Das mediative Denken
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Viele stellen die Kommunikation in den Mittelpunkt der Mediation. Es ist eine verkürzte Sicht, denn die Kommunikation ist nur ein Aspekt der Mediation. Genauer gesagt ist sie ein Mittel zum Zweck. Ihr Zweck ist es, den Parteien zu helfen, sich, einander und die Hintergründe des Konfliktes besser zu verstehen. Verstehen erfordert Nachdenken und Reflexion. Somit kommt das Denken in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Die Philosophie des Denkens in der Mediation
Das Denken der Mediation wird auch im Beitrag über die Mediationsphilosophie herausgestellt. In dem Artikel "Die Mediation als Evolutionskatalysator" wird sogar behauptet, dass die Menschheit einen Evolutionssprung vollzieht, wenn Menschen denken,. wie ein Mediator denken sollte.1 Der Grund für die gewagte These liegt in dem ganz eigenwilligen Denkprozess der Mediation. Sie wickelt, wenn man so will, den Entscheidungsprozess rückwärts ab, setzt andere Schwerpunkte, verschiebt den Fokus und entwickelt die Gedanken auf eine ganz ungewohnte Weise. Die integrierte Mediation beispielsweise stellt diesen Aspekt nach vorne. Aus philosophischer Sicht wäre es angebracht, die mediative Art des Denkens als eine eigenständige Denkweise, ähnlich wie die Logik oder die Dialektik zu etablieren. Was aber macht das Denken der Mediation so einzigartig?
Der gedankliche Weg der Mediation
Das faszinierende an der Mediation ist, dass sie alle Denkansätze aufgreifen und zusammenführen kann. Sie ist deshalb ein ideales Verfahren, um die Komplexität eines Konfliktes zu bewältigen. Die Hauptausrichtung der Gedanken ist auf den Nutzen gerichtet. Der Mediator hinterfragt deshalb die Interessen nicht die Argumente oder die Ursachen. Die Interessen erschließen sich über die Motive und beschreiben den zu erwartenden Nutzen. Der Nutzen liegt stets in der Zukunft. Die juristischen oder therapeutisch zu regelnden Sachverhalte liegen meist in der Vergangenheit. Das einzige was der Mediator wissen muss, sind die Kriterien für den zu erreichenden Nutzen, die er in der Phase drei erarbeitet. Die Ausrichtung am Nutzen ergibt eine andere Herangehensweise. Die Nutzenausrichtung kann sich - zumindest theoretisch - vollständig aus der Vergangenheit herauslösen. Die gedankliche Abfolge des Verfahrens erfolgt deshalb in drei markanten Schritten:
- A: Was ist jetzt? (Bestandsaufnahme in der Gegenwart)
- B: Was soll sein, damit alles gut ist? (Der Blick auf eine konfliktbereinigte Zukunft, aus der sich der Nutzen ableiten lässt)
- C: Wie komme ich dorthin? (Lösungen die von A nach B führen) Mathematisch könnte man die Gedankenfolge und die sich aus ihr ergebende Lösungsmenge mit der folgenden Formel ausdrücken, wobei der Exponent „n“ aus der Zahl der Teilnehmer gebildet wird. C ist die Variable für die Lösungsmenge. B ist die Variable für die Ausgangsbedingung und B ist die Variable für den hypothetischen Zustand ohne den Konflikt:
Wichtig ist, dass die Parteien ein Bewusstsein darüber haben, welchen Nutzen sie erreichen wollen und können und dass sie in der Lage sind, diesen Nutzen aufeinander abzustimmen. Der Mediator hinterfragt den erwarteten Nutzen in Phase drei. Erst danach, in einem separaten Schritt wird überlegt, wie der Nutzen zu erreichen ist. So wird gedanklich sichergestellt, dass der Nutzen stets im Fokus ist. So wird verhindert, dass sich die Parteien gedanklich auf Ergebnisse fixieren lassen, die unter Umständen ihrer Vorstellung von Nützlichkeit gar nicht entsprechen. Auch verhindert diese Herangehensweise das Aber im Kopf. Die Partei meint: „Ja das klingt ja alles ganz gut aber es geht ja doch nicht!“. Der Gedanke an das was gut ist geht in dem Moment verloren und wird mit dem ausgetauscht was nicht funktioniert. Es ist der falsche Fokus.
Mediatives Denken ist ein kombiniertes Denken
Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Strukturiertheit der Mediation einen vielschichtigen Hintergrund hat. Kognitionspsychologisch gesehen lenkt sie die Gedanken auf das Gemeinsame und Nützliche, um vom widersprüchlichen, gegensätzlichen Weg wegzuführen. Es ist notwendig, die Gedanken zu isolieren, um diesen Effekt zu erreichen. Die assoziative Macht des Gehirns im Blick habend, mag man sich vorstellen, dass Lösungen, die auf ein positives Denken gestützt werden dementsprechend positiver sind als Lösungen, die auf ein negatives Denken aufsetzen. Trotz allem bewegen wir uns in einer realen Welt. Die zu findende Lösung muss das Problem beseitigen und es muss umsetzbar sein. Es genügt also nicht, Gedanken fliegen zu lassen und Assoziationen freien Lauf zu gewähren. Deshalb sind sowohl das juristische wie das psychologische, das logische wie das dialektische, das deduktive wie das induktive Denken gefragt, um nachhaltige Lösungen zu finden. Ein freies, vielseitiges, auf die Parteien eingehendes Denken unterstützt den Prozess.
Mediatives Denken ist ein sequentielles Denken
Auch wenn die unterschiedlichen Denkansätze nicht zusammen passen, kann die Mediation sie einverleiben. Das gelingt nicht gleichzeitig aber sequentiell und in einem vorgegebenen kognitiven Rhythmus. Zutreffend ist, dass die Mediation ein Umdenken erwartet. Sie erwartet aber nicht, dass Kompetenzen und Fähigkeiten geleugnet oder gar getilgt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Mediation bezieht Alles ein und kann dadurch die kognitive Welt erweitern. Richtig ist also, dass alle Arten des Denkens, also z.B. logisches, dialektisches, juristisches und psychologisches Denken zur Geltung kommen und niemand sich foltern muss, damit die Mediation möglich wird. Wie wäre es, wenn sich das Denken der Juristen wie das der Psychologen um eine andere, philosophische Variante erweitert?
Mediatives Denken ist ein refexives Denken
Der philosophische Ansatz ist auch nur einen Teilaspekt des Kognitionsprozesses. Es gibt Phänomene und Ursachen, die sowohl die Wahrnehmung und demzufolge das Denken und die Kommunikation beeinflussen. Die Mediation kann hierfür ein Korrektiv darstellen, indem Gedanken umgekehrt auch die Wahrnehmung und die Kommunikation beeinflussen. Damit das gelingt, muss sich der Mediator über menschliche Phänomene wie z.B. die Wahrnehmung oder das Konfliktverhalten im klaren sein.
Die Psychologie kann Phänomene beschreiben, die Einfluss auf die Wahrnehmung nehmen. Sie kann erklären, warum Vorurteile aus Informationsmangel und dem Bedürfnis entstehen, sich orientieren zu wollen. Sie kann beschreiben, dass der Widerspruch zum gegnerischen Vortrag aus einer kognitive Dissonanz heraus gesteuert wird, gegen die sich der Mensch wehrt, indem er nicht ins Bild passende Tatsachen einfach leugnet. Sie kann beschreiben, warum das gleiche Phänomen aus einer selektiven, interessenorientierten Wahrnehmung von beiden Parteien höchst widersprüchlich beschrieben wird, ohne widersprüchlich zu sein. Sie kann verschiedene andere Wahrnehmungsphänomene beschreiben, die den abweichenden Vortrag der Parteien gar nicht mehr als falsch und widersprüchlich erscheinen lässt. Der Mediator muss diese Phänomene kennen, um Korrekturen zu ermöglichen und Sichtweisen zu verändern.
Das Denken des Mediators ist verstehensorientiert und darauf gerichtet, den Parteien eine Reflexion über sich und dem Konflikt zu ermöglichen. Die Mediatioon geht davon aus, dass die Parteien selbst die Löung finden, wenn sie alles verstanden haben.
Mediatives Denken ist ein komplexes Denken
Gerade wenn es darauf ankommt, alles zu verstehen, spielt die Komplexität eine große Rolle. Die Mediation bietet eine Struktur, mit der sich die Komplexität weitestgehend bewältigen lässt. Das Dimensionieren ist das Werkzeug der kognitiven Mediationstheorie, das nicht nur die Strukturierung des Verfahrens, sondern auch des Falles erlaubt und ein Handwerkszeug bietet, um die Komplexität zu durchdringen und zusammenzuführen.
Bedeutung für die Mediation
Die Mediation ist anders. Also ist auch ihr Denken anders. Um sich auf ihr Denken einzulassen, ist deshalb ein Alt-Umdenken erforderlich. Der Begriff des Umdenkens ist vom Querdenken zu unterscheiden. Es besagt lediglich, dass eine neue (andere) Denkweise angenommen wird, ohne die Denkweise zu spezifizieren. Wenn in der Mediation vom Umdenken die Rede ist, wird damit die Überführung der Gedanken in ein mediatives Denken angesprochen. Die Notwerndigkeit eines Umdenkens ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hilft das Umdenken dabei, eine (sonst nicht für möglich gehaltene) Lösung zu finden. Auf der anderen Seite sind die Mediation und ihre Kompetenz ohne ein Umdenken nur schwer erkennbar. Das wirkt sich auf die Nachfrage und die Anwendung aus.
Was tun wenn ...
- Denkfehler werden nicht aufgedeckt
- Die Parteien werden nicht in den Gedankengang der Mediation geführt
- Das Umdenken gelingt nicht
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
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