Lade...
 

Das Eisbergmodell und das Eisbergprinzip

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zur Werkzeugsammlung der Wiki-Abteilung Werkzeuge und wird im Archiv abgelegt. Thematisch kann sie dem Abschnitt Methodik der Mediation des Fachbuchs zugeordnet werden. Beachten Sie bitte auch folgende, damit zusammenhängende Seiten:

Werkzeuge Konflikt Eisbergmodell U-Modell Kommunikation Phasenlogik Eintrag Suche

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Begriffe Eisbergmodell und Eisbergprinzip synonym verwendet werden. Das Eisbergmodell ist ein Konzept, das in verschiedenen Disziplinen, insbesondere in der Organisationsentwicklung und der Psychologie, Anwendung findet. Es dient dazu, die Komplexität von Problemen und Systemen zu veranschaulichen, indem es zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Probleme oder Systeme sichtbar ist, während der größere Teil unter der Oberfläche verborgen bleibt. Hier wird das Eisbergmodell oder das Eisbergkonzept als ein Werkzeug eingestuft, weil es zur Veranschaulichung der sichtbaren und nicht sichtbaren Konfliktaspekte dient.

Ursprung des Eisbergmodells

Das Eisbergmodell ist eine nützliche Metapher, die entwickelt wurde, um Sigmund Freuds Theorien über das Bewusstsein und das Unbewusste zu veranschaulichen. Es hilft, die Idee zu vermitteln, dass der größte Teil unserer mentalen Prozesse unter der Oberfläche des Bewusstseins liegt und dennoch einen erheblichen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen hat. Das Bewusstsein ist nur die Spitze des Eisbergs. Sigmund Freud hat zwei wichtige Modelle entwickelt, die später durch das Eisbergmodell veranschaulicht wurden und oft miteinander verwechselt werden:

Topografisches Modell (Bewusstsein, Vorbewusstsein, Unbewusstes)

  1. Bewusstsein: Dies umfasst die Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, die einer Person unmittelbar zugänglich sind. Es ist der kleinste Teil der Psyche, ähnlich wie die Spitze eines Eisbergs.
  2. Vorbewusstsein: Dies umfasst Gedanken und Erinnerungen, die nicht bewusst sind, aber leicht ins Bewusstsein gerufen werden können. Es ist der Teil der Psyche, der zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten liegt.
  3. Unbewusstes: Dies umfasst die tiefsten, oft unzugänglichen Gedanken, Gefühle und Erinnerungen, die das Verhalten und die Emotionen einer Person beeinflussen, ohne dass sie sich dessen bewusst ist. Es ist der größte Teil der Psyche, ähnlich wie der untergetauchte Teil eines Eisbergs.

Strukturmodell der Psyche (Es, Ich, Über-Ich)

  1. Es: Die instinktive, triebhafte Komponente, die die grundlegenden Bedürfnisse und Wünsche repräsentiert.
  2. Ich: Die rationale, bewusste Komponente, die die Realität wahrnimmt und Entscheidungen trifft.
  3. Über-Ich: Die moralische Komponente, die die internalisierten Werte und Normen der Gesellschaft repräsentiert.

Die Metapher des Eisbergs wurde später in andere Bereiche übernommen, um die Komplexität und Tiefe von Problemen und Systemen zu veranschaulichen. Der Begriff des Kosteneisbergs, der ebenfalls im Zusammenhang mit der Mediation benutzt wird, soll darauf hinweisen, dass die Konfliktkosten weit über die Verfahrenskosten hinausgehen und einen erheblichen Teil von nicht bilanzierbaren, unsichtbaren Kosten umfassen.1

Sichtbare und unsichtbare Aspekte

Ähnlich wie beim Kosteneisberg wird das Eisbergmodell üblicherweise verwendet, um zu zeigen, dass die sichtbaren Anteile, Probleme oder Symptome oft nur die Spitze des Eisbergs sind. Man weiß sogar, dass der sichtbare Teil nur 20% des Eisbergs ausmacht. Das Verhältnis ergibt sich aus der 80/20-Regel oder dem Pareto-Prinzip. Das Pareto-Prinzip besagt, dass nur ein kleiner Prozentsatz an Aufwand oder Ressourcen erforderlich ist, um einen Großteil des Erfolgs oder der Ergebnisse herbeizuführen. Wichtig ist, die Erkenntnis, dass die eigentlichen Ursachen und die tiefer liegenden Probleme häufig verborgen bleiben. Insofern soll und kann das Eisbergmodell dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf die weniger offensichtlichen Aspekte zu lenken, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen spielen.

