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Die Entwicklung der Mediation aus statistischer Sicht
Auswertung der Statistik bezogen auf die Trends der Mediation
Im Idealfall indizieren die Statistiken was zu tun ist, um die Implementierung der Mediation zu fördern. Im anderen Fall helfen sie das Bild zu verfälschen. Die Zahlen klingen so real. Dennoch führen ihre Auswertungen gerne an der Wirklichkeit vorbei. Um das zu vermeiden hat Wulf Rohwedder1
in dem Beitrag Alles Lüge oder was? auf wichtige Grundsätze im Umgang mit Statistiken hingewiesen:
- Stichprobe und Auswahlverfahren müssen genannt sein, damit die Stichprobe eingeschätzt werden kann
- Angabe der Repräsentativität (also der Schwankungsbreite und des Vertrauenswertes2 )
- Bezugnahmen müssen sich auf die gleiche Stichprobe, die gleiche Zeit und die gleichen Faktoren beziehen
- Direkte und indirekte Abhängigkeiten müssen aufgedeckt werden
- Die Qualität der Befragung von Probanden muss offengelegt und reflektiert werden
Gemessen an diesen Kriterien ist die Mediationsgesetz-Evaluierung ebenso wie andere Umfragen in diesem Bereich weder repräsentativ noch für die Einschätzung des Aufkommens der Mediation verwertbar. Die Umfragen gehen zum Teil von einem nicht abgestimmten Grundverständnis der Mediation aus und erheben Fragen, in denen sich die Mediation nicht wiederfindet3 .
Auch wenn die Evaluierung oder der Reboot nur ein selektives Bild der Mediationslandschaft wiedergeben, erlauben sie doch die Entwicklung der Mediation besser einzuschätzen. Wiki to Yes unternimmt den Versuch, das vorhandene Material nach erkennbaren Trends auszuwerten:
Trends in der Mediation (2021)
Wird nachgetragen!
Trends in der Mediation (2017)
Das statistische Verhältnis zwischen Bekanntheit und Nachfrage der Mediation war im Jahre 2017 dadurch gekennzeichnet, dass 73% der Bevölkerung die Mediation zwar kannten, aber nur 1% der Betroffenen (Streitparteien) sie nachgefragt haben.4 Die Kennzahlen haben sich verändert.
Heute, zum Stand 2020, haben nach dem Roland Rechtsreport 20205 bereits 87% der Bevölkerung von der Mediation gehört. Das ist eine Steigerung um 14%. Der Report führt weiter aus, dass 13% davon in dem Jahr der Umfrage zum ersten Mal etwas von der Mediation gehört haben. Im Vorjahr waren es 16% von 84% der Bevölkerung, die schon etwas über Mediation gehört hat. Die Mediation wird also immer bekannter!
Der Trend zur Nachfrage nach der Mediation sollte mit der Gerichtsstatistik verglichen werden.8 Möglicherweise gibt es eine Korrelation. Die nachfgolgende Auswertung weist einige markante Zahlen aus:
Neuzugänge | 2007 | 2012 | Differenz | %/Jahr | 2019 | Differenz | %/Jahr | Veränderung |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Zivilsachen | 1.263.012 | 1.150.663 | 112.349 | 1,78 | 927.529 | 223.134 | 2,77 | 0,99 |
Familiensachen | 539.783 | 655.486 | -115.703 | -4,29 | 569.742 | 85.744 | 1,87 | 6,16 |
Landgericht | 373.331 | 355.623 | 17.708 | 0,95 | 354.721 | 902 | 0,04 | -0,91 |
OLG Familiensachen | 25.757 | 30.178 | -4.421 | -3,43 | 22.635 | 7.543 | 3,57 | 7,00 |
Negative Zahlen bedeuten einen Zuwachs an Neuzugängen, positive einen Rückgang. Die Zahlen wurden für die Jahre 2007 (Beginn der vorliegenden Statistik), 2012 (Erlass des Mediationsgesetzes) und 2019 (Ende der vorliegenden Statistik) herausgestellt. Der auf den Zeitraum bezogene Rückgang wird in %/Jahr angegeben. Die stärkste Veränderung ergibt sich bei den Familiensachen. Allerdings verzeichnen die Scheidungen im gleichen Zeitraum (von 2012 / 46,24% bis 2019 / 35,79%) ebenfalls einen Rückgang von 1,49%/Jahr. Trotzdem erlauben die Zahlen zumindest auf den ersten Blick die Annahme, dass der Rückgang der Gerichtsverfahren seit dem Erlass des Mediationsgesetzes zugenommen hat. Der Roland Rechtsreport führt aus, dass einer Mehrheit der Bevölkerung der Gedanke, vor Gericht treten zu müssen, eher unangenehm sei, weshalb die Möglichkeiten der außergerichtlichen Einigung für viele an Attraktivität gewännen.9 Dazu passt das Umfrageergebnis, dass inzwischen 54% der Bevölkerung glauben, eine rechtliche Auseinandersetzungen ließe sich außergerichtlich beilegen. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 4%.10
Wenn zuvor für die Inanspruchnahme der Mediation ein Kennwert von 10% angegeben wurde, handelt es sich um eine wilde Annahme. Immerhin würde sie eine Nachfragesteigerung gegenüber dem Vorjahr von 9% belegen. Ganz von der Hand zu weisen ist die Zahlenangabe jedoch nicht. Die Steigerungsrate könnte durch Umfragen unterstrichen werden, die sich auf das Konfliktmanagement im Unternehmen beziehen. Hier haben bereits ein Drittel der Unternehmen einen Mediator beauftragt. 44% nutzen Verhandlungen zur Konfliktbeilegung. 28% haben in eine Schlichtung eingewilligt. Lediglich 37% der Unternehmen haben noch keine Erfahrungen mit diesen und ähnlichen Verfahren gesammelt11 .
