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Entscheidungshilfen

Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht. Manchmal will man ihn auch nicht sehen. Bei Entscheidungen kann ein solches Verhalten fatale Folgen haben. Die Überlegung, wie man Menschen bei der Entscheidungsfindung helfen kann, ist nicht nur eine Frage, die sich dem Mediator in der Mediation stellt.




Hilfe eine Entscheidung!

Die Entscheidung als Hürde

Manchmal weiß man nicht, wie man sich entscheiden soll. Manchmal drückt man sich vor der Entscheidung und schiebt die Entscheidung einfach vor sich her. Manche Entscheidungen sind unbequem. Manche Entscheidungen sind gar nicht möglich, weil sie in ein Dilemma führen. Bei manchen Entscheidungen weiß man schon im Vorneherein, dass sie nicht nützlich sind. Bei anderen Entscheidungen zermartet man sich den Kopf des anderen und verliert sein eigenes Intersse völlig aus den Augen. Bei manchen Entscheidungen wird nur entscheiden weil es sein muss. Manche Entscheidungen sind so kompliziert und komplex, dass man gar nicht weiß, ob die Entscheidung Sinn macht oder nicht. Die Liste der Entscheidungsphänomene könnte erweitert werden.

Hilfestellungen

Es gibt eine Menge an Tipps und Methoden, um die richtige Entscheidung zu finden. Auch die Wissenschaft setzt sich mit Entscheidungsprozessen auseinander.

Theorien

Die SWOT-Analyse zum Beispiel wägt Risiken und Chancen gegeneinander ab. Das Debiasing1 soll helfen, die Entscheidungsqualität zu verbessern und kognitive Verzerrungen zu minimieren. Die reflektierte Problemstrukturierung durch Value Focused Thinking soll helfen, dem Entscheider seine Fundamentalziele bewusst werden zu lassen2 , damit sie vor den Instrumentalzielen zum Entscheidungsmaßstab werden. Die Entscheidungstheorie stellt die Nutzwertanalyse und den Analytic Hierarchy Process vor, bei dem es darum geht, Kriterien und Alternativen darzustellen, zu vergleichen und zu bewerten, um die optimale Lösung einer Entscheidung oder Problemstellung finden zu können3 .

Internet

Es findet sich auch aktive Unterstützung im Internet. Portale wie der Proofler sollen helfen einfache Entscheidungen zu finden. Das Entscheidungsnavi unterstützt unter Rüdiger von Nitzsch im Rahmen eines Forschungsprojektes der RWTH Aachen die Entscheidungsfindung in komplexeren Prozessen. Das zu Forschungszwecken dienende Projekt bietet nicht nur eine Entscheidungshilfe, sondern erläutert auch den wissenschaftlichen Hintergrund.

Ratschläge

Dann gibt es natürlich noch die gut gemeinten Tipps als allgemeine Handlungsempfehlungen. Hier finden Sie z.B. 6 Tipps, wie die Anfertigung einer Pro- und Contra-Liste, die Herausarbeitung der KO-Kriteriem, die Anfertigung einer Tabelle, mit der Kriterien und Lösungen verglichen werden, den Münzwurf oder den Perspektivwechsel4 .

So oder ähnlich finden sich eine Menge an Ratschlägen und guten Tipps im Internet. Es gibt erstaunliche Überschneidungen mit der Mediation, auf die noch einzugehen ist. Was alle Hilfestellungen gemeinsam haben ist der Umgang mit Information.

Fehlerquellen

Von Nitzsch und Siebert heben hervor, dass Menschen schon in der Strukturierung einer Entscheidungssituation den Fehler begehen, dass sie sich nich hinreichend auf ihre Fundamentalziele konzentrieren, weil sie sie nicht benennen können. Stattdessen wird die Lösungsmatrix aus Instrumentalzielen gebildet, die nicht wirklich mit den fundamentalen Bedürfnissen korrespondiert2 . Diese Schwäche wird mit dem Value‐Focused Thinking Ansatz überwunden. In der Mediation findet sich ein entsprechender Ansatz in der Windows 1 Technik, die den Blick auf die Partei seibst und ihre Bedürfnisse fokussiert, um die Interessen, also die Motive herauszuarbeiten. Je nach Konfliktdimension werden entweder nur die auf Bedürfnisse zurückzuführenden Interessen, die Bedürfnisse selbst oder die Werte herausgearbeitet.

Eine zweite, auf die Behavioral Decision Making zurückzuführende Fehlerquelle sind die Verzerrungen hinsichtlich der Wirkungsprognose. Die sogenanten Bias‐Faktoren wirken sich nach den Ausführungen von von Nitzsch und Siebert auf den Abwägungsprozess aus und die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten2 . Mit Methoden des Debiasing soll versucht werden, die Verzerrungen zu korrigieren. Der Mediator kennt das Phänomen der Wahrnehmungsstörungen ebenfalls. Er versucht sie im Verstehensprozess in der 3.Phase zu korigieren, ohne dass diese Korrekturen (zunächst) einen Lösungsbezug haben. Hier mag sich der Unterschied zwischen der Nutzen- und der Zielorientierung herausstellen.

