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Die Interdisziplinarität der Mediation

Wissensmanagement » Sie befinden sich in der Wiki-Abteilung Akademie und dort in der Rubrik Wissenschaft. Es geht um die Interdisziplinarität der Mediation und die sich daraus ergebenden Herausforderungem für das Verständnis, die Forschung und die Anwendung der Mediation. Beachten Sie bitte auch:

Wissenschaft Interdisziplinarität Wissensgrundlagen Wissensmanagement Transdisziplinarität Interprofessionalität

Worum es geht: Das Wort Disziplin kommt aus dem Lateinischen.
Disciplina bedeutet Lehre, Zucht, Schule. Disziplin wird als eine Form der bewussten Selbstregulierung (Selbstdisziplin) oder als die Ordnungsregulierung innerhalb eines Befehlsprinzips (Gehorsam) verstanden und als ein Teilbereich der Wissenschaft (Einzelwissenschaft).1 Hier geht es um die Disziplin als Teil der Wissenschaft hinter der Mediation, ihre Bedeutung und ihre Asuwirkung.

Einführung und Inhalt: Die Mediation wird oft als interdisziplinär dargestellt. Tatsächlich ist, dass sich fast alle wissneschftlichen Disziplinnen mit ihr auseinandersetzen. Jede auf ihre Weise. Ab und zu kommt es auch zu einem Austausch zwischen den Disziplinen. In Büchern werden Beiträge von Experten aus allen Disziplinen zusammengetragen, aber nicht immer zusammengeführt. Vielleicht ist die Mediation viel mehr als nur interdisziplinär?

Das Wort "Inter"

Das vorangestellte Wortbildungselement inter stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so vie wie zwischen oder dazwischen. Das wiederum bedeutet, die beiden Gegenstände oder Personen zu beiden Seiten habend. Wer zwischen den Stühlen sitzt, sitzt in der Mitte. Er kann die Nachbarstühle zwar anfassen und sehen, sitzt aber daneben. In diesem Bild beschreibt die Interdisziplinarität die Verwertung und Nutzung des Wissens aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachrichtungen (Disziplinen). In einer immer komplexer und komplizierter werdenden Welt sind Spezialisten gefragt. Auch die Wissenschaft hat sich spezialisiert, indem sie sich Fachrichtungen gegeben hat. Oft entstehen Fachrichtungen mehr oder weniger willkürlich aus sich selbst heraus. Die fachliche Begrenzung ist einerseits nötig, um die Fachdisziplin zu entwickeln. Andererseits führt sie in eine Selbstreferenzialität, wenn die Fachrichtungen versuchen, sich gegeneinander abzugrenzen.

Die Kernkompetenzen der Mediation

Die Komplexität in der Mediation macht sich in der Wissenschaft bemerkbar, sobald man es sich bewusst macht, wie viele Disziplinen einen direkten Einfluss auf das Verständnis und die Steuerung der Vorgänge innerhalb der Mediation nehmen. Diszipilnen, die dazu beitragen, den mediativen Prozess zu erläutern und das Verhalten zu erklären, bilden die Kernkompetenzen aus2

Disziplin Bezug
Rechtswissenschaft Bedingung für Rahmen und Durchführung
Psychologie Bedingung für den Verstehensprozess
Pädagogik Einfluss auf Rolle und Verhalten des Mediators und der Medianden
Kognitionswissenschaft Bedingung zur Steuerung des Erkenntnis- und Verstehensprozesses
Soziologie Bedingung für den Umgang mit Gruppen
Sozialwissenschaft Herleitung von Mechanismen der Mediation
Biologie Das erforderliche Wissen fließt in die Kognitionstheorie ein
Philosophie Auseinandersetzung mit der Erkenntnis, Ethik usw.
Mathematik Die Spieltheorie erläutert den Umgang mit Strategien
Linguistik Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Sprache

Natürlich gibt es Berührungspunkte mit weiteren Disziplinen. In Bausachen gibt es Berührungspunkte mit der Architektur. Die Ökonomie spielt sicher eine Rolle bei Fragen der Vermarktung und Anwendungen innerhalb der Wirtschaftsmediation, etwa wenn es um die Bewertung eines Unternehmens geht. Solche Disziplinen zählen aber nicht zur Kernkompetenz des Mediators, auch wenn er bei Fachmediationen Zusammenhänge erkennen muss, die sich aus diesen Disziplinen herleiten lassen. Grundsätzlich kann der Mediator - wie ein Richter - auf Experten und Sachverständige verweisen. Nach dem Gesetz ist er verpflichtet, auf den dafür erforderlichen Beratungsbedarf hinzuweisen.3

Die Interdisziplinarität in der Mediation

Kaum eine andere Anwendung berührt so viele unterschiedliche Disziplinen wie die Mediation. Es ist deshalb konsequent, wenn verschiedene Provisionen und verschiedene Disziplinen sich der Mediation bemächtigen. Es ist eine natürliche Folge, dass die Sicht auf Mediation durch die Annektierung der Mediation innerhalb der Profession oder Disziplin geprägt wird. Die Mediation wird aus diesem Kontext heraus bewertet.

