Die Analyse von 180 Schiedsgerichtsprozessen der International Chamber of Commerce (ICC) wollte den Fragen auf den Grund gehen, wie groß die Diskrepanz bei der Bewertung von Schäden zwischen Antragstellern und Antragsgegnern ist, wie weit die Sachverständigen auseinanderliegen und welches die Kriterien der Schiedsgerichte bei der Bemessung der Schadenshöhe sind. Die Analyse kommt zu folgenden Ergebnissen:

Es besteht eine sehr hohe Abweichung bei der Bewertung des Schadens zwischen Antragstellern und Antragsgegnern. Die Antragsgegner bezifferten den Schaden durchgängig auf nur 12 % der beantragten Summe. Die erhebliche Diskrepanz der angenommenen oder von Experten dargelegten Schadenssummen unterstreicht die schwierige Aufgabe der Schiedsgerichte, die Lücke zu schließen und einen angemessenen Betrag für den zu ersetzenden Schaden zu ermitteln. Statistisch betrachet orientierte sich die gerichtliche Entscheidung In etwa der Hälfte der Fälle am Mittelwert. Hinter dem statistischen Wert stehen jedoch Einzelentscheidungen in einer Bandbreite von 0-100% der am Antrag orientierten Schadenszumessung. Tatsächlich wurde den Antragstellern nur in 18% der Fälle ein Ersatz zwischen 40% und 60% des geforderten Schadens, also im Mittelwertbereich, zugesprochen. Die häufigste Begründung für abschlägige Entscheidungen ist ein Mangel an Beweisen, falsche oder nicht überzeugende Annahmen und spekulative Behauptungen.

Üblicherweise werden Gutachter bei Schadenssummen zwischen 10 Millionen und 25 Millionen Dollar eingeschaltet. Auffällig sei die mangelnde Vielfalt an Experten. Weil vornehmlich langjährig erfahrene Experten gesucht werden, haben Frauen, ethnische Minderheiten und jüngere Experten Schwierigkeiten, beauftragt zu werden. Die Studie stellt beispielsweise heraus, dass nur 11% der Experten und 10% der Schiedsrichter Frauen sind.

Die Beiziehung eines Gutachters lohnt sich offenbar. Denn die Schiedsgerichte gewährten im Durchschnitt 69% des beantragten Betrags, wenn ein Sachverständiger des Antragstellers beauftragt war, jedoch kein Sachverständiger des Befragten. Sie entschieden sich im Durchschnitt für nur 41% des beantragten Schadens, wenn sowohl Antragsteller- als auch Antragsgegner Sachverständige eingeschaltet haben. Auch die Schadensberechnungen der Gutachter liegen weit auseinander, was darauf zurückgeführt wird, dass sie die von den beauftragenden Parteien vorgetragenen Rechts- und Fallvorgaben folgen. Eine Einigung ist in der Regel wahrscheinlicher, wenn die Parteien bei der Beurteilung des Schadens näher beieinander liegen.

Die Studie kann hier nachgelesen werden: {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="10844"}
Ergänzend auch (in Deutsch): {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="10845"}

Warum ist diese Studie interessant für die Mediation?

Sie zeigt das Streitverhalten und bekräftigt die Vorgehensweise der Mediation, den Sachverhalt und die zu lösenden Probleme gemeinsam zu ermitteln (Phase zwei), die Divergenzen festzustellen (Phase zwei), die Lösungskriterien zu erarbeiten und festzustellen (Phase drei), den Gutachter gemeinsam zu wählen und auf die abgestimmten Vorgaben festzulegen (gegebenenfalls Alternativszenarien entwickeln) und die Parteien näher aneinanderzubringen, ehe über Vergleiche gesprochen wird (Phase drei und vier). Der Mediation gegebenenfalls den Vorzug zu geben.