Die dritte Fehlerquelle nach von Nitzsch und Siebert betrifft die Abwägung von Vor‐ und Nachteilen der Handlungsalternativen gemessen an den oft falsch eingeschätzten Präferenzen des Entscheiders. Die Bewertungen erfolgen in der Mediation allerdings erst nachdem sich die am Nutzen zu orientierende Lösung abzeichnet. Die in mehreren Schritten abzuwickelnde 4.Phase beginnt mit der Kreativphase um alle denkbaren Lösungen zu finden. Die Vorschläge werden allerdings nicht an der Prospektierung (also an Zielvorgaben), sondern am Maß des inzwischen bereits bekannten, erwartenten Nutzens heraus bewertet. Alternativen werden danach erst überlegt und in der WATNA-BATNA Instanz gegenübergestellt. Die Entscheidungsfähigkeit für die ein oder andere Lösung ist jetzt ungeachtet der konkreten Handlungsmöglichkeiten gegeben. Die im Rahmen der nachhaltigen Realisierung der gefundenen Lösung vorzunehmenden Prüfungen beziehen sich jetzt eher auf die Frage der Durchführbarkeit als auf die Frage nach alternativen Llösungen.

Weil die Mediation von einer konflikthaften Ausgangssituation mit mehreren Beteiligten ausgeht, kommen weitere Fehlerquellen hinzu. Die Kompelxität der Entscheidungsfindung erweitert sich um sachfremde, konfliktbezogene Verzerrungen, die gegebenenfalls über Interventionen abzufangen sind.

Informationsverarbeitung

Allen Überlegungen gemein ist der Umgang mit Informationen und deren entscheidungsbezogene Aufarbeitung. Der Weg zu der ein oder anderen Entscheidung, kann als ein Prozess der Informationsverarbeitung verstanden werden, wo nicht nur das zu entscheidende Thema und die zu der einen oder anderen Alternative führende Lösung, sondern der oder die Menschen im Mittelpunkt stehen. Die Mediation ist nicht an der Lösung (also am Ziel und der Entscheidung) ausgerichtet. Die Entscheidung ist lediglich die Manifestation der gefundenen Lösung und der erste Schritt zur Umsetzung. Die Lösung entsteht aus den Gedanken und wird nicht herbeigeführt.

In allen Varianten spielt der Umgang mit Informationen und die Gewinnung von Erkenntnissen eine entscheidende Rolle. Darauf bezogen stellen sich folgende Fragen:

  1. Welche Informationen werden benötigt, um eine Entscheidung treffen zu können?
  2. Welche Informationen stehen zur Verfügung, um die Entscheidung treffen zu können?
  3. Genügen die Informationen, sind die vollständig und wo sind Informationslücken?
  4. Wie sind die Informationen zu qualifizieren und aufeinander in Bezug zu setzen?
  5. Gibt es hinreichende Kriterien, an denen sich die Qualität der Information und letztlich der Lösung messen lassen?
  6. Wie gehen die Entscheider mit den Informationen und den Informationslücken um?

Diese Fragen werden in der Mediation auf mehrere Phasen verteilt beantwortet.

Bedeutung für die Mediation

Bei der Gegenüberstellung mag die Mediation als der umfassendste Entscheidungsprozess erkannt werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der damit beschriebene Erkenntnisprozess auch ohne Mediator abgewickelt werden kann. Die Mediation kommt nicht ohne eine Metaebene aus. Die Reflexionsebene erlaubt die behutsame Korrektur von Verzerrungen und die Auseinandersetzung mit der Informationsqualität. Konzeptuell überwacht ein neutraler Dritter den Enscheidungsprozess, sodass eine Gedankenkontrolle stattfindet. Jemand, der gut abstrahieren und sich in Frage stellen kann, mag diese Ebene allerdings ebenfalls abbilden können. Letztlich unterscheidet sich das Phänomen nicht von den anderen Entscheidungsprozessen.

 Forschungshinweis:
Der Vergleich der Mediation mit anderen Entscheidungsprozessen, speziell dem Navigationsnavi wäre eine sinnvolle und weiterführende Forschung sowohl für die Mediation wie für die Entscheidungstheorie. Siehe Forschungsbedarf

Auch dort ist eine Reflexion erforderlich, die nur aus einer Metaperspektive heraus korrekt und vollständig möglich ist. Allerdings weisen die Hilfestellungen einen Weg, den sich die Mediation zu eigen machen kann, so wie die Mediation Impulse gibt, die sich die Entscheidungsprozesse zu eigen machen sollten.

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2021-11-03 21:22 / Version 22.

Aliase: Entscheidungshilfen, Value‐Focused Thinking
Siehe auch: Lexikon, Archiv, Entscheidungsprozess, Dimensionieren, Informationsverarbeitung
Prüfvermerk: -

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Seite zuletzt geändert am Donnerstag Dezember 5, 2024 04:34:33 CET.

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