Sichtbare Aspekte (Oberfläche des Eisbergs)

  1. Verhalten und Handlungen: Die beobachtbaren Aktionen und Reaktionen der Mitarbeiter.
  2. Kommunikation: Die Art und Weise, wie Informationen innerhalb der Organisation ausgetauscht werden.
  3. Strukturen und Prozesse: Die formellen Regeln, Richtlinien und Abläufe, die das tägliche Geschäft bestimmen.

Verborgene Aspekte (unter der Wasseroberfläche)

  1. Werte und Normen: Die grundlegenden Überzeugungen und Prinzipien, die das Verhalten und die Entscheidungen der Organisation leiten.
  2. Kultur: Die gemeinsamen Annahmen, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die das kollektive Verhalten der Organisation prägen.
  3. Emotionen und Motivationen: Die Gefühle und Antriebe, die das Verhalten der Mitarbeiter beeinflussen.
  4. Machtstrukturen: Die informellen Hierarchien und Einflussnetzwerke, die oft nicht offen sichtbar sind.

Anwendung des Eisbergmodells

Das Eisbergmodell kann in verschiedenen Kontexten angewendet werden, um eine tiefere Analyse und ein besseres Verständnis von Problemen zu ermöglichen. Hier ein Darstellungsbeispiel:

Eisberg

Die hier gewählte Darstellung geht von einer Dreiteilung aus.2 In anderen Darstellungen wird lediglich zwischen der Sachebene und der Beziehungsebene unterschieden. Die Freud'sche Variante kennt noch die Unterscheidung nach dem Drei-Instanzen-Modell der menschlichen Psyche, die er in das Es einteilt, wo er das Lustprinzip (Triebe, Wünsche, Bedürfnisse) ansiedelt, in das Über-Ich, wo das Moralitätsprinzip (Normen, Werte, Moral) einordnet und das Ich, wo sich das Realitätsprinzip (Tatsächliches Handeln als Mittelmaß zwischen Verlangen des Es und dem vernünftigen Über-Ich) wiederfindet. Das Es und das Über-Ich liegen zum größten Teil im Unterbewusstsein. Es wäre also unter der Wasseroberfläche einzuzeichnen. Natürlich findet sich das Eisbergmodell auch bei der Konfliktarbeit wieder. Dort wird zwischen der Sachebene und der Beziehungsebene unterschieden. Die Konfliktdimensionen erlauben auch die Zuordnung von Konflikten auf der untersten Bewusstseinsebene, wo Werte und Identitätskonflikte angesiedelt werden. Nachfolgend einige Beispiele für die Verwendung des Eisbergmodells:

Problemlösung in Organisationen
Wenn eine Organisation mit einem wiederkehrenden Problem konfrontiert ist, kann das Eisbergmodell helfen, die zugrunde liegenden Ursachen zu identifizieren. Anstatt sich nur auf die sichtbaren Symptome zu konzentrieren, können Führungskräfte und Mitarbeiter die tiefer liegenden Faktoren untersuchen, die das Problem verursachen.
Change Management
Bei der Implementierung von Veränderungen in einer Organisation ist es wichtig, nicht nur die sichtbaren Strukturen und Prozesse zu berücksichtigen, sondern auch die verborgenen kulturellen und emotionalen Aspekte. Das Eisbergmodell hilft dabei, die Widerstände und Herausforderungen zu verstehen, die unter der Oberfläche liegen.
Psychotherapie
In der Psychotherapie wird das Eisbergmodell verwendet, um Patienten zu helfen, ihre tiefen, oft unbewussten Gefühle und Motivationen zu erkennen. Durch die Analyse der verborgenen Aspekte können Therapeuten und Patienten gemeinsam an der Lösung von Problemen arbeiten.
Mediation
In der Mediation dient das Eisbergmodell in erster Linie als eine Metapher für den notwenigen Tiefgang, sei es in der Kommunikation oder in der Konfliktarbeit. Das Eisbergprinzip wird als Kommunikationsmodell eingeschätzt3 und findet sich im U-Modell wieder, das den Phasenablauf beschreibt.4 Eine Nähe ergibt sich auch zu den Konfliktdimensionen, die letztlich eine dem Eisbergmodell vergleichbare 3-Teilung vornimmt und die Konflikte dementsprechend einordnet.

