Lade...
 

Seeblickhotel-Fall

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Bereich Wiki unlimited. Inhaltlich ist er Rubrik Mediationsfälle der Wiki-Abteilung Praxis zugeordnet und verweist auf die Fallbesprechungen. Es geht um die konkrete Fallbearbeitung. Beachten Sie bitte auch folgende, damit zusammenhängende Seiten:

Fallbesprechungen Fall-Seeblickhotel Arbeitshilfe Falleintrag Erfahrungen    

Die Fallbeispiele sollen zum Lernen beitragen. Sie können in Peergroups zum Üben genutzt werden, aber auch um die Methodik zu hinterfragen. Bitte schauen Sie sich die Lösungshinweise erst an, nachdem Sie den Fall ausprobiert haben. In einem Rollenspiel sollten die Briefings nur von den Personen gelesen werden, denen ein Rollenverhalten zugeschrieben wird.

Fallbeschreibung

Die Milton Hotelkette möchte ein neues Seeblickhotel errichten. Sie beauftragt den Unternehmer S. Es ist eine große Hotelkette. Geplant ist, weitere Hotels dieser Art zu errichten. In dem ersten Hotel liefert S einen Teppich, der statt der vertraglich vereinbarten Farbe im Farbton Pfirsich die Farbe mit der Bezeichnung Apricot hat. Der Teppich wird eingearbeitet. Als der Geschäftsführer des Hotels die Farbe moniert, tauscht S den Teppich wieder aus. Weiterhin wird statt der vertraglich vereinbarten Küche der Marke Profiküche eine angeblich gleichwertige, aber billigere no Name Küche installiert. Die Geschäftsleitung der Milton AG verlangt den Austausch der Küche wie im Vertrag vereinbart. S behauptet, dass dann die Lieferfrist bis zum Saisonbeginn nicht eingehalten werden könne. Wenn die Geschäftsleitung auf Neulieferung der Küche bestehe, wolle S auch das Geld für den Ersatz des Teppichs beglichen haben. Es kommt zum Streit vor einem Mediator. Beide Parteien erscheinen mit Anwälten.

Briefing

Das Briefing ist verdeckt, weil es Informationen an die Parteien enthält, die der Mediator in der Regel nicht kennt. In einem Rollenspiel kann sich jede Partei das für sie einschlägige Briefing anschauen.

Rolle der GF

Rollenverhalten der GF:

Die Geschäftsführung ist ziemlich wütend, weil S die ganze Zeit gemacht hat, was er will. Er hat sich benommen, als sei er der Auftraggeber. Er hat sich nicht wie ein Auftragnehmer benommen. Das hat die GF sehr gestört. S war sich zu vornehm, sich mit GF abzustimmen. GF weist darauf hin, dass sowohl der Teppich wie auch die Küche ihre Zustimmung erfordert hätte. S hätte nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden dürfen. Dafür muss er jetzt bestraft werden. Selbst wenn es stimmt, dass er anderenfalls die Lieferfrist nicht einhalten könne. Dann hätte er andererseits auch nicht dem Vertrag zustimmen dürfen. So etwas prüft man doch, wenn man ein Angebot macht und bevor man Versprechungen eingeht. Deshalb muss S das ganze Risiko tragen. Immerhin habe er den Zuschlag bekommen, weil er sich in seinem Angebot auf die Leistungen eingelassen habe. Wenn das wider besseres Wissen geschah, war das, was S gemacht hat, Betrug. Was die ständigen Anpassungen anbelangt, sagt GF, dass dieser Einwand stimme. Es habe häufige Anpassungen gegeben. Sie seien aber abgestimmt gewesen und wurden sehr großzügig vergütet. GF begründet, warum der Teppich und die Küchemnarke so wichtig sind für sie. Die Teppichfarbe gehört zur Corporate Identity. Er wird, wie die Küche auch, in allen Hotels eingebaut. Die Küche kann (weil sie die gleiche Firma und das gleiche Fabrikat ist) von allen Köchen bedient werden. Die Herstellerfirma hat einen guten Service und einen Notdienst, außerdem eine längere Gewährleistung (3 statt 2 Jahre).

Rolle des RA der GF

Rollenverhalten des RA der GF:

Diese Rolle ist optional. D.h. der Fall kann auch ohne RAe gespielt werden. Dann sind aber die rechtlichen Hinweise trotzdem spannend. Der Anwalt kann wählen, ob er konstruktiv ist (sich zurückhält) oder aggressiv sich in alles einmischt und aus der Mediation ein Gerichtsverfahren macht. In rechtlicher Hinsicht räumt er ein (und berät auch die GF in diesem Sinne, wenn die Gegenseite nicht dabei ist) dass der Anspruch auf Austausch des Teppichs (bzw. Ersatz der Kosten für den Austausch) schwach ist. Denn die Farbzbezeichnungen Pfirsich oder Apricot sind keine verbindlichen Farben. Dazu wären RAL-Töne anzugeben gewesen. Was die Küche anbelangt, ist sein Rat eindeutig. Da wurde nicht geliefert, was vereinbart war.

