut. Diese Verknüpfung ist nicht überraschend, die meisten Psycholgen arbeiten sogar tatsächlich im klinischen Bereich. Trotzdem tut diese Pauschalisierung der Vielfalt der psychologischen Berufe unrecht.
Ein wichtiges Berufsfeld der Psychologie ist die Forschung. Diese ist besonders spannend, weil durch die verhältnismäßig kurze Dauer der Forschung noch viel Potential für neue Entdeckungen besteht. Hinzu kommt, dass das Gehirn als zu erforschendes Organ unglaublich komplex ist. Stand heute wissen wir nicht mal annähernd alles über seine exakte Funktionsweise.
Ein weiteres Aufgabengebiet ist das Marketing, wo zahlreiche Psychologen daran arbeiten, Produkte und Absatzstrategien zu optimieren. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Wenn Sie das nächste Mal durch einen Supermarkt gehen, seien Sie sich bewusst, dass vom Markenlogo, den Verpackungsfarben und Designs, dem Preisschild, der Produktanordnung, der Beleuchtung bis zum Aufbau des Marktes alles von Psychologen durchdacht wurde, mit dem Ziel möglichst viel zu verkaufen.
Ein anderes großes Einsatzgebiet für Psychologen ist das Personalwesen. Dabei beschäftigt sich die Psychologie mit Dingen wie Rekrutierung, Herstellung der besten Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter, aber auch der Weiterentwicklung des Personals. Konkret heißt das, Assessment Center zu planen und durchzuführen, Fragebögen zu entwerfen und auszuwerten, Belastungs- und Beanspruchungsanalysen anzufertigen und strategische Trainings für die Mitarbeitenden abzuhalten. Letzteres wird auch häufig von selbstständigen Psychologen durchgeführt, die als Coach für ein bestimmtes Training (z.B. Optimierung der Kommunikation) von einem Unternehmen gebucht werden. Darüber hinaus sind Psychologen oft auch im Consulting gefragt, wo sie Unternehmen mit ihrer Expertise, zum Beispiel bei Strategieentwicklungen, beraten.
Ein weiteres, durch die Repräsentation in den Medien recht bekanntes Feld, ist die Kriminalpsychologie. Hier werden Täterprofile und Gutachten erstellt, oder man betreut Polizisten nach verstörenden Einsätzen.
Ein anderes großes Gebiet (was in der Bevölkerung noch recht unbekannt ist) ist die Pädagogische- Psychologie. Dieser vielfältige Bereich beschäftigt sich mit der Optimierung von Lernprozessen (z.B. in Schulen), Lernförderung und Lerntherapie oder Bildungsberatung.
Diese Auswahl umfasst nur die bekanntesten Einsatzbereiche der Psychologie. In der Praxis gibt es noch zahlreiche Nischen, die von Psychologen erfolgreich besetzt werden.
Für die Mediation ist psychologisches Wissen ebenfalls sehr hilfreich. Vermutlich haben Sie sich beim Studieren der Mediations-Skripte einiges Wissen aus dem Fachbereich der Psychologie angeeignet.2 Ein Beispiel dafür, das gleichzeitig mit einer persönlichen Literaturempfehlung einher geht, ist das im Kursbuch zum 1. Semester zitierte Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun (Das Vier Aspekte Modell – auch vier Ohren Modell genannt).3
Ich wählte dieses Beispiel aus drei Gründen:
- Für den Prozess der Mediation ist es unheimlich hilfreich, wenn man den Medianden mit ,,allen vier Ohren“ zuhören kann und sich gleichzeitig bewusst ist, dass die Streitparteien eben meistens, wenn überhaupt, nur mit einem Ohr zuhören. Dieses psychologische Wissen hilft dabei, die richtige Paraphrase zu bilden und ist eine Möglichkeit des Mediators, das Gespräch auf subtile Art in deeskalierte, konstruktive Bahnen zu lenken.
- Das Beispiel zeigt gut, wie omnipräsent die Psychologie ist und wie schon ein so simples Modell wie das Vier-Aspekte-Modell einen echten „Aha-Moment“ auslösen kann, der losgelöst von der Mediation hilfreich fürs Leben ist.
- Friedemann Schulz von Thuns dreibändiges Werk ,,Miteinander Reden“ hält meiner Meinung nach viele solcher „Aha Momente“ bereit und besticht neben der einfachen Verständlichkeit vor allem durch die Nähe zur Praxis, die es dem Leser ermöglicht, neu erworbene Erkenntnisse direkt im Alltag auszuprobieren.
Alias: Psychologie
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