Über Tiefen und Höhen

Der Eisberg suggeriert stets, dass es in die Tiefe gehe. Der notwendige Tiefgang wird auch von der U-Theorie aufgegriffen. Im Zentrum der Theorie von Otto Scharmer steht die Idee, dass tiefgreifende Veränderungen nur dann möglich sind, wenn Individuen, Gruppen und Organisationen sich von alten Denk- und Handlungsmustern lösen und sich auf ein tieferes, intuitives Wissen einlassen. Die U-Theorie hat das U-Modell inspiriert, das ebenfalls den Gedanken des Eisbergmodells aufgreift. Wir kommen nicht umhin, unter die Oberfläche zu schauen, wenn wir verstehen wollen. Sowohl die U-Theorie wie das U Modell führen von der Tiefe heraus direkt in die Lösung hinein. Im Gegensatz dazu macht die kognitive Mediationstheorie noch einen kleinen Umweg. Sie führt von der Tiefe nicht in die Lösung, sondern in die Kriterien hinein, die den zu erwartenden Nutzen beschreiben können. Die Gedanken werden also aus der Tiefe geholt, um sie in eine imaginäre, heile Welt zu überführen, die in dem geologischen Bild mit dem Himmel zu vergleichen wäre. Die Lösung gestaltet sich also aus einer höheren Sicht, die sich über die Tiefen hinwegsetzen kann. Die gedankliche Bewegung könnte in einer Grafik als eine Welle abgebildet werden.

Eisbergmodell

Die triadische Relevanz

Das Eisbergmodell wäre verkürzt dargestellt, wenn es nur auf die dyadische Über- und Unterwassersicht beschränkt wird. Wer auf die Dreiteilung abstellt, kann wichtige Verknüpfungen herstellen.5 Sie bilden sich im Zusammenhang mit den Konfliktdimensionen heraus und stellen noch weitere Verknüpfungen her, aus denen sich Bearbeitungshinweise für den Konflikt ergeben.

Ebenen der Spiritualität

Antroposophie

Konflikt und Eskalation

Eskalation

Systemik Mensch

Eskalation

Die Spiritualität, die Eskalation und die Systemik des Menschen sind nur drei Beispiele von vielen. Die Zahl 3 spielt auch bei dem 3-er Schritt der Wahrnehmung, der Unterscheidung zwischen Fakten, Meinungen und Emotionen, den 3 entscheidungsrelevanten Phasen der Mediation, den drei funktionalen Teilen des Gehirns, den zuvor erwähnten Bewusstseinsmodellen, dem triadischen Kommunikationsmodell, den drei Streitinstanzen, der Dialektik, der Systemik und sicher noch in weiteren Fällen eine wichtige Rolle. Das ist kein Zufall. Die grundsätzliche Bedeutung der 3 erschließt sich aus der Geometrie. Dort werden drei Punkte benötigt, um eine Ebene zu definieren. Erst wenn die drei Punkte in einem Dreieck gebunden werden, entsteht Balance. Das Dreieck stellt eine stabile Struktur dar, bei der jede Seite als eine Kraft anzusehen ist, die erforderlich ist, um das Gleichgewicht herzustellen. Das Eisbergmodell entwickelt sich übrigens zu einem Dreieck, wenn es in eine Dynamik eingebunden wird.

Bedeutung für die Mediation

Das Eisbergmodell ist ein mächtiges Werkzeug, das in verschiedenen Disziplinen Anwendung findet, um die Komplexität von Problemen und Systemen zu veranschaulichen. Es zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Probleme sichtbar ist, während der größere Teil unter der Oberfläche verborgen bleibt. Durch die Berücksichtigung der verborgenen Aspekte können tiefere Einblicke gewonnen und effektivere Lösungen entwickelt werden. Das Modell hilft dabei, die Aufmerksamkeit auf die weniger offensichtlichen, aber oft entscheidenden Faktoren zu lenken, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen spielen.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-12-07 07:08 / Version 25.

Alias: Eisbergprinzip
Prüfvermerk: -

2 Die Grafik wurde an das Eisbergmodell von Studyfix angelehnt. Siehe Studyfix (Eisbergmodell) - 2024-11-25
3 Siehe Hartung (Eisbergprinzip) - 2024-11-25
4 Siehe OMA-Mediationen Video "Mediation im Unternehmen 1-5", U-Modell und U-Theorie


Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Mittwoch Dezember 11, 2024 14:41:55 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 8 Minuten