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Der persönliche Mediationsstil

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Mediationssystematik Verständnis Konzepte Modelle Formen Felder Stile Führung Haltung

Worum es geht: Die persönlichen Stile und Ausprägungen runden die Klassifizierung der Mediationen ab.
Der Stil ist sozusagen die persönliche Note des Mediators.

Einführung und Inhalt: Im Gegensatz zu den Mediationsmodellen beschreiben die Mediationsstile die individuelle, durch den Mediator oder die Mediatorin geprägte Ausdrucksform der Mediation. Die persönlichen Mediationsstile fügen sich als eine eigenständige Klasse in die Mediationssystematik ein. Sie lassen sich mit den anderen Klassen, wie z.B. die Mediationsmodelle, die Mediationsformen oder die Mediationsfelder kombinieren. Die nebenstehende Skizze verdeutlicht ihren Standort.

Abgrenzung

Die Stile sind den Modellen und Formen untergeordnet. Sie dürfen das Wesen der Mediation nicht verändern. Stile repräsentieren die Werte hinter der Mediation. In ihnen verwirklicht sich das Menschenbild. Sie werden in erster Linie durch die Art und Weise der Kommunikation geprägt.

Die Kommunikation gestaltet sich bei jedem Menschen anders. Hier spielen die innere Einstellung und die Ausstrahlung des Mediators eine entscheidende Rolle; zweifellos auch seine Erfahrung, die Verhandlungskompetenz und sein Verständnis von Mediation.

 Merke:
Leitsatz 12100 - Der individuelle Mediationsstil wird durch die Sicht auf sich selbst und die Mediation geformt und erlaubt umgekehrt Rückschlüsse darauf.

Ein in der Mediation beachteter Lehrmeister ist Carl Ransom Rogers, der Entwickler der klientenzentrierten Gesprächsführung. Sie stellt das Individuum in den Mittelpunkt, nicht das Problem. Das Ziel eines solchen Gesprächs liegt nicht im Lösen eines bestimmten Problems, sondern darin, dem Individuum zu helfen, sich so zu entwickeln, dass es mit dem gegenwärtigen oder mit später auftretenden Problemen auf bessere Weise umgehen kann. Rogers sieht den Menschen als grundsätzlich fähig, seine Probleme situationsbedingt selbst zu lösen. Dieses Menschenbild erlaubt es dem Mediator, sich zurückzunehmen und darauf zu verzichten, direktiv und bestimmend auf die Medianden einzuwirken.

Außer dem Menschenbild spielt die Ausstrahlung des Mediators eine Rolle. Seine Ausstrahlung beeinflusst die Art und Weise, wie Menschen reagieren. Natürlich wirken sich auch die Kompetenz und die Erfahrung auf die Gesprächsführung aus. Der Mediator kennt diese Wirkung und kann sie in der Mediation einsetzen. Der Versuch, die sich aus der Kombination von Menschenbild (Lebenseinstellung), Ausstrahlung, Auftreten, Kompetenz und Methodik ergebende Bandbreite an Interaktionsmöglichkeiten zu klassifizieren, reicht von einem autoritär führenden Stil bis hin zu einem scheinbar beliebigen Laissez faire.

Unterscheidbare Stile

Die Mediationsstile verwirklichen sich in den nachfolgend aufgeführten Typen:

Aktiver Mediator
Der Begriff wurde von Kracht geprägt. Ein aktiver Mediator wird mehr Einfluss auf das Geschehen nehmen als der passive. Ihm sind sogar Vorschläge zugestanden. Susskind & Cruikshank fordern, dass sich der Mediator als aktiver Konflikthelfer auch an der Entwicklung inhaltlicher Kriterien für die Überprüfung von Verhandlungslösungen beteiligen sollte. Die Grenzen zur Schlichtung sind zu beachten. Es stellt einen Mediationsfehler dar, wenn der Mediator mit seiner Einflussnahme das Kommunikationsmodell der Mediation verlässt. Besser zur Mediation passt deshalb die Auffassung, dass der aktive Mediator eine Einigung verhindern soll, die letzten Endes nicht umzusetzen ist. Diese Auffassung deckt sich mit der hier vertretenen Sachverantwortung des Mediators.
Direktiver Mediator
Mediatoren geben Handlungsanweisungen auf der Inhaltsebene. Sie setzen ihre Überredungskunst ein, weil sie der Überzeugung sind, dass die Medianden ihre Erkenntnisse brauchen, um zu einverständlichen Lösungen zu kommen. Die Vorgehensweise wird auch als "directive style" beschrieben. Es ist nicht klar, ob es sich dabei schon um eine Schlichtung, um eine evaluative Mediation oder lediglich um einen hyperaktiven Mediator handelt.
Ergebnisorientierter Mediator
Einfluss nimmt sicher auch der auf dem einzelnen Mediator lastende Erfolgsdruck. Er ist ein Reflex des Wettbewerbs, über den zugleich ein anderes Verständnis von Mediation zum Ausdruck kommt. Schon die Einschätzung, wann eine Mediation erfolgreich ist oder nicht, wirkt sich auf das Verhalten aus. Viele Mediatoren meinen, ihre Erfolge statistisch mit der Zahl zustande gekommener Abschlussvereinbarungen nachweisen zu müssen. Sie unterliegen der Gefahr, Einigungen als solche als ihren Erfolg zu betrachten. Sie neigen dazu, die Medianden in Einigungen zu treiben. Ein verständiger und erfahrener Mediator erkennt andere Erfolgskriterien. Auch weiß er, dass eine Einigung durchaus auch einen Kompromiss darstellen kann. Ein Mediator sollte einen Kompromiss (anstelle eines Konsenses) nicht als Erfolg verbuchen. Den Konsens im Auge behaltend wird er sich weniger auf das angestrebte Ergebnis, als auf den Augenblick des Verfahrens konzentrieren. Schieferstein nennt die Mediation den Tanz mit dem Moment. Eine zutreffende Metapher, die sich in der Haltung beim stoischen Mediator wiederfinden lässt.
Muscle Mediator
Das abschreckende Beispiel des unter Erfolgsdruck stehenden Mediators beschreibt den Muscle Mediator. Diese, auf einen amerikanischen Beitrag zurückgeführte stilistische Variante, stellt einen Mediationsfehler dar, wenn die Parteien ihr nicht zugestimmt haben. In einer Mediation soll nicht die Erschöpfung der Anlass für die Einigung sein, sondern die Erkenntnis. Nur so kann die versprochene Nachhaltigkeit sichergestellt werden.
Der führende Mediator
Der Mediator sollte seinen Führungsstil hinterfragen. Das Mediationsgesetz scheint diesen Stil in § 1 Abs. 2 nahezulegen. Die gesetzliche Formulierung, dass der Mediator die Parteien durch das Verfahren führt, könnte – abhängig von dem sich daraus ergebenden Führungsstil – ein charakteristisches Verhalten nahegelegen, dass nicht zwingend kompatibel zum Wesen der Mediation ist. Die Mediation verwertet die Erkenntnisse von Carl Rogers, der von einem klientenzentrierten Gespräch erwartet, dass es nicht­direktiv geführt wird1 .