Rolle des S

Rollenverhalten des S:

S beklagt sich, dass seine Leistung nicht wertgeschätzt werde. Er ist auch sauer, weil er jede Anpassung mitgemacht habe. Das sieht er als Beweis für sein Entgegenkommen. Er räumt ein, dass alle Anpassungen großzügig vergütet wurden. Was den Teppich anbelangt, so legt er Wert darauf, dass der Austausch für ihn unter Kulanz lief. Die Farbe sei identisch. Lediglich die Bezeichnung weiche ab. Was die Küche anbelangt, legt er ein Gutachten vor, dass die Küche absolut gleichwertig sei. Sie sei sogar billiger. Die vertraglich vereinbarte Küche sei in der Frist nicht lieferbar gewesen. Das kann er auch nachweisen. Der Teppich sei farbidentisch. Mit bloßem Auge sei der Unterschied nicht erkennbar. Die Küche hat den gleichen Qualitätsstandard. Ja, die Bedienung ist geringfügig anders und ja, die Gewährleistung ist nur 2 Jahre. Dafür ist die Küche auch billiger, was der GF zugute komme.

Rolle des RA von S

Rollenverhalten des RA von S:

Diese Rolle ist optional. Der Anwalt kann wählen, ob er konstruktiv ist (sich zurückhält) oder aggressiv sich in alles einmischt und aus der Mediation ein Gerichtsverfahren macht. In rechtlicher Hinsicht ist er sich sicher, dass der Teppich nicht hätte ausgetauscht werden müssen. Das sei Kulanz seines Mandanten gewesen, wenn er ihn dennoch ausgetauscht hat. Bei der Küche stellt er heraus, dass die Lieferung eine Schadensbegrenzung gewesen sei.

Lösungshinweise

Die Lösungshinweise beziehen sich auf den konkreten Fall. Sie können sich in einem Rollenspiel druchaus anders darstellen. Das Problem, um das es geht, dürfte aber auch dort zum Vorschein kommen. Wie geht ein Mediator mit dem Fall um, und was ist die Besonderheit des Falles?

Lösungsansatz
Die rechtliche Lösung nützt eigentlich keinem, weil die Küche nicht mehr rechtzeitig umgebaut werden kann. Die Küche würde also erst nach der Eröffnung eingbaut werden können, wenn die Eröffnung nicht verschoben wird. Rechtlich gesehen spielen dann Sekundäransprüche (Schadensersatz) eine wichtige Rolle. Die Chancen der Mediation liegen in der Perspektive der Zukunft. Es findet eine Sichtveränderung statt, indem die Leistungen und die Zusammenarbeit auch positive Seiten aufweisen kann. Beide haben ein Interesse, auch in Zukunft zusammenzuarbeiten. Wenn der Beziehungskonflikt im Vordergrund steht, reguliert sich alles mit einer Entschuldigung und guten Vorsätzen für die Zukunft.

Falldiskussion

Sie können im Kommentarbereich (siehe den Button unterhalb der Seite) Fragen stellen oder andere Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen.

Prüfungsfragen

Ist dieser Fall für eine Mediation geeignet?
Bitte prüfen Sie Geeignetheit. Suche nach einer Lösung macht Sinn.
Was sind die Themen?

1. Sachkonflikt (Austausch des Teppichs)
2. Sachkonflikt (Lieferung der bestellten Küche)
3. Beziehungskonflikt (Umgang miteinander)

Wie werden die Rechtsfragen eingeführt?
Es ist die Frage, ob das nötig ist. Beim Teppich ist die Rechtslage schwach für die GF, bei der Küche gut, aber eine termingerechte Lieferung ist nicht möglich. Dann kommt es zur Frage, ob neben dem Umbau noch Schadensersatz wegen der Verspätung gefordert werden kann. Auch wie damit umzugehen ist, dass die Leistung unmöglich war (also die rechtzeitige Lieferung), wer dafür aufkommen muss usw. Das deutet auf einen längeren Rechtsstreit hin mit nicht ganz eindeutigen Folgen.
Was würde passieren, wenn die Geschäftsbeziehung nicht fortgesetzt werden soll?
Was passieren würde, wenn die Parteien nicht darauf angewiesen wären oder nicht wünschen, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen, ist wahrscheinlich, dass der Konflikt auf keiner höheren (Interessen-)Ebene aufgelöst werden kann und dass es zu einer Verteilung (Kompromiss) kommt.
Wie lautet die Abschlussvereinbarung?
Das hängt natürlich vom Inhalt ab. Sie ist grundsätzlich formfrei möglich, es sei denn es wird eine Vollstreckbarkeit vereinbart. Wenn eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung vereinbart wird, sollten Markierungen festgelegt werden, sodass sich Vertrauen wiederherstellen kann. Es sollten Fragen beantwortet werden, wie die Beziehung nachhaltig neu gestaltet werden kann.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-08-19 10:26 / Version .

Siehe auch: OMA
Diskussion (Foren): Erfahrungen mit Fällen und der Fallarbeit, OMA Mediatorenausbildung. Vorschläge, Kritik, Kommentare
Geprüft:


Based on work by Arthur Trossen . Last edited by Katrin Warneke
Seite zuletzt geändert am Montag September 9, 2024 04:23:42 CEST.

Durchschnittliche Lesedauer: 6 Minuten