Globale Wirtschaftsstrukturen schaffen sicherlich wirtschaftliche Vorteile. Für die produzierenden Länder gehen diese aber oft mit einer mangelhafte Durchsetzung von Menschenrechten, Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards einher. Wer trägt dazu die Verantwortung und wer kann wie zur Rechenschaft gezogen werden? Immerhin fordern die UN Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGP) den Zugang zu effektiven gerichtlichen wie außergerichtlichen Beschwerdemechanismen. Der Forschungsbericht1 stellt den Mehrwert außergerichtlicher Beschwerdemechanismen heraus, der im Gegensatz zum Gerichtswesen nicht retrospektiv agiert, sondern durchaus auch zukunftsgerichtete und präventive Maßnahmen erwirken könne.
Das von den Forschern entwickelte Intergrative Grievance System (IGS) bündelt die im Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse in einem prototypischen Modell eines unternehmensübergreifend institutionalisierten, außergerichtlichen Beschwerdesystems. Der Bericht kommt zu folgenden Ergebnissen:2
- Unternehmensübergreifende Mechanismen weisen gegenüber unternehmensinternen Mechanismen eine Reihe wesentlicher Vorteile auf.
- Die Funktionsweise eines Beschwerdeverfahrens ist von seiner Einbettung in eine Trägerorganisation abhängig.
- Der Beschwerdemechanismus muss auf die konkreten Bedingungen vor Ort abgestimmt werden.
- Der Beschwerdemechanismus sollte in eine unternehmensübergreifende Organisation eingebettet sein.
- Um die Offenlegung sowie die Weitergabe von Verhaltens- und Mitwirkungspflichten zu garantieren wird eine Lieferkettentransparenz benötigt.
- Eine breitflächige Bekanntmachung der Beschwerdemechanismen ist eine wesentliche Bedingung für ihre Einführung.
- Es müssen systematische Feedback-Routinen etabliert werden, damit Lerneffekte in allen Sphären bis hin zum Risikomanagement möglich sind.
Der Bericht führt aus, dass sowohl die Mediation wie auch die Schlichtung wegen ihrer Flexibilität und Interessenausrichtung durchaus wirkungsvolle Instrumente bei der Bearbeitung von menschenrechtlichen Beschwerden darstellen. In den Regionen, wo diese Verfahren im Kontext gravierender Rechtsverletzungen und existenzieller Abhängigkeitsverhältnisse durchzuführen wären, sei jedoch ein struktureller Machtausgleich erforderlich, damit diese Verfahren überhaupt eine Chance haben. Mit dem in der Forschung entwickelten Integrative Grievance System wird ein prototypisches Modell zur Verfügung gestellt, das Anhaltspunkte und Leitlinien für die Gestaltung von außergerichtlichen Beschwerdemechanismen auf den Ebenen der Institutionalisierung, Implementierung, Verfahrensausgestaltung und Qualitätssicherung anbietet.
Das Gesetz über die Unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, das sog. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vom 16. Juli 2021, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt,3 legt den Unternehmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in §3 folgende Pflichten auf:
- die Einrichtung eines Risikomanagements
- die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
- die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
- die Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie
- die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
- das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen
- die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
- die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern
- die Dokumentation und Berichterstattung
Nach §8 hat das Unternehmen dafür zu sorgen, dass ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren eingerichtet ist. Das Beschwerdeverfahren ermöglicht Personen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind. Zu bedenken ist, dass nicht alle in diesem Gesetz definierten Sorgfaltspflichten im Einflussbereich der inländischen Unternehmen stehen. In einer Handreichung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle werden die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zur Organisation, Umsetzung und Evaluation eines Beschwerdeverfahrens näher erläutert.4 Eine Mediation ist nicht ausgeschlossen. Die damit einhergehende Problematik wird im Zusammenhang mit der Menschenrechtsmediation näher besprochen.
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Der Forschungsbericht kann unter dem Literaturhinweis im Original eingesehen.