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Debatten und Debattenkultur

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Sie mögen sich fragen, was ein Beitrag über Debatten in einem Portal über Mediation zu suchen hat. Wiki to Yes erfasst alles, was irgenwie mit Mediation zu tun hat. Also werden auch Phänomene und Konzepte besprochen, die gegen die Mediation abzugrenzen sind. Die Debatte stellt ein solches Konzept dar. Das ist der eine Grund. Der andere Grund führt in die Frage, ob die Debattenkultur, die ja auch ein Teil der Streitkultur ist, durch die Erkenntnisse der Mediation optimiert werden kann. Schließlich mag auch umgekehrt erwogen werden, ob und inwieweit die Debatte eine Mediation bereichern kann. Es gibt also viele Gründe für einen Beitrag über das Debattieren in einem Mediationsthinktank. Um die Schnittstellen zwischen der Mediation und der Debatte herauszustellen, soll zunächst geklärt werden, was Debatten überhaupt sind.

Was sind Debatten

Bereits die Einordnung der Debatten in die Systematik von Wiki-to-Yes bereitet Schwierigkeiten. Einserseits können die Debatten als ein Verfahren der Streitbeilegung erfasst werden. Andererseits aber auch als eine Methode des Streitens und im Idealfall der Streitbeilegung. Es fällt auf, dass in dem Wort eine (engl.) Battle versteckt ist. Das erinnert an einen Kampf. Tatsächlich wird das Wort Debatte jedoch auf einen lateinischen Ursprung zurückgeführt. Das Lateinische debattere bedeutet so viel wie niederschlagen oder abkämpfen. Das DWDS führt den Ursprung des Wortes auf battuere zurück, was schlagen bedeutet. Das Wort selbst soll dem Französichen débattre entlehnt sein, das mit verhandeln oder erörtern zu übersetzen ist. In allen Definitionen beschreibt die Debatte einen Meinungsstreit.1 Die Bundeszentrale für politische Bildung sieht in der Debatte ein öffentliches Streitgespräch.2 Dann finden wir noch die Definition, dass es sich um eine strukturierte Diskussion oder ein Streitgespräch handelt, bei dem zwei oder mehr Parteien unterschiedliche Standpunkte zu einem Thema präsentieren, argumentieren und verteidigen. Ziel einer Debatte ist es, eine Frage zu klären, eine Lösung für ein Problem zu finden oder eine Meinungsbildung zu ermöglichen.

Der Abgrenzungsbedarf

Wenn von einem Meinungsstreit die Rede ist, finden sich durchaus auch Parallelen zur Mediation. Ein Streit über Meinungen kommt auch dort vor. Auch in der Diskussion kann es um einen Meinungsstreit gehen. Die Verteidigung eines Themas finden wir im Disput wieder. Mithin ist es weniger der Gegenstand, der eine Abgrenzung einfordert, sondern die jeweilige Herangehensweise.

  1. Mediation: Die Abgrenzung zur Mediation fällt leicht. Dort geht es weder um eine Verteidiung noch um ein Schlagen. Es geht auch nicht darum, eine Lösung durchzusetzen. Ein Überzeugen des Gegners ist indes möglich, wenn auch mit anderen Mitteln.
  2. Diskussion: Eine Diskussion ist ein Austausch von Argumenten, Meinungen, Informationen und Ideen zwischen zwei oder mehreren Personen oder Gruppen. Ihr Ziel ist es, durch einen offenen Dialog und eine konstruktive Debatte eine tiefere Einsicht in ein bestimmtes Thema oder Problem zu erlangen. In der Mediation spielt die Diskussion eine nachgeordnete Rolle. Sie wird gegebenenfalls sogar verhindert.
  3. Disput: Bei einem Disput handelt es sich um ein kontrovers geführtes Streitgespräch zwischen zwei Personen oder über einen bestimmten Gegenstand.
  4. Dialog: Der Dialog grenzt sich vom Monolog ab. Er bezeichnet ein Wechsel- oder ein Zwiegespräch. Anders als bei der Debatte oder dem Disput geht es nicht um einen Schlagabtausch, sondern um die Erkenntnis.

