Der Umgang mit Verteilungskonflikten
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Die Vorstellung, dass ein Verteilungkonflikt immer in einen Streit ausarten muss, ist keine zwingende Vorgabe. Die Bonobos zeigen uns, dass es auch anders geht. Ihnen werden sexuelle Handlungen nachgesagt, mit denen sie Konflikte, wie etwa den Streit um Futter, beilegen.1 Genauer gesagt lassen sie sich mit dem Empfang von Zärtlichkeiten oder dem Ausbau des sozialen Netzwerks bezahlen, bevor sie die Nahrung teilen.2 Das Problem der Verteilung lässt sich aber sicher noch anders lösen.
Was sind Verteilungskonflikte
Ein Verteilungskonflikt entsteht, wenn zwei oder mehr Parteien um die Verteilung von begrenzten Ressourcen oder Gütern streiten. Der zentrale Aspekt bei einem Verteilungskonflikt ist, dass es nicht genug von dem zu verteilenden Gut gibt, um die Bedürfnisse oder Wünsche aller Beteiligten vollständig zu befriedigen. Solche Konflikte treten häufig auf, wenn es um Geld, Land, Zeit, Rechte, Macht oder andere wertvolle und begrenzte Ressourcen geht. Der Kern des Problems liegt in der Frage, wer wie viel von der begrenzten Ressource erhält.
Die Rahmenbedingungen
Wie das Beispiel der Bonobos zeigt, ist die Verteilungsfrage nicht nur eine Frage der Ressourcen. Die Kultur, das Sozialverhalten und die Hierarchie spielen für die Ermittlung des Konfliktverhaltens in solchen Konflikten eine wichtige Rolle. Sie legen die Rahmenbedingungen fest, unter denen der Verteilungskonflikt zu lösen ist. Das defizitäre Erlebnis kann verschiedene Gründe haben. Möglicherweise handelt es sich um einen unteilbaren Gegenstand, der aufzuteilen ist. Möglicherweise geht es um eine Masse an Gütern oder Ausschüttungen, die nicht auf alle gleichmäßig verteilt werden können oder dürfen. In allen Fällen sollte die Frage der Verfügbarkeit von Gegenstand und Gütern zuerst geklärt werden. Manchmal findet sich im Verborgenen noch etwas, das die Verteilungsmasse vergrößern kann. Die Verbindung von Verfahren, ist ein darauf abstellender Trick, der mit dem erweiterten Streitvolumen auch die Verhandlungsmasse vergrößert. Das Ziel ist die Vergößerung des Kuchens.
Wenn es um die Frage geht, wer was bekommt oder wer wieviel wovon abkriegen soll, sind zunächst die Rahmenbedingungen abzuklären. Sie betreffen die Frage, worin das Verteilungsproblem genau besteht, was alles in die Verteilungsmasse hineingerechnet werden kann und was die Zuwendung oder Nichtzuwendung bedeutet. Wir entfernen uns von einer mathematischen Verteilungsrechnung, wenn die Zuwendung für die eine oder andere Partei nicht nur einen materiellen Zuwachs, sondern auch einen Zuwachs an Reputation oder anderen emotionalen Werten bedeutet. Ähnlich wie bei den Bonobos können auch solche Vorteile in die Masse eingerechnet werden. Auch die Beschaffungsmöglichkeiten und das Potenzial, einen äquivalenten Wert zu beschaffen, spielt eine Rolle. Es ist geschickt, sich vor dem Verteilungskampf darüber klar zu werden.
