Ich habe die Arschkarte bekommen
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Die umgangssprachliche Redewendung „Ich habe die Arschkarte bekommen“ ist fest im deutschen Sprachgebrauch verankert. Sie drückt auf saloppe Weise das Empfinden aus, benachteiligt, ungerecht behandelt oder in eine besonders unangenehme Situation geraten zu sein. Auch wenn die Aussage auf den ersten Blick derb oder humorvoll wirken mag, transportiert sie eine komplexe emotionale Botschaft. Diese Abhandlung untersucht, welche psychologischen und kommunikativen Aspekte sich in dieser Formulierung verbergen, welche Ich-Botschaften sie enthält, welche Emotionen damit verbunden sind und wie man emotional sowie praktisch mit dem Erleben der „Arschkarte“ umgehen kann.
Kontrastemotionen sind:
Selbstwirksamkeit, Akzeptanz, Neugier, Verantwortung, Fairness, Hoffnung.
Herkunft und Bedeutung im Alltagskontext
Die „Arschkarte“ geht vermutlich auf eine Anekdote aus dem Fußball zurück: In Zeiten des Schwarzweißfernsehens konnte der Zuschauer nicht zwischen der gelben und der roten Karte unterscheiden. Der Schiedsrichter trug die gelbe Karte in der Brusttasche und die rote in der Gesäßtasche – der sogenannten „Arschkarte“. Wer also die „Arschkarte“ gezeigt bekam, wurde des Feldes verwiesen. Diese bildhafte Metapher hat sich als Redewendung etabliert, um eine besonders ungünstige oder unangenehme Lage zu beschreiben.
Emotionale Bedeutung
- Gefühl der Benachteiligung: Der Ausdruck geht oft mit einem subjektiven Empfinden von Ungerechtigkeit oder Pech einher. Wer sagt „Ich habe die Arschkarte bekommen“, drückt meist aus, dass er oder sie sich im Vergleich zu anderen schlechter gestellt fühlt. Dies kann zu Gefühlen wie Frustration, Enttäuschung oder Resignation führen.
- Hilflosigkeit (Learned Helplessness, Seligman): Wahrgenommene Kontrollverlust über das eigene Schicksal.
- Verlust von Kontrolle: Die Formulierung weist häufig auf eine Situation hin, in der man keine oder nur geringe Handlungsmacht hatte. Diese erlebte Ohnmacht begünstigt Emotionen wie Hilflosigkeit, Ärger oder sogar Scham.
- Selbstwert und soziale Position: Da die Redewendung auch eine gewisse öffentliche Bloßstellung impliziert (analog zum Platzverweis), kann sie auf eine Bedrohung des Selbstwertgefühls hinweisen – insbesondere dann, wenn die ungünstige Situation vor anderen Menschen offen sichtbar ist.
- Unfairnessempfinden: Kognitive Dissonanz durch Verletzung des Gerechtigkeitsprinzips (Adams' Equity-Theorie).
- Resignation: Erlernte Passivität als Folge wiederholter Enttäuschungen.
- Scham/Erniedrigung: Die "Arsch"-Metapher transportiert körperliche Demütigung (vgl. Kaufmann, The Shame Syndrome).
Neurobiologisch betrachtet wird die Amygdala bei einer Bedrohungswahrnehmung aktiviert, was zu einer gleichzeitigen Hemmung des präfrontalen Cortex, also der rationalen Steuerung führen kann und ein impulsiviertes Opferdenken auslöst.
Ich-Botschaften und psychologische Deutung
Auch wenn die Aussage nicht explizit als Ich-Botschaft formuliert ist, enthält sie mehrere tiefere Selbstaussagen:
- „Ich fühle mich unfair behandelt.“
- „Ich stehe schlechter da als andere.“
- „Ich habe etwas Pech gehabt oder wurde ungerecht getroffen.“
- „Ich möchte, dass meine Situation gesehen und anerkannt wird.“
In der Transaktionsanalyse könnte man die Aussage als Appell deuten, aus dem Kind-Ich (emotional, spontan, impulsiv) an das Erwachsenen-Ich oder Eltern-Ich des Gegenübers. Es kann ein Ruf nach Trost, Solidarität oder Verständnis sein.
Emotionen, die helfen können
Um aus dem Zustand der Frustration oder Resignation herauszukommen, sind bestimmte emotionale Ressourcen hilfreich:
Selbstmitgefühl: Die Fähigkeit, sich selbst mit Freundlichkeit statt Selbstverurteilung zu begegnen (Neff, 2003), kann das Gefühl von Scham oder Versagen abmildern.
Humor: Die ironische oder sarkastische Verwendung der Redewendung kann ein Schutzmechanismus sein. Bewusster, selbstreflexiver Humor fördert Resilienz.
Akzeptanz: Das Annehmen dessen, was nicht zu ändern ist, schafft die Grundlage für aktives Handeln.
Zorn oder konstruktiver Ärger: In manchen Fällen kann gesunder Ärger ein Motor für Veränderung sein, solange er nicht destruktiv wirkt.
6. Wege zur Veränderung
Wenn jemand sich in der „Arschkarten-Situation“ befindet, helfen verschiedene Strategien zur Veränderung der Lage oder der inneren Haltung:
a) Kognitive Umstrukturierung (CBT)
Negative automatische Gedanken („Ich bin immer der Dumme“) können erkannt und durch realistischere, konstruktivere Überzeugungen ersetzt werden.
b) Ressourcenaktivierung
Das Bewusstmachen eigener Stärken, Unterstützungsnetzwerke oder vergangener Erfolge kann helfen, das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.
c) Selbstwirksamkeit stärken
Banduras Konzept der Selbstwirksamkeit (1997) zeigt: Wer daran glaubt, Einfluss auf seine Situation zu haben, handelt auch aktiver. Kleine Erfolgserlebnisse sind dabei entscheidend.
d) Soziale Kommunikation und Abgrenzung
Das offene Mitteilen der eigenen Situation („Ich habe das Gefühl, dass ich in dieser Situation den Kürzeren gezogen habe“) kann sowohl emotionale Entlastung als auch eine Veränderung im sozialen Kontext ermöglichen.
7. Fazit
Die Aussage „Ich habe die Arschkarte bekommen“ ist mehr als bloße Umgangssprache. Sie transportiert tiefe emotionale Inhalte – von erlebter Ungerechtigkeit über Scham bis hin zu Hilflosigkeit – und fungiert als indirekte Ich-Botschaft. Sie kann sowohl Ausdruck von Selbstmitleid als auch von humorvoller Resilienz sein. Indem man diese Aussage ernst nimmt, können Betroffene begleitet werden, emotionale Klarheit zu gewinnen, Selbstmitgefühl zu entwickeln und neue Handlungsmöglichkeiten zu erkennen. Die „Arschkarte“ ist somit kein endgültiges Urteil, sondern oft der Ausgangspunkt für emotionale und situative Transformation.
Alias:
Siehe auch: Wut Verfahrensverzeichnis
Prüfvermerk: -