Die Falleignung aus der Sicht der Praxis
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Unterseite der Rubrik Mediationsfälle in der Abteilung Praxis.
Es geht um die Frage, welche Fälle für die Mediation in Betracht kommen können.
Abstract: Es macht wenig Sinn, sich an einem Fall die Zähne auszubeißen, der gar nicht für eine Mediation geeignet ist. Die Prüfung der Geeignetheit steht deshalb ganz oben auf der ToDo-Liste des Mediators. Es gibt aber noch mehr zu beachten.
Einführung und Inhalt: Wenn hier von Mediationsfällen die Rede ist, werden die Fälle angesprochen, die mit dem Mediationsverfahren i.S.d. Mediationsgestzes abzuwickeln sind. Gerade in diesen Fällen ist es als ein vorwerfbarer Fehler anzusehen, wenn die Prüfung der Geeignetheit unterbleibt. Manche Fälle eignen sich besser und manche weniger gut für die Mediation. Um ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Fälle sich wie für eine Mediation eignen, wurde eigens eine Falldatenbank eingerichtet. Sie soll dazu beitragen, die Kompetenz und den Wirkungsradius der Mediation besser zu erkennen. Natürlich ist sie auch die Grundlage, für weitere Untersuchungen am Fall und eine Gelegenheit zum Üben.
Die Prüfungspflicht
Es ist nicht nur eine Aufgabe des Mediators, die Falleignung zu prüfen.1 Die Prüfung der Geeignetheit ist auch ein Erfolgskriterium für die Durchführung der Mediation. Es wäre fatal, wenn der Mediator erst nach dem Scheitern einer Mediation feststellt, dass der Fall gar nicht für eine Mediation geeignet war. Das wäre zumindest sehr unprofessionell. Um sich der Frage nach der Falleignung zu nähern, mag die folgende Faustregel helfen:
Ihnen ist sicher aufgefallen, dass bereits dieser Merksatz sehr davon abhängt, welches Mediationskonzept Sie der Mediation zugrunde legen. Genauere Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit der Mediation ergeben die Ausführungen zur Geeignetheit und zur Zulässigkeit. Dort findet sich auch ein Prüfungsschema.
Einschätzung der Geeignetheit
In diesem Beitrag geht es weniger darum, die Prüfungsschritte herauszuarbeiten. Hier steht die Sicht der Praxis im Vordergrund.
Keinesfalls ist die Fallbearbeitung in der Mediation mit der Prüfung der Statthaftigkeit eines juristischen Verfahrens gleichzusetzen. Anders als dort bedeutet die Statthaftigkeit (oder das Pendant der Geeignetheit) noch lange nicht, dass der Fall auch erfolgreich zu Ende gebracht werden kann. In der Praxis kommt also zu der mechanischen Eignungsprüfung noch eine Einschätzung hinzu, ob es auch Sinn macht, mit den Parteien eine Mediation durchzuführen. Diese Einschätzung ist im Vorfeld einer Mediation recht schwierig. Die Beurteilung, ob die Mediation erfolgreich abgewickelt werden kann, hängt unter anderem auch davon ab, ob und wie sich die Parteien darauf einlassen können. Das weiß der Mediator in der Regel erst, nachdem die Mediation begonnen hat. Für die Frage, ob und inwieweit sich die Parteien auf die Mediation einlassen können, spielen viele Faktoren eine Rolle. Ausschlaggebend ist zum Beispiel die Motivation der Parteien, die Nutzenerwartung, die Bedarfsdeckung, aber auch die Kosten und das Helfersystem im Hintergrund. Der Mediator sollte das alles im Blick haben und gegebenenfalls einwirken. Paradoxerweise gilt für die Einschätzung der Falleignung der Grundsatz:
Ihnen ist sicher aufgefallen, dass die Auseinandersetzung mit der Frage der Falleignung längst nicht mehr nur auf den Fall achtet. Darauf bezogen, lassen sich folgende Beispiele herausstellen, um Fälle zu kennzeichnen, bei denen es objektiv auf die Suche nach einer Lösung ankommt:
Die Beispiele zeigen, dass die Lösung oft dort gefunden wird, wo sie (zunächst zumindest) niemand vermutet hat. In beiden Fällen ließ sich die Lösung herbeiführen, nachdem es gelungen war, den Blick von den ursprünglich vorgestellten Ergebnissen zu lösen.
Der Lösungskuchen
Mit dem Lösungskuchen wird die Lösungsmenge oder spieltheoretisch formuliert die Ausschüttung bezeichnet.
Die Mediation geht davon aus, dass sich der Lösungskuchen (die Lösungsmenge) beliebig vergrößern lässt. Das ist eigentlich nichts Besonderes. Besonders ist das Unerwartete. Der Blick dahin öffnet sich erst, wenn eine Lösung für möglich gehalten wird. Daraus lässt sich die Anforderung ableiten:
Auch dieser Grundsatz beruht auf einer Einschätzung. Sicher hat der Mediator die Erfahrung gemacht, dass ich der Lösung Kuchen tatsächlich fast immer erweitern lässt. Wie das Orangenbeispiel zeigt gelingt die Vergrößerung des Kuchens, wenn sie Parteien sich auf eine andere Ebene einlassen als die Lösungsebene (Interessenebene). Oft wird gefragt, was denn passiert, wenn beide Töchter Orangensaft trinken wollen. Auf der Interessenebene wäre der Kuchen also nicht zu vergrößern und es käme zu einem Verteilungskonflikt. Geht der Mediator aber noch tiefer auf die Ebene der Bedürfnisse oder Motive, findet sich auch dann eine Lösung (etwa in der Beziehung der Geschwister zueinander). Bei der Menschen Mediation war eine Sichtveränderung ausschlaggebend. Das erreicht die sogenannte Transformertiefe Mediation. Der Grundsatz könnte also lauten:
Die Betonung liegt auf dem Wort fast. Der Mediator erkennt die Tiefen der im Konflikt anzusprechenden Ebenen anhand der Konfliktanalyse. Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten:
Die Unmöglichkeit, den Lösungskuchen zu vergrößern, ändert die Herangehensweise in der Mediation. Sie wird deshalb als eine Herausforderung beschrieben, der sich der Mediator zu stellen hat.2 Sie geht mit der Aufgabe einher, das Verfahren gegebenenfalls anzupassen.3
Die Anpassungspflicht
Eingang wurde erwähnt, dass der Mediator noch mehr zu beachten hat, als nur die Prüfung der Geeignetheit. Die Mediation ist ein flexibles Verfahren und eine kompetente Herangehensweise, die in fast allen Fällen so oder so zur Anwendung kommen kann. Für das Gelingen der Mediation kommt es deshalb auch darauf an, dass sie an die Konfliktlage angepasst wird. Sie finden hierzu ausführliche Hinweise im Fachbuchabschnitt Prozess.4
Bedeutung für die Mediation
Es ist eine Frage der Professionalität, ob und wie der Mediator die Vorüberlegungen zur Mediation durchführt oder nicht. Die Prüfung der Zulässigkeit ist zwingend erforderlich.5 Die Prüfung der Geeignetheit hilft darüber hinaus, die richtigen Weichen zu stellen und das Verfahren korrekt aufzubauen.
Was tun wenn...
- Der Mediator unterlässt die Prüfung der Geeignetheit
- Es stellt sich heraus, dass die Mediation ein sittenwidriges Ziel verfolgt
- Die Mediation wird falsch bezeichnet
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Interventionenfinder
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Siehe auch: Falldatenbank, Projekt-Fallanalyse, Statistik
Included: Lösungskuchen
Diskussion (Foren): Siehe Erfahrungen
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