Die Verteilungsmasse
Die zu verteilenden Ressourcen oder die Verteilungsmasse wird analog zum Kuchenaufteilungs-Spiel als der zu verteilende Kuchen beschrieben. Der Kuchen entspricht der Auszahlung im Sinne der Spieltheorie. Erst wenn feststeht, dass die Masse weder ausreicht, noch dass sich der Kuchen vergrößern lässt, um alle Parteien zu befriedigen, sollte an einen Verteilungskonflikt gedacht werden. Erst dann steht fest, dass nur die Frage der Verteilung als Verhandlungsmöglichkeit offen bleibt. Die notwendige Aufteilung führt in ein Nullsummenspiel, bei dem die binäre Logik zum Tragen kommt:
Auch bei einem Verteilungskonflikt führt die Mediation in eine kooperative Verhandlungslage hinein. Es ist deshalb auch in diesem Fall wichtig, die Mediation nach den Regeln der Kunst auszuführen und alle Phasen zu durchlaufen. Spätestens in der vierten Phase müssen sich die Parteien über die Verteilungsmasse bewusst werden und darüber, dass sich der Gewinn, also der Lösungskuchen, nicht vergrößern lässt. Dann geht es nur noch um die Frage, wie der Kuchen zwischen den Parteien aufgeteilt wird. Ein Verteilungskonflikt kann auch vorliegen, wenn es um die Verteilung eines unteilbaren Gegenstandes geht.
Ein anderes Beispiel für einen Verteilungskonflikt ist die Sachlage im folgenden Fall:
Ein Verteilungskonflikt kann auch Probleme aufwerfen, obwohl die Quoten bekannt sind.
Andere Beispiele sind Streitigkeiten bei der Vermögensteilung anlässlich Scheidung oder die Masseverteilu8ng bei einer Insolvenz usw.
Der Teilungsprozess
Bei einem Verteilungskonflikt geht es im Grunde immer nur um die Frage, wer was oder wieviel bekommt. Genauer gesagt sind es zwei Fragen:
- Wer hat welchen Anteil woran (Verteilungskriterien). Hier kann es gesetzliche oder andere Vorgeben geben, die zunächst zu prüfen oder zu vereinbaren sind. Gesetzliche Vorgaben sind z.B. der Halbteilungsgrundsatz bei der Scheidung, die Verteilung der Masse auf die Gläubiger bei Insolvenz usw.
- Welche Masse entspricht dem Anteil (Verteilung und Zuweisung). Diese Frage bechränkt sich auf die Festlegung von Beträgen, wenn die Ressourche nur aus Geld besteht. Bei einer gemischten Ressource, wo Geld mit Immobilien, Wertpapieren und Anwartschaften zusammenkommen wird die Ausschüttung schrieriger.
Die Verteilung verläuft optimal, wenn sie nach dem Divide and Choose-Prinzip erfolgt. Dieses Konzept wird in der Spieltheorie und in der Fairnessforschung verwendet, um zu demonstrieren, wie faire Verteilung von Ressourcen erreicht werden kann. Zunächst einigen sich die Spieler auf eine faire Verteilung, z. B. 50:50. Dann wird ein selbstregulierendes System geschaffen, indem ein Spieler den Kuchen in zwei gleiche Teile aufteilt und der andere wählt, wer welchen Teil bekommt. Der Idealfall lässt sich in der Praxis leider nicht immer abbilden. Sie begegnen oft dem Phänomen, dass die Quoten erst gar nicht festgelegt sind oder dass die Anteile weder nominiert noch zuzuordnen sind. Dann lässt sich das Divide and Choose Prinzip nicht verwenden. Sattdessen werden folgende Herangehensweisen genutzt:
- Feilschen
- Das Bargaining wird auch als distributives Verhandeln bezeichnet. Es ähnelt einem Feilschen ohne dass die Verteilungsquote zuvor festgelegt wurde. Ob geteilt oder gefeilscht wird, hängt ganz wesentlich von der Kooperationsbereitschaft bzw. der Bereitschaft nahzugeben ab.
