Menschen in der Mediation
Der Kommentar von Heike Egner zum Beitrag über die Bedeutung des Menschenbildes in der Mediation (Siehe Menschenbild) und ihre Einladung zum Erfahrungsaustausch über ein kleines Detail "Wir Menschen" zu sagen, statt "der Mensch" hat nicht nur zur Änderung des Textes geführt, sondern auch zur Einrichtung dieses Threads.
Der Mensch ist kein Gegenstand. Ja, es stimmt. Der Eindruck wird vermieden, wenn wir von "Wir Menschen" sprechen. Ich versuche mich zu erinnern, ob ich in der Mediation jemals von "dem Menschen" gesprochen habe. Wohl werden menschliche Phänomene thematisiert, um das Konfliktverhalten bewusst zu machen. Ich werde in Zukunft darauf achten, wie ich formuliere. Was es bei dem anderen macht, werde ich wohl kaum herausfinden können. Wohl aber kann ich beobachten, was es bei mir macht. Ich bin neugierig, denn gedanklich schließe ich mich natürlich ein, wenn ich von "dem Menschen" spreche. Trotzdem werde ich versuchen herauszufinden, was die Inklusion bewirkt.
Das Menschenbild spielt eine wichtige Rolle in der Mediation und nicht nur dort. Heike hat völlig recht. Der Mensch bin auch ich und der Mediator ist auch nur ein Mensch. Er kann sich davon nicht befreien. Das sollten wir niemals vergessen. In meiner Vorstellungswelt der Mediation bildet der Mediator die Metaebene ab. Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass dies nur annhähernd gelingen und nicht mehr sein kann als eine Inspiration für die Medianden. Denn die Metaebene, die frei sein sollte von allem, ist natürlich an das eigene Menschsein gekoppelt und deshalb nicht wirkllich frei. Andererseits ist die Kopplung aber genau das, was das Menschliche nach vorne bringt, mit allen Vor- und Nachteilen. Wieviel Menschlichkeit brauche ich, um Menschen zu verstehen und wo hindert sie am Verstehen?
Ich bin inzwischen längt dazu übergerangen, den Parteien bei der Einführung in die Phase 3 etwa zu erklären: "Ich werde Ihnen ständig Rückmeldung geben. Sie dürfen falsch sein. Bitte achten Sie darauf und korrigieren Sie mich gegebenenfalls. Es geht darum, zu verstehen wie Sie denken und fühlen". Vielleicht füge ich in Zukunft hinzu: "Ich bin ja auch nur ein Mensch".
Erinnern wir uns: Mediation ist keine komplette Neuerfindung wie der Computer mit seinen digitalen Zellen. Mediation ist ein neuer Begriff für Sache aus Urzeiten der Menschheit, die lediglich mit komplexeren und abstrakteren Formen der Konflikte umzugehen verspricht.
Mit dem neuen Begriff scheint sich freilich eine gewisse Fremdheit der Betrachtung eingeschlichen zu haben – und damit etwa auch die Frage: Ist der Mediator ein besonderer Mensch? Wir sollten jedoch nicht die Methodik mit der Person des Anwenders verwechseln. Immer noch ist der Mediator – die Mediatorin – in erster Linie ein Mensch, und das soll auch so bleiben. Fragen wir uns also: Was für einen Menschen wünschen wir uns in Zeiten sich zunehmend weiter entfremdender Konflikte?
Dieser Mensch sollte anders sein als die Menschen, die einer Computerffektivität nacheifern, er sollte „echter“ sein, lebendiger, vielleicht sogar fehlbarer. Er sollte in gewisser Weise das Gegenbild zu einem Computermenschen darstellen, um so die Konflikte, in denen man sich verirrt hat, wieder auf ein menschliches Maß zurückzuführen. Wie könnte er das tun? Wie könnte er das nicht tun? Fangen wir beim Zweiten an: Er sollte sich nicht in Abstraktheiten auflösen, er sollte nicht eine Sache nur glattbügeln, er sollte sich nicht gegen echte Berührung wehren. Damit wäre keinem geholfen.
Was könnte er tun? Als erstes: Er sollte da sein, ganz und gar präsent sein. Er sollte einen festen Stand haben, so dass der auch ohne Worte spürbar wird. Er sollte ganz in der Welt sein, so wie sie heute ist, mit all ihren Brüchen und Absurditäten, ohne sich davon auszunehmen. Er sollte durch seine eigene Person ausdrücken können, dass sich die Natur des Menschen mit ihren Wünschen und Leiden seit ihrem Anbeginn nicht verändert hat, und dass man damit leben und überleben kann. Denn sonst gäbe es uns heute nicht.