Juristen haben einen anderen Zugang zum Verfahren als Psychologen. Pädagogen sehen in der Mediation wiederum einen anderen Auftrag als etwa Sozialarbeiter. Der Kreis könnte auf Mediziner, Finanzdienstleister, Unternehmensberater usw. ausgedehnt werden. Die Komplexität der Mediation bewirkt, dass sich alle so oder so in ihr wiederfinden.

Mediatoren sind sich der Interdisziplinarität und der Interprofessionalität durchaus bewusst. Zumindest wird die Interdisziplinarität oft erwähnt. Sie finden Beiträge über Mediation, die einmal von einem Psychologen, einmal von einem Juristen, ein anderes Mal von einem Pädagogen usw. verfasst wurden. Meist werden die Beiträge sequenziell aneinandergereiht. Mit viel Glück erfahren Sie so die Sicht der anderen Disziplinen und Professionen auf die Mediation. Eine Zusammenführung des Wissens steht indes aus. Es wird dadurch erschwert, dass sowohl die Professionen wie die Disziplinen eine Alkompetenz zutrauen und ihr Wissen in den Vordergrund stellen.

Dementsprechend findet der Diskurs über die Mediation vorwiegend innerhalb der Disziplinen und Professionen statt. Die Mediation präsentiert sich eher multidisziplinär als interdisziplinär. Was nützt es beispielsweise dem Psychologen wenn Fragen der Mediation in juristischen Fachzeitschriften diskutiert werden? Was nutzt es der Mediation, wenn sich eine Entscheidung der Rechtsprechung über die Grundsätze der Mediation hinwegsetzt und einen falschen Eindruck der Mediation vermittelt?4

Ein weiteres Phänomen der Mediation ist das scheinbare Wissen über die Inhalte der jeweils anderen Disziplinen. Das hat damit zu tun, dass manche Begriffe in verschiedenen Disziplinen vorkommen, also bekannt erscheinen, obwohl sie unterschiedlich konnotiert werden. Der Wiedererkennungseffekt täuscht. Er begünstigt den Eindruck, das fremde Wissen verstanden zu haben. Es fehlt aber die Tiefe, um zu erkennen, dass dieses Verstehen oberflächlich ist und nicht wirklich ein Verstehen darstellt.

Schließlich ist zu bedenken, dass die Mediation eine Anwendung ist, die ein vielfältiges Spektrum erlaubt. Ihre Komplexität und ihr Tiefgang werden oft unterschätzt. Die unterschiedlichen Perspektiven und der unterschiedliche Anwendungskontext verändern die Bedeutung ganz im Sinne der Unlogik

1+1=3  

Die erforderliche Transdisziplinarität der Mediation

Wenn wir von der Wortbedeutung des vorangestellten Wortbildungselementes inter ausgehen und das Bild im Kopf haben, wo sich das Inter zwischen den Stühlen positioiniert, wird deutlich, dass der der zwischen den Stühlen sitzt, sie Stühle nicht vereinnahmt. Er hat lediglich einen Blick darauf und kann beide Seiten sehen. Wird das Wissen der unterschiedlichen Disziplinen auf diese Weise integriert?

Beispiel 15174 - Ein Buch wird als interdisziplinär beschrieben. Tatsächlich finden sich dort Beiträge von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen. Jeder beschreibt ein Phänomen aus seiner Sicht. Im Zweifel kennen sich die Autoren nicht einmal und wie bei einer Buchproduktion üblich, werden die Beiträge zum Redaktionsschluss abgeliefert, ohne dass sichergestellt wird, dass die Autoren die Beiträge der Co-Autoren überhaupt kennen, geschweige denn in ihren Texten verarbeitet haben. Das wäre gegebenenfalls erst bei einer Folgeauflage denkbar, falls die Autoren sich dann mit den Beiträgen der Kolleginnen und Kollegen auseinandergesetzt haben.


Mit dem Wiki (und den Yes|Books)5 lassen sich diese Hürden überwinden. Hier wird die Interdisziplinarität in eine Transdisziplinarität überführt. Sie soll dazu beitragen, die Selbstreferenzialität zu überwinden. Anders als bei der Multidisziplinarität oder der Interdisziplinarität kommt es ihr darauf an, die Erkenntnisse der jeweiligen Disziplin nicht nur gegenüberzustellen, sondern zusammenzuführen. Dieses Konzept kommt den Überlegungen entgegen, die Mediation als eine disziplinübergreifende Konfliktwissenschaft zu integrieren oder gar als eine eigene Wissenschaft zu etablieren. Der Vorteil wäre ein wirklich disziplinübergreifender Diskurs. Wenn das gelingt, bildet die Mediation nicht nur die Metaebene zur KOnfliktbeilegung der Parteien, sondern auch der involvierten Disziplinen ab und führt sie zusammen. Sie sollte dies auch für die Wissenschaft leisten.