Das Ergebnis wird in Näherungschritten herbeigeführt. Hier eignet sich eine Shuttle-Mediation. Die Schritte werden wiederholt, bis es zur Einigung kommt. Das Zusammenspiel des sich Annäherns wird als negotiation dance beschrieben. Bemerkenswert ist, dass sich relativ präszise vorhersehen lässt, wo der Tanz endet. Er weist eine Regelmäßigkeit aus, die sich im Verhältnis von Zugeständnis und Zeit ausdrückt. Die Formel lautet: Jedes weitere Zugeständnis macht etwa die Hälfte des vorausgehenden Angebotes aus und dauert doppelt so lange. Einfluss auf die Zahl der Schritte und die Dauer des Verhandelns nehmen auch die als Anker gesetzten Einsatzbeträge. Diese Art des Verhandelns wird oft intuitiv angewendet. Je nach Kultur und Gepflogenheit wird sie auch ritualisiert. Deshalb wird das Feilschen auch als Basar-Methode bezeichnet.
- Teilen
- Der Teilungsprozess kommt dem Divide and Choose-Prinzip nahe. Er kann in der Mediation ähnlich abgewickelt werden. Wichtig ist, dass er erst in der 4.Phase in Angriff genommen wird. Möglicherweise stellt dann auch erst heraus, dass eine andere Form der Kompensationen als durch Teilung nicht möglich ist. Wenn er die Kriterien für die Teilung noch nicht wie im Divide and Choose-Prinzip herausgearbeitet hat, muss er gegebenenfalls zurück in die 3.Phase, um das nachzuholen. Jetzt werden die genauen Kriterien für die Aufteilung festgelegt. Diese Abstimmung kann auch in der 4.Phase vorgenommen werden, sobald klar ist, dass eine bloße Verteilung der Ressourchen übrig geblieben ist, der Kuchen sich also nicht vergrößern ließ.
Es geht bei einem Verteilungskonflikt also darum, zunächst stets eine Regel abzustimmen, wie die Verteilung zu erfolgen hat und nicht drauf los zu argumentieren. Er lässt die Parteien Vorschläge unterbrieten. Gegebenenfalls kann er auch nach der Verteilungsquote fragen und den Parteien (evtl. anhand der Interssenlage) helfen sie zu finden. Er achtet auf alles, woran sich die Aufteilung orientieren kann. Wenn die Parteien sich darauf verständigt haben, unterbreiten sie sich Vorschläge, wie die Aufteilung konkret zu vollziehen ist.
Bedeutung für die Mediation
Bei der Frage, ob sich der Kuchen erweitern lässt oder nicht, bietet die Konfliktanalyse eine wirkungsvolle Hilfe. Sie zeigt gegebenenfalls dass und wo der Lösungskuchens zu erweitern ist, wenn das Problem etwa mit einem Beziehungskonflikt einhergeht, sodass eine emotionale Kompensation möglich wird oder wenn, wie im Orangenbeispiel des Harvard-Konzeptes3 die Interessenebene eingezogen werden kann. Die Parteien erkennen oft nicht, dass die Mediation andere Ebenen hinzunehmen kann, um den Kuchen zu vergrößern.4 Eine andere Möglichkeit, den Kuchen zu vergrößern ist die Ausweitung der Themen auf andere Probleme, wo die eine Partei im einen Fall mehr und im anderen Fall weniger bekommt, sodass auf diesem Weg ein Ausgleich möglich wird. Für den Mediator bietet es sich in diesem Fall an, die 4.Phase gemeinsam für alle Themen durchzuführen.5
Die Frage, ob der Kuchen zu erweitern ist oder nicht, ergibt sich meist schon aus der 3.Phase, wo die Kriterien für die Lösung erarbeitet werden. Diese Vorgehensweise ändert sich nicht bei einem Verteilungskonflikt.
Natürlich ist es möglich, dass ein Verteilungskonflikt lediglich im Kompromiss endet. Die Mediation kann jedoch sicherstellen, dass bei diesem Kompromiss alle Aspekte und Interessen in die Lösungsfindung eingeflossen sind. Sie kann auch sicherstellen, dass es bei der Verteilungsverhandlung nicht zu einem Streit kommt.
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