Die Formulierung im Gesetz beruht übrigens auf einem Übersetzungsfehler. Die Originalübersetzung der EU Direktive lautet, eine Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen. Diese Formulierung weist dem Mediator eine ganz andere Rolle zu. Der Mediator ist kein Führer! Außer in hoch eskalierten Konflikten genügt es, wenn er leitet.

Das Problem der Führung

Alle Entscheidungen in der Mediation werden im Konsens getroffen! Der Gesetzgeber überfordert den Mediator, wenn er in der Begründung zum Mediationsgesetz2 ausführt, dass der Mediator für die gelingende Kommunikation verantwortlich sei. Verbunden mit dem falschen Mythos, dass der Mediator für das Verfahren verantwortlich sei, während die Parteien für das Ergebnis verantwortlich seien, legen solche Formulierungen ein eher zum Richter als zum Mediator passendes Bild nahe. Die Verantwortung in der Mediation wird in einem kooperativen Verständnis geteilt, wo alle Teilnehmer (einschließlich der Mediator) auf gleicher Augenhöhe sind. Der Mediator hat keine Macht über die Parteien und will sie auch nicht haben. Er kann deshalb keine Verantwortung für die Kommunikation der Parteien übernehmen. Seine Verantwortung endet mit seiner eigenen Kommunikation. Diese muss er allerdings so ausrichten, dass eine gelingende Kommunikation möglich wird. Der führende Mediator wird Regeln vorgeben und überwiegend Fragen stellen („Wer fragt der führt“), ohne dass dafür ein zwingender Anlass besteht. Die Gefahr, dass die Parteien in ein Ergebnis hineinsteuert werden, ohne darauf zu achten, dass sich das Ergebnis aus dem Prozess selbst heraus ergibt, ist groß.

Der stoische Mediator
Stoiker zeichnen sich durch Gelassenheit aus. Das Adjektiv stoisch beschreibt Menschen, die stets beherrscht und weitestgehend frei von emotionalen Schwankungen sind. Ein besonderes Merkmal der stoischen Philosophie ist die ganzheitliche Betrachtungsweise. Sie unterstützt eine systemische Sicht, bei der die innere Freiheit und moralische Autonomie eines jeden Menschen im Vordergrund steht. Der stoische Mediator ist das Vorbild der Integrierten Mediation. Er lässt sich durch Nichts aus der Ruhe bringen. Für ihn sind alle Probleme, die im Verfahren auftreten Chancen, die er für die Mediation zu nutzen weiß. Er gibt keine Regeln vor, sondern entwickelt sie aus den Begebenheiten und als Notwendigkeit nur dort, wo sich ein Bedarf ergibt. Er hält sich mit Fragen zurück, stellt aber die Rückmeldung und das präzise Zuhören in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit („Wer zuhört leitet“).

Bedeutung für die Mediation

Zur Vollständigkeit sei auch der Schmerzmediator erwähnt. Das ist allerdings kein Mediator i.S.d Mediationsgesetzes, sondern ein Begriff aus der Medizin. Er bezeichnet körpereigene Substanzen, die chemische Reize auslösen und als Schmerz empfunden werden.3 Die Erwähnung des Schmerzmediators mag allerdings darauf hinweisen, dass weder die Mediatorenbegriffe noch die Zusammenstellung der Stile abschließend sein kann. Letztlich ist die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Stil auch eine Auseinandersetzung mit der Haltung. Der Mediator muss erkennen, wo der Stil noch dem Wesen der Mediation entspricht oder nicht. Ideal wäre es, wenn er den Stil den Anforderungen des Falles bzw. der Parteien anpassen kann. Besonders bei hoch eskalierten Konflikten kann es nützlich sein, wenn der Mediator auch autoritär auftreten kann. Sollte deshalb auch der flexible Stil erwähnt werden? Wichtig ist, dass der Stil dem Wesen der Mediation entspricht.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-03-27 18:28 / Version 41.

Alias: Stil, Mediationsstil, Führungsstil
Siehe auch: Haltung, Wesen
Literaturhinweise: Trossen ((un)geregelt), Rdnr. 162ff


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Mittwoch Dezember 11, 2024 20:12:08 CET.

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