Struktur und Bestandteile der Debatte

Die Definition einer Debatte kann je nach Kontext variieren, aber im Allgemeinen beinhaltet sie folgende Elemente:

  1. Struktur: Eine Debatte folgt in der Regel einer festgelegten Struktur oder einem bestimmten Format, das Regeln für die Reihenfolge der Redebeiträge, die Zeitbegrenzung, die Rolle des Moderators oder Schiedsrichters und andere Aspekte festlegt.
  2. Teilnehmer: An einer Debatte nehmen zwei oder mehr Personen oder Gruppen teil, die als "Pro" (für die Proposition) und "Contra" (gegen die Proposition) bekannt sind. Jede Partei vertritt einen bestimmten Standpunkt oder eine bestimmte Position zu einem Thema.
  3. Argumentation: Die Teilnehmer präsentieren ihre Argumente und Beweise, um ihren Standpunkt zu unterstützen und die Position der Gegenseite herauszufordern. Dies kann durch logische Schlussfolgerungen, empirische Daten, Expertenmeinungen und andere Formen von Überzeugungsstrategien erfolgen.
  4. Reaktion: Während der Debatte haben die Teilnehmer oft die Möglichkeit, auf die Argumente und Fragen der Gegenseite zu reagieren, um ihre eigenen Standpunkte zu verteidigen und zu stärken.
  5. Ziel: Das Ziel einer Debatte kann darin bestehen, die Überzeugungen des Publikums zu beeinflussen, einen Konsens zu erreichen, eine Lösung für ein Problem zu finden oder einfach unterschiedliche Standpunkte zu präsentieren und zu diskutieren.

Erscheinungsformen der Debatte

Debatten sind ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Prozesse und dienen dazu, unterschiedliche Standpunkte zu einem Thema oder einer politischen Fragestellung auszutauschen, zu diskutieren und zu bewerten. Sie bieten eine Plattform für den öffentlichen Diskurs und ermöglichen es den Menschen, ihre Meinungen zu äußern, Informationen auszutauschen und politische Entscheidungen zu beeinflussen. Im Folgenden werde ich die Bedeutung von Debatten näher erläutern, insbesondere mit Blick auf die parlamentarische und politische Debattenkultur.

  1. Parlamentarische Debatten Parlamentarische Debatten sind ein zentrales Element demokratischer Regierungssysteme, insbesondere in parlamentarischen Demokratien. Sie finden in den gesetzgebenden Organen statt, wie zum Beispiel in nationalen Parlamenten oder Landtagen, und bieten den gewählten Vertretern die Möglichkeit, über Gesetzesvorlagen, politische Programme, Haushaltsfragen und andere wichtige Themen zu diskutieren. Diese Debatten sind in der Regel strukturiert und folgen bestimmten Regeln und Verfahren, um einen geordneten und fairen Austausch von Standpunkten zu gewährleisten.
  2. Politische Debatten: Politische Debatten, die oft in der Öffentlichkeit stattfinden, können verschiedene Formen annehmen, einschließlich Fernsehdebatten, öffentlicher Foren, Online-Diskussionen und Podiumsdiskussionen. Sie ermöglichen es politischen Kandidaten, ihre Ansichten zu präsentieren, politische Programme zu erklären und sich den Fragen und Kritiken der Öffentlichkeit zu stellen. Diese Debatten sind oft von großer Bedeutung für die Meinungsbildung und können das Ergebnis von Wahlen und politischen Entscheidungen beeinflussen.

Debattenkultur

Allgemein wird beklagt, dass sich die Debattenkultur verschlechtere. Wenn der Bundestag dafür eine Markierung bietet, lässt sich die Verschlechterung der Debattenkultur an der Zahl der Ordnungsrufe messen, die stark zugenommen hat. Viele Reden seien darauf ausgerichtet, im Netz gut anzukommen, um die eigene Blase zu unterhalten, meint Kubicki. Die politischen Fronten würden immer unversöhnlicher. Ein wirklicher Austausch mit Argumenten fände oftmals nicht statt. Viele Abgeordnete verschanzten sich hinter einer Haltung, die eher kommunikative Brücken abreiße, anstatt sie zu bauen. Die Parlamentsreden würden dadurch berechenbarer und taugten für die Bürgerinnen und Bürger immer weniger als wirkliche politische Entscheidungshilfe.3

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Politische Korrektheit und Debattenkultur