Die unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen, dass die Nachfrage im Bereich der gerichtlichen Verfahren und die Mediatoren die bei Umfragen erreicht werden doch nur einen selektiven Blick auf die Mediation und ihre Nachfrage erlauben. Auch ist es erforderlich, sich die Studien im einzelnen anzuschauen. Nicht immer erlaubt das statistsiche Material die Schlussfolgerungen, die man ihm gerne zuschreiben möchte. Die Aussage im Roland Rechtsreport beispielsweise, wonach die Bedeutung der Mediation gestiegen sei, wird durch die zitierten Zahlen nicht belegt. Gestiegen ist laut der dort durchgeführten Umfrage die Zahl der Menschen, die das Wort Mediation schon einmal gehört haben. Ob diese Zahl eine Aussage über die Bekanntheit oder gar über die Bedeutung der Mediation nach sich zieht ist spekulativ.
Auch Aussagen, wonach die Zahl der nachgefragten Mediationen stagniere und die Zahl der Gerichtsverfahren zurückgehe bedürfen der Relativierung. Die Mediationsgesetz-Evaluierung ermittelt zwar eine unveränderte Zahl nachgefragter Mediationen. Sie stellt diese aber nicht in Relation zu der Zahl der Angebote, die mit der stark zunehmenden Zahl an zusätzlichen Mediatoren angestiegen sein dürfte. Auch die Zahl der Gerichtsverfahren ist mit Aussagen zur jeweiligen Konjunktur und zur Veränderung der Bevölkerungszahl zu relativieren. Beides sind Faktoren, die auf die Nachfrage nach Gerichtsverfahren einwirken.
Zu beachten ist auch, dass die Mediation ein nutzenorientiertes Verfahren ist. Der Nutzen drückt sich nicht in der Tatsache des Zustandekommens einer Abschlussvereinbarung aus. Zählstatistiken, die Verfahren mit Abschlussvereinbarungen zählen, sind deshalb mit Vorsicht zu genießen.
Die Mediationsgesetz-Evaluierung versucht eine Korrelation zwischen der Nachfrage und dem Erfolg der Mediation herzustellen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Abschlussquote zwar bei 76% liege. Der Erfolg habe sich aber in weniger als 50% der Fälle hergestellt12 . Auch vor der Evaluierung wurde die Abschlussquote in ähnlicher Höhe angegeben. Allerdings wurde die Quote als Erfolg der Mediation gegenüber dem Gerichtsverfahren gewertet. Dort ist die Anschlussquote statistisch 100% (jedes Verfahren komnt zu einem Ergebnis). Wenn der Erfolg im Obsiegen gemessen wird, kann er jedoch nur bei 50% liegen. Wenn der Erfolg in der Konfliktbeilegung gesehen wird, liegen keine Zahlen für die Gerichte vor. Wenn bei der Mediation die Erfolgsquote hinter der Abschlussquote zurückliegt, spricht dies dafür, dass die Mediation nur eine Vergleichqualität besitzt. Dieser Eindruck entsprocht der von Moti beschriebenen Entwicklung13 .
Trends in der Mediation sind auch mit den Statistiken über andere Verfahren abzugleichen. Hier gibt der Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Forschungsvorhaben über die Funktionsweise der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle interessante Einblicke. Es gibt in Deutschland 26 Verbraucherschlichtungsstellen. Die Nachfrage ist gegenüber dem Jahr 2017 (bis 2020) um mehr als das Dreifache gestiegen. Überwiegend werden diese Verfahren bei niedrigen Streitwerten bis 500 € in Anspruch genommen.14
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