Lade...
 


Der nachfolgende Beitrag beschreibt eine Mediationstechnik. Die Techniken werden als Werkzeuge erfasst. Sie müssen einer Methode zugeordnet werden. Bitte informieren Sie sich über die Werkzeugsystematik. Details zum konkreten Werkzeug finden Sie im Datenbankeintrag. Werkzeuge helfen bei der Verwirklichung der Mediation. Es ist also wichtig, sie im Einzelnen zu kennen und korrekt anzuwenden.

Zur Werkzeugsystematik Verzeichnis der Techniken Zum Datenbankeintrag

Bedeutungserhellung

Oft wird gefragt, wie es dem Mediator gelingt, stets die richtigen Fragen zu stellen. Beobachter bemerken, wie seine Fragen auf den Punkt kommen. "Das wäre mir gar nicht aufgefallen", ist ein häufiger Kommentar. Der Grund ist wohl der, dass es gar nicht so sehr auf die Frage ankommt wie auf das Zuhören, wo der Fokus auf den Bedeutungen liegt. Die meisten Fragen ergeben sich aus dem Auftrag, die Bedeutungen zu klären. Fragen sollen dazu beitragen, die als Entropie bezeichneten Informationsdefizite aufzudecken.1 Diese Informationsdefizite liegenb oft in den Bedeutungen. Fakten lassen sich kaum verändern. Wohl aber deren Zuschreibungen. Das Framing ist dafür ein gutes Beispiel.2

Hier geht es um die Darstellung eines Werkzeuges, also um die Frage, wie sich die Bedeutungen erschließen lassen. Gibt es dazu überhaupt eine Methode? Juristen kennen vier Auslegungsregeln:

  1. Grammatische Auslegung (auf den Wortlaut abstellend)
  2. Historische Auslegung (auf die geschichtlichen Hintergründe abstellend, die zur Einführung der Norm geführt haben)
  3. Systematische Auslegung (auf das Verhältnis der Normen zueinander abstellend)
  4. Teleologische Auslegung (auf den Gesetzeszweck gerichtete Auslegung)

Diese Regeln könnte man fast bei jeder Exegese anwenden. In der Mediation geht es aber weder um eine Auslegung noch um eine Interpretation. Das wäre viel zu ungenau und gar nicht erforderlich. Wir können die Partzei doch fragen. Es geht also weniger darum, wie ich etwas auslege, als darum, zu verstehen. Das Verstehen knüpft an Informationsdefizite und Ungenauigkeiten an. Wie lassen die sich Aufdecken?

Wieder mag der Blick auf das Juristische helfen. Nicht alles muss ausgelegt werden. Juristen unterscheiden zwischen bestimmten und unbestimmten Tatbestandsmerkmale. Bestimmte Tatbestandsmerkmale sind gesetzliche Vorgaben, die eindeutig sind. Lediglich die unbestimmten Tatbestandsmerkmale bedürfen der Auslegung. Ähnlich verhält sich die Kommunikation. Was eindeutig ist, muss nicht hinterfragt werden. Damit koimmt die Frage auf, was denn überhaupt eindeutig ist. Nach den Ausführungen zur Wahrheit und Wirklichkeit und dem sogenannten radikalen Kosntruktivismus müssen wir davon ausgehen, dass nichts eindeutig ist.3 Muss ich also alles hinterfragen? Das wäre vielleicht angebracht, ginge aber zu weit. Die Mediation dient ja einem bestimmten Zweck. Es geht darum, ein Verstehen zu vermitteln, das für die Lösungsfindung relevant ist. Was relevant ist, ergibt sich aus der Mediationslogik, also den Gedanken, die sich nach dem Konzept der Mediation zunächst auf den hinter der Lösung verborgenen Nutzen konzentrieren. Hier liefert das Wort verborgen den Schlüssel. Was verborgen ist oder nicht, ergibt sich aus der <Vortsellungswelt der Parteien und den Informationen, auf die sie Zugriff haben (oder bekommen).

Die Vorstellung erschließt die Bedeutung. Um der Bedeutung einer Aussage, einer Nichtaussage oder einer nonverbalen Äußerung auf den Grund zu gehen, ist folgende Herangehensweise angebracht:

Semantik
Das Wort Semantik wird aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet so viel wie "bezeichnen" oder "zum Zeichen gehörig". Ihr Gegenstand ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen den Zeichen und deren Bedeutungen. Zeichen können sowohl Wörter, Wortteile, Sätze, Satzteile wie auch Symbole sein.4 Wir müssen uns nicht mit wissenschaftlichen Details belasten, wenn es darum geht die Bedeutung herauszufinden, die eine Partei der von ihr verwendeten Sprache beimisst. Wir müssen auch nicht wissen, ob die Bedeutung semasiologisch (also vom Zeichen ausgehend) oder onomasiologisch (also vom Gegenstand ausgehend) beurteilt wird. Es interessiert auch nicht so sehr, was allgemein unter den Begriffen verstanden wird oder ob es sich gar um Neolingismen handelt. Der Mediator interessiert sich dafür, was die Partei (der konkrete Gesprächspartner) darunter versteht. Bei Worten des allgemeinen Sprachgebrauchs ist klar, was beispielsweise ein Baum ist. Was sich die Partei aber darunter vorstellt, ob ihr ein großer, über die Nachbargrenze wuchernder Baum in den Sinn kommt, eine Pinie, ein Hutbaum oder gar ein Wald, ist unklar. Möglicherweise ergibt sich die Vorstellung aus dem gesprochenen Kontext. Damit wird die Konnotation angesprochen, also die Gedankengänge (Assoziationen) die auf der Seite des Senders und des Empfängers ausgelöst werden. Die interessieren den Mediator am meisten. Damit kommen wir zur Semiotik.
Semiotik
Die Semiotik ist die Lehre von den Zeichen, die auch außerhalb von Worten vorkommen. Nach Peirce ist sie nicht nur die Grundlage jeder Kommunikation, sondern auch die Voraussetzung für jede Form der Erkenntnis, denn jedes Denken ist ein Denken in Zeichen5 Wie sich die Semiotik auf den Verstehensprozess auswirkt, wird im Beitrag "Persönlichkeitspsychologische Grundlagen der Mediation" beschrieben 6 Die Semiotik unterscheidet die Sache, also das was bezeichnet werden soll (das Bezeichnete oder das „Signifikat“) von dem bezeichnende Wort (das Bezeichnende oder das „Signifikant“) und die Position (von der aus diese Übereinstimmung betrachtet wird). Ergeben sich Abweichungen, bedarf des der Nachfrage.
Zuschreibungen
Trotz aller Konventionen besteht noch immer die Möglichkeit, dass Worte oder Gesten eine ganz individuelle Bedeutung haben. Ein Wort wie "Familie" zum Beispiel lässt sich nicht einfach übersetzen. Jeder glaubt, es zu verstehen. Würde das aus dem Lateinischen stammende Lehnwort übersetzt werden, wäre eine Versorgungsgemeinschaft. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Verwender (etwa ein Mediand) dem Wort diese Bedeutung zuschreibt. Worte mit einem emotionalen Bezug sollten deshalb stets hinterfragt werden.
Stimmigkeit
Im Grunde achtet der Mediator immer auf die Stimmigkeit des Gesagten. Passen die verbale, die nonverbale und die paraverbale Kommunikation zusammen? Passen die gewählten Worte zu dem was gesagt (gemeint) ist? Passen sie in den Kontext, in dem sie gesagt werden?
Gewichtung
Wie eingangs erwähnt, wäre es für ein Gespräch belastend, wenn alles hinterfragt wird. Also kommt es auf die Relevanz des Gesagten für die Mediation an. Unabhängig davon sind Worte, die betont oder wiederholt werden, immer wichtig, auch wenn sie für den Empfänger unbedeutend erscheinen.

Mit der Bedeutungserhellung wird eine Herangehensweise beschrieben. Sie findet schwerpunktmäßig in der dritten Phase statt. Technisch wird sie in erster Linie mit dem präzisen Zuhören verwirklicht. Mit dem Loop wird die Kommunikation synchronisiert und die Bedeutungen abgestimmt. Es kommen aber noch weitere Techniken zur Anwendung. Eine ausführliche Darstellung aller Verstehenstechniken und ihre Einbindung in die Mediation ergibt sich aus den Ausführungen zur Phase drei.

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2022-05-19 11:35 / Version 11.

Siehe auch: Wahrheit, Werkzeuge, Zusammenstellung, Technikenverzeichnis
Prüfvermerk: -


Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Samstag Dezember 28, 2024 18:15:59 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 5 Minuten