Ein Blick aus der Satire zeigt, dass es nicht nur darum geht, dass Politiker die Debatten benutzen, um sich bei ihrer Wählerschaft ins Licht zu rücken. Vince Ebert beschreibt die politische Korrektheit und die Auswirkungen der Debattenkultur, die keine mehr ist, in der Aufzeichnung einer Sendung des 3satFestivals vom 27.09.2020. Ebert sieht die Kunst des offenen Diskurses in Gefahr. Selbst der Humor werde zum politischen Minenfeld. Das deutet auf eine Kultur jenseits der Debatten hin, die sich auf die Debatten auswirkt. Jantschek führt die schlechte Debattenkultur darauf zurück, dass wir in einer Zeit von Meinungsmanie und Bekenntniszwang lebten. Aus dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments, den der Philosoph Jürgen Habermas ausgerufen habe, sei längst die mit Ausschluss aus dem Diskursuniversum sanktionierte Forderung geworden, man möge endlich diese oder jene Meinung teilen.4 Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke spricht von einer Kultur des Ausrufezeichens, das er mit dem Schrei nach "Hör mir zu!" gleich setzt. Das Ausrufezeichen führe zu einer hermetischen Abriegelung der eigenen Argumentation, von der man sich in Blasen oder Echoräumen vergewissert. Die eigene Meinung muss nicht hinterfragt werde. Andere Meinungen müssen erst gar nicht angehört werden. Lucke führt die Ursache unter anderem auf eine politische Verunsicherung zurück.5

Es fällt auf, dass Menschen sehr schnell mit einer voreiligen Attribution, einer Bewertung oder gar einer Verurteilung reagieren. Der Vorwurf rechtfertigt die Unwissenheit und impliziert die Sachkenntnis. Wer keine Meinung hat, gilt als dumm, wer die falsche Meinung hat, gilt als feindlich. Ein Mediator würde auf Bewertungen verzichten und zurückmelden, dass es um Orientierung gehe. Er würde sich auch nach dem Selbstwert des Menschen erkundigen. In einer Zeit des Umbruchs, wo die Bedeutungen von allem zu hinterfragen sind, kann selbst eine falsche Meinung über die Orientierungslosigkeit hinweghelfen. Wer eine Meinung hat, weiß wo es langgeht, selbst wenn er sich in abstruse Verschwörungstheorien retten muss, um sein vermeintliches Wissen um die Welt zu schützen. Jantschek schlägt vor, sich wie ein moderner Stoiker zu benehmen, der das unruhige Leben dadurch zu meistern versucht, dass er auf Distanz zum Meinungsaktivismus geht. Lucke schlägt vor, dass wir lernen, aus dem Ausrufezeichen ein Fragezeichen zu machen. Mit solchen Gedanken nähern wir uns wieder der Mediation.

Bedeutung für die Mediation

Die Idee, die Debattenkultur zu verbessern erinnert an die Zielsetzung des Gesetzgebers und der Verbände, die Streitkultur zu verbessern. Es wurde bereits bezweifelt, ob dies mit der formellen Einführung des Mediationsverfahrens gelingen kann, wenn sich nicht die Grundeinstellung in der Gesellschaft verändert. Aber es ist zumindest ein Ansatz, wo sich Parallelen zu der Idee finden lassen, wie die Debattenkultur zu verbessern ist.

Die Mediation führt aus einem Streit in den Austausch hinein. Sie würde die Anforderungen erfüllen, die auch von Debatten erwartet wird. Die Mediation weiß allerdings, dass die Argumentation bei eskalierten Konfliktlagen das schlechteste Mittel ist, um einen Austausch zu bewirken. Wenn die Emotionen hochgekocht sind, führen auch Argumente eher zum Widerstand. Fragezeichen und Meinungsdistanz sind Merkmale, derer sich auch die Mediation bedient. Sie nutzen wenig, solange die Parteien nicht bereit sind, sich einem Fragezeichen zu stellen. Deshalb bettet die Mediation derartige Tools in einen Prozess ein, dem sich alle Parteien stellen wollen und können. Innerhalb des Prozesses würde sich die Mediation auf die Emotionen einlassen und sich mit ihnen auseinandersetzen, bevor es zur Sachauseinandersetzung kommt. Es genügt also nicht, ein Ausrufungszeichen in ein Fragezeichen zu verwandeln.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-05-18 19:13 / Version .

Alias: Debatte
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Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Montag Dezember 23, 2024 08:44:29 CET.

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