Anwendung

Die jeweilige wissenschaftliche Herleitung spielt sowohl auf der Verfahrensebene wie auf der Fallebene eine ausschlaggebende Rolle. Juristen beispielsweise sind durch eine spezifische, logische Denkweise geprägt. Psychologen orientieren sich eher an der dem Menschen näheren assoziativen Denkweise. Im Wettbewerb meinen die einen, näher an der Mediation zu sein, als die anderen. Es gibt Länder, in denen die Mediation an Professionen gebunden ist, weil man glaubt, nur so die notwendige Kompetenz zur Verfügung stellen zu können. Eine derartige Denkweise lässt Zweifel aufkommen, ob die Mediation verstanden wurde. Sie sollte disziplin- und professionsunabhängig möglich sein. Der Mediator muss sich auf ein breites Wissen einlassen dass alle Disziplinen mit einbezieht. Wenn eine transdisziplinäre Sicht gelingt, wird sich herausstellen, dass die Mediation eine ganz eigenwillige Denkweise zur Verfügung stellt, die sich auf alle Disziplinen einlässt. In der Praxis helfen sich Mediatoren, in dem sie Netzwerke bilden und Co-Meditationen anbieten, die sich aus Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen zusammensetzen.

Ausbildung

Auch für die Ausbildung ist es wichtig zu erkennen, wo der Einfluss einer wissenschaftlichen Disziplin, einer Profession oder einer Dienstleistung das Gesicht der Mediation verändert. Die Mediation nutzt die Werkzeuge aus allen Disziplinen. Der Mediator muss wissen wie sich diese Werkzeuge im Kontext der Mediation verändern und wie sie sich an die Mediation anpassen lassen. Mithin genügt es auch für die Ausbildung nicht, die unterschiedlichen Sichten der Disziplinen gegenüberzustellen. Sie müssen zusammengeführt werden, damit die Grenzen der jeweiligen Disziplin oder Profession erkennbar werden.

Forschung

Insbesondere die Wissenschaft ist aufgefordert, ihre Selbstreferenzialität zu überwinden. Die Mediation nutzt unendlich viele Theorien über einzelne Phänomene, mit der sie in Berührung kommt. Abgesehen von der kognitiven Mediationstheorie gibt es noch keinen wissenschaftlichen Erklärungsansatz, der das Zusammenspiel der Theoriefragmente erläutert.

Wissensmanagement

Die Einführung der Transdisziplinarität erfordert ein Wissensmanagement, wie es Ihnen im Wiki zur Verfügung gestellt wird. Weil das Portal als ein Wiki organisiert ist, steht jede Information jedem Anwender und Wissenschaftler zur Verfügung, egal welcher Disziplin oder Profession er angehört. So ist es möglich, dass Ergänzungen und Korrekturen direkt im Text aus unterschiedlichen Herleitungen und Sichten erfolgen können. Anders als in den Periodika steht diese Möglichkeit permanent und rund um die Uhr zur Verfügung. Näheres dazu finden Sie in der Beschreibung über das Wiki to Yes Wissensmanagement.

Bedeutung für die Mediation

Mediation ist ein Prozess der Vermittlung. Das Verstehen steht im Mittelpunkt. Verstehen ist nicht an eine Disziplin gebunden. Auch kann keine Profession für sich in Anspruch zu nehmen, etwas besser oder schlechter zu verstehen als eine andere. Inwieweit Fachwissen in der Mediation vorzuhalten ist, ist eine Frage, mit der man sich in einem rein prozessorientierten Verfahren auseinanderzusetzen hat.

Die Mediation braucht ein Forum (eine Plattform), in der sie sich mit sich selbst auseinandersetzen kann, ohne dass es zu einer Selbstreferenzialität kommt und ohne dass diese Auseinandersetzung limitiert wird. Die Frage was Mediation ist, ist mit dem Erlass des Mediationsgesetzes in keiner Weise beantwortet. Im Gegenteil! sie kommt immer wieder neu auf mit jedem Impuls und jeder Anwendung, die von außen auf sie hinzukommt. Die Mediation würde ihre Kompetenz verlieren, wenn sie sich dagegen wehrt.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-04-14 08:10 / Version 55.

Alias: Mulitidisziplinarität, Kernkompetenz
Included: Transdisziplinarität
Prüfvermerk:

2 Eine Auseinandersetzung mit der Kompetenz ergibt sich aus dem Beitrag Kompetenz
3 Siehe §2 Mediationsgesetz und die Ausführungen zur Fachmediation
4 Siehe die Entscheidung des BGH vom 21.9.2017
5 Siehe PremiumBooks


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag November 1, 2024 00:13:46